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Marxismus für den Salon
Anmerkungen zu Subjekt und Klasse in den Thesen von Wolfram Bücker und Willi Gettél (Teil 2*)

von Karl-Heinz Schubert

12/2017

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Unter "Proletarier" ist ökonomisch nichts zu verstehn als der Lohnarbeiter,
der "Kapital" produziert und verwertet und aufs Pflaster geworfen wird,
sobald er für die Verwertungsbedürfnisse des "Monsieur Kapital",
wie Pecqueur diese Person nennt, überflüssig ist.
Marx, MEW 23, S. 642, Fn.70

"Klasse ist ein Begriff, der sich im Kampf
und in der Entwicklung herausbildet.
"
Lenin, LW 30, S. 505

Die feuilletonistische Verwendung des Subjektbegriffs in den Thesen von Wolfram Bücker und Willi Gettél steht für ein Gesellschaftsverständnis, sich das gesellschaftliche Ganze vom persönlichen Individuum her zu denken. Dies befördert bei den Autoren eine altruistische Parteinahme für „Menschen“, die heute unaufhaltsam einem quasi neofeudalem Grundherrentum“ unterworfen werden:

Wie im Feudalismus geraten die Menschen mehr und mehr in Schuldknechtschaft. Das herrschende Recht schützt sie nicht. Es verwandelt sich sukzessive in eine hauseigene Gerichtsbarkeit der Grundeigentümer. Feudalkapitalistische Verhältnisse reißen ein.... Die fortschreitende Privatisierung der öffentlichen Infrastruktur und der Natur vernichtet Schritt für Schritt ihre Lebensgrundlagen. Diese Widerspruchsverquickung entzieht sich als autodestruktives Moment der Beherrschbarkeit. Es ist nicht das einzige im Ensemble der Krisendynamik. Die Ausbreitung von Schuldknechtschaft lässt sich innersystemisch nicht mehr aufhalten.“

Eine solche linke Verfallskritik, die am menschlichen Leid ansetzt, ist politisch nicht neu(1). Sie dient den Autoren dazu  „revolutionäre Initiativen“ aufzufordern, das Marx/Engelsche „Vermächtnis aufzugreifen und gegen die bürgerliche Klassenherrschaft zu wenden“. Dabei entsteht allerdings die Schwierigkeit, „Subjekt“ und „Klasse“ in einen kohärenten denklogischen Zusammenhang mit abbildendem Wirklichkeitsbezug zur heutigen Klassengesellschaft zu bringen. Dies ist ihnen nicht gelungen.

1)

Für Bücker und Gettél ist das Proletariat in der heutigen Klassengesellschaft „das revolutionäre Subjekt“ und „es definiert sich nicht nach seinem Erscheinungsbild“, sondern - so wie sie Marx verstehen: „nach seiner Stellung zu den Produktionsmitteln.“ Wie das gemeint ist , erschließt sich nur dürftig an anderer Stelle, wo es am Beispiel des „Hightech-Proletariats“ heißt: „es hat keinen maßgeblichen Besitz an den Produktionsmitteln“.

Der Besitz – ob maßgeblich oder unmaßgeblich – ist eine formaljuristische Bestimmung, und obwohl sie plausibel erscheint, lässt sich aus formellen Eigenschaften wie z.B. Haus-, Grund- und Aktienbesitz , Kommanditist, Gehaltsbezieher, Hartz IV-Bezug, Schulabschluss und Einkommenshöhe nicht ableiten, wer zu welcher Klasse gehört.

Ein politisch tauglicher - d.h. die Wirklichkeit abbildender - Klassenbegriff lässt sich nur erarbeiten, wenn wir Lenins methodischen Hinweis theoretisch ernst nehmen, dass sich der Begriff „im Kampf und in der Entwicklung herausbildet“. In diesem Sinne heißt es deshalb bei Marx und Engels im Hinblick auf die Hauptklassen der bürgerlichen Gesellschaft:

"Die Bourgeoisie selbst entwickelt sich erst mit ihren Bedingungen allmählich, spaltet sich nach der Teilung der Arbeit wieder in verschiedene Fraktionen und absorbiert endlich alle vorgefundenen besitzenden Klassen in sich (während sie die Majorität der vorgefundenen  besitzlosen und einen Teil der bisher besitzenden Klassen zu einer neuen Klasse, dem Proletariat, entwickelt), in dem Maße, als alles vorgefundene Eigentum in industrielles oder kommerzielles Kapital umgewandelt wird. Die einzelnen Individuen bilden nur insofern eine Klasse, als sie einen gemeinsamen Kampf gegen eine andre Klasse zu führen haben; im übrigen stehen sie einander selbst in der Konkurrenz wieder feindlich gegenüber." (2)

Gleichwohl wird hier zwischen den Konstitutionsbedingungen der Klassen und ihrem Zusichkommen im Kampf der Klassen unterschieden. Im Hinblick auf die Qualität des proletarischen Zusichkommens schreibt Marx kurze Zeit später - nun deutlicher werdend:

"Die ökonomischen Verhältnisse haben zuerst die Masse der Bevölkerung in Arbeiter verwandelt. Die Herrschaft des Kapitals hat für diese Masse eine  gemeinsame Situation, gemeinsame Interessen geschaffen. So ist diese Masse bereits eine Klasse gegenüber dem Kapital, aber noch nicht für sich selbst. In dem Kampf, den wir nur in einigen Phasen gekennzeichnet haben, findet sich diese Masse zusammen, konstituiert sie sich als Klasse für sich selbst. Die Interessen, welche sie verteidigt, werden Klasseninteressen. Aber der Kampf von Klasse gegen Klasse ist ein politischer Kampf." (3)

Zur gleichen Zeit stellte Engels in dem Programmentwurf für den Bund der Kommunisten die Frage "Was ist das Proletariat“ und antwortete:

Das Proletariat ist diejenige Klasse der Gesellschaft, welche ihren Lebensunterhalt einzig und allein aus dem Verkauf ihrer Arbeit und nicht aus dem Profit irgendeines Kapitals zieht.“(4)

1845 und 1846/47, als diese Texte geschrieben wurden, stand Marx noch ganz am Anfang seiner Erforschung „der kapitalistischen Produktionsweise und der ihr entsprechenden Produktions- und Verkehrsverhältnisse“. D.h. in dieser Forschungsarbeit ging es auch darum die objektiven Bedingungen der Klassenbildung in der bürgerlichen Gesellschaft genauer – über die Engelsche Kurzformel hinausgehend - herauszuarbeiten.

Bekanntlich entschied sich Marx nach einem umfassenden, Jahre währenden Planungsprozess, seine Analysen in einer von der Forschung unterschiedenen Darstellungsweise zu publizieren:

Allerdings muß sich die Darstellungsweise formell von der Forschungsweise unterscheiden. Die Forschung hat den Stoff sich im Detail anzueignen, seine verschiednen Entwicklungsformen zu analysieren und deren innres Band aufzuspüren. Erst nachdem diese Arbeit vollbracht, kann die wirkliche Bewegung entsprechend dargestellt werden. Gelingt dies und spiegelt sich nun das Leben des Stoffs ideell wider, so mag es aussehn, als habe man es mit einer Konstruktion a priori zu tun.“(5)

Gemäß seiner Entscheidung „die wirkliche Bewegung“ in dieser Weise darzustellen, finden wir die systematische Darstellung der Klassen und ihrer inneren Struktur erst nach der zusammenfassenden Darstellung der „Revenuen und ihrer Quellen“ - leider nur begonnen, an das Ende des dritten Bandes des Kapitals platziert(6). Bevor die Stellung zum Produktionsprozess gemäß der Engelschen Definition als klassenmäßige Erscheinung an der Oberfläche der Gesellschaft zu behandeln war, mussten also die Konstitutionsbedingungen der Klasse durch Untersuchungen zur Stellung im Produktionsprozess erforscht worden sein.(7)

2)

Da unseren Thesen-Autoren offensichtlich der dialektische Zusammenhang zwischen der Stellung der konkreten Individuen im und zum kapitalistischen Produktionsprozess sowie der damit verbundene Zugriff auf die Revenuequellen Lohn, Profit, Grundrente(8) fremd ist, mündet die einzige klassenpolitische Aussage in ihren Thesen im Klassen-Nirwana:

Im industriell hochentwickelten Kapitalismus ist ein Hightech-Proletariat entstanden, das zu einem Großteil wissenschaftlich ausgebildet ist. Nicht nur das: Es lenkt, organisiert, entwickelt die Produktion. Ohne dieses hochqualifizierte Proletariat wüsste die Bourgeoisie nicht einmal mit sich selbst etwas anzufangen."

An die Stelle eines Klassenbegriffs, mit dem es möglich wird, die Klassenstrukturen im „industriell hochentwickelten Kapitalismus“ aufzuzeigen, von dem aus zwischen (für das Kapital) produktiven und unproduktiven, sowie prekarisierten Fraktionen des Proletariats unterschieden werden kann, tritt in den Thesen die Worthülse „Hightech-Proletariat“ als vermeindliches Segment der proletarischen Klasse.

Es lenkt, organisiert, entwickelt die Produktion“ – ja was denn nun? Offensichtlich kennen unsere Autoren nur die stoffliche Seite des Arbeitsprozesses, wenn sie Klassen bzw. Klassenfraktionen im Kapitalismus versuchen begrifflich zu fassen. Würden sie sich für die produktive Verwertung des Werts im kapitalistischen Arbeitsprozess interessieren, hätten sie u.U. feststellen können, dass das „Lenken und Organisieren der Produktion“ nichts anderes darstellt, als das „Kommando über die Arbeit“(9) zwecks Mehrwertabpressung auszuüben. Also die unabdingbare Aufgabe des produktiv fungierenden Kapitalisten, die sich als Unternehmergewinn bzw. als Teil der Profitmasse(10) realisiert.

Der Verkauf (Tausch) der Ware Arbeitskraft gegen Lohn (variables Kapital), um den Kapitalisten Ideen und Konzepte zur Mehrwertabpressung zu entwickeln, weil sie nach Meinung der Autoren dies selber nicht mehr zu leisten vermögen („die Bourgeoisie weiß nicht einmal mit sich selbst etwas anzufangen“), ist dagegen unter den Bedingungen der Digitalisierung von Arbeits- und Steuerungsprozessen eine Voraussetzung für Taylorisierung. In Bezug auf solche betriebswirtschaftlichen Lösungen, die die Trennung von Hand- und Kopfarbeit noch weiter vertiefen mit dem untauglichen Begriff „Hightech-Proletariat“ zu hantieren, führt schließlich dazu, dass die Thesen-Autoren sich in den Begriff „Mittelstand“ flüchten:

"Es (das Hightech-Proletariat -khs) mag sich heute Mittelstand oder auch gehobener nennen oder so genannt werden: es hat keinen maßgeblichen Besitz an den Produktionsmitteln.“

3)

Im Jahre 2000 schwärmte der Postoperaist Franco Berardi in einem Interview mit der Jungle World(10) von der Herausbildung eines neuen revolutionären Subjekts, indem er dem damaligen WWW-Hype folgend prognostizierte:

Mit der Verbreitung der digitalen Techniken ist das Territorium, auf dem die sich der Prozess der Macht und der Entscheidung abspielt, nicht mehr koextensiv mit dem Alltagsleben des größten Teils der Menschheit und auch nicht mehr mit dem der Revolte.“

Davon besondert besäße die Macht mittels der digitalen Technik zwar eine „virtuelle Zitadelle“. Diese sei prinzipiell dennoch angreifbar:

Vergessen wir nicht, dass sich in der virtuellen Zitadelle genau das befindet, was ich virtuelle Arbeit nenne. Ich weiß, dass diese Arbeit von einem verschwindend kleinen Teil der Menschen ausgeführt wird. In den USA sind es vielleicht 20 Prozent, weltweit sicher noch unter ein Prozent. Dennoch liegt der geschichtliche Prozess in gewisser Weise fast vollständig bei dieser kleinen Minderheit.“

Ich gehe mal davon aus, dass unsere Thesen-Autoren, wenn sie von „Hightech-Proletariat“ sprechen, nicht Berardis elitäre Ansichten teilen, obgleich ihre Schlussfolgerungen das nahelegen mögen:

Es ist nicht nur die Produktivkraftentwicklung, die dem Sozialismus die Basis gibt; es ist auch der entsprechend qualifizierte Teil des Proletariats, der in der Lage ist sie zu nutzen und im neuen Möglichkeitsraum weiterzuentwickeln.“

Entgegen Berardis Mutmaßungen vermitteln heute Zahlen, Daten und Fakten im Hinblick auf das Verhältnis von digitalerTechnik und „Alltagsleben“ eine andere Entwicklungsrichtung:

Das Wachstum der digital basierten Arbeit wird oft mit der Mittelkasse und ihren gut bezahlten Löhnen und ihrem hohem Status assoziiert, aber auch hier lässt sich dieses vielbeschworene Narrativ inzwischen durch Tendenzen in der Globalisierung, man denke an den »Aufstieg« der relativ schlecht bezahlten Programmierer in Indien, in Frage stellen. Eine große Anzahl der Arbeiten im Zusammenhang mit Netzwerken ist heute standardisiert, prekär und schlecht bezahlt. Dennoch hat das Wachstum des kybernetischen Kapitals eine neue Mittelschicht hervorgebracht, die vor allem überwachungstechnische Aufgaben, psychologische Beratung und technologische Verantwortlichkeiten für das Kapital übernimmt, man denke an die Teamleader, Projektkoordinatoren und Consultants, die den Management-Apparat des Kapitals bilden, der im Zuge der Globalisierung auf einem molekularen Level rekonstruiert wurde.“(11)

Vor diesem Hintergrund hat der elitär kontaminierte Begriff „Hightech-Proletariat“ auch keinen Eingang in linke Diskurse über die Entwicklung des planetarischen Proletariats gefunden(12). Eher ist vom digitalen oder Cyber-Proletariat die Rede (13), denn unter den Bedingungen einer ständig wachsenden Nachfrage in Produktion, Handel, Dienstleistung und privatem Konsum sowie beim Staatsapparat plus Militär nach neuester Hard- und Software zur Bewältigung der maßlos wachsenden Datenmengen erfährt die Trennung von Hand- und Kopfarbeit für die Profitmaximierung weltweit agierender Konzerne eine bisher nicht bekannte Zuspitzung. Während in Silicon Valley von Programmier*innen intellektuelle Höchstleistungen in Büroräumen, die wie Wohnzimmer aussehen, verlangt und mit Spitzenlöhnen vergütet werden, die ebenso "frei" ausgehandelt werden wie die Arbeitszeit(14), werden in Shenzhen (VR China) bei Foxconn die Hardware produzierten Fließband-Lohnarbeiter*innen wie Arbeitstiere gehalten:

Die Studie der Organisation Students and Scolars Against Corporate Misbehaviour (Sacom) fördert die militärischen und demütigenden Arbeitsbedingungen in der Firma Foxconn zutage, nachdem das Unternehmen in der ersten Hälfte dieses Jahres von einer Selbstmordserie chinesischer Angestellter erschüttert wurde. Soziale Isolierung, drakonische Strafen und schier unmenschliche Arbeitslasten bei einer Entlöhnung, welche die Lebenskosten nicht zu decken vermag, konstatiert die chinesische NGO in ihrem Bericht über den grössten Elektronikzulieferer der Welt mit 900'000 Angestellten allein in China. In krassem Gegensatz dazu steht der Gewinn, den Foxconn verzeichnen kann, obwohl die Profitmargen in der Elektronikindustrie in den letzten Jahren zurückgegangen sind. Offensichtlich wird hier der Druck auf die vom Markt diktierten Preise einseitig zu Lasten des schwächsten Glieds in der Produktionskette weitergegeben. Die Firmenverantwortlichen bei Apple, Nokia, Dell, Hewlett Packard, Sony, Motorola und Sony Ericsson (die alle bei Foxconn Elektronikteile einkaufen) nehmen für tiefe Produktionskosten in Kauf, dass der Zulieferer die Löhne der Arbeiter/innen mit allen Mitteln tief hält. Durchsetzbar ist dies, wie dem Sacom-Bericht zu entnehmen ist, nur mit rigorosen Managementmethoden, die an Sklaverei erinnern.“(15)

Durch die Digitalisierung aller Kreislaufstationen des Kapitals hat - wie das Beispiel Amazon aufweist - die ökonomische Verschmelzung  des kaufmännischen Profits mit den Profiten, die aus der produktiven Transportarbeit erzielt werden, und den "Informationsrenten"(16) einen Grad erreicht,  wodurch die Fragmentierung der proletarischen Klasse deutlich zugenommen hat.

Nicht nur dass IT-Unternehmen daran beteiligt sind, Stadtteile bauen zu lassen(17), auch die digitale Steuerung von Arbeits- und Verwertungsprozessen auf der Basis von just-in-time gewonnener Daten hat schon längst auch auf Bauernhöfen und Feldern Einzug gehalten:

Einzeltierkennzeichnungen erlauben über Fütterungsautomaten individuelle Fütterung oder das selbstbestimmte Melken der Kühe durch Melkroboter. Sensoren machen bedarfsgerechtes Düngen oder die punktuelle Anwendung von Pflanzenschutzmaßnahmen möglich. Die Systeme erfassen und sammeln somit eine Vielzahl von Daten aus sämtlichen Produktionsabläufen. Bildschirme befinden sich im Stall, im Schlepper, im Haus. Rund um die Uhr informiert das Smartphone über Störungen und Meldungen, sodass Landwirte heute jederzeit über alle Bereiche ihres Betriebes informiert sind und bei Bedarf sofort ein­schreiten können oder müssen. ... Mit der Digitalisierung einher gehen oftmals die Betriebsgröße und eine enorme Spezialisierung, denn die Investitionen in Maschinen und neue Technik sind zunächst mit hohem Investitionsbedarf verbunden.“ (18)

Da es in den Metropolen z.Z. keine revolutionär-antikapitalistischen Organisationen gibt, die programmatisch ausreichend auf der Höhe der Zeit aufgestellt sind und von daher auch nicht auf die Klassenkämpfe ideologisch gestaltend für die Aufhebung des Kapitalismus einwirken (können), stehen die mit der Digitalisierung zusammenhängenden sozialen Fragen unter der ideologischen Deutungshoheit reformistischer Kräfte(19). Insofern haben die Thesen-Autoren die Chance vertan, sich am Begriff „Hightech-Proletariat“ ideologiekritisch abzuarbeiten, was durchaus mit einer kritischen Infragestellung reformistischer Konzepte hätte beginnen können.

4)

Sie (die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie - khs) ist die Grundlage der Herrschaftskritik, der Erkenntnis, dass das bürgerliche Regime der Gesellschaft keine Zukunft mehr bietet, dass seine Fortexistenz die Zivilisation zerstört.“

Diese Bücker-/Gettélsche Formulierung „Grundlage der Herrschaftskritik“ in Verbindung mit der feuilletonistischen Formulierung „bürgerliches Regime der Gesellschaft“ anstelle von Staat  bedarf einiger Klarstellungen, da sie ansonsten Gefahr läuft, als personalisierende politologische Verkürzung der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie missverstanden zu werden bzw. sich die denklogische Möglichkeit eröffnet, die Staatsfrage abzusondern und die Marxschen Kritik der politischen Ökonomie in eine kapitalkritische Volkswirtschaftslehre umzudeuten.

Im ersten Teil meiner Kritik an den Bücker/Gettél-Thesen hatte ich im Zusammenhang mit der geschichtsphilosophischen Behandlung des Subjekt-Okjekt-Theorems in der „Deutschen Ideologie“ (MEW 3/76) darauf verwiesen, dass Marx und Engels herausarbeiten, dass die Herrschaft der Bourgeoisie bedeutet, die Lohnarbeiter*innen einer „sachlichen Gewalt“ zu unterwerfen. Hier blieb von mir unberücksichtigt, dass sich Herrschaft in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft sozusagen verdoppelt: Einmal als innerbetriebliches Kommando über die Arbeit , zum andern vermittelt über den bürgerlichen Staat als ideellkapitalistischer, gewaltmonopolisierter Sachwalter kapitalistischer Verwertungsinteressen.

Bei der Analyse des Produktionsprozess des Kapitals ergab es sich für Marx gleichsam organisch, die eine Seite - die innerbetriebliche kapitalistische „Gerberei“ - mit zu behandeln:

Man muß gestehn, daß unser Arbeiter anders aus dem Produktionsprozeß herauskommt als er in ihn eintrat. Auf dem Markt trat er als Besitzer der Ware "Arbeitskraft" andren Warenbesitzern gegenüber, Warenbesitzer dem Warenbesitzer. Der Kontrakt, wodurch er dem Kapitalisten seine Arbeitskraft verkaufte, bewies sozusagen schwarz auf weiß, daß er frei über sich selbst verfügt. Nach geschlossenem Handel wird entdeckt, daß er "kein freier Agent" war, daß die Zeit, wofür es ihm freisteht, seine Arbeitskraft zu verkaufen, die Zeit ist, wofür er gezwungen ist, sie zu verkaufen, daß in der Tat sein Sauger nicht losläßt, "solange noch ein Muskel, eine Sehne, ein Tropfen Bluts auszubeuten.“ (MEW 23 S.319f) (20)

Bezüglich der anderen Seite gab es für Marx keinen Zweifel, dass die Ableitung – sprich die begriffliche Klärung – des bürgerlichen Staats erst nach Abschluss aller Arbeiten am „Kapital“ erfolgen kann. In seinem Brief an Kugelmann vom 28.12.1862 schreibt er dazu:

"Der zweite Teil ist nun endlich fertig, d.h. bis zum Reinschreiben und der letzten Feilung für den Druck. Es werden ungefähr 30 Druckbogen sein. Es ist die Fortsetzung von Heft I, erscheint aber selb ständig unter dem Titel: „ Das Kapital" und „Zur Kritik der Politischen Ökonomie" nur als Untertitel. Es umfaßt in der Tat nur, was das dritte Kapitel der ersten Abteilung bilden sollte, nämlich „Das Kapital im all gemeinen". Es ist also nicht darin eingeschlossen die Konkurrenz der Kapitalien und das Kreditwesen. Was der Engländer „the principles of political economy"  nennt, ist in diesem Band enthalten. Es ist die Quintessenz (zu sammen mit dem ersten Teil), und die Entwicklung des Folgenden (mit Ausnahme etwa des Verhältnisses der verschiedenen Staatsformen zu den verschiednen ökonomischen Strukturen der Gesellschaft) würde auch von andern auf Grundlage des Gelieferten leicht auszuführen sein. " (Unterstreichung von khs) (21)

Die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie in der Gestalt des „Kapitals“ und der damit zusammenhängenden Vor- und Nebenarbeiten ist daher nach Marxscher Denkweise nicht die Grundlage für den Staatsbegriff, sondern seine Voraussetzung. Dies ergibt sich denklogisch schon aus dem Gegenstand der Kritik:  "den Naturgesetzen der kapitalistischen Produktion". So im Vorwort der ersten Ausgabe des ersten Bandes des Kapitals deutlich hervorgehoben:

"Auch wenn eine Gesellschaft dem Naturgesetz ihrer Bewegung auf die Spur gekommen ist - und es ist der letzte Endzweck dieses Werks, das ökonomische Bewegungsgesetz der modernen Gesellschaft zu enthüllen -, kann sie naturgemäße Entwicklungsphasen weder überspringen noch wegdekretieren. Aber sie kann die Geburtswehen abkürzen und mildern." (22)

Kurzum: Ein Naturgesetz ist ein Objekt, das keinen Willen hat und von daher diesen auch nicht  einem mit Willen beseelten Wesen aufzwingen kann.(23)

Aber:  Die konkreten Individuen sind gleichzeitig Schöpfer dieser wie Naturgesetze wirkenden ökonomischen Gesetze und daher gilt auch:

"Im Begriff des Kapitals ist gesetzt, daß die objektiven Bedingungen der Arbeit – und diese sind ihr eignes Produkt – ihr gegenüber Persönlichkeit annehmen, oder was dasselbe ist, daß sie als Eigentum einer dem Arbeiter fremden Persönlichkeit gesetzt sind. Im Begriff des Kapitals ist der Kapitalist enthalten." (24)

Von daher sah sich  Marx, obgleich die Klärung des Staatsbegriffs noch nicht abgeschlossen war,  gleichsam verpflichtet, alles ihm Mögliche zu tun, um die "Geburtswehen abkürzen und mildern" zu helfen, die einer revolutionären Umwälzung der kapitalistischen Gesellschaft im Wege standen. Dazu gehörten logischerweise realpolitische Einschätzungen(25) über gewaltförmiges staatliches Handeln und ökonomische Staatsfunktionen bis hinzu prinzipiellen Aussagen(26) über Staat und Herrschaft an die Adresse des internationalen Proletariats.

5)

"Den Herrschenden werden Argumente entgegengesetzt, die sie nicht selbst angeregt haben, deren Eigenständigkeit ihre ideologischen Hexenmeister nicht mehr zügeln können. Dem Herrschaftssubjekt tritt ein autonomes gegenüber."

Der eigentliche Mangel der Thesen von Wolfram Bücker und Willi Gettél besteht weniger darin, dass ihre Leitbegriffe wie z.B. "finale Krise", "Subjekt" und "Klasse" nur feuilletonistisch verwendet werden,  sondern dass jene Oberflächlichkeit (leider) die folgerichtige Konsequenz daraus ist, dass ihre Thesen - so wie sie konstruiert sind - nicht für eine politische Praxis geschrieben wurden. Denn wenn in ihrer letzten These zusammenfassend  menetekelt wird, dass dem "Herrschaftssubjekt" (welches Herrschaftsubjekt bitte ??!) alsbald ein "autonomes"(??) entgegentreten wird, weil es sich nicht mehr ideologisch "zügeln" lässt, dann bilden eben verallgemeinerte Erfahrungen von fast 200 Jahren proletarischen Klassenkampfes nicht die Grundlage für solche Deklamationen. Vielmehr steht der Leitgedanke der Aufklärung Pate, dass die Vernunft siegt, weil sie vernünftig ist. In diesem Sinne erfinden sich Bücker & Gettél das "autonome Subjekt", welches sich aufgrund seiner Argumente Bewußtheit darüber verschafft, Objekt zu sein, sich dabei zum Subjekt transformiert und schlussendlich auch noch autonom wird.

Die bestimmende Triebkraft der Geschichte sind daher bei Bücker/Gettél Ideen. Wobei sie nicht ausschließen, dass die handelnden Menschen auch ökonomische Gründe haben. Ihr abstrakt-idealistisches Schema ist der dialektisch-materialistischen Weltanschauung allerdings diametral entgegen gesetzt, denn wie hieß es bei den Altmeistern?

"Die Existenz revolutionärer Gedanken in einer bestimmten Epoche setzt bereits die Existenz einer revolutionären Klasse voraus."(27)

Jetzt werden unsere Thesen-Autoren vermutlich einwenden: "Aber das steht doch in Punk 4 unserer Thesen: Das revolutionäre Subjekt, das Proletariat, ist nicht verschwunden."

Genau an dieser Stelle setzt die Kritik von Uli Weiss (TREND-Oktoberausgabe 2017) beim Bücker/Gettélschen Klassenbegriff an. Warum fragt er - wertkritisch grundiert -, soll das Proletariat ein revolutionäres Klassensubjekt sein, wenn es im Spätkapitalismus keine Klassen mehr gibt, sondern nur noch Individuen, die dem "zivilisationszerstörenden Verwertungszwang" unterworfen sind. 

"Am Punkt ihrer Aufhebbarkeit sind die Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise an jenen Punkt „gewandert“, an dem sie auch durch die Entscheidung von Individuen aufgehoben werden können. Es sind dies die spätbürgerlichen Menschen, die zerrissen sind zwischen ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen zu schöpferischen Tätigkeiten zu ihrem und zugleich allgemeinem Nutzen und der von ihnen selbst noch exekutierten Gewohnheit, sich dem inzwischen zivilisationszerstörenden Verwertungszwang zu unterwerfen. Diese Widersprüchlichkeit und die längst existierenden Keimformen ihrer Aufhebung zu erfassen und diese zu stärken, das ist die eigentliche Herausforderung für die Suche nach Wegen aus dem Kapitalismus." (28)

Diese Grundannahme vertritt Ulrich Weiss seit  rund 20 Jahren(29). Allerdings scheint der Attentismus der damaligen Verfallskritik jetzt überwunden zu sein. Mit seinem Hinweis auf "keimform.de", wo ein "Denken"(!) gepflegt wird, "das tatsächlich über das bürgerliche hinausreicht" gibt Weiss einen entsprechenden Fingerzeig. Dort liefert der keimfrei-Protagonist,  Stefan Meretz, den ideologischen Überbau (30) für die politische Linie: An Stelle von Klassenkampf Selbstverwirklichungsgewusel in den Nischen der warenproduzierenden Gesellschaft. Der "commons.blog" liefert dafür anschauliche Beispiele (31)

Schlussendlich handelt es sich bei beiden Positionen um einen Marxismus für den Salon. Bücker/Gettéls Thesen und Ulrich Weiss' Kritik sind kein Beitrag zur Selbstorganisation der Klasse, die unter den Bedingungen des multipolaren imperialistischen Weltsystems ein Weltproletariat geworden ist, gezwungen international zu denken und gegen ein global agierendes Kapital lokal zu kämpfen.

Freilich lässt sich durch solche marxologischen Schöngeistereien munter über den Subjekt- und Klassenbegriff streiten. Auch kann mensch durch den Disput über die von den Autoren erwartete Ankunft der "finalen Krise motiviert werden, das eigene Wissen z.B. über den "tendenziellen Fall" der Profitrate wieder aufzufrischen. Auch Ulrich Weiss' Interpretation der Marxschen "Grundrisse" stellt eine Position dar, die zum Widerspruch herausfordert. Kurzum ihre Aufsätze schaffen Anlass für viele unterhaltsame Stunden des geistigen Ringens um die richtigen Ideen, haben dafür aber leider rein gar nichts mit den internationalen Klassenkämpfen, die in den letzten Jahren selbst in der BRD - in ökonomistischer Verkürzung - an Fahrt aufgenommen haben, zu tun.

6)

"Bisher war kein Parteityp in der Lage, innerparteiliche Demokratie herzustellen....Was unter die Fittiche der Systemparteien aller Couleur gerät, wird zur Heranbildung des subjektiven Faktors kaum etwas beitragen können. Das ist nur möglich in autonomen Strukturen, in denen der Subjetstatus der Individuen besteht."

So lautet das politische Fazit des Rundumschlags von Wolfram Bücker und Willi Gettél über das Scheitern der "sozialistischen" Staaten und der kommunistischen Parteien, die inspiriert von der Oktoberrevolution daraufhin entstanden. Eingebettet darin eine Polemik gegen die Partei Die LINKE. Das mag ja Unterhaltungswert haben! Aber bereits ein oberflächlicher Blick in die Geschichte der Arbeiter*innenbewegung und ihrer Parteien lässt diese Verallgemeinerung ("Kein Parteityp...beitragen können") nicht zu.

Mal abgesehen davon,  dass dass Fraktionsverbot in der KPR (B) - von 1921 - nur den konkreten Klassenkampfbedingungen geschuldet war(32), trifft dieser für eine autoritäre Parteistruktur typische Sachverhalt auf andere linke Partei- und Organisationskonzepte nicht zu. Ganz gleich:  Auseinandersetzungen über die Parteifrage waren immer Auseinandersetzungen über den  revolutionären Prozeß, über Klasse und  Klassenbündnisse sowie über Strategie und Taktik.(33)

Wer sich heute zu Organisationsfragen in den Metropolen unter der Prämisse äußert, dass die Aufhebung des Kapitalismus ein Prozess unter der Führung des Proletariats sein wird, muss diese historisch vermittelte Prämisse aus den heutigen Klassenverhältnissen ableiten. Das Schwadronieren mit so inhaltsarmen Begriffen wie "autonome Strukturen" und "Subjektstatus" verstellt hingegen den Blick auf die politische Notwendigkeit folgende drei zentralen Aufgabenfelder(34) für eine revolutionär-antikapitalistische Prolitik zusammenzubringen:

1) Den Parteibildungsprozess der Klassenlinken vorantreiben und dabei die Überwindung des Zirkelwesens für die Herstellung der Klasseneinheit leisten
(Stichwort: Aktionseinheit und ideologischer Kampf);

2) Die Arbeit am Programm
(Stichwort: Analyse der Implosion der sogenannten sozialistischen Staaten, des chinesischen Staatskapitalismus, des Hauptwiderspruchs in den Metropolen und der Peripherie, sowie der Widersprüche zwischen den imperialistischen und neo-imperialistischen Staaten)

3) Die Analyse der Klassenstrukturen auf internationaler, nationaler und lokaler Ebene sowie ihre Widerspiegelung im Bewußtsein der Klasse als kollektiver Erkenntnisprozess für die Parteibildung und die Arbeit am Programm
(Stichwort: Kämpfen-Untersuchen-Organisieren).

ANMERKUNGEN

1) Ein erster nennenswerter Protagonist auf diesem Gebiet und sich dabei als genuin marxistisch ausgebend, war in der Geschichte der westdeutschen Linken die Marxistische Gruppe (MG) – seit 1992 unter dem Label „Gegenstandpunkt“ agierend. In ihrer Erklärung mit programmatischem Charakter aus dem Jahre 1979, getitelt „Der bürgerliche Staat“, worin sich rund 10 Jahre Theoriearbeit der MG kondensierten, heißt es im §1:

Der bürgerliche Staat ist die politische Gewalt der kapitalistischen Gesellschaft. Er unterwirft die Agenten der kapitalistischen Produktionsweise unter Absehung von allen natürlichen und gesell­schaftlichen Unterschieden seiner Herrschaft und gewährt ihnen damit die Verfolgung ihrer gegensätzlichen Sonderinteressen: Gleichheit & Freiheit.“ Resultate der Arbeitskonferenz, Nr.3/Mai 1979, München S.8

Mit diesem Konstrukt über die Beziehungen der persönlichen Individuen zum das gesellschaftliche Ganze repräsentierenden Staat - unter Ausblendung der realen Klassenverhältnisse - werden seitdem von dieser Gruppe Klassenkämpfe als dümmliche Rechthaberkämpfe denunziert:

Das Interesse des Bürgers wird zur Meinung, weil ihm der Staat durch die Konfrontation mit den konkurrierenden Interessen anderer die Partikularität seines Standpunkts zur Last legt und nur noch den Wunsch, aber nicht seine Berechtigung anerkennt.“(ebd. S. 102)

Bei Bücker/Gettél hingegen ist die Schlussfolgerung aus ihrem Konstrukt eine genau entgegengesetzte. Sie reagieren altruistisch auf das Schicksal der Beleidigten und Verfolgten und hoffen, dass diese irgendwann mit der revolutionären Gegenwehr beginnen. Hierdurch zeigt sich nur die Beliebigkeit beider Positionen. Zweifellos wären aus so einer (mechanischen) Konstruktion vom Einzelnen und dem Ganzen beliebig andere politische Schlussfolgerungen zu ziehen. Auch solche, wie sie in postmodernen Konzepten zuhause sind, die auf Heideggers Versuch der Überwindung des Subjekt-Objekt-Theorems in „Sein und Zeit“ zurückgehen, von wo aus die Parole vom „Ende des Subjekts“ als erkennendes Subjekt ausgegeben wird.

2) Karl Marx, Das Kapital Bd.1, MEW 23, Berlin 1968, S.53f

3) Karl Marx, Das Elende der Philosophie, MEW Bd. 4, S. 180f

4) Friedrich Engels, Grundsätze des Kommunismus, MEW Bd.4, S.363

5) siehe dazu: Karl Marx, Kapital Bd1, MEW 23, Berlin 1968, S. 27

6) siehe dazu Karl Marx, Kapital III, MEW 25, Berlin 1968, 892f. Die Abhandlung beginnt mit dem expliziten Hinweis, dass eine Klassendefinition, die sich auf die Stellung der persönlichen Individuen zum Produktionsprozess - vermittelt durch den Blick auf ihre Revenuequellen – reduziert, nicht ausreichend und letztlich irreführend ist

7) Gemeint sind vor allem die im 1. Band des Kapitals dargestellten Sachverhalte (MEW 23, 4.-23. Kapitel) aber auch weiterführende Aspekte im 2. und 3. Band des Kapitals sowie in den Theorien über der Mehrwert.

8) siehe dazu mein Referat für die TREND-Veranstaltungsreihe „Let's talk about class!“: Lohnarbeit & Kapital - Die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie als Grundlage der Klassentheorie, wo ich im Hinblick auf die innere Struktur der proletarischen Klasse deren Fraktionen unter den Bedingungen des heutigen Kapitalismus in den Metropolen begrifflich herausarbeite. Sowie: Wo ist das Proletariat bloß abgeblieben! Aspekte einer marxistischen Klassentheorie.

9) siehe dazu:
Karl Marx, Das Kapital, Bd.3, MEW 25, Berlin 1968, S. 397ff.

10) Vom Subjekt zum Superorganismus, Jungle World, 7.6.2000

11) Achim Szepansky, Die globalen Wertschöpfungsketten und das globale Proletariat , 23.6.2017

12) Bereits kurze Zeit später wurden seriöse Versuche unternommen, Digitalisierung und Globalisierung auf materialistisch-dialektischer Grundlage einzuschätzen. Zum Beispiel: Kai Elron: Hyperevolution. Politische Transformationen in der Informationsgesellschaft aus materialistischen Perspektiven. Amsterdam 2002. Oder Texte der 1. Oekonux-Konferenz

13) siehe in dieser Ausgabe "Klassenkampf rebooten" die Buchbesprechung von Nick Dyer-Witheford, Cyber-Proletariat durch Nina Scholz

14) siehe dazu:

15) siehe dazu: Unmenschliche Arbeitsbedingungen bei Foxconn bleiben bestehen, Infomationsplattform humanrights.ch, 25.11.2016 und What is iSlave at 10 ?

16) Zum Begriff der "Informationsrente", siehe Ralf Krämer, Wertschöpfung und Mehrwertaneignung in der digitalen Ökonomie, in TREND Onlinezeitung 11/2017  und zu den Arbeits- und Klassenkampfbedingungen bei Amazon in dieser Ausgabe: Überwachen und lagern

17) siehe dazu: Alphabet-Tochter will es besser machen als IBM, in: TREND Onlinezeitung 11/2017

18) "Wenn der Bauer zum Smartphone greift" in: Das Parlament 46/47, 13.11.2017

19) siehe daz
u:

20) Karl Marx, Kapital Bd. 1, MEW 23, Berlin 1968, Seite 319f

21) Karl Marx, Brief an Kugelmann, MEW 30, Berlin 1972, Seite 639

22)  Karl Marx, Kapital Bd. 1, MEW 23, Berlin 1968, Seite 15f

23)  „Zum Tier, Boden etc. kann au fond kein Herrschaftsverhältnis stattfinden durch die Aneignung, obgleich das Tier dient. Die Aneignung fremden Willens ist Voraussetzung des Herrschaftsverhältnisses. Das Willenlose also, wie Tier z.B., kann zwar dienen, aber es macht den Eigner nicht zum Herren. Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, Berlin 1953, Seite 400.  - Und umgekehrt funktioniert dies daher auch nicht.

24) Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, Berlin 1953, Seite 412

25) Siehe dazu z.B.

  • Karl Marx, Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850, MEW Bd. 7, Berlin 1969, S. 9-107

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    Indem das Proletariat seine Leichenstätte zur Geburtsstätte der bürgerlichen Republik machte, zwang es sie sogleich, in ihrer reinen Gestalt herauszutreten als der Staat, dessen eingestandener Zweck ist, die Herrschaft des Kapitals, die Sklaverei der Arbeit zu verewigen. Im steten Hinblicke auf den narbenvollen, unversöhnbaren, unbesiegbaren Feind - unbesiegbar, weil seine Existenz die Bedingung ihres eigenen Lebens ist - mußte die von allen Fesseln befreite Bourgeoisherrschaft sofort in den Bourgeoisterrorismus umschlagen. Das Proletariat einstweilen von der Bühne beseitigt, die Bourgeoisdiktatur offiziell anerkannt, mußten die mittleren Schichten der bürgerlichen Gesellschaft, Kleinbürgertum und Bauernklasse, in dem Maße, als ihre Lage unerträglicher und ihr Gegensatz gegen die Bourgeoisie schroffer wurde, mehr und mehr sich an das Proletariat anschließen. Wie früher in seinem Aufschwunge, mußten sie jetzt in seiner Niederlage den Grund ihrer Misere finden." (S.33)
     
  • Karl Marx, Der Bürgerkrieg in Frankreich, Adresse des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation, MEW Bd. 17, Berlin 1968, S.313-365

    "Das Kaisertum, mit dem Staatsstreich als Geburtsschein, dem allgemeinen Stimmrecht als Beglaubigung und dem Säbel als Zepter, gab vor, sich auf die Bauern zu stützen, auf jene große Masse der Produzenten, die nicht unmittelbar in den Kampf zwischen Kapital und Arbeit verwickelt waren. Es gab vor, die Arbeiterklasse zu retten, indem es den Parlamentarismus brach und mit ihm die unverhüllte Unterwürfigkeit der Regierung unter die besitzenden Klassen. Es gab vor, die besitzenden Klassen zu retten durch Aufrechterhaltung ihrer ökonomischen Hoheit über die Arbeiterklasse; und schließlich gab es vor, alle Klassen zu vereinigen durch die Wiederbelebung des Trugbilds des nationalen Ruhms. In Wirklichkeit war es die einzige mögliche Regierungsform zu einer Zeit, wo die Bourgeoisie die Fähigkeit, die Nation zu beherrschen, schon verloren und wo die Arbeiterklasse diese Fähigkeit noch nicht erworben hatte.(337f)

26) Karl Marx, Kritik des Gothaer Programms, MEW Band 19, Berlin 1968 S. 28.

"Die deutsche Arbeiterpartei - wenigstens, wenn sie das Programm zu dem ihrigen macht - zeigt, wie ihr die sozialistischen Ideen nicht einmal hauttief sitzen, indem sie, statt die bestehende Gesellschaft (und das gilt von jeder künftigen) als Grundlage des bestehenden Staats (oder künftigen, für künftige Gesellschaft) zu behandeln, den Staat vielmehr als ein selbständiges Wesen behandelt, das seine eignen "geistigen, sittlichen, freiheitlichen Grundlagen" besitzt.
Und nun gar der wüste Mißbrauch, den das Programm mit den Worten "heutiger Staat", "heutige Gesellschaft" treibt, und den noch wüsteren Mißverstand, den es über den Staat anrichtet, an den es seine Forderungen richtet!
Die "heutige Gesellschaft" ist die kapitalistische Gesellschaft, die in allen Kulturländern existiert, mehr oder weniger frei von mittelaltrigem Beisatz, mehr oder weniger durch die besondre geschichtliche Entwicklung jedes Landes modifiziert, mehr oder weniger entwickelt. Dagegen der "heutige Staat" wechselt mit der Landesgrenze. Er ist ein andrer im preußisch-deutschen Reich als in der Schweiz, ein andrer in England als in den Vereinigten Staaten. "Der heutige Staat" ist also eine Fiktion.
Jedoch haben die verschiednen Staaten der verschiednen Kulturländer, trotz ihrer bunten Formverschiedenheit, alle das gemein, daß sie auf dem Boden der modernen bürgerlichen Gesellschaft stehn, nur einer mehr oder minder kapitalistisch entwickelten. Sie haben daher auch gewisse wesentliche Charaktere gemein. In diesem Sinn kann man von "heutigem Staatswesen" sprechen, im Gegensatz zur Zukunft, worin seine jetzige Wurzel, die bürgerliche Gesellschaft, abgestorben ist.
Es fragt sich dann: Welche Umwandlung wird das Staatswesen in einer kommunistischen Gesellschaft untergehn  In andern Worten, welche gesellschaftliche Funktionen bleiben dort übrig, die jetzigen Staatsfunktionen analog sind? Diese Frage ist nur wissenschaftlich zu beantworten, und man kommt dem Problem durch tausendfache Zusammensetzung des Worts Volk mit dem Wort Staat auch nicht um einen Flohsprung näher."

27) Karl Marx, Friedrich Engels, Die Deutsche Ideologie, MEW 3, Berlin 1969, S. 47 - und bevor eine Klasse revolutionär handelt, muss ihre Klassenformierung durch kollektiven politischen Kampf zustande gekommen sein (siehe Fußnote 3).

28) Ulrich Weiss, "Das Gegenteil von revolutionär" - Eine Stellungnahme zu den Thesen: „Die Verhältnisse sind reif für eine Revolution

29) Ulrich Weiss, Marx und der möglich werdende Sozialismus, in: Hintergrund Nr.1-2000, Marxistische Zeitschrift für Gesellschaftstheorie und Politik, Osnabrück, S.3-17

Seitdem bilden für ihn Textstellen aus den Marxschen "Grundrissen" die eklektische Blaupause seiner Argumente, insbesondere der Abschnitt "Widerspruch zwischen der Grundlage der bürgerlichen Produktion (Wertmaß) und ihre Entwicklung selbst. Maschinen etc.", Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, Berlin 1953, Seite 592ff. Beispiel: "Zugleich kann eine sich verallgemeinernde automatisierte Produktion nicht nur nicht kapitalistisch betrieben werden, wie Marx in seiner Arbeit an den Grundrissen erkannte. Der verallgemeinerte Automat kann auch nur das Produkt einer solchen freien Tätigkeit sein, die nicht in den Wertformen zu fassen bzw. zu halten ist." (Quelle: "Das Gegenteil von revolutionär" )

30) Die ideologische Leitvorstellung für die Projektemacherei unter dem Label "Commons" lautet:

"Niemand kann die Organisation einer freien Gesellschaft voraussagen. Darum geht es auch nicht. Es geht darum, die Vermittlung jenseits der Warenform prinzipiell denkbar zu machen, um daraus Inspiration und konkrete Kriterien für die Gestaltung der realen Commons-Projekte zu entwickeln.

http://keimform.de/2014/grundrisse-einer-freien-gesellschaft/

31) "Kompass für den Zukunftshafen Tempelhof, Haben durch Teilen; KarmaKonsum X,
Besonnen den Fluß freikaufen: Ein Lehrstück aus Hitzacker"... usw. usf. bei: https://commons.blog/

32) Siehe dazu: Wolfgang Harich: Kommunistische Parteien brauchen kein Fraktionsverbot, in TREND 5/11

33) Siehe dazu die TREND Rubrik "Texte zu Klasse & Partei" mit folgenden Artikeln:

34) Diese drei Punkte sind quasi das Substrat aus dem Positionpapier des AKKA im Rahmen des NaO-Prozesses: Schaffen wir ein „politisches Kartell“ der Gruppen, die den NaO-Prozess tragen, das auf Einschätzungen aus dem Jahre 2011 basierte: Der sofortige Aufbau einer revolutionär-proletarischen Partei steht nicht auf der Tagesordnung.

*) geringfügig überarbeitet am 2.12.2017