Lohnarbeit & Kapital
Die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie als Grundlage der Klassentheorie

von Karl-Heinz Schubert

12-2013

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Vorbemerkungen

Das Bedürfnis sich mit der Klassenfrage zu beschäftigen bzw. die sozialen Konflikte in Betrieb und Stadtteil wieder als Klassenkonflikte zu betrachten, hat spätestens seit dem Ausbruch der Krise 2007/2008 auch linke Spektren und Zusammenhänge jenseits der Traditionslinken erreicht (siehe: Klassenkampfblock zum 1. Mai, Recht auf Stadt als Klassenrecht, usw.). Da in der Klassenrealität und damit auch in ihrer subjektiven Wahrnehmung der gesellschaftliche Grundkonflikt zwischen Lohnarbeit und Kapital von anderen Widersprüchen z.B. in der Geschlechterfrage überlagert ist, erscheint dieser Grundkonflikt nicht als ein in „letzter Instanz“ bestimmender Grund für die anderen Widersprüche, sondern strukturell betrachtet als gleichrangig.

Zu dieser Interpretation haben sicherlich die Haupt- und Nebenwiderspruchsbasteleien der kommunistischen Linken in den 1970er und 1980er Jahren beigetragen.

Auch darf nicht übersehen werden, dass sich in den letzten Jahrzehnten ein Verständnis von „Lohnarbeit und Kapital“ unter dem Motto „Marx neu denken“ verbreitet hat, wo viel von Kapital und Wert die Rede ist, aber wenig von Lohnarbeit und Mehrwert. Dies hatte sicherlich auch damit zu tun, dass sich in den spätkapitalistischen Metropolen historisch die alte Bündnisfrage mit der Bauernklasse nicht mehr stellte, während die Frage nach den Bündnissen zwischen den Fraktionen der proletarischen Klasse gar nicht ins Bewusstsein trat.

Um diesen ideologischen Entwicklungen entgegen zutreten, will unsere Veranstaltungsreihe „Let's talk about Class“ nicht einfach das Theorierad zurückdrehen und beim einem Diskussionstand aufsetzen, als Theorie und Praxis der bundesdeutschen Linken überwiegend noch auf die Arbeiter*innenbewegung bezogen waren.

Unsere Veranstaltungsreihe möchte dort anknüpfen, wo die gegenwärtigen massiven sozialen Verwerfungen eine Gegenwehr der proletarischen und besonders der prekarisierten Massen unausweichlich machen. D.h. Wo die Klassenfrage sich sozusagen historisch selber wieder auf die Tagesordnung der politischen, ökonomischen und ideologischen Alltagskämpfe setzt. Wegen der Mehrdimensionalität des Klassenkampfes heißt für uns „Let's talk about class“, sich mit der Klassenfrage aus verschiedenen Frageperspektiven zu beschäftigen (Klasse als politische Projekt, Kritische Entsorgung der Klasse, Antifa und Klassenkampf, Klasse und Umwelt).

Ich werde die Reihe mit dem Klassen konstituierenden ökonomischen Zusammenhang beginnen, so wie er sich im heutigen Metropolen-Kapitalismus der BRD darstellt. Dies stellt erkenntnistheoretisch eine Einschränkung dar, weil der moderne Kapitalismus längst ein global agierender ist und das einzelne Kapital in seiner Gestalt als Aktien- oder Finanzkapital längst nationale bzw. räumliche Begrenzungen überwunden hat.

Die ökonomische Analyse der Klassenstrukturen mag heute als diskursive Konstruktion im akademischen Raum im wahrsten Sinne „brotlos“ sein, sie bleibt dennoch die zentrale Voraussetzung für eine antikapitalistische Praxis, die nur vorankommt, wenn ihre Aktivisten in der Lage sind, Klassenbewußtsein zu erkennen, einzuordnen und zu organisieren. Allerdings wird die Frage nach dem Zusammenhang von Klassenlage und Klassenbewußtsein in ihrer historischen Konkretheit nur in der kollektiven politischen Praxis beantwortet werden können.

Dessen war sich Karl Marx lange vor der Analyse des „Kapitals“ bewußt als er 1847 in seiner Schrift „Das Elend der Philosophie“ festhielt, dass die proletarische Klasse erst im gemeinsamen Kampf für ihre subjektiv empfundenen Interessen sich als Klasse für sich konstituiert. Aus diesem Grund werde der politisch praktischen Frage , wie sich Klassenbewußtsein heute bildet und wie es sich konkret darstellt, in meinem Vortrag nicht behandeln.

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Editorische Hinweise

Dem Vortrag lag die erste Version vom März 2011 "Wo ist das Proletariat bloß abgeblieben?" zugrunde.