TREND's Veranstaltungsreihe 2013/14: Let's talk about class!
in Kooperation mit North East Antifascist [NEA]

10-2013

trend
onlinezeitung

Spätestens mit der Einführung von Hartz-IV tritt der Klassencharakter der deutschen Gesellschaft wieder deutlicher zutage. Einem Teil der Bevölkerung wird ihre Stellung zum und im Produktionsprozess auf besonders schmerzhafte Weise sinnlich erfahrbar gemacht: Entweder ist die eigene Arbeitskraft überflüssig, was bedeutet, dass man von einer Mindestsicherung zu leben hat, die vorne und hinten nicht reicht, oder der Preis, den die Kapitalist*innen dafür zu zahlen bereit sind, ist so niedrig, dass der Staat diese Hungerlöhne subventioniert, damit die Betroffenen wenigstens auf den Hartz-IV-Satz kommen.

Diese Verhältnisse werden zwar auch in der bürgerlichen Presse thematisiert, aber es wird dort lieber von „Schichten“ geschrieben, wobei es sich nicht vermeiden lässt, dass bisweilen diskutiert wird, ob Deutschland wieder eine Klassengesellschaft sei. Umso rätselhafter erscheint es, weshalb in Deutschland der Klassenbegriff aus der linken Theorie weitgehend verschwunden, der Themenkomplex „Klasse“ weiten Teilen der Linken keine breit geführte Debatte mehr wert ist, und weshalb Klassenpolitik selbst in der politischen Praxis der radikalen Linken keine nennenswerte Rolle mehr spielt.

Warum eigentlich?

Etwa, weil die Mehrheit der Arbeiter*innenklasse nicht mehr als Industrieproletariat in Erscheinung tritt, wie es noch vor vierzig oder fünfzig Jahren der Fall war? Liegt es also an den veränderten, unübersichtlichen Klassenstrukturen im „Postfordismus“, die den Klassencharakter der Gesellschaft nicht mehr in der bekannten Schärfe hervortreten lassen? Haben sich heute die Bedingungen für eine politische Organisierung so verändert, dass ihre Strukturen für die Klassenkämpfe nicht mehr taugen? Und ist das der Grund dafür, dass die Klasse politisch nicht mehr wahrgenommen wird, weil die Klasse nur im Kampf sichtbar wird?

Werden überhaupt noch Klassenkämpfe von unten geführt? Ist es nicht so, dass der Klassenkampf von oben mithilfe neuer Herrschaftstechniken die Lage bestimmt? Offensichtlich findet Klassenkampf gegenwärtig weniger in den großen Betrieben statt – ist er also z.B. in den Stadtteilen zu finden, wo um niedrigere Mieten gekämpft wird?

Ist „Klasse“, oder gar die „Arbeiter*innnenklasse“ kein Thema mehr, weil sich bei vielen Linken Marx-Interpretationen durchgesetzt haben, die dem gesellschaftlichen Schein der Zirkulationssphäre aufsitzen und auf den Klassenbegriff verzichten?

Alles Fragen, denen wir in unserer Veranstaltungsreihe „Let’s Talk about Class!“ nachgehen wollen. Die Klassenstrukturen mögen zwar komplexer und damit auch unübersichtlicher geworden sein, aber das ändert nichts daran, dass die kapitalistische Produktionsweise mitsamt ihren Prinzipien und Zielsetzungen im Wesentlichen die gleiche geblieben ist und dass damit auch die von ihr ausgeübte Gewalt, die für eine „soziale Ausdifferenzierung“ sorgt, unverändert fortbesteht.

Also gilt es, die Debatte über den Themenkomplex „Klasse“ neu aufzurollen und die gemeinsame Anstrengung einer Neubestimmung der gegenwärtigen sozialen Strukturen und ihrer Überwindung zu unternehmen. Wir hoffen, dass wir mit dieser Veranstaltungsreihe einen Teil dazu beitragen können.

Folgende Veranstaltungen sind vorbereitet:

  • 30. Oktober 2013 um 19.30 Uhr, Zielona GoraGrünbergerstr. 73, 10245 Berlin
    WIEDERHOLUNG
    12. November 2013 um 19.30,
    Lunte, Weisestr. 53, 12059 Berlin
     
    "Lohnarbeit & Kapital"
    Die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie als Grundlage der Klassentheorie
    (Teil 1)
    Die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie ist zur Analyse der heutigen Klassenverhältnisse nach wie vor ausgesprochen geeignet, weil mit ihrem Theorie-Werkzeugkoffer nicht nur gezeigt werden kann, dass das gesellschaftliche Grundverhältnis von Lohnarbeit und Kapital sich in seinem ökonomischen Kern nicht verändert hat, sondern auch wie dadurch die Klassenstruktur der BRD geformt wird.
    Referent: Karl-Heinz Schubert
    (AKKA Berlin)

  • 21. Dezember 2013 um 15-17 Uhr Blauer Salon im Mehringhof, Gneisenaustraße 2a, 10961 Berlin
    WIEDERHOLUNG
    20. Januar 2014 um 19.30,
    Lunte, Weisestr. 53, 12059 Berlin

    Charaktermasken des Kapitals oder wer gehört zur Bourgeoisie?
    Die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie als Grundlage der Klassentheorie (Teil 2)
    Nach der Behandlung der inneren Gliederung des Proletariats im 1. Teil des Vortrags wird es nun um die Darstellung der verschiedenen Fraktionen der Kapitalistenklasse gehen. Ausgehend von Lohnarbeit und Kapital als dem ökonomischen Grundverhältnis werden die verschiedenen Fraktionen der Bourgeosie nicht nur der proletarischen Klasse gegenübergestellt, sondern es werden auch ihre Beziehungen untereinander behandelt.
    Referent: Guenther Sandleben (Buchautor)

  • 30. Januar 2014 um 19 Uhr im Café Größenwahn, Kinzigstr. 9 | 10247 Berlin
    WIEDERHOLUNG
    17. Februar 2014
    um 19.30, Lunte, Weisestr. 53, 12059 Berlin
    Von der Arbeiterbewegung zur Kritischen Theorie
    Zur Urgeschichte des „Marxismus ohne Klassen“
    Marxsche Kategorien wie Verdinglichung und Warenfetisch erfahren bei Adorno und dem frühen Lukàcs eine einschneidende Umdeutung, die von der romantischen Kultur- und Zivilisationskritik ihrer Zeit inspiriert ist. Während sie bei Marx auf das ideologische Verkennen des Klassenverhältnisses bezogen sind, das den bürgerlichen Akteuren als ein äußeres Verhältnis von Sachen erscheint, werden sie hier, anstelle von Armut und Ausbeutung, zum eigentlichen Skandalon. Dass diese Autoren soziale Ungleichheit in die Peripherie des Marxschen Denkens abdrängen, erweist sich dabei nicht nur als grundlegendes Missverständnis, sondern auch als einer der Hauptgründe für die wiedergewonnene Attraktivität der Kritischen Theorie in den neoliberal geprägten 90ern.
    Referent: Georg Klauda (freier Autor, Berlin)

  • Voraussichtlich am 24. April 2014
    Klasse bei Marx und Bourdieu
    Karl Marx bestimmt das Klassenverhältnis zwischen Lohnarbeit und Kapital als konstitutives Element der Reproduktion des Zusammenhangs moderner Reichtumsformen. Die Marxsche Theorie ist eine Formanalyse des gesellschaftlichen Reichtums und der damit verbundenen Bewusstseinsausprägungen. Ein revolutionäres Subjekt ist mit diesem formanalytischen Klassenbegriff noch nicht theoretisch bestimmt. Für Pierre Bourdieu sind soziale Bewegungen, die sich als Arbeiterklasse verstehen, das Produkt von Wille und Vorstellung. Die Anhänger der marxistischen Theorie haben demnach die Arbeiterklasse erst "gemacht".
    Referent:
    Günther Jacob (Hamburg)

Günter Jacob ist langfristig erkrankt!! (Gute Besserung von hier aus)
Planungsstand: 03.04.2014

Günter Jacob schrieb am 20.3.2017: " Ich bin längst wieder gesund!!"

Wir haben uns sehr über diese Nachricht gefreut. / red. trend