Editorial
Mittelschicht

von Karl-Heinz Schubert

07-2014

trend
onlinezeitung

Wer heute in Berlin-Neukölln von der Hermannstr. aus durch den Schillerkiez zum Tempelhofer Feld spaziert, um beispielsweise am Wochenende den Sonnenuntergang auf dem Feld zu erleben, der wird, wenn er dies schon einmal  früher kurz nach der Öffnung des Feldes getan hat, glauben, er ginge durch einen anderen Stadtteil - jedenfalls wenn er sich die Bevökerung und die dazugehörigen Restaurants, Kneipen, Galerien, Geschäfte und Cafés anschaut, die wie Pilze aus dem Boden geschossen sind. Auf dem recht informativen Blog "nk44" erfährt man mehr über diese Veränderungen, wo kapitalistischer Stadtumbau und Verdrängung eine Einheit bilden.

Bereits am 04.05.2010 mutmaßte die TAZ in ihrer "Schillerkiez-Serie"  mit Bezug auf die dortige Stadtteilzeitung "Randnotizen", wer von der Verdrängung durch den kapitalistischen Stadtumbau profitieren würde:

"Von linken Kritikern werden sie und das Quartiersmanagement als Vorboten eines Aufwertungsprozesses gesehen, der den Kiez für "ImmobilieninvestorInnen und für die Mittelschicht" attraktiv machen soll. So steht es in der alternativen Stadtteilzeitung Randnotizen."

Und ergänzte diese Botschaft mit eigenen Beobachtungen:

"Wohnraum für Alle! Statt Edelkiez steht auf einer Hauswand in der Herrfurthstraße, während in der Lichtenrader Straße aus billigen Fabriketagen Eigentumswohnungen werden. Andere Vorboten des Wandels sind in der Selchower Straße zu beobachten: Dort werden "Diddis Schatzkiste" und das "Selchower Eck" langsam eingekreist von einer Künstlerkneipe und einem Plattenladen. Die von jungen Leuten betriebenen Geschäfte profitieren von den niedrigen Mieten - und tragen zugleich zur Aufwertung des Viertels bei."

Vier Jahre später wird am 5.5.2014 in dieser Serie zu lesen sein, wie eine TAZ-Autorin  als  Neuzugezogene den Schillerkiez Gentrifizierung ironisierend erlebt:

"Ich bin keine Spekulantin, ich schlage kein Kapital aus der soziokulturellen Veränderung von Stadtteilen. Aber solange es keine gesetzlichen Schranken gibt, bin auch ich schuld an den Mieterhöhungen und Zwangsräumungen. Weil ich, das studierte Mittelschichtskind, in prekären, aber selbst verwirklichenden Arbeitsverhältnissen 100 Euro mehr für mein Zimmer zahlen kann als meine Nachbarn. Weil ich meinen Kaffee und meinen Wein in Bars trinke, die mehr Miete zahlen können als der Toto-Lotto-Laden, dessen Kaffee nur 60 Cent kostet. Ich übernehme die Aufwertungsarbeit für die Spekulanten – ich bin der Motor ihrer Geldvermehrungsmaschinerie."

Dass die Mittelschicht weniger Bemittelten Probleme bereitet, aufstiegsorientiert ist, sich gerne "nach unten" abschottet und nichts mehr fürchtet als "den Abstieg" wird ebenso permanent als Klischee in der Boulevardpresse breitgetreten, wie die Behauptung, die Mittelschicht sei die eigentlich produktive Klasse, und  die da drunter und die da drüber: "Alles Schmarotzer". Doch wer oder was ist die "Mittelschicht" wirklich, wenn wir einmal von den subjektiven Befindlichkeiten und den ideologischen Zuweisungen absehen? Da herrscht in der bürgerlichen Soziologie außer statistischem Zahlenwerk über Einkommenshöhen (Median des Äquivalenzeinkommens) schlicht Funkstille.

Die TREND-Redaktion, die jetzt nach den Redaktionsferien wieder an der Fortführung der unterbrochenen Veranstaltungsreihe "Let's talk about class!" bastelt, hat sich dieser Frage zugewandt, deren Beantwortung wir in einem klassenanalytischen Kontext stellen wollen. In dieser Ausgabe geht es daher mit dem Artikel Über drei Positionen zur Frage der neuen Mittelschichten - einem KGBE-Text - aus den frühen 1980er Jahren los. Doch keine Sorge, wir wollen nicht mit einem schlichten Blick zurück an diese Frage herangehen, deswegen lesen wir zur Zeit: Wüllenweber, die Asozialen; Herrmann, Hurra wir dürfen zahlen; Koppetsch, Die Wiederkehr der Konformität; Ehrenreich, Angst vor dem Absturz. Hilfreich ist auch, dass der "Arbeitskreis Kapitalismus aufheben (AKKA)" uns unterstützen wird.

Der AKKA seinerseits hat seinen Arbeitsschwerpunkt nach wie vor in der Wohnungsfrage. Doch bei seiner Arbeitskreis-Diskussion über Eckpunkte einer antikapitalistischen Wohnungspolitik zeigten sich auch Schnittpunkte zum Mittelschichtthema, nämlich bei der Frage, wer muss sich wofür wie organisieren?

Die für diese Ausgabe erstellte Linkliste Stadtteilkämpfe der 1960er und 70er Jahre in der BRD und Westberlin versteht sich daher als ein notwendiger Rückblick für ein richtiges Verständnis den Wohnungskampf heute als Klassenkampf zu führen, nämlich als ein Kampf um den Preis der Ware Arbeitskraft im Reproduktionsbereich. Gerade unter diesem Gesichtspunkt erweitert Stefan Engels Antwort auf die Kritik von Frank Braun und Jürgen Suttner an der Umweltpolitik der MLPD die Frage nach den objektiven Bedingungen, unter denen heute das Proletariat der Kampf gegen die Verschlechterung seiner Lebensbedingungen und für den Sozialismus zu führen hat.

Die vorliegende Ausgabe, die erste nach fast zwei Monaten Pause, enthält aber noch eine Reihe anderer wichtiger Themen. So zum Beispiel: wenn Bernard Schmid das Scheitern der Fraktionsbildung der Rechtsextremen im Europaparlament schildert oder Max Brym uns Texte über die politische Entwicklung im Kosova zur Verfügung stellt.

Kurzum: Wir sind wieder da!

Und nicht vergessen: SOLIDARITÄT MIT BLOGSPORT.DE

 

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