es gibt vielfältige
Parallelgesellschaften, auch hier im Haus: vielleicht könnte
sich eine dieser »Parallelgesellschaften«, die sich seit der
Rede der Stadtverordneten der Linkspartei in der
Römer-Cafeteria aufhält, mal wieder ins Parlament begeben?
Herr Hübner vom BFF ist Biedermann und
Brandstifter in einer Person. Er legt gern rassistisch oder
nationalistisch Feuer, grinst dann höhnisch, wenn es brennt.
Kommt Kritik an ihm auf, spuckt er vielleicht mal kurz in die
Flammen. Nie will er Brandstifter gewesen sein. Heute ist der
letzte Zeitpunkt, an dem sich die beiden anderen
BFF-Mitglieder endlich einmal zu ihrem Fraktionsvorsitzenden
erklären müssen, sonst gehen wir davon aus, dass sie alles
mittragen.
Es geht in dieser Debatte in Wahrheit
nicht um »Ängste«, das ist Propaganda, sondern um Interessen.
Zum Beispiel das Interesse einiger Rassisten einer Gruppe von
Frankfurtern muslimischen Glaubens mindere Rechte
zuzugestehen.
Grundlage und Voraussetzung meiner
Zustimmung zum Bau der Moschee ist, dass ich Atheistin bin,
d.h. mein Menschenrecht ausübe, nicht religiös sein zu müssen.
Diese Debatte ist verlogen. Von Frankfurter Muslimen wird ein
Ausmaß an Unterwerfung verlangt, das die Frankfurter Christen,
geräten sie in eine vergleichbare Situation, empört
zurückwiesen. Noch nie hat mich eine christliche Kirche um
ihre Zustimmung zu einem Bauprojekt gefragt, ob ich das
Gebäude schön finde, die Parkplätze ausreichend, den Turm zu
hoch. Die Moschee darf nicht höher werden als die orthodoxe
Kirche gegenüber. Merkwürdig: geht es um Hochhäuser, die
Kirchen des Kapitals, muss ein Hochhaus geradezu höher sein
als das zuletzt gebaute.
Seit Jahrzehnten kann ich im Nordend
sonntags nie ausschlafen, trotz Ohropax und Isolierfenster,
weil christliche Glocken gleich mehrerer Kirchen dröhnen. Es
wäre weniger störend, diese Kirchen würde ihre Besucher
einzeln anrufen, so viele sind es ja nicht. Kaum vorstellbar
ist, dass Atheisten vergleich-baren Lärm machen dürften.
Sonntags mittags laut schallend »Das Solidaritätslied« oder »Bandiera
Rossa« über den Dächern, das wär doch was.
Religion ist Privatsache. Der Staat hat
frei zu sein von Religion, in jeder Hinsicht. Das schließt
auch die privaten Ausbildungsstätten mit ein: keine Kreuze,
keine Schleier. In diesen Privatclubs, den
Religionsgemeinschaften, müssen Menschen- und Grundrechte
durchgesetzt werden. Also Förderung umfassender Emanzipation,
aber auch Kampf gegen Antisemitismus, Rassismus und
Frauenfeindlichkeit. Freiheit des Staates von Religion
bedeutet auch: dass esoterisch-irrational-okkulte Lehrprogramm
wie in Waldorfschulen nicht staatlich finanziert oder sonstwie
gefördert werden, wie das heute der Fall ist. Über ihre
ideologische Grundlage, die Anthroposophie, schrieb Ernst
Bloch 1935, dass »nur der starke Anteil anderer Länder an der
anthroposophischen Bewegung« verhindere, »dass diese
geschlossen zu Hitler übergeht«. Bloch analysiert »einen
totalen Frontwechsel des ’liberalen’ Bürgertums« hin zum
Faschismus. Der Weg über den »Okkultismus« sei ein »riesiges
Eingeständnis der bürgerlichen Leere« und der »Schwäche des
bürgerlichen Weltbilds.« Bloch: »unmittelbar gesehen ist der
okkulte Spuk [u.a. die Anthroposophie] gewiss nur
Faschisierung des Bürgertums, Übergang seines unbrauchbar
gewordenen Liberalismus ins autoritäre und irrationale Lager.«(1)
Waldorfschulen werden von CDU/SPD/FDP/Grüne-Regierungen mit
Steuermitteln finanziert.
Deutsche Ausbildungsstätten sind voll vom
neuen alten Irrationalismus. Den neuen Wahn namens »Kreationismus«
bzw. »Intelligent Design«, der Kampfansage gegen die
Evolutionstheorie, fördert zum Beispiel die hessische
Kulturministerin.
Eine tatsächlich weltoffene, tolerante
Stadt hat den rassistischen Mob zu bekämpfen, nicht sich ihm
anzubiedern. Diskutiere ich mit einem Menschen, in dessen Kopf
Anteile eines rassistischen Bewußtseins lauern, ist er kein
faschistischer Funktionär und heisst er auch nicht Hübner,
kann ich, im persönlichen Gespräch, manchmal das Falsche an
einem inhumanen Weltbild erklären und auch erläutern, wie ein
Vorurteil, ist es erstmal entstanden, durch selektive Sicht
und selektives Erleben und Verarbeiten stets gefüttert wird
und nie mehr hungert.
Aber um individuelle Diskussion geht es
heute nicht. Wir haben politisch zu reagieren.
Auf übelste Weise ist der Multi-Kulti-Dezernent rassistisch
attackiert worden. Der Antrag NR 621 der Linken, ist eine
Solidaritätserklärung für den grünen Multi-Kulti-Dezernenten
Jean-Claude Diallo, die ich voll und ganz unterstütze. Es ist
eine Schande, dass die Grünen diesen Antrag ablehnen, und aus
taktischen Gründen, flugs einen lauen Ersatzantrag gestellt
haben. Die Vorgänge im Ortsbeirat zeigen auch, wie die soziale
Basis von CDU/Grünen tickt und wie einige ihrer örtlichen
Parteivertreter den Mob in Hausen anheizen.
Offen ist seit Jahrhunderten die
Demokratisierung der christlichen Kirchen:
-
noch immer segnen sie den Krieg;
-
machen Menschen mit Wahnvorstellungen
irre;
-
diskriminieren Frauen und Menschen
anderer Hautfarben;
-
haben eine perverse, gestörte Beziehung
zu Sexualität.
Gälten dieselben Maßstäbe für christliche
Kirchen wie für Muslime, müsste beispielsweise eine wütende
Debatte um die Wiedereinführung der lateinischen Liturgie in
der Katholischen Kirche geführt werden. Mit ihr darf wieder,
ganz im Sinne des aggressiven Antijudaismus des 19.
Jahrhunderts, für die »Bekehrung« der falschgläubigen Juden
gebetet werden, von deren »Verblendung« ist die Rede und von
den Juden als einem Volk, das »in Finsternis« wandelt.
In was, bitte schön, sollen Muslime »integriert« werden? In
eine reaktionärer werdende deutsche Gemeinschaft? Ich bin ganz
dagegen, dass muslimische Vereine Sondervereinbarungen mit
Behörden treffen müssen. Das ist eine Unterwerfung. Entweder
gilt das – durchlöcherte – Grundgesetz für alle oder gar
nicht. Es geht um die Überwindung der jeweiligen
diskriminierenden, rassistischen inhumanen Beschränkungen
überall und in allen Religionen. Es
geht um eine humane Gesellschaft, nicht darum,
undemokratische, diktatorische Entwicklungen multireligiös
abzusichern, in dem man sich mit Sondervereinbarungen die
Zustimmung der in Vereinen organisierten Muslime sichert.
Die extrem rassistische Debatte in Hausen hat gezeigt, wo wir
leben. Heute wird hier, – wegen des Images der Stadt und wegen
wirtschaftlicher Interessen –, eine Pro-Toleranz-Erklärung
abgegeben werden. Alle hier wissen, dass – würde die
Abstimmung in den Fraktionen frei gegeben –, etliche
Stadtverordnete nicht so abstimmen würden, wie OB Roth es
will. Aber solange diese Stadt nicht wirklich »weltoffen« und
menschlich ist, ist mir verordnete Toleranz lieber als keine,
so wie mir verordneter Antifaschismus lieber war und ist als
keiner.
Karl Marx schreibt – oft falsch zitiert
–, 1844 in der Einleitung zur Kritik der Hegelschen
Rechtsphilosophie:
»Die Religion ist der Seufzer der
bedrängten Kreatur,
das Gemüt einer herzlosen Welt,
wie sie der Geist geistloser Zustände ist.
Sie ist das Opium des Volkes«.
Wenn die gesellschaftlichen Verhältnisse
so sind, das die Menschen eine Art von Drogen für die
Milderung ihrer Schmerzen, welche die soziale Realität
verursacht, brauchen, dann sollen sie sie haben.
Zählen Sie einmal die Zahl der
christlichen Kirchen in Frankfurt im Verhältnis zur Zahl der
Christen, die es in Wirklichkeit noch gibt, vergleichen Sie
sie mit der Zahl der Muslime und ihrer Moscheen und sie werden
sehen, dass es zu wenige Moscheen gibt. Natürlich muss diese
Moschee der Hazrat-Fatima-Gemeinde am Industriehof gebaut
werden. Es ist das Recht der muslimischen Frankfurter. Nicht
mehr, nicht weniger.
Anm.1 Ernst Bloch, Erbschaft
dieser Zeit, (Erstausgabe Zürich: Oprecht & Helbling 1935),
Frankfurt/Main: Suhrkamp 1977, S. 188 f
Nachtrag 1:
Weil der Stadtverordneten Jutta Ditfurth dank der Repressalien
von CDU/Grünen/SPD/FDP nur 10 Minuten Redezeit für eine ganze
Parlamentssitzung zustehen (für die Zeit von 16 Uhr bis ca. 24
Uhr) konnte auch diese Rede nur gekürzt gehalten werden.
Nachtrag 2: Nach dieser Rede kam
die BFF-Stadtverordnete Katharina von Beckh (vor drei Zeugen)
wütend auf mich zu, und erklärte: »Wir stehen voll und ganz
hinter Wolfgang Hübner!« »Wir« –
sie sprach also auch für Friederike Prüll, die dritte und
letzte BFF-Stadtverordnete, und Mitglied im Bundesvorstand der
Tierschutzpartei. Beide können nun nicht mehr sagen, sie
hätten nichts gewußt.
Editorische
Anmerkungen
Dieser Artikel wurde uns
von der Autorin zur Veröffentlichung am 4.11.07 gegeben.