Editorial
Klassenkampf

von Karl-Heinz Schubert

03-2013

trend
onlinezeitung

Die März-Ausgabe 2013 von TREND wird durch das Glückwunschtelegramm an Dora Dick zur Geburt ihres Sohnes Antonín geschmückt.  Antonín Dick vermerkt dazu in seinem autobiografischen Essay Rose des Exilgeborenen: "

"Ich bin unter dem Zeichen einer doppelten roten Rose aufgewachsen, wie Bild und Text des Telegramms ausweisen, unter dem Zeichen der roten Rose von England und zugleich unter dem Zeichen der roten Rose der Arbeiterbewegung. Für mich, das aufwachsende Kind, gab es nur eine Rose. Aber ich wurde im Zuge der dramatischen Ereignisse im restlos zerstörten Deutschland, um in den Bildern des Glückwunschtelegramms zu bleiben, mit blutigen Rosenkriegen konfrontiert, die mich bis ins Innerste trafen und mich fast bis zur Unkenntlichkeit zerrieben hätten, wobei unbedingt anzumerken ist, dass diese Kriege lediglich von einer Seite geführt wurden, die andere, die wehrlose, ließ sie über sich ergehen oder wich ihnen aus oder wehrte sich sogar." (S.5)

Der Autor der "Rose des Exilgeborenen" schildert darin packend und persönlich dicht seinen Lebensweg als Kind während der Hitlerfaschismus nach England emigrierter kommunistischer Juden. Mit ihnen geht er nach Kriegsende zurück nach Deutschland und findet seinen Lebensmittelpunkt in der DDR. Je mehr sich doch dieses sozialistische Projekt zum Staat einer Partei entwickelte, entfernte sich Antonín Dick zunächst innerlich und dann sich wehrend von diesem Staat. Die persönliche Retrospektive lässt LeserInnen nicht nur teilhaben an den Erlebnissen des Autors, sondern macht sie auch mit Aspekten der DDR-Geschichte bekannt, die heute keine oder nur kaum Öffentlichkeit haben.

Wir sind Antonín Dick durch Dank und Hochachtung verbunden, dass er TREND  die Möglichkeit der Erstveröffentlichung für dieses Essay gewährt hat.

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Wenn  Antonín Dick auf die doppelte Bedeutung der "roten Rose" verweist, die für ihn nur Eine / Eins  ist, dann bleibt sie dennoch nach der einen Facette hin "Arbeiterbewegung ". Deren historische Crux ist es, dass ihr  mit den gesellschaftlichen und staatlichen Verhältnissen der sozialistischen Projekte Schuld und Verantwortung aufgeladen wurden - bzw. sie sich aufgeladen hat - die sich als ideologische Mauer zwischen dem heutigen Kapitalismus und der Alternative seiner Aufhebung aufschichten. Umso mehr ist es an der Zeit, wieder vom Kampf der Klassen zu sprechen, um den hießigen Verhältnissen einen Namen zu geben, der nicht dem Kopf oder der Tradition entspringt, sondern seinen Inhalt aus der Klassenwirklichkeit entnimmt.

Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung hat errechnet, dass sich in der BRD die  Zahl der an Streiks und Warnstreiks beteiligten Beschäftigten gegenüber 2011 mehr als versechsfacht hat – sie stieg von rund 180.000 auf etwa 1,2 Millionen. So ihre Jahresbilanz zur Streikentwicklung 2012. Große Warnstreikwellen in der Metallindustrie und im öffentlichem Dienst sowie ein neuer Höchststand an Arbeitskämpfen im Dienstleistungsbereich haben das Arbeitskampfgeschehen im Jahr 2012 geprägt.

Diese Zahlen zeigen an, dass erheblich Teile der ArbeiterInnenklasse Kämpfe führen, die speziell im Dienstleistungsbereich noch keine Klassenkampftradition haben. In diesen Kämpfen entstehen politische Klassenstrukturen bzw. wirken auf diese ein, die durch ein hohes Maß an politisch-ideologischer Zersplitterung in Kleinstgruppen gekennzeichnet sind. Da bekanntlich der Kapitalismus in der Lage ist, seine ökonomische Krise auf seinen eigenen Grundlage aufzulösen, wäre es fatal, strategisch hier auf einen Zusammenbruch zu setzen oder zu meinen, durch Krisen würde es möglich werden, das Lohnsystem derart zu delegitimieren, dass das herrschende politische Personal sozusagen freiwillig den Löffel abgibt.

Wenn es eine Lehre aus der Geschichte der Klassenkämpfe gibt, dann die, dass ohne die Voraussetzung der selbständigen politischen Organisierung der Klasse gar nichts in Richtung Sozialismus läuft. Daher muss es m.E. heute darum gehen, die Einheit der Klassenlinken über ihre ideologische Zersplitterung hinweg in der Praxis des Klassenkampfes herzustellen - etwa in dem Sinne, wie es Frank Braun an die Adresse der DKP formuliert:

"Daher wird es darauf ankommen, ob vor allem die kommunistische Linke – innerhalb und außerhalb der DKP, am besten aber zusammen - ein gemeinsames Projekt aufzusetzen in der Lage ist. Es muß ja nicht gerade die Klärung der Widersprüche aus der Polemik über die Generallinie der 1950er oder 1960er Jahre hauptsächlicher Gegenstand dieses Projekts sein. In aller Bescheidenheit: Die Formulierung von vor allem praxistauglichen Leitgedanken für eine zeitgemäße kommunistische Identität ausgangs ganz praktischer Verabredungen wäre da schon ein enormer Fortschritt."

Unter dieser Prämisse ist es zu begrüßen, wenn die DKP auf ihrem 20. Parteitag durch ihren neuen Vorsitzenden Köbele verkündet, dass die Betriebs- und Stadtteilarbeit ins Zentrum ihrer Politik gerückt werden soll. Bleibt nur zu hoffen, dass Die DKP endlich beginnt zu begreifen, dass die Einheit der Klassenlinken nicht die Einheit des DGB ist, sondern wie der Fall MLPD zeigt, nur das Außenvorhalten von klassenkämpferischen Linken vor sozialdemokratisch okkupierten gewerkschaftlichen Strukturen.

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Die Wohnungsfrage als Klassenfrage zu behandeln, das zeigte sich in den letzten Monaten auf etlichen Veranstaltungen und Diskussionrunden, wurde von linken MietaktivistInnen als eine nur mit Kopfschütteln oder mit argumentativen Unverständnis bedachte Aufgabenstellung angesehen. Jene Blindheit gegenüber den  tatsächlichen Klassenverhältnissen ist  - folgt man Jakubowskis Ideologiebegriff - "...nicht nur eine subjektive „Hirnweberei", sondern bewußtseinsmäßiger Ausdruck des objektiven Scheins, den die kapitalistische Wirklichkeit annimmt. Sie ist -- als bewußtes Sein -- selbst ein wesentlicher und notwendiger Teil dieser Wirklichkeit, der Begriff, der der realen Existenz der Oberfläche entspricht, im Gegensatz zum richtigen, totalen Bewußtsein, das außer der Oberfläche auch die Kerngestalt, das Wesen der Verhältnisse erfaßt."

Diese Kerngestalt - das Wesen - der Geschäftemacherei mit Immobilien für eine antikaptalistische Politik  im Stadtteil zu analysieren, darum kümmert sich seit einigen Monaten der Herausgeber unserer Zeitung des "Arbeitskreis Kapitalismus aufheben"(AKKA). Meine in dieser Ausgabe veröffentlichten Thesen über "Grundrente, Mehrwert und Bodenpreis" sollen einen Eindruck vom Stand der Diskussion vermitteln.

Es ist von Seiten des AKKA geplant, im April 2013 eine Veranstaltung zum Thema "Die Wohnungsfrage als Klassenfrage" durchzuführen, wo wir eine erste Bilanz unserer Untersuchungen zur Diskussion stellen wollen. Wir werden rechtzeitig informieren.

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