Editorial
Schattendasein
Über Erkenntnistheorie, Philosophie und Weltanschauung im politischen Alltag

von Karl Mueller

10-2013

trend
onlinezeitung

Im September erhielten wir einen Leserbrief von Bernhard Th., in dem er uns bat, doch Mandels "Gegenkritik" zu dem Aufsatz von Krasso über Trotzkis Marxismus zu veröffentlichen, die im selben Jahrbuch 1969 erschienen war. Dem kamen wir gerne nach, zeigt die Gegenüberstellung beider Texte doch, dass m.E. die Mandelsche Gegenkritik ihren Gegenstand verfehlt, wo Krasso Trotzki in Grundfragen der Erkenntnistheorie angreift und dessen zentrale Begrifflichkeiten ideologiekritisch und ideengeschichtlich hinterfragt. Mandel antwortet Krasso nämlich permanent als Historiker, so dass sein Artikel eigentlich in die Rubrik "Geschichte" hätte eingestellt werden müssen.

Dass Erkenntnistheorie, Philosophie und Weltanschauung nicht nur damals unter linken Politstrategen ein Schattendasein führten, was einer selbstverschuldeten Unmündigkeit gleichkommt, prägt auch heute die BRD-Linke. In dieser Ausgabe finden sich u.a. die folgenden Beispiele: 

Beispiel eins: Edith Bartelmus-Scholich verfasste einen Kommentar zu den Bundestagswahlen, worin sie hervorhebt, dass ein Teil der Wählerverluste der Linkspartei an die rechtskonservative AfD damit zusammenhängt, weil diese die "Protestwähler" nicht länger binden  konnten. Dass es sich hier offensichtlich um deutschtümelnde Kräfte handelte, die jenseits und entgegen ihrer Klassenlage für Chauvinismus und Rassismus aufgeschlossen sind, bleibt unhinterfragt. Denn solch eine Fragestellung hätte denklogisch dazu geführt, sich einmal den ideologischen und weltanschaulichen Grundlagen der PdL selber zuzuwenden. Übrigens gehört in diesen Zusammenhang auch die Frage, warum DGB-Mitglieder im fast gleichen prozentualen Umfang AfD  wie die Gesamtwählerschaft wählten.

Beispiel zwei: Die Erklärung des DKP-Parteivorstands zu den Vorgängen der Formierung einer innerparteilichen Opposition als Fraktion. Darin heißt es quasi als Ermahnung an die Opposition: "Die DKP ist keine Strömungs- oder pluralistische Partei, sondern eine Kommunistische Partei, die sich die Prinzipien des demokratischen Zentralismus zu eigen gemacht hat." Und zur Legitimierung wird das Parteiprogramm in den Zeugenstand gerufen: „Die Gemeinsamkeit der Weltanschauung und der politischen Ziele bestimmt die Prinzipien des innerparteilichen Lebens der DKP." Ja - aber... Was ist denn die gemeinsame Weltanschauung? Der Marxismus-Leninismus! Danke alles klar. Eben nicht. Dass der ML eine geschlossene aber kein abgeschlossene Weltanschauung ist, verpflichtet doch geradezu zur ideologischen Auseinandersetzung mit den innerparteilichen Kräften, die "100 Blumen blühen lassen" wollen, auch und gerade um den Preis der Erneuerung. Doch dieses ideologische Ringen sucht Leser*in vergeblich in dieser Erklärung.

Beispiel drei:  David Harvey will in seinem neuen  Buch "Rebellische Städte" die "sozialistische Stadt" erkämpfen. Seine Vision lautet, "das Recht auf Stadt als Klassenforderung" kann alle antikapitalistischen Kräfte einen. Kotti & Co erweist sich zunehmend als ein politisches Projekt, dass anscheinend diesen Weg nicht gehen will und wird..

In Gesprächen mit linken Aktivisten höre ich in Bezug auf Kotti & Co oft Unbehagen heraus, wohin sich deren Wohnungs- und Mietkampf derzeit entwickelt. Bisweilen drückt sich das Unbehagen sogar unmissverständlich aus, nämlich wenn eine Kritik an Kottis Politikformen vorgebracht und ein Mehr an Militanz und Radikalität in der Aktion gefordert wird. Bezeichnenderweise hoffen jene Aktivist*innen, so aus dem als Reformismus denunzierten opportunistischen Fahrwasser herauszukommen. Dass diese Kritik zu kurz greift, weil das reformistische Vorgehen dagegen ja so vernünftig und vielversprechend daher kommt, lässt sich in dem "schwarzen" Dokument "17 Monate" von Kotti & Co  fein nachlesen.

Wählt mensch aber statt eines polit-aktivistischen Zugangs zum Text ein ideologiekritisches Herangehen, dann zeigt sich schnell darin ein Gesellschaftsbild, das keine Klassen kennt und daher statt vom Klassenkampf von der Sozialpartnerschaft ausgeht. O-Ton Kotti & Co: " Wir müssen auch unsere politischen Gegner respektieren. Sonst geht gar nix."  Was wiederum "Sozialpartnerschaft" ideologisch bedeutet und zu wessen Nutzen solche Bilder in die Welt gesetzt werden, benennt der Aufsatz von Reinhold Schramm.

++++++++++++++++

Seit etlichen Jahren gibt es bei TREND als feste Rubrik "Philosophie". Das ist unser minikleiner Versuch, diese selbstverschuldete Unmündigkeit zu überwinden. In der jetzigen Ausgabe bringen wir einen Text von Hans Jürgen Krahl, der Notizen über Karl Korsch, wie dieser das  Verhältnis zwischen Marxismus und Philosophie bestimmte, enthält. Wir haben uns für diesen Text entschieden, u.a. einmal weil Krahl mit Bezugnahme auf Korschens Verständnis der materialistischen Dialektik in Trotzkis "permanenter Revolution" einen wegweisenden Beitrag zu sehen glaubt - was ja Krasso (siehe oben) angreift, und zum andern, weil dadurch eine ideologiekritische Einordnung des in der letzten Ausgabe von Korsch veröffentlichen Text  Was ist Sozialisierung? - Der Interessengegensatz der Produzenten und Konsumenten erleichtert  wird.

TREND(s) im Netz - hier die jüngsten Zahlen:

Die BesucherInnenzahlen vom September 2013, in Klammern 2012, 2011

  • Infopartisan gesamt:  140.113 (108.017, 102.452)
  • davon TREND: 95.136 (77.249, 74.714)

Diese Auswertung fasste alle Seitenaufrufe eines Besuchers,  gekennzeichnet durch seine IP-Adresse und seine Browserkennung, zu einem Besuch (unique visit) zusammen. Ein Besucher wurde nur gezählt, wenn er mindestens eine Page-Impression, d.h. eine vollständig geladene Seite mit dem Rückgabewert 200 oder 304, ohne Bestandteile wie Bilder und Dateien mit den Endungen .png, .jpg, jpeg, .gif, .swf, .css, .class oder .js auslöste. Liegen mehr als 30 Minuten zwischen den einzelnen Page-Impressions, so wird der Besucher mehrfach gezählt. Ein Besuch kann maximal 30 Minuten dauern.

  • 1.328  BesucherInnen verbuchte die Agit 883 Seite.
  • Es wurden 834 Ausgaben der Agit 883 aufgerufen
  • 4.598 BesucherInnen besuchten das Rockarchiv
  • 8.520  Seiten wurden im Rockarchiv abgerufen

Die am meisten gelesene Seite im September 2013 bei Infopartisan war:

Der am meisten gelesene TREND-Artikel im September 2013:

Die am meisten gelesenen TREND-Artikel der 09/2013-Ausgabe im September 2013:

Weitere stark nachgefragte TREND-Artikel aus vorherigen Ausgaben im September 2013:

Seitenaufrufe bei INFOPARTISAN gesamt im September 2013: 261.264
Seitenaufrufe bei TREND im September 2013: 182.119