Editorial
Über Collagen & Montagen

von Karl Mueller

11-2012

trend
onlinezeitung

Genau vor vier Jahren veröffentlichten wir das Veranstaltungsmanuskript "Der wirkliche Sozialdemokrat" von Karl-Heinz Schubert, welches sich mit dem sozialdemokratischen Neuköllner Bezirksbürgermeisters Heinz Buschkowsky ("Ich bin ja nur ein Dorfschulze") befasste. Darin hieß es: "Die Amtstube - das ist seine Welt. Die Welt draußen, das ist für ihn seine Parallelwelt - auf die wirkt er ein und formt sie nach seinem Bilde."

Zu unserem Bedauern müssen wir heute feststellen, dass Heinz Buschkowsky dieser Misson nicht nur treugeblieben ist, sondern unbehindert - und vielmehr von seinesgleichen gefeiert - fleißig weitermachen konnte. Zwischenzeitlich von den Hinduisten zum Maharadscha (Großfürst mit begrenzter Autonomie) von Neukölln ernannt, fühlte er sich 2012 zur Herausgabe eines Buches mit dem charmanten Titel "Neukölln ist überall" berufen. polarisierend national-patriotisch und kulturalistisch-rassistisch.

Mit seinen knapp vierhunderten Seiten starken Buch, in dem auch die reaktionären Vorschläge der verblichenen Kirsten Heisig wieder abgefeiert werden, will er die Welt seiner LeserInnen sichten, ordnen und bewerten, ohne dass es dazu eines besonderen gedanklichen Aufwands bedarf. Mit Suggestion und ständiger Nennung vermeidlicher Gefahren sollen die letzten Reste logischen Denkens seiner geneigten LeserInnenschaft lahmgelegt werden.

Ein Buch, das sowohl sprachlich als auch inhaltlich auf dem ideologischen Level der BILD-Zeitung angesiedelt ist (siehe dazu: Gianna Jansen: Feindbilder in der BILD-Zeitung,), ruft angesichts des massenhaften Zuspruchs bisweilen auch in den Reihen der eigenen Partei Widerspruch hervor. So  beschwert sich Aziz Bozkurt, der Vorsitzender der AG Migration in der Berliner SPD am 14.10.2012  in der Berliner Zeitung: "Dieses Buch macht vieles zunichte. Mir als leidenschaftlichem Sozialdemokraten tut das richtig weh." Besonders stören Aziz Bozkurt an Buschkowsky dessen kulturalistische Collagen, mit denen diffuse Ängste vor vermeintlich Fremden geschürt werden,  und die rassistische Montage völkischer Prototypen ("gewaltfreie Deutsche" und "gewaltbereite Nicht-Deutsche"). Was ihn nicht stört und da ist er ganz an der Seite seines sozialdemokratischen Genossen, sind Buschkowsky repressiven Vorschläge zur Stärkung der Staatsraison, dazu nämlich kein Wort in diesem Interview und auch nicht auf den Seiten der AG Migration.

Anne Seeck und Karl-Heinz Schubert von der TREND-Redaktion werden in ihrer Buchvorstellung von "Neukölln ist überall" am 19.11. in der Lunte daher vor allem diese repressiven Vorschläge unter die Lupe nehmen und zeigen, "dass sozialdemokratische Stadtpolitik in der Lesart von Heinz Buschkowsky bedeutet, eine Wohnbevölkerung so abzurichten, dass sie den kapitalistischen Stadtumbau akzeptiert, ihn mitträgt und die Vertreibung widerständiger und/oder nicht zahlungsfähiger BewohnerInnen begrüßt."

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Collagen und Montagen als formale Elemente eines inhaltlichen Arrangements sind nicht per se abzulehnen, sondern sie folgen dem Inhalt und der setzt bekannntlich die Maßstäbe und die Gegenstände der  Kritik. Daher scheuen wir uns auch nicht diese Darstellungsformen in unserer Publizistik zur Anwendung zu bringen. In dieser Ausgabe zum Beispiel, wenn es um die linke Wohnungspolitik geht. In der entsprechenden Rubrik finden sich Aufrufe zu Demos und einer Konferenz zur Zukunft der Sozialbauwohnungen kombiniert mit einem Text über Mieterräte und einem Auszug aus dem DDR-Zivilgesetzbuch. Wir hoffen, dass die LeserInnen die weißen Flecken in der gegenwärtigen linken Wohnungspolitik, wie sie im Mangel an politischen Forderungen, die auf die Kontrolle und Überwachung der Profitmacherei mit Wohnraum abzielen, zum Ausdruck kommen, durch Gedankenanstöße vermittelt durch die beiden historische Texte schließen werden.

Wer sich mit der politischen Ökonomie der Profitmacherei mit Immobilien befasst, wird alsbald feststellen, dass es keinen Königsweg der ökonomischen Forderungen - wie z.B. Fixierung der Kaltmiete auf 4 €, um eine aktuelle Forderung zu nennen  - gibt,  sondern dass solche Forderungen mit politischen d.h. Machtstruktur verändernden Kontroll- und Handlungsforderungen verbunden werden müssen. Der Blick ins DDR-Recht versteht sich daher keinesfalls als nostalgischer Kniefall an vergangene angeblich bessere Tage. Vielmehr geht es uns darum, zu zeigen, dass die damalige Fixierung der MieterInnen einer Immobilie als Rechtsperson ("Mietergemeinschaft") übertragen auf heute  für die Kapitalseite den nicht besonders attraktiven Zwang nach sich zöge, Verträge zur Bewirtschaftung der Immobilie mit dieser Rechtsperson Mietergemeinschaft schließen zu müssen.

Wir denken, Fantasie in diese Richtung zu entwickeln bringt mehr, als auf den individualistischen Ausweg pseudogenossenschaftlicher Häusersyndikats-Modelle zu optieren, wodurch Häuser letzten Endes ins (Teil-)Eigentum der esoterischen GLS-Bank transferiert werden.

Auch die Montage des Artikels von Meinhard Creydt mit  einem Foto, das triste Sozialismus AgitProp vor einem rotten Krankenhaus zeigt, sollte unterstreichen, dass der Sozialismus verstanden als aufgehobener Kapitalismus, wie er in Creydts synoptischer Gegenüberstellungen skizziert wird, uminterpretiert als DDR-Sozialismus keinesweg eine nachahmenwerte Alternative zum Hier und Heute darstellt.

Vielmehr sollte gelten: Würde heute Sozialismus von den Lohnabhängigen verstanden werden als Rückübertragung des gesellschaftlichen Reichtums in gesellschaftliche Hände, wäre die Zukunft sicherlich eine andere als gestern und der Sozialismus hieße dann tatsächlich Prophylaxe gegen Ausbeutung und Unterdrückung.

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