Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Der "Bloc identitaire"
Eine rechtsextreme Vereinigung in Frankreich

11/09

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Seit kurzem, neue politische Partei - Überwiegend außerparlamentarisch, aktiver-militanter als der Front National und (im Auftreten) ideologisch „modernisiert“. Ehemals unverhüllt antisemitisch, gibt man sich heute militant pro-israelisch.

„Wir stehen der (italienischen) Lega Nord näher als dem (französischen) Front National“, tönt es von der Tribüne herunter - denn, so lautet die Begründung, der staatsfixierte Nationalismus sei überholt und das weiße Europa müsse zusammen stehen. Der Redner fügt sogar hinzu: „Der Nationalismus war eine Katastrophe für Europa“. Worte, die freilich nicht aus pazifistischen Motiven ausgesprochen werden, sondern aus dem Beweggrund fallen, dass der Krieg untereinander eine Katastrophe für die weibe Rasse gewesen sei. (Auf dem rechtsradikalen Blog ‚Doctrine nationaliste’ wird der französische NS-nahe Rassenideologe und Aktivist Pierre Vial deswegen, dennoch, einige Tage später eine harsche Kritik an solch verräterischen Worten über die Nation formulieren.)

Diese Worte verkündete Fabrice Robert, Chef der französischen rechtsextremen Aktivistenorganisation Bloc Identitaire, am Wochenende des 17./18. Oktober dieses Jahres in Orange von der Rednertribüne. Dort löste er Richard Roudier ab, den Vorsitzenden des »Hilfskomitees für die europäischen Gefangenen«, das sich um die Betreuung von Häftlingen kümmert, die für rassistisch motivierte Straftaten einsitzen.

Die Strömung der so genannten identitären Nationalisten (Les Identitaires) versammelte ihre Anhänger auf einem europaweiten „Konvent“ in Orange - mit ausdrücklicher Rückendeckung aus dem Rathaus. In der südfranzösischen Stadt mit 30 .000 Einwohnern regiert seit 1995 der rechtsextreme Bürgermeister Jacques Bompard. Er hatte schon im Gründungsjahr 1972 dem Front National (FN) angehört, den er jedoch vor vier Jahren verließ, um zur nationalkonservativen Partei Mouvement pour la France (MPF, „Bewegung für Frankreich“) des rechten Katholiken Philippe de Villiers überzutreten.

Die „Identitären“, deren wichtigste Organisation in Frankreich der Bloc Identitaire ist (Nachfolgeorganisation der 2002 verbotenen Gruppierung Unité Radicale) – der an jenem selben Wochenende seine Umwandlung von einem bisherigen bloßen Verein in eine eingetragene politische Partei ankündigte –, bilden eine aktivistische Strömung im europäischen Neofaschismus. An der Tagung in Orange nahmen laut Angaben der französischen Regionalpresse 620 Aktivisten und Sympathisanten aus dem In- und Ausland teil. Der Abgeordnete der Schweizerischen Volkspartei (SVP) für den Kanton Jura, Dominique Baettig, der aus der Schweiz ebenfalls angereist war, verließ die Veranstaltung jedoch vorzeitig. Er reiste vor ihrem Abschluss ab, mit der Begründung, es habe dort „zu viele verbale Ausrutscher und Provokationen gegeben“.

Erstmalig Antritt zu einer Wahl – und zwielichtige Kontakte zu Konservativen

Der Bloc identitaire, der künftig also den Status einer angemeldeten politischen Partei beansprucht, plant in Südostfrankreich - in der Region PACA (Provence Alpes-Côte d’Azur) - nun auch zu den kommenden französischen Regionalparlamentswahlen anzutreten. Diese finden in allen 22 französischen Regionen zugleich, in zwei Wahlgängen, am 14. und 21. März des Jahres 2010 statt. Voraussichtlich wird der „Block“ eigene Kandidaten auf der Liste einer ‚Ligue du Sud’ präsentieren, die der Bürgermeister von Orange, Jacques Bompard, für diesen Anlass gegründet hat. Ihr Name beinhaltet eine offenkundige Anspielung an die rassistische Regionalpartei Lega Nord in Italien.

Bislang allerdings konnte sie in den Vorwahlumfragen noch kaum „abheben“: Erste Umfragen über die Wahlabsichten der Einwohner in der Region PACA sehen die „Südliga“ bei einem Prozent, den Front National - dessen Liste dort vom alternden Chef Jean-Marie Le Pen persönlich angeführt wird - hingegen im Augenblick bei 12 Prozent. Sicherlich hängt dies auch damit zusammen, dass das neue Bündnis aus Anhängern Jacques Bompards und dem Bloc identitaire in der breiten Öffentlichkeit noch relativ unbekannt ist. Generell dürfte die eigentliche „Stärke“ der Identitaires aber auch nicht auf wahlpolitischem Gebiet liegen, wo die Gruppe bislang (von einzelnen Kandidaturen auf lokaler Ebene in Nizza abgesehen) nicht präsent war. Sicherlich versuchen die „identitären“ Nationalisten dies zu ändern; bislang ist aber noch fraglich, mit wie viel Erfolg.

Kritiker innerhalb der extremen Rechten hingegen sind der Auffassung, im Hintergrund werde die neue Liste durch die konservative französische Regierungspartei UMP unterstützt und finanziert - hauptsächlich, um den FN zu schwächen und unter die (bei Regionalparlamentswahlen geltende) Zehn-Prozent-Hürde zu drücken. Dies kann für einen Teil der neuen Verbündeten tatsächlich nicht ausgeschlossen werden - zumal der regionale UMP-Spitzenpolitiker Renaud Muselier (Vizebürgermeister von Marseille) es am 1. Oktober im Figaro als „göttliche Überraschung“ bezeichnete, falls eine solche zweite rechtsextreme Liste neben dem FN antrete. Stehen doch die „Identitären“ mit ihrer im Hinblick auf internationale Fragen eher „pro-westlichen“ und „pro-abendländischen“ Ausrichtung dem eher antiamerikanisch und „gegen die Globalisierung“ ausgerichteten Nationalismus eines harten Kerns des übriggebliebenen FN eher feindlich gegenüber; und eher konservativen Kräften gleichzeitig näher. Lobt Jean-Marie Le Pen in jüngerer Zeit schon einmal das iranische Regime und hebt er dessen Kurs als „unabhängige Nation“ positiv hervor, so wettern die Identitären gegen solche Positionen als „Verrat an die islamischen Invasoren, die uns bedrohen“. Dem konservativen „Mainstream“ stehen die letztgenannten Positionen weitaus näher als die zuvor bezeichnete.

„Pro-westliche“ Rechtsextreme und die „Identitären“

Im Übrigen haben die Identitaires inzwischen auch Anschluss von eher zwischen Konservativen und neofaschistischen Rechten stehenden Strömungen gefunden. So beispielsweise von der Redaktion der Website Rebelles.info. Diese steht der Nouvelle Droite Républicaine (NDR, „Neue Republikanische Rechte“) unter Jean-François Touzé – der noch im November 2007 gegen Le Pen um den Parteivorsitz des FN kandidierte – an, die im Herbst 2008 überwiegend aus einer Abspaltung vom FN hervorging. Letztere tritt in außenpolitischen Fragen betont pro-amerikanisch und pro-israelisch auf, hält Kontakte zu Leitartiklern und Autoren in konservativen Zeitungen wie Eric Zemmour und Ivan Rioufol vom Figaro sowie Alexandre del Valle (ehemals Vordenker der „Neuen Rechten“, seit kurzem Leiter der Rubrik Aubenpolitik bei der Tageszeitung ‚France Soir’) oder Michiel Gurfinkiel (Redakteur beim konservativ-reaktionären, wirtschafts- und armeenahen Wochenmagazin ‚Valeurs Actuelles’, ein Freund der israelischen harten Rechten und der dortigen Siedlerbewegung). Artikel von allen Vorgenannten werden auf ihrer Homepage ‚Rebelles.info’, jeweils mit dem Vermerk „Mit Genehmigung des Verfassers“, publiziert. Und sie wirbt auf der Homepage Rebelles.info mit dem Emblem der NATO für sich – ebenso wie die vor kurzem durch denselben Jean-Français Touzé ins Leben gerufene ‚Alliance pour les libertés’ (Bündnis für die Freiheit) auf ihrer gleichnamigen Webpage.

iese rechte Strömung bezeichnet ihre Orientierung selbst als ‚occidentaliste’ (ein Neologismus, der ungefähr „pro-abendländisch“ bedeutet). Die NDR hält aber auch das Andenken an die glorreichen Kämpfer der französischen Kolonialarmeen hoch, feiert auf ihrer Homepage den chilenischen General Augusto Pinochet als Vorbild – in einem Artikel, der unter der bezeichnenden Überschrift erschien: „Die Demokratie ist ein Luxus, den wir uns nicht länger leisten können“ (gemeint: aufgrund der angeblich wachsenden Anzahl muslimischer Einwanderer). Ferner lobte man, am selben Ort, die aktuellen Agitprop-Aktionen der Identitären, etwa Anfang Oktober o9 gegen die Beleuchtung des Pariser Eiffelturms in den Farben der türkischen Nationalflagge (aus Anlass des „Türkeijahres“, das vor allem aus Ausstellungen in den Pariser Museen besteht) und gegen einen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union.

Die Redaktion der ihr nahe stehenden Homepage Rebelles.info nahm auch an der Tagung der Identitären in Orange teil. Diese wiederum verurteilten auf der Tribüne „Antisemitismus und Antizionismus“ als überholte Ideologien der extremen Rechten - der man nicht mehr zugehören wolle, da man selbst sich als „Populisten“ sehe -, was dem „okzidentalischen“ Teil der Rechtsextremen im Höchstmaße entgegenkommt. In einem Beitrag, der am 4. November o9 auf der Webpage Rebelles.info publiziert wurde, gibt ihr Autor Gabriel Bescond bekannt, dass er selbst dem Bloc identitaire beigetreten sei. Gleichzeitig fordert er, in demselben Beitrag, „bedingungslose Unterstützung für Israel“. Diese, eher philosemitisch grundierte, generelle Positionierung unterscheidet den „Block“ im Übrigen von seiner Vorgängergruppierung, der 2002 verbotenen Unité Radicale, die noch eher offen antisemitisch auftrat. (Über jenen und über die damaligen unverhohlen antisemitischen Tendenzen, vgl. http://jungle-world.com oder, wesentlich ausführlicher: Antifaschistische Nachrichten Nummer 17 / 2002  sowie Antifaschistische Nachrichten Nummer 17 / 2002 . Über den ,Bloc identitaire’, seine anfängliche Phase und seine Entstehung infolge des Verbots von ‚Unité Radicale’ vgl. auch : Antifaschistische Nachrichten. Nummer 20 / 2002

Auberparlamentarischer Aktivisismus

In Kontinuität zu Unité Radicale steht der „Block“ jedoch insofern, als er vorwiegend im außerparlamentarischen Bereich durch mal tendenziell gewaltförmige, mal spektakuläre und Aufsehen erregende Aktionen tätig ist. Zu seinen jüngsten Erfolgen zählt, neben den bereits erwähnten Störaktivitäten gegen die Beleuchtung des Eiffelturms in den Farben der Türkei - Aktivisten der „Identitären“ strahlten dabei (am o6. Oktober) einen Palast auf dem gegenüberliegenden Seine-Ufer mit dem Schriftzug „Nein zur Türkei“ an -, auch der Auftritt gegen den französischen Kulturminister Frédéric Mitterrand anlässlich seines Besuchs in Bordeaux. Mitterrand, Neffe des früheren Staatschefs François Mitterrand, war am 5. Oktober in einer Fernsehsendung von der FN-Vizechefin Marine Le Pen scharf angegriffen worden. Letztere warf dem Kulturminister, der ein bekennender Homosexueller ist, vor, auch Pädophilie betrieben zu haben und in Thailand sexuelle Dienstleistung von „kleinen Jungen“ gekauft zu haben - wofür es aber keinerlei Beweis gibt. Erwiesen ist lediglich, dass Mitterrand bisweilen auch käufliche sexuelle Beziehungen hatte, seinen Angaben zufolge aber ausschließlich mit erwachsenen Männer. Die extreme Rechte betrieb infolge des Skandal erregenden Fernsehauftritts von Marine Le Pen eine wochenlange Hasskampagne, in welcher sie Homosexualität, Pädophilie und Vergewaltigung - drei doch sehr unterschiedliche Phänomene - munter in einen Topf warf und miteinander gleichsetzte. Mitterrand wurde dabei zur Figur „des Perversen“ aufgebaut, der von bösartigen Trieben gesteuert sei und gleichzeitig die „Komplizenschaft der mondänen Kulturelite mit Triebverbrechern“ personifiziere. Beim Besuch Frédéric Mitterrands in Bordeaux organisierte der Bloc identitaire eine Demonstration gegen ihn, unter dem hetzerischen Motto: „Mitterrand, rühr’ unsere Kinder nicht an!“ Die gesamte Presse verschaffte den rechtsextremen Aktivisten daraufhin ein enormes Echo.

Aus seiner Sicht erfolgreich war, wenige Wochen zuvor, auch eine Demonstration des Bloc identitaires im südwestfranzösischen Billère - einem Vorort von Pau -, wo der örtliche sozialistische Bürgermeister am 5. September ein Denkmal für die Abgeschobenen einweihte. Die „Mauer der Abgeschobenen“, ein auf einer kommunalen Wand angebrachtes Kunstwerk, zeigt u.a. Bilder von Kindern abgeschobener Familien, die früher in der Kommune gelebt hatten. Ein bis zwei Dutzend Aktivisten des „Blocks“, die zum Teil bis aus Bordeaux angereist war, störten die Feierlichkeiten zur Einweihung, an der 200 Personen teilnahmen, und zogen das Augenmerk Kameras auf sich. Die „Identitären“ selbst - die dabei lautstark eine „Abschiebung aller illegalen Ausländer“ forderten - behaupteten hinterher, örtliche Kommunalparlamentarier der konservativen UMP hätten ihnen „zu ihrer Aktion gratuliert“.

Erheblichen Wirbel verursacht der Bloc identitaire im Augenblick ferner mit einer Kampagne gegen eine vorgebliche „positive Diskriminierung“ (zugunsten von Frauen und ethnischen Minderheiten), die in ihren Augen durch die Chefin des französischen Atomkonzerns AREVA praktiziert wird. Anne Lauvergeon, Vorstandsvorsitzende der Nuklearfirma AREVA, hatte in einer Fernsehsendung etwas flapsig erklärt, um historisch überlebte Privilegien zugunsten einer modernen Personalpolitik aufzubrechen, würden ihr Unternehmen und sein Management „bei gleicher Qualifikation bevorzugt jene einstellen, die etwas Anderes als weiß und männlich sind“. Der Bloc identitaire, aber auch andere Teile der extremen Rechten - etwa die christlichen Fundamentalisten der AGRIF von Bernard Antony (früher FN, jetzt parteilos), die seine Kampagne unterstützen - stimmten sogleich einen lautstarken Chor an. Ihren Behauptungen und Darstellungen zufolge seien gerade die „männlichen Weißen“ systematischer Diskriminierung und Hürden auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt, weil viel zu viel für die bevorzugte Einstellung von (bislang benachteiligten) Minderheiten und von weiblichen Beschäftigten getan werde. Mithilfe dieser Anti-Anti-Diskriminierungs-Kampagne hat der Bloc identitaire in der gesamten extremen Rechten hohe Aufmerksamkeit erregt.

Editorische Anmerkungen

Wir erhielten den Artikel vom Autor zur Veröffentlichung.