Editorial
"Was wir wollen - Arbeiterkontrollen"
(1.Mai-Parole Westberlin 1969)

von Karl Mueller

04/12

trend
onlinezeitung

Nicht nur die Haltung, die die Sozialistische Einheitspartei Westberlin (SEW) zum Prager Frühling und zum Einmarsch der Warschauer Pakttruppen in die CSSR einnahm, sondern auch ihr  Reformismus machten es spätestens Ende 1968 notwendig, dass sich die sozialrevolutionären Kräfte in Westberlin davon inhaltlich und organisatorisch abgrenzten. Im organisatorischen Rahmen der Betriebs- und Stadtteilbasisgruppen, die infolge des Mordanschlags auf Rudi Dutschke im Kampf gegen den Springerkonzern entstanden Ostern 1968 waren, focussierte sich die Abgrenzung entlang des Begriffes der "Arbeiterkontrolle". Zum 1. Mai 1969 wurde "Was wir wollen - Arbeiterkontrollen" zur Hauptlosung der 1.-Mai-Demo, wären die SEW weiterhin an ihrem reformistischen Konzept der qualifizierten Mitbestimmung festhielt.

In dem aktuellen Diskussionsprozess um die Gründung einer "neuen antikapitalistischen Organisation" (NaO) taucht nun erfreulicherweise der Begriff der "Arbeiterkontrolle" als strategischer Begriff zur Herstellung der Einheit der Klasse im Kampf um ihre ökonomischen und politischen Interessen wieder auf.  Wir dokumentieren dazu den Artikel "Verstaatlichung unter Arbeiterkontrolle – konkretisieren!. Er ist ein wichtiger Beitrag, die gegenwärtige NaO-Debatte auf  den Grundwiderspruch zwischen Lohnarbeit und Kapital zu richten, wenngleich ich nicht verhehlen kann, dass die  "Arbeiterkonktrolle" verstanden als Wahl der Vorgesetzten eine erhebliche Verkürzung dieses Konzepts darstellt. Das Konzept  "Arbeiterkontrolle" bedeutet nämlich den Kampf gegen das Kommando über die Arbeit insgesamt aufzunehmen. Und das schließt (unter kapitalistischen Bedingungen) nicht nur die Vorgesetzenfrage ein, sondern reicht zum Beispiel von den Takt- und Pausenzeiten, über den betrieblichen Arbeitsschutz bis hin zu Prämien- und Entlohnungsfragen.

Dass die Orientierung auf den Klassengegensatz bitter nötig ist, zeigt die aktuelle Auseinandersetzung um das "BMW-Lab" am Spreeufer (X-Berg, Berlin). Dort ist sehr viel von Gentrifizierung die Rede, auch wird aufgezeigt, dass BMW eine "braune Vergangenheit" hat, doch dass BMW ein kapitalistischer Ausbeuter ist, der den abgepressten Mehrwert durch massenhaften Einsatz von LeiharbeiterInnen - speziell im Berliner Werk, mehr als 1/3 der Belegschaft - in Extraprofite verwandelt, wird mit einem Satz am Rande nur angedeutet, als bestünde gleichsam kein direkter Zusammenhang zwischen dem "Lab" und den Profiten, obgleich augenfällig ist, dass die Aufgabe des "Labs" darin besteht, nach neuen profitträchtigen Kapitalanlagesphären neben dem klassischen Produktionsbereich Ausschau zu halten. Für die KritikerInnen handelt es sich beim "Lab" dagegen vornehmlich um ein Projekt der Werbung und der Imagepflege, das dafür wohnungspolitisch "über Leichen geht", so als hätte das eine - Promotion - mit dem anderen - nämlich der Ausbeutung und Unterdrückung durch kapitalistische Arbeits- und Lohnverhältnisse - nichts tun. Deshalb führen die Leute, die zwar aus ehrenhaften und lauteren Motiven gegen die Inbesitznahme einer Brache protestieren, ihren Kampf nicht als Teil des Kampfes zwischen Lohnarbeit und Kapital, sondern vornehmlich als klassenunspezifische "Politik der ersten Person".

Doch selbst dort, wo es seit vielen Jahren selbstorganisierte linke Hausprojekte wie in der Berliner Linienstr. 206 gibt, reicht es nicht zu einer grundsätzlichen Kapitalismuskritik sondern nur zur Wut gegen eine "Verwertungslogik der durchgestylten Touristenmetropole" und der mehr als peinlich reformistischen Losung: "Gegen den Kapitalistischen Normalzustand! Eigentümer kommen Eigentümer gehen, Linienstraße bleibt bestehen!"

Ich denke es steht an, nicht nur darüber nachzudenken, wie das Konzept der "Arbeiterkontrolle" in betrieblichen Zusammenhängen auszusehen hätte, sondern der Kampf im Stadtteil gegen die Angriffe des Kapitals erfordert die Entwicklung eines strukturell vergleichbaren antikapitalistischen Konzepts.

Abstrakt gesprochen geht es darum, dass in einem Sozialraum die dort Lebenden bzw. Arbeitenden über diesen Raum und die dort ablaufenden Prozesse gleichberechtigt und solidarisch bestimmen. Das bürgerliche politische Personal - beständig im Interesse des Kapitals unterwegs - hat bereits unter dem Schlagwort "Community Organizing" seine Sozialraumstrategie der Entmündigung durch Verdummung ausgearbeitet und in die Tat umgesetzt. Wie das Beispiel WIN (Wir in Neukölln) zeigt, ist einer der wichtigsten finanzierenden Kapitalisten, wie sollte es anders sein, BMW.

Mit diesen strategischen Fragen wird sich daher das TREND-Gespräch Nr.6 unter dem Titel "Wie den Krieg gegen die Paläste führen?" am 10.4. 2012 befassen.

Bekanntlich stehen die TREND-Gespräche im Kontext des Diskussionsprozesses, der durch das "Na endlich"-Papier vor einem Jahr angestoßen wurde. Aufgrund diesere  Organisations- und Programmdebatte haben folgende Gruppen begonnen, kontinuierlich zusammenzuarbeiten: Interkomm, RSB, SIB, SoKo. Sie beteiligten sich an der M31-Mobilisierung und erarbeiteten dafür ein gemeinsames Flugblatt.

Im Editorial 3/12 Leitplanken im ideologischen Kampf vermeldeten wir, dass im TREND-Beirat eine politische Selbstverständnisdebatte im Gange ist. Mit Erscheinen dieser Ausgabe ist dieser Prozess noch nicht abgeschlossen. Er wird mindestens noch den April über dauern. Jedoch gibt es ein wichtiges Zwischenergebnis mitzuteilen: Die TREND-GenossInnen begrüßen ausdrücklich den "NaO"-Prozess, wie er sich in der verbindlichen Zusammenarbeit von Interkomm, RSB, SIB, SoKo ausdrückt. TREND wird ab April 2012 mit Beobachterstatus daran teilnehmen.

Abschließend möchten wir noch daraufhinweisen, dass die angekündigte Stellungnahme von Karl-Heinz Schubert zu Detlef Georgia Schulzes Anmerkungen in der Nr. 3/2012  (speziell zur Frage der Profitrate) leider nicht fristgerecht eingereicht wurde, so dass sie auf das nächste Update verschoben wird. Da Genosse Schubert wünschte, dass ein Text zur  Frage der Durchschnittsprofitrate veröffentlicht wird, damit er  diese Gesetzmäßigkeit nicht selber erläutern muss, liegt dieser Text, da es sich nur um einen virtuellen Reprint handelt, bereits schon vor.

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