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Aspekte der endzeitlichen Krisenphilosophie
Naht das Millennium?
Teil VIII
-THE LOST PARADISE - BIS ALLES ZERFLIEßT -
VON FANATIKERN UND NIEDERGANGSPROVOKATEUREN

von DIETMAR KESTEN
7/8-99
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Angesichts der Jahrtausendwende wird beinahe jeder Unsinn geglaubt. Es gibt zahlreiche Sekten, die davon ausgehen, daß nun bald die Satansherrschaft nahezu abgelaufen ist und wer den Schlüssel zur Offenbarung besitzt, der kann Prophezeiungen deuten. Und wie jede apokalyptische Sekte sich für das auserwählte und bevollmächtigte Werkzeug eines Gottes in der Endzeit hält, so erhebt auch jeder mitunter gefährlicher Quacksalber den Anspruch, Naturund Weltkatastrophen richtig zu interpretieren und die "sündenkranken, verbrecherischen, haßerfüllten Zivilsiationen" auf den Kopf zu stellen, die Strafen einzufordern, die die schlechte Welt verdient hat. (1)

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Raffen uns Seuchen dahin, werden die Weltmeere steigen und uns alle vernichten, werden uns Lavaströme erdrücken, gibt es apokalyptische Käfer, die wie in "Die Mumie" (2) nur darauf warten, uns anzuknabbern, gibt es Offenbarungsund Verbindungskanäle zum Jenseits, werden Geschichtskatastrophen helfen, ein Friedensreich zu errichten, die Rätsel der Ganzheit des Menschen zu lösen vermögen, wird die Rasse der Außerirdischen endlich den Heimatplaneten besuchen, um die menschliche Einzigartigkeit zu widerlegen, und werden schließlich die Schicksale der Seelen ein für allemal enthüllt, die jenseits unserer sichtbaren Welt liegen und von denen Astrologen, Kabbalisten, die Lehrsysteme von Geheimwissenschaften und orientalischen Weisheiten künden?

Lange kann es nun nicht mehr dauern, dann ist Schluß mit dem Jahrtausend. Und im Menschen lebt die Sehnsucht nach einem tragenden Millennium fort. Die visionären Erlebnisse werden häufiger, der Chor der Mitsinger größerund alle stimmen ein in das Lied vom Weltenuntergang: "Am 31. Dezember ist der Weltuntergang" und im Kölschen Dialekt..."mir läbe nit mer lang!" Schließlich gab es all das schon einmal: Der "Seher" NOSTRADAMUS prophezeite einst, daß mit dem 11. August 1999 alles zu Ende sei: "Die Erde kollidiert mit einem riesengroßen Himmelskörper. Diese kosmische Katastrophe kann sie nicht überstehen". (3)

Für das Jahr 2000 sah er einen Krieg voraus; und danach wird es ziemlich düster -bis der "Jüngste Tag" dann angebrochen ist, dauert es allerdings noch ein Weilchen. Das soll dann endgültig mit dem Jahre 3750 der Fall sein. (4)

Auch "Jehovas Zeugen", (5) deren Terminkalender der Endzeitrechnung ständigen Schwankungen unterworfen ist, (6) rechnen in ihrem "Wachturm" mit dem "endgültigen Gericht" um die Jahrtausendwende. Das Himmelreich scheint in der Zwischenzeit mit den armen Seelen dermaßen voll zu sein, daß nach ihnen nur eine kleine Schar von Auserwählten (144. 000) dort Platz hat. Man darf also gespannt sein, wer dazu gehört! Flammenschwerter am Himmel, Kometen, die Unheil bringen, verführerisch ist die Zeit des nahen Endes sichert Euch euren Platz im "Lost Paradise"! Da purzeln die Zahlen nur so durcheinander alle Kalender, die aufzutreiben sind, werden genannt, damit alles seine Ordnung hat; denn schließlich will man vorbereitet sein:

Welche Zeitrechnung ist denn nun für den Untergang stimmig: Ist es das Anno-Domini-System des skythischen Mönchs DIONYSIUS EXIGUUS, die byzantinische Zeitrechnung, die Zeitrechnung der Juden, vielleicht die seleukidische, die diokletanische oder armenische Zeitrechnung? Soll man die islamische Hedschra zur Grundlage machen, die Septuaginta der latainischen Kirchenväter, das Alte Testament der Christen, die Offenbarung der neuzeitlichen Sucher? Wer will sich im Gebilde der chronologischen Straßenkarten der Heilsverkünder noch auskennen? Und: Wann tritt sie ein, die Wundertüte der Rauchzeichen, der "verdorrte Feigenbaum", (7) der endgültige Handstreich, der Leben nimmt; um Mitternacht, in der Morgendämmerung, bei Sonnenuntergang, am hellen Tag, dann, wenn alle schlafen, wenn Frauen Kinder gebären, oder Männer mit den Haustieren um die Wette heulen?

Sollen wir mit einem Faß Zyankali den Gang zum Abgrund antreten, Überreste aus einem Gebräu hochkonzentrierter Giftlake trinken, machen wir uns wie die "Sonnentempler-Sekte" (8) per Selbstmord auf den Weg zum Stern Sirius, läßt "Heaven"s Gate" (9) grüßen, oder verschanzen wir uns wie die "DavidianerSekte" (10) auf unserem Grund und Boden, schießen alles zu Schutt und Asche, sterben dann gemeinsam; oder ist es besser per Giftgas, mit dem einst die "Amun Sekte" bekannt wurde, (11) schnell zu verschwinden?

In der Moderne ist die Do-it-yourself-Therapie schnell von der Erde zu verschwinden, zu jeder Zeit möglich. Es gibt keine scharfe Trennungslinie zwischen der Selbstreparatur und der Selbstverwirklichung; des apokalyptischen Terrors und der vermeintlich feindlichen Umwelt, zwischen der "Reinigung" der Erde und dem qualvollen Kampf des Überlebens. Wer könnte die sich schnell wandelnde Zeit auch real beschreiben? Betroffen machen die Greueltaten, mit denen gerade die radikalen Provokateure bekannt geworden sind und wie leicht es ist, sich die todbringenden Waffen und Gifte zu besorgen, die ganze Stadtteile auslöschen können, zeigte TOMOTHY McVEIGH, der in Oklahoma City eine bombastische Autobombe zündete und mehr als 150 Menschen in den Tod riß. (12) Sekte ist natürlich nicht nur irgendein höheres Lebewesen, das Kraft zur Regenerierung aufwendet, die Menschen in ihrer Funktionsweise umzugestalten, empfänglich zu machen für Heilslehren und anderen Humbug-Synonymen, die umwoben sind mit selbsternanntem Prophetismus, Jammertal und Himmelreich, Lichtmauern und Weltreligionen, Kontakten mit dem Jenseits, Heimsuchung der "verlorenen Kinder", Ideologie mit apokalyptischem Prophetentum: Die neureligiösen Bewegungen tragen zunehmend politische Züge, die sich vielleicht sogar auf die Formel bringen lassen können, daß nur der, der tötet, gerettet werden kann.

Und sie ziehen eben ihre Taten aus der feindlichen Aggressivität der Umwelt, der Krankheitssymptome der modernen Warenproduktion, in der Tendenzen der Selbstbestrafung und das Richten über andere, zwangsläufig zur Selbstverständlichkeit wird. Das klingt wie die vollkommene Verheißung des gespaltenen menschlichen Geistessie ist auch, wenn daran gedacht wird, daß Glaube und Unglaube schon immer eine qualvolle Koexistenz im Kopf führten und in den verschiedensten Kulturen mit beklemmender Regelmäßigkeit dann an die Oberfläche kamen, wenn die Atmossphäre mit den Gespenstern der Toten und anderen unsichtbaren Wesen vergiftet schien, die bestenfalls launenhaft und unberechenbar waren, meistens aber böswillig; und erst groteske Rituale einschließlich Menschenopfer und Ketzerverbrennungen beruhigten die Geister, versöhnte sie, ohne daß tatsächlich die zu bekämpfenden Übel beseitigt wurden.

Ausgeliefert dem unauflösbaren Paradoxon eines Bewußtseins, das aus dem Nichts kommt und im Nichts versinktdie Gesundbeterei solle dazu führen irgendein vergiftetes "Karma" anzuhäufen, das der Reinkarnation zur höheren Wesensstufe im Wege steht. Das belegt die Anthropologie vom Altertum bis zur Neuzeit, und ist, wie ich meine, ein schlüssiger Beweis dafür, daß sich in der Spezies Mensch möglicherweise jene annormalen paranoiden Züge eingenistet haben, die sich womöglich nicht nur aus einem evolutionären Schnitzer im Aufbau des Nervensystems ergeben haben, sondern der politischen Kultur beigemengt sind. Seit Multimedia, Internet, Fax und Handys, vielleicht seit Beginn der 3. technologischen Revolution (?) haben sich weltweit abstruseste Heilsideologien verbreiten können, und fast scheint es so, als ob der Ruhm einer Web-Seite erst den Wahn einer anderen möglich macht? Wenn der Preis für das eigene Leben letztlich die Strangulierung ist, dann sollte die Frage gestellt sein, warum sich paranoide Wahnideen bis heute gehalten haben, und warum, sobald ein Konflikt entsteht, die "vernünftigte" Hälfte des Gehirns dazu veranlaßt wird, mit der Scheinrechtfertigung, mit den Launen und der Böswilligkeit auf andere herumzuschlagen, und sie im Extremfall zu töten?

Jüngstes Beispiel dafür dürfte die "Raelianer-Gruppe" sein, die die menschliche Existenz ablehnt, da sie die Auffassung vertreten, daß das Leben auf der Erde von "Außerirdischen-Extraterrestrischen" Wesen geschaffen wurde. (13) Die Gruppe bietet alles, was für ein fernes Leben notwendig ist: Das Klonen, die Unsterblichkeit, selbst Mord und Selbstmord, alles inklusiv, visuelle und verbale Götzenidole, Selektion inquisitorische Hysterie. Der sektiererische Hintergrund läßt Böses erahnen: Gehirnwäsche, ideologisch verbrämte Lehrgebäude, Selbstmordund Mordtaten sind nicht mehr ausgeschlossen.  

 

Offenbar hat es immer zwei entgegengesetzte Methoden in der Moderne gegeben, der Kommunikation mit den Publikum Leben einzuhauchen; die eine Seite bestand in den staatstragenden Theorien des Überbaus, die andere, ihm Botschaften durch einen direkten Appell an die Emotionen einzuhämmern, durch Melodramen oder durch andere subtile Variationen dieser Gattung. In Endzeitund Dekadenzperioden scheint sich der Trend zur Über-Emphase und zum Über-Expliziten herauszukristallisieren. Dieser Zug spiegelt sich sicher auch in den "Hubbard-Jüngern" (14) wider. Obwohl Scientology intergalaktischen Spuk wohl ablehnen dürfte, keine Endzeiterwartung vertritt, verbreitet sie trotzdem inquisitorische Hysterie und verspricht "Erlösung" im täglichen Alltag.

Andere befinden sich auf einer höchsten Stufe in permanenten Auseinandersetzungen mit "Saniten", einem Führer mit Namen "Xenu", oder "heilen" mit Moral. Radikale Sekten verbreiten chiliastische Ängste, hören bereits den "apokalyptischen Glockenschlag", der bald den 3. Weltkrieg auslösen wird, und sind auch sonst von dem Ende so überzeugt, daß einem die pure Lust am Untergang den Schrecken in die Glieder fahren läßt.

Nur die "Eingeweihten" werden überleben, lassen sich zum Mutterschiff evakuieren wenn das Orakel in Rätseln befragt und ORPHEUS durch seine Leier gesprochen hat. Daß sie ihre Botschaften verdunkeln wollen, wäre nicht richtig. Das Gegenteil ist angesagt: Sie wollen sie leuchtender machen, in dem sie die "Auserwählten" zwingen, Ziele und Methoden mittels Druck und gefügigmachen anzuerkennen, dafür zu werben, und letztlich mit dem Tod bei Erlahmen oder Versagen, die Botschaften in alle Welt hinauszuposaunen, einzustehen.

Die Krise unserer Zeit hat die Eigenart der Sekten der sechziger und siebziger Jahre sicher hinter sich gelassen, obwohl sie noch immer vorhanden sind, einen nicht zu unterschätzenden Einfluß haben. Doch das östlich-mystische Schema der Gurus, Bhagwan, Hare Krishna, die damaligen "Jugendsekten" üben m. E. nicht mehr die einstige Faszination aus. Statt dessen drängen Endzeitsekten hervor, die vernetzt sind, von Firmen repräsentiert, Büros eröffnet haben und über hauseigene Leibwächter verfügen. Diese Verschiebung hat etwas mit Globalität und Modernisierung zu tun, mit Professionalität und Originalität im Anbieten der verschiedenen Heilslehren. Die Branche erfordert modernes Marketing und Managermethoden, die nicht selten die Führungsqualitäten von mittleren Unternehmenetwa der Stahlbranche in Deutschland eindeutig in den Schatten stellen. Der Markt erfordert neue Methoden, und Heil zu verkaufen, ist auch eine Ware, die nicht mehr an Gruppensextherapien, an Hippies, an Aussteiger oder Blumenkinder anknüpft.

Um Hingabe und Opferbereitschaft der Jünger zu steigern, kommen neben der allgemeinen Krisis die Nöte und Sorgen, Probleme, Ängste der Betroffenen hinzu. Das sollte nicht verschwiegen werden. Die Konstrukteure bauen dabei auf die Kreativität und Pathologie, die die beiden Seiten einer Medaille ausmachen. Wird etwa an die "Mun-Bewegung" (15) gedacht, die eine "schöne und humane Welt" verkündet, die die esoterische Umwälzung involviert, ihren Nachäffern verspricht, daß sie die "Vorposten einer neuen Gesellschaft" sind, und daß man nur in die "Atome der objektiven Welt" hinabzusteigen braucht, dann können Geistesstörungen munter weiterbestehen, ohne daß man vermag, sie zu heilen. Sie scheint einfach nur den alten Kult für die "Gefühle des Körpers" wiederentdecken zu wollen. Ist sie deshalb weniger gefährlich, als alle anderen? Die darin enthaltene Idee, daß sie gegenüber anderen radikalen und gewalttätigen Sekten "harmlos" sei, trifft nicht den Kern der Argumentation; denn sie gerät schon zum Klischee und es muß zu den krassesten Spekulationen kommen.

Selbst ABRAHAM war laut christlicher Überlieferung dazu bereit, seinem Sohn aus purer "Gottesliebe" die Kehle durchzuschneidenfür diese pervertierende Logik ist offenbar die gesamte Spezies Mensch anfällig, und die Universalität und der paranoide Kern des Rituals kann sogar als symptomatisch betrachtet werden. MUN machte auch nichts anderes, als sich der Plagiate der großen Religionen zu bemächtigen: KAIN erschlug seinen Bruder ABEL und bis heute hält sich: "Willst du nicht mein Bruder sein, dann schlag ich dir den Schädel ein!" Die Unterscheidung zwischen den "sauberen" Heilsverkündern und den selbstzerstörerischen "unsauberen" Häretikern ist daher unvollständig, mit traditionellen Methoden der Analytik (Abgrenzungen) kaum zu fassen, da die toten Winkel der Moderne nahezu alle regide Abhängigkeiten zulassen. Das wird schon daran deutlich, daß keine einzige Sekte in Deutschland verboten ist. Und der rechte Streit ums Wort bringt niemanden weiter: Solange die Motivation religiös, ökonomisch, politisch, therapeutisch ist oder in der Kombination dieser Eigentümlichkeiten besteht, bleibt die Konflitträchtigkeit erhalten, könnte sogar in der nächsten Zeit Anlaß genug sein, die Frage des Totalitarismus von Sekten zu stellen. Eine Adaption besteht allenfalls in der unterschiedlichen Herangehensweise, im Abfalleimer der Fehlkonstruktionen des jeweiligen Chefdesigners herumzuwühlen. Die allgegenwärtigen-transzendierenden Niedergangsstimmungen werden gleichermaßen in die Welt gesetzt, zwar immer anders symbolisiert, doch eindrucksvoll in den Dauerkrieg mit Staat, Gesellschaft und Individuum eingefügt.

Ritualisierte Duelle und Drohgebärden, die mit Unterwerfungen, Gemetzel und tödlichen Verletzungen zu tun haben, lassen vor allem im Krieg erkennen, daß der Mechanismus des Menschen, gegen das Töten von Artgenossen anzugehen, bemerkenswert gering, teilweise sogar unwirksam ist. Wenn an Massenverfolgungen und Völkermord bis in die jüngste Zeit hinein gedacht wird, so sollte auf die schizophrene Spaltung zwischen Vernunft und Emotion, zwischen den kritischen Fähigkeiten und den irrationalen, affektgetriebenen Überzeugungen des Menschen verwiesen werden, die wohl immer einen Hang dazu hatten, dem bürgerlichen Vereinskram, den Vereinigungen, der Vereinsmeierei und Organisationen außerhalb eines gewissen gesellschaftlichen Umfeldes mehr Aufmerksamkeit in ihrem Leben zu widmen, als sich ernsthaft mit Fragen zu beschäftigen, die das Marktsystem, Modernisierungsideologie und die Krise der Wertvergesellschaftung stellen.

Der Mensch der Moderne befindet sich in einer mißlichen Lage, die nicht einfach biologistisch gedeutet werden sollte, obwohl der Aufbau des Gehirns vielleicht die Unfähigkeit erkennen läßt, konfliktträchtigen Situationen angemessen zu begegnen. Solange die Geschichte zurückreicht, wählten die meisten Menschen ihr System von Glaubenssätzen, für die sie zu leben oder sterben bereit waren, nicht unbedingt selbst; es wurde ihnen von ihren Umweltbedingungen, den zufälligen Gegebenheiten und ihrer sozialen Umgebung aufgezwungen. Wenn überhaupt, spielte die kritische Vernunft nur eine Nebenrolle bei diesem Prozeß der Prägung durch ein absolutes Credo. Lieferte das Credo keine Übereinstimmung mit dem "gesunden" Menschenverstand, lieferte die Schizophysiologie den Modus vivendi, der den einander entgegengesetzten Kräften des Glaubens und der Vernunft erlaubten, ein wie ORWELL es nannte -"Doppeldenken" zu koexistieren.

Insofern dürfte das wesentliche Bedeutung für das säkularisierte Abendland gehabt haben. Bereits die Qumran-Forschung wies nach, daß die ersten christlichen Quellen in Abhängigkeit zu apokalyptischen Regularien, astrologischen und chiliastischen Ritualen standen, und daß die "Qumran-Sekte" oder die sogenannten "Essener" die (bevorstehende) Endzeit erwarteten. (16) Die sogenannten "Bibelwahrheiten" der Kirchen sind in sich selbst sektiererisch. "Secta", das latainische Äquivalent für Sekte bedeutet "nachfolgen", sich "in Gefolgschaft" sehen. Es entsprich dem altgriechischen "hairesis" (etwa: Ketzerei)und diese Sprachsynonyme sind in den christlichen Kirchen verwandt worden, um anderen Glaubensgemeinschaften eine Irrlehre, Spaltung, ketzerische Gemeinschaft vorzuwerfen. Daß sie nun dabei selbst in einer "Abkapselung" standen, Vorreiter von Mysterienreligionen waren, die, wie die spätere Kirchengeschichte zeigte, den Brudermord predigten, und in den Kreuzzügen (17) die "Bekehrung" mit dem Abschlachten erzwangen, ist Fakt.

Dieser "klassische" Sektenbegriff läßt somit Rückschlüsse auf einen wenn man so will modern-kulturellen Sektenbegriff zu: Seine Merkmale treffen mitunter auch auf "Mormonen" (18), die "Neuapostolische Kirche", (19) "Baptisten, (20) Gralsbewegungen, Reichsbruderschaften etc. zu. Sektenhysterie ist immer Endzeithysterie. Und es spielt keine Rolle mehr, wann, wie, wieoft und mit welchen Charakteristika sie gepredigt wird. Eines der Hauptmerkmale des menschlichen Dilemmas dürfte das Bedürfnis nach Identifikation mit sozialen Gruppen/Glaubensrichtungenund grundsätzen sein. Und die Postmoderne scheint diesen (gesellschaftlich) produzierten Unsinn vollenden zu wollen. Die alten Selbstverwirklichungsideen der bewußtseinstranszendierten Selbstdarstellungen gehen soweit, daß die orakelhaften Prophezeiungen und die apokalyptischen Zukunftsprognosen in einer Krisentheorie der Warengesellschaft aufzugehen scheinen; denn sie ist in sich auch ein Widerspruch des sich konstituierten marktmodernen Kapitalismus, der selbst an ein finales Ende angelangt ist. Und die inneren Widersprüche seines "apokalyptischen" Endes, die jegliche Fähigkeiten und Bedürfnisse des Warenmenschen letztlich verschwinden lassen, könnten aller Vernunft zuwiderlaufen, in einer "selbsttranszendierten Tendenz" enden, in tranceähnlichen oder ekstatischen Zuständen, die in einer kollektiven Suggestibilität einer WahnEndzeitparty, akuter oder latenter Massenhysterie gipfeln. Man braucht nicht unbedingt in einer Sekte zu marschieren, um Opfer ihrer Mentalität zu werden der wahre Warenmensch ist die ganze Zeit seines Leben Gefangener einer Sekte.

Das führt zwangsläufig zu unbequemen Schlußfolgerungen, die sich nicht allein wie es scheint an einem Übermaß an selbstdurchsetzende Aggression und evtl. übermäßigen Neigungen zu selbsttranszendierter Hingabe an einen Fetisch festmachen lassen, sondern viel mit destabilisierender Fortentwicklung der Moderne zu tun hat, die den aktuellen und den kommenden Verlierern keinen Ausweg aus dem Labyrinth der "Warenproduzierenden-Sekte" lassen, es sei denn, es wird als Ausweg verstanden, die unbedingte Kritik kapitalistischer Modernisierung und warenförmiger Verblendung auf die Spitze zu treiben. Jede zielgerichtete Kritik müßte als "Conditio sine qua non" (21) die kulturelle Oberfläche der Warengesellschaft verlassen, sich den ökonomischen Bedingungen stellen, denen der modernen Subjekte und ihrer eigenen Fetischformen. Darin ist sicherlich viel richtiges enthalten, auch die irrige Meinung, man könne so einfach mit der Abrechnung der Warengesellschaft die "Killer-Instinkte", stellvertretende Aggressivität mit und ohne Eigeninteresse der Subjekte, aufpeitschende Symbole und Glaubenssätze, selbstlose Arten von Brutalität, und vor allem die Organisationsformen, die der Sektengeist aus der bürgerlichen Gesellschaft herausgelesen hat, und die von dieser erzeugt wurde, so einfach hinter sich lassen und beseitigen. (22) Sich emotional für Glaubenssätze zu engagieren, wird vermutlich immer dem Muster des eigentümlichen Verlangens jenes "Selbsterhaltungstriebes" entsprechen, der im moderne Markt mit seinen barbarisierten Verfallsformen angelegt ist.

Ekstatische Mönche und Heiligenbilder gab es selbst in den russischen Revolutionen die geharnischte Kritik von PLECHANOW z. B. oder später LENIN, führten nicht dazu, diese teuflische Dialektik von Warenproduktion und Religiosität aus den Köpfen zu verbannen. Die trivialen "mittelalterlichen Glasfenster" wirkten im Untergrund einfach weiter. Wenn die Kritik einen Weg finden könnte gegen Suggestibilität, den Krankheitserreger für Absolutheitsansprüche und intoleraten Abhängigkeiten frontmäßig immun zu machen, wäre viel erreicht. Doch das scheint eine unlösbare Aufgabe zu sein. Weil es immer noch eine Sprache (Worte) ist, die die tödliche Waffen des Indiviuums ausmachen, bleibt sie explosives Potential für alle Gurus.

HITLERs Worte hatten seinerzeit mehr Zerstörungskraft als die späteren Nuklearbomben auf Hiroshima und Nagasaki. Und lange vor der eigentlichen Erfindung von Druckpresse und Massenmedien lösten die Worte des Propheten MOHAMMED eine "emotionale Sektenhysterie" aus, die die Welt von Mittelasien bis zur Atlantikküste erschütterte. Das sicherste Mittel gegen Sinnsucher und Esoterik-Freaks könnte, um es überspitzt auszudrücken, die Abschaffung der Sprache sein. Als Massenkommunikationsmethode trägt sie wesentlich dazu bei, sie als bindende Kraft innerhalb von Gruppen und ebenso starke trennende Kraft zwischen Gruppen einzusetzen. Sie ist vielleicht sogar einer der Hauptgründe, daß die trennenden Kräfte des Gesellschaftssystems immer stärker waren als die verbindenden. Es ist grotesk, daß es Multimedia, moderne Massenkommunikation, Nachrichtensateliten etc. gibt, daß Botschaften auf dem gesamten Planeten sichtbar und hörbar gemacht werden, aber keine globale Sprache, die sie verständlich machen würden.

Im heillosen Durcheinander der Warenproduktion würde auch das nicht den erwünschten Erfolg hervorrufen; denn es gibt noch religiöse Kunst, Architektur und Musik in den Köstern und Kathedralen, den Palästen und den Klubs mit den allgegenwärtigen Opferriten, der Spaltung zwischem rationalem Denken und irrationalem Sektenglauben und endlich, die sich haltenden Wahnvorstellungen vom ewigen Höllenfeuer, der Qualen der Lebenden und Toten, die Heere von Gepenstern und Dämonen. Sie tragen bei zur der Einzigartigkeit des Menschen und der Einzigartigkeit seiner Tragödie. Sie vereinigen sich in der Doppelhelix von Schuld und Angst, die ebenso in das menschliche Rüstzeug eingebaut zu sein scheint, wie ein etwaiger genetischer Codeund geben in der Tat mehr genug als Anlaß zur Befürchtung hinsichtlich unserer Zukunft. Und da wir in dieser nicht damit rechnen können, daß irgendeine "gütige Mutation" die lebensbedrohenden Situationen bereinigen, werden wir wohl oder übel mit den brüchig gewordenen Fortschrittshoffnungen leben müssen. Fanatiker und Niedergansprovokateure partizipieren am "letzten Sommer" der Warengesellschaft, intendieren auf die Veräußerlichung menschlicher Beziehungen in der orientierungslos gewordenen Postmoderne (zurück in die Innerlichkeit) und haben neue Strategien einer "einziartigen" Lebensbewältigung entdeckt : Die Konjunktur des Sektierertums. Wieder erscheint es möglich, daß einzelne auf Kosten anderer Macht über Menschen ausüben können. In Zeiten sozialer Demütigungen (Massenarbeitslosigkeit etc.) verschärft sich eine sog. "Individualisierungskrise". Sie ist bereits kein Monopol für eine "Jugendbewegtheit" mehr, alle Altersklassen sind von den unterschiedlichsten Vereinigungen angesprochen.

Als Antipode der Moderne sind die boomenden Sekten möglicherweise neue Kulturhoffnungsträger, die sich daran machen, endgültig zur Hexenjagd zu blasen. Zur Millenniumswende ist ihre Untergangseuphorie nicht deckungsgleich mit dem Endstadium der globalen Warenerde, das zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden wird. Zumindestens das unterscheidet sich von Mystizismus, der heiligen Johanna vom Kreuz, von Jesuiten-Astronomen, der Suche nach Ordnung und Harmonie im Universum, den archetypischen Wurzeln von Gedenkstätten, Amtsinsignien und dem Schleier des Maya. Totalitäre Barbarei gibt es selbsredend ohne Reinkarnation oder Verschwörungsthorien; sie sind nicht nur bloße Attitüden kleinbürgerlicher Sekten und Lebensreformer.  

Anmerkungen:

(1) Seit Beginn des Jahres habe ich mich mit einer Vielzahl von Sekten, religiösen Sondergemeinschaften und deren Programmatik beschäftigt. Dazu habe ich eine Reihe ihrer Zeitschriften gelesen, mich mit Traktaten, Freiheitsschriften, Botschaften an die Menschheit usw. auseinandergesetzt. Es ist sicherlich ein Mangel, daß weitere Gruppen, die in diesem Artikel nicht erwähnt werden, ungeschoren davon kommen. Am Ende dieses Kapitels habe ich aktive Jugendsekten und Psychogruppen in Deutschland genannt, die bis zum Sommer 1999 laut Bundesregierung aktiv waren. Es ist möglich, daß weitere hinzugekomme sind. Auch war es mir leider nicht möglich, mich mit vielen radikalen und rechtslastigen Sekten mit spezifischer Endzeithysterie, die vor allem in den USA und anderen europäischen Ländern aktiv sind, zu beschäftigen, und in die Untersuchung mit einzubeziehen. Der Leser wird das entschuldigen. Für Hinweise und Anregungen bin ich herzlichst dankbar. Weltweit soll es weit mehr als 1.000 radikale und rechtsradikale inquisitorische Gruppen und Bewegungen geben. Es geht aber generell um Nachrichten aus ihrer Psychoszene, den Ort zu beschreiben, an dem sie tätig sind, und einen gewissen Trend zu untersuchen, der sich in gewisser Weise bezüglich ihrer Hysterie auf ein nahendes Weltenende herauslesen läßt. Und es sind auch nicht nur Mormonen, Zeugen Jehovas, die Schöpfer der Gralsbotschaft, Heilungsbewegungen mit antroposophischem Hintergrund, Mazdaznan-Bewegungen, Kellergemeinschaften und fleischgewordende Gottheiten, die stellvertretende Handlungen für die Toten ausüben, die den Gesetzen des Fortschritts abschwören, in der reinen Mystifikation ihr Heil suchen, sondern eigentlich auch die Tempelzermonienmeister, von denen man das am allerwenigsten erwartet hätte, wenn etwa an der englische Forscher RUPERT SHELDRAKE gedacht wird.

(2) DIE MUMIE: Filmisches Endzeitspektakel um alte Pharaogräber; mit Untoten, die nach 3000 Jahren zum Leben erweckt werden, Angst und Schrecken verbreiten, daß man beim zusehen so richtig ins Schwitzen kommt. Der schwache Film, der ein Aufguß alter Pharao-Filme (vgl. etwa: "Das Grab der blutigen Mumie" von DON SHARP (1973) ist, kam Anfang Juni in die deutschen Kinos.

(3) Zitiert nach KURT ALLGEIER: "Die großen Prophezeiungen des Nostradamus in moderner Deutung", München 1982, S. 9

(4) Ebd. S. 167

(5) JEHOVAS ZEUGEN: Die Zeugen Jehovas sind eine der vielen im 19.Jahrhundert in den USA entstandenen adventistischen Gemeinschaften. Ihr Gründer, CHARLES TAZE RUSSELL, gelangte durch intensives Bibelstudium zur Überzeugung, daß die unsichtbare Gegenwart Christi seit 1874, die Sammlung der noch lebenden Auserwählten seit 1878, der Beginn der "Großen Drangsal" seit 1914 angebrochen wären. Statt 1914 korrigierte er sich auf Frühjahr 1918. Jehova regiert seine Gläubigen durch die "Leitende Körperschaft" in Brooklyn. Die bis 1931 verwendete Bezeichnung "Ernste Bibelforscher" verweist darauf, daß die "richtige" Auslegung der (irrtumslosen) Bibel im Zentrum steht. Untersagt ist den "Zeugen Jehovas" der Genuß von Alkohol und Tabak. Sie lehnen außerdem Bluttransfusionen ab. Lange Zeit galten Staat und christliche Kirche(n) als Werkzeuge des Teufels. Heute werden die Zeugen Jehovas von ihrer Leitung zur Achtung der Gesetze ermahnt. Sie dürfen nicht aktiv am politischen Leben teilnehmen, nicht einmal an Wahlen zu Schuloder Klassenpflegschaften. Die christliche Trinitäts-Lehre lehnen sie ab. Jesus Christus werde am Ende des tausendjährigen Reiches die Hinrichtungsheere Jehovas in der Schlacht von Harmagedon befehligen. Die Zahl der Auserwählten beträgt 144000. Weltweit gibt es etwa 4,5Millionen Zeugen Jehovas. (zitiert nach MICROSOFT ENCARTA 1997: Artikel: Zeugen Jehovas).

(6) Der Ausbruch des 1. Imperialistischen Krieges wurde bereits als "eschatologisches Ereignis" gedeutet.

(7) Vgl. Matth. 12/18f.

(8) SONNENTEMPLER-SEKTE (gegründet 1952): Sie gilt als "Geheimbund". In ihr vereinigt sich eine krude Mischung aus christlichen Ritualen, bilblischen Apokalypsezitaten, alten Rittersagen, dem Marienkult, Astrologie, chinesische Medizin. Ideologischer Hintergrund: Vermutlich basierend auf einer esoterisch-gnostische Mischung von rosenkreuzlerischtheosophischen Lehren und größenwahnsinnigen Kreuzrittermythen. Damit dürften sie sich ein Instrumentarium geschaffen haben, um in den Mitgliedern den Glauben an ein Allheilmittel gegen den angeblich drohenden Weltuntergang zu stärken. Mit satanischen Ritualen und okkulten Messen bereiten die Sektenführer die "Auserwählten" auf ihren Übertritt in eine "neue Wirklichkeit" nach dem Tod vor. Ihr Wahlspruch: "Es gibt den Tod nicht, er ist eine reine Illusion", Zentrale Figur der Sekte war bis zu seinem Tod im Oktober 1994 der Frankokanadier JOSEPH DI MAMBO, ein angeblich Wiedergeborener der mittelalterlichen Bruderschaft "Rose und Kreuz" (12. Jahrhundert). Mit dem Belgier LUC JOURET führte er den Orden mit eiserner Hand. Wie bei allen Sekten, drängten sie ihre Mitglieder zur vollen Aufgabe jeglicher materiellen Güter und familiärer Banden. Grundlage ist eine sog. "Ordensregel" mit 50 Artikeln, Zermonie der Sekte (ihre Philosophie), Pflichten, Verhaltensweisen. Das alltägliche Leben wird von Vorschriften und Riten geregelt; die allesbis zu den Kleidervorschriften vorschreiben. Die Sekte arbeitet konspirativ und den Mitgliedern wird strengste Geheimhaltung auferlegt. Erst zu Anfang der 80er Jahre wurde sie bekannter. Sie warb um Mitglieder mit einer Mischung aus Astrologie, Yoga, New Age und jüdischer Mystik. Lange Zeit war die Schweiz Schaltzentrale und vermutlich auch aus bisher unbekannten Gründen, der Nährboden. Offenbar setzten sie sich nach Frankreich und Kanada ab. Dort sollen immer noch ca. 30-50 organisierte Gruppen aktiv sein. Im Oktober 1994 fand man in den Schweizer Kantonen Freiburg und Wallis 53 Leichen in niedergebrannten Häusern. Der mysteriöse Tod der Sektenmitglieder ist bis heute noch nicht gänzlich aufgeklärt. Vermutlich starben sie durch Mordund Selbstmord. Etwa zur gleichen Zeit werden im kanadischen Morin Heights Mitglieder der Sekte tot aufgefunden. Am 27.12.1995 wurden 16 Anhänger der Sekte in Frankreich tot aufgefunden. Die Leichen waren in der Form eines "Strahlenkranzes" angeordnet, was offensichtlich darauf schließen läßt, daß sie sich auf eine ihrer Philosophie folgend "Intergalaktische Reise" vorbereiteten. Im März 1997 werden St. Casimir (Kanada) Mitglieder der "Sonnentempler" tot aufgefunden. Im Januar 1998 wollten sich unter der Führung einer Berliner Psychologin 30 Mitglieder der Sekte auf der Insel Teneriffa gemeinsam umbringen. Die Polizei verhinderte das. Die Sekte ist immer noch rege und aktiv und von den Behörden bisher nicht verboten worden.

(9) HEAVEN"S GATE: Einen ähnlichen Weg wie die "Sonnentempler" gehen "Heavens Gate"; die den "irdischen Müllhaufen" verlassen wollen, um im Schweif eines Kometen (Hale Bopp) abzutauchen. Dieser Transit soll die endgültige "Reinigung" bringen. Am 3. 4. 1997 wurden in San Diego (USA) 39 Mitglieder der Sekte tot aufgefunden; die vermutlich Selbstmord begangen hatten, den sie nach eigenen Rezepten einer Giftmischung (Phenobarbital, einzunehmen mit Pudding oder Apfelsauce, danach ein Wodka) hervorriefen. Wie terroristisch fanatische Sekten sein können, zeigten die Waffenfunde der Polizei, die ein ganzes Lager, bestehend aus Sturmgewehren, Schnellfeuerwaffen, Handgranaten etc., aushoben. Auf Videos hinterließ die Sekte eine Art Vermächtnis, in denen ihr "Chef" DO predigte und seine Jünger Abschiedsstatements abgaben. Ihr Massensterben erinnert auch an den schrecklichen Tod der "Volkstempler" aus dem Jahre 1978 in Guyana. Damals fanden 923 Menschen den Tod, als sie ein Gebräu einer Giftlake tranken. Seit über 20 Jahren versuchten "Heaven"s Gate" mit wechselnden Namen, Mitglieder zu gewinnen. In ihrer Blütezeit, etwa zu Mitte der 80er Jahre, dürfte sie zwischen 200 und 1.000 Anhänger gehabt haben. Als Mitte der 90er Jahre die komerzielle Nutzung des Internet begann, versuchten sie darüber Propaganda zu machen. Sie lebten in der Regel in kargen Verhältnissen und machten sich die Schicksalsschläge ihrer Zuläufer (Tod eines Angehörigen etc.) zu eigen; nicht selten mit dem Hinweis, um nun auch "für Gott zu sterben". In ihrem Schrifttum propagierten sie den Selbstmord und den "Heiligen Krieg", den sie auch mit Waffengewalt zu führen gedachten. Philosophisch-Ideologischer Hintergrund: Eine Form der biblischen Prophezeiungen der Apokalypse, mit Elementen des Zen-Buddhismus, New Age, und atheistischer Konzeption. Unter Pseudonymen schrieben Sektenmitglieder in Foren über "libertäre Politik" und für militante Rechtsradikale. Ihr erster "Repräsentant" soll vor 2.000 Jahren aus dem All gekommen sein und Jesus geheißen haben. Ihr Gründer Marshall DO APPLEWHITE tat sich mit der Krankenschwester BONNIE LU NETTLES zusammen, um die Offenbarung zu erwarten, und nach ihrem Tod auf der Erde, in einer "Wolke des Lichts" wieder aufzutauchen, mit einem UFO gen Himmel zu fahren. 1996 wurde die eigene Firma "Higher Source" gegründet, die fortan zum einträglichen Verdienst wurde. Unter www.heavensgate.com konnte man die Lehren der Sekten studieren, um zu erfahren, daß der Aufenthalt auf der Erde nur von kurzer Dauer sein; erst wenn man eine Bordkarte abonniert hätte, sei es möglich, die Erde endgültig zu verlassen. Der Koment "Hale Bopp"die Zeit ist gekommen, sollte alles ändern: Die Ankunft eines Raumschiffs wird erwartet, das "uns nach Hause" bringt, in den "tatsächlichen Himmel" bereitet den Selbstmord/Mord vor, und deren Bedeutung bestünde darin, sich "gegen die nächste Ebene zu wenden, wenn sie angeboten wird".

(10) DAVIDIANER-Sekte: Radikale Sekte, die sich unter ihrem Anführer DAVID KORESH im April 1993 auf einer Ranch in Waco (Texas) verschanzt hatte, und sich mit der Polizei einen ganzen Tag ein heftiges Feuergefecht lieferte. Bei einem Brand auf der Ranch und einem Schußwechsel mit Spezialeinheiten der Bundespolizei, kamen 91 Menschen ums Leben. Waco gilt seit dieser Zeit zumindest in den USA für die militanten Rechten, den KluKlux-Klan und andere, als Symbol für einen "totalitären Bundesstaat", gegen den man sich (notfalls) bewaffnen müsse.

(11) AMUN-Sekte: Radikale japanische Endzeitsekte, die unter ihrem Führer SHOKO ASAHARA ("Erhabene Wahrheit") seit dem März 1995 in Japan Angst und Schrecken verbreitete; und vor allem mit dem Tokioer-Giftanschlag mit dem Nervengas Sarin am 20. März 1995, bei dem 11 Menschen starben und über 5.000 verletzt wurden, bekannt wurde. Nicht uninteressant dürfte der Aspekt sein, daß der Guru seine Vorstellungen aus Comics und Science-Fiction ableitete, die alle Elemente von Weltuntergangswerkzeugen und Giftdetektoren enthielten, die seine Anhänger später benutzen sollten. Natürlich hatte auch die AMUN-Sekte eine religiös-motivierte philosophische Lehre, mit der sie agitierte: Danach trieb er seine Anhänger in ein masochistisches Meditationstraining, das sie in die Selbstnegation trieb. Weiter dürfte auf AMUN zutreffen, daß Ängste vor Umweltzerstörungen und Weltuntergang erst die eigentlichen Taten m. E. auslösten. AMUN kam nicht einfach so aus den Untergrund: Aktiv war er seit den 80er Jahren; und soll 1987 den DALAI LAMA getroffen haben, der ihm eine "Herz für den Buddhismus" bescheinigte. Später (am 22. März) fand die Polizei bei Razzien im ganzen Land tonnenweise Chemikalien zur Herstellung von Sarin, Gasmasken und Giftgasdetektoren.

(12) TIMOTHY McVEIGH: 29jähriger rechtsradikaler Attentäter, der in Oklahoma am 19. April 1995 mit einer Autobombe das Alfred-P.-Murrah-Gebäude in Oklahoma-City in die Luft sprengte. Damals kamen 168 Menschen ums Leben. Nicht unerwähnt sollte bleiben, daß der hervorragende Film "Arlington Road" (April 1999) mit JEFF BRIDGES ("Die fabelhaften Baker-Boys1989; "Fearless1993; "The Big Lebowski"1998) Hintergründe des weltweiten Terrorismus erhellt, und die jüngste US-Vergangenheit in der Form der perfiden Paranoia darstellt.

(13) RAELIANER-Gruppe: Die Sekte dürfte seit Mitte der 90er Jahre bekannt sein. Ihr globales Rekrutierungsfeld erstreckt sich u. a. auch über das Internet. Sie behaupten u. a., daß das Leben auf der Erde in den Labors extraterrestrischer Wissenschaftler geschaffen wurde. Das Klon-Schaf Dolli (April 1997) sei der Beweis dafür, daß das Leben aus "einer Ursuppe" entstanden sei, und die biblische Auferstehung des Gottessohnes wird als "geklonte Klonung des Gekreuzigten" bezeichnet. Über ihre Firma auf den Bahamas bieten sie Interessenten das Klonen von Menschan an, um "zu Lebzeiten unsterblich" zu werden. Allerlings ist das nicht billig schon ab 200.000 US-Dollar haben.

 (14) HUBBARD-Jünger: Der amerikanische ScienceFiction Autor L. RON HUBBARD ist der geistige Sprecher der "Scientology of California", kurz Scientology daher HUBBARD-Jünger. Im eigentlichen Sinne ist die Scientology eine religiöse Sekte, da es ihr um die Macht über den Menschen, um generelle Gleichschaltung, um Herrschaft geht. Ihr Ziel ist die die "befreite" scientologische Welt namens "Clear planet". Um die Werbung für ihren religiös-verbrämten Extremismus zu verschleiern, verzichtet sie nur allzugern auf das religiöse Etikett. Eines der berühmtesten Mitglieder der Scientology ist der Filmschauspieler TOM CRUISE (Mission: Impossible; USA 1995; Deutschland; August 1996).

(15) MUN-Bewegung; Geht zurück auf SAN MYUUNG MUN (1920 in Korea geb.). Sie ist bekannt als "Vereinigungskirche" oder "Heilige Geist Vereinigung für die Vereinigung des Weltchristentums". Aktivitäten lassen sich ab 1954 nachweisen. Weltweit (Asien, Europa, USA) dürfte sie zwischen 500.000 und 2 Millionen Mitglieder haben. Ihre Anhänger rekrutiert sie mit der Methode der psychischen Abhängigkeit, der Indoktrinierung und Erpressung. Die Bewegung dürfte ein Vermögen von mehreren Milliarden US-Dollar angehäuft haben, die sie aus Waffengeschäften, Ginseng-Exportgeschäften und Teilhabe an Maschinenfabriken erwirtschaft. MUN wird als 2. Messias verehrt.

(16) Vgl. etwa: MICHAEL BAIGENT/RICHARD LEIGH: "Verschlußsache Jesus. Die Qumranrollen und die Wahrheit über das frühe Christentum", München 1991; ROBERT EISENMANN/MICHAEL WISE: "Jesus und die Urchristen. Die Quamran-Rollen entschlüsselt", München 1992. Die großen Kirchen halten sich bezüglich der Endzeiterwartungen heute vornehm zurück. Bedacht werden muß allerdings, daß sie in ihrem Glaubenssystem unverrückbar enthalten ist.

(17) Vgl. etwa: HANS EBERHARD MAYER: "Geschichte der Kreuzzüge", Stuttgart 1965.

(18) MORMONEN: (Nach dem Buch Mormon] (Selbstbez. Church of Jesus Christ of Latter-Day Saints, Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage), 1830 in Fayette (N.Y.) gegr. Religionsgemeinschaft; sie beruft sich auf das Buch Mormon, die Bibel, insoweit sie »richtig übersetzt ist«, und die Offenbarungen J.Smiths; Ziel ist die Erreichung der Vollkommenheit durch Erkenntnis des »Großen Plans« Gottes. Am Ende der Zeiten wird Jesus Christus im Tempel von Salt Lake City Gericht halten und ein 1000-jähriges Reich errichten. Charakteristisch für die M. sind eine patriarchalisch-hierar. Ordnung, strenge moral. Grundsätze, Verzicht auf Genussmittel sowie eine starke missionar. Orientierung. Die von Smith proklamierte Mehrehe (1890 abgeschafft) hatte Anfeindungen und seine Ermordung zur Folge. Unter seinem Nachfolger Brigham Young (*1801, 1877) Gründung eines Mormonenstaates in der Nähe des Großen Salzsees (1896 als Utah Bundesstaat der USA) mit der Hptst. Salt Lake City. Weltweit haben die M. rd. 6,7 Mio., in Dtl. (Tempel in Freiberg/ Sachsen und Friedrichsdorf/Taunus) rd. 35000 Mitglieder. Zitiert nach MULTIMEDIALDER BROCKHAUS, Mannheim 1998: Artikel: Mormonen.

(19) NEUAPOSTOLISCHE KIRCHE: Christliche Religionsgemeinschaft, 1860/63 aus den Kath.-Apostol. Gemeinden hervorgegangen (Bez. seit 1907). Die N.K. wird von einem Stammapostel als Träger der höchsten geistl. Autorität geleitet und versteht sich, unter Berufung auf ihr Apostelamt, als Fortsetzung der Urkirche. Der Stammapostel ernennt die Apostel, die allein zur Schriftauslegung berufen sind. Ihre (Lehr-)Aussagen gelten neben der Bibel als zweite Glaubensquelle. Die N.K. hat heute weltweit 7Mio. Mitgl.; in Dtl. rd. 402000. Zitiert nach MULTIMEDIALDER BROCKHAUS, Mannheim 1998: Artikel: Mormonen.

(20) BAPTISTEN: Anhänger der größten evang. Freikirche. Die B. taufen nur Erwachsene, weil nach ihrer Auffassung nur der bewusst an Christus Glaubende getauft werden sollte. Sie fordern ein strenges Christentum und lehnen jedes staatskirchl. Regiment ab; die Gemeinden sind selbstständig. Ein einheitl. baptist. Glaubensbekenntnis gibt es nicht; alleinige Richtschnur für Glauben und Leben ist die Bibel, die jeder Gläubige auslegen kann. Die Gemeinschaft entstand im 17.Jh. während der engl. Revolution und verbreitete sich bald in Nordamerika, seit 1834 auch in Dtl. (J.G. Oncken). Seit 1905 besteht ein Weltbund der B. (Baptist World Alliance). Zitiert nach MULTIMEDIALDER BROCKHAUS, Mannheim 1998: Artikel: Mormonen.

(21) CONDITIO SINE QUA NON: Unerläßliche Bedingung.

(22) Vgl. etwa die KRISIS-Gruppe, die in ihrem "Manifest gegen die Arbeit" zwar in richtiger Weise Kritik an der kapitalistischen (Lohn-) Arbeit und deren Durchsetzungsgeschichte übt, jedoch mit ihrer "Aufhebungsbewegung" im Prinzip dem gleichen Organisationsfetischismus huldigt, den man bekämpft; denn sie müßte ja von "Aufzuhebenden" getragen sein, die, wie auch immer, eine "neue Gegenöffentlichkeit schafft" und sich in einer "praktisch sozialen Bewegung gegen die Arbeit konstituiert" und wohl auch organisieren müßte. Zitate nach "trend" Nr. 7/8 1999.  

Wichtige Seken und Psychogruppen in Deutschland:

  • Ananda Marga -Bebajio
  • BEP-Bewußtseinserweiterungsprogramm
  • Brahma Kumaris
  • Eckankar
  • Europäische Arbeiterpartei
  • Fiat Lux
  • Fraternitas Saturni
  • Divine Ligth Mission
  • Die Gemeinschaft/Humanistische Partei
  • Gröning-Gruppe
  • Internationale Gesellschaft für KrishnaBewußtsein(ISKCOON)
  • Kinder Gottes/Familie der Liebe
  • Kirpal Ruhani Satsang Society/ Thakar Singh
  • Mahikna/Licht der Wahrheit
  • Murphy-Freundeskreis
  • Ordo Templis Orientis
  • Osho-Bewegung/Bhagwan-Bewegung
  • Sahaja Yoga
  • Sai Baba -Scientology
  • Organisation -Soka Gakkai
  • Sri Chinmoy
  • Thelema Orden
  • Transzendentale Meditation/TM -Universelles Leben e.V.
  • Vereinigungskirche /Mun-Bewegung
  • Yamagishi
  • ZEGG-Zentrum für experiementelle Gesellschaftsgestaltung
  • Unity of Man
  • 3 Ho/Happpy-Healthy-Organisation
  • Sivananda Vedanta Yoga Zentrum
  • Die Bewegung/Humanistische Partei/ Siloisten
  • Boston Church of Christi/BCC
  • Gemeinde auf dem Weg (Philadelphia Gemeinde)
  • ASGARD Bund/Söhne der Asen/ Wotans Volk/Kampfgruppe Priem
  • Heidnische Gemeinschaft/Germanische Glaubensgemeinschaft
  • Gemeinschaft für heidnisches Leben/ Tempel der Semnonen
  • Aktionsanalytische Organisation/AAO
  • EST/Forum/Landmark Education
  • Verein zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis/VPM

Hinweis des Verfassers: Alle diese Gruppen und Vereinigungen geben eine Vielzahl von Broschüren, Traktaten, Schriften, Zentralorganen etc. heraus, die mehr oder weniger regelmäßig erscheinen und eine gewisse Auflagenhöhe erreicht haben. Um nicht zur Verwirrung beizutragen, habe ich mich dazu entschlossen, KEINE dieser Organe den hier genannten Sekten zuzuordnen.

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