Ostnatur plattmachen
Windkraftwerke in Mitteleuropas wichtigstem Kranichrastplatz geplant - wie üblich kein Einspruch Trittins - Grüne Liga und NABU Brandenburgs protestieren - Einschaltung der EU sowie juristische Schritte angedroht
von Klaus Hart
12/02
 
 
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Brandenburgs Grüne Liga hat gemeinsam mit dem NABU-Landesverband heftig gegen Windkraftprojekte im Rhinluch protestiert, die eine der bislang hinterhältigsten Nach-Wende-Attacken gegen Ostdeutschlands Natur darstellen. Wie NABU-Geschäftsführer Dr. Wolfgang Mädlow, ein erfahrener Biologe und sehr engagierter Vogelkundler, auf Anfrage erklärte, würden die geplanten Windkraftanlagen zwischen Linum und Nauen selbstverständlich auch vom NABU abgelehnt, da sie sich inmitten des wichtigsten mitteleuropäischen Kranichrastplatzes befänden.

Dr. Mädlow kritisiert ausdrücklich die in den Regionalplänen vorgesehenen Windeignungsfelder sowie Planungen für insgesamt 76 Windräder mit jeweils bis zu 118 Metern Höhe. "Dagegen gab es (auch vom NABU)Unterschriftensammlungen, Stellungnahmen, Presseartikel, internationale Protestbriefe."

Laut Dr. Mädlow scheinen diese Aktionen Erfolg gehabt zu haben - der zuständige Umweltminister Wolfgang Birthler /SPD habe inzwischen die Planungen ganz klar abgelehnt. "Ich bin deshalb optimistisch, daß das Vorhaben kippt. Wachsam müssen wir aber weiter sein."
Zuvor hatte der Grüne-Liga-Landesvorsitzende Heinz-Herwig Mascher betont:"Daß Windkraft-Investoren trotz des bekannten Vogelreichtums in dieses Gebiet drängen, ist für uns nicht mehr nachvollziehbar. Oder wird hier vielleicht bewußt die Konfrontation mit den Naturschützern gesucht?"

Letzteres ist anzunehmen, da das adlerreichste deutsche Bundesland Brandenburg nach der Wende von den Wirtschafts-und Umweltvernichtungsstrategien der neuen Machthaber besonders hart betroffen wurde. In ganz Ostdeutschland befinden sich - laut Egon Bahr - derzeit nur noch fünf Prozent des Produktionsvermögens in der Hand Ostdeutscher, hat somit eine historisch einmalige Enteignungsaktion stattgefunden, wurden Millionen von Arbeitsplätzen vernichtet, Vollbeschäftigung abgeschafft. Daß deshalb jetzt ausgerechnet in Brandenburg von Politikern und hörigen Kommerzmedien "Windkraft als Jobmaschine" bejubelt wird, ist daher an Zynismus nicht mehr zu überbieten. Als Beispiel wird neuerdings stets die von Kanzler Schröder 2002 in Lauchhammer eröffnete Rotorenfabrik genannt. Dort sind den Angaben zufolge rund einhundert Menschen beschäftigt, vierhundertfünfzig Arbeitsplätze seien angepeilt. Eine absolut lächerliche Zahl für eine Region, in der man nach der Wende Hunderttausende feuerte. Gleiches gilt für Sachsen-Anhalt: Die von dort stammende neue umweltpolitische Grünen-Sprecherin Undine Kurth spricht gar von "Windkraft als Job-Wunder" - in der Landeshauptstadt Magdeburg sei der größte Gewerbebetrieb ein Hersteller von Windenergieanlagen. Laut Undine Kurth entstanden in Sachsen-Anhalt insgesamt über zweitausend Arbeitsplätze in dieser Branche - daß allein in Magdeburg jedoch zehntausende Arbeitsplätze, ganze Industrien nach der Wende zielstrebig im Interesse konkurrierender westdeutscher Konzerne vernichtet wurden, erwähnt sie nicht.

Undine Kurth ist Nachfolgerin von Sylvia Voss, die als kompetente Windkraftkritikerin deutschlandweit einen hervorragenden Ruf hat. Trotz - oder besser - wegen ihres herausragenden Einsatzes für den Natur-und Landschaftsschutz haben einflußreiche Kräfte der Grünen, soweit bekannt, effizient und absichtlich verhindert, daß Sylvia Voss 2002 in Brandenburg wieder auf den einzig aussichtsreichen Listenplatz 1 gesetzt wurde, um im Bundestag ihre Arbeit fortsetzen zu können.

Kein Eingreifen von Trittin - wegen Bundesnaturschutzgesetz

Umweltminister Trittin griff trotz seiner Richtlinienkompetenz auch bei den neuen Brandenburger Windkraftprojekten nicht ein, um die Respektierung des Bundesnaturschutzgesetzes zu garantieren: Immerhin würden sich laut Grüne Liga drei geplante Windparks genau zwischen den Schlafplätzen der Kraniche bei Linum und Nauen befinden. "Da diese Schlafplätze von den Kranichen seit Jahren auch bei Nacht und Nebel angeflogen werden und zudem viele Kraniche zwischen beiden Schlafplätzen wechseln, sind diese Anlagen als eine große Gefahr anzusehen. Beim Flug in einer Formation können die Vögel dem massiven Sperriegel von mehreren hundert Metern Breite genau in Flughöhe kaum ausweichen."

Daß trotz der Expertenargumente diese Windkraftprojekte überhaupt das Planungsstadium erreichen konnten, zeigt, von welcher Denkhaltung die Windkraftbranche und ihre Marionetten in der Politik geprägt sind.

"Im Naturschutz brachte die Wende einen Rückfall in die Steinzeit", urteilt nicht zufällig der ostdeutsche Biowissenschaftler Dr. Hans Stubbe von der Universität Halle, der Windkraftwerke aus Gründen des Arten-und Landschaftsschutzes ebenfalls heftig ablehnt.
Die Grüne Liga Brandenburg erklärte für den Fall einer Genehmigung der geplanten Anlagen, unverzüglich die Europäische Kommission zu benachrichtigen, da sie "in einer solchen Genehmigung eine Mißachtung der Verantwortung der Entscheidungsträger gegenüber den europaweit bedeutsamen Kranichrastplätzen im Rhinluch, und einen Eingriff in ein IBA-Schutzgebiet(Important Bird Area) und damit einen Verstoß gegen europäisches Recht" sieht. Laut Grüne-Liga-Pressesprecher Norbert Wilke ist durch übertriebene Subventionen in den letzten Jahren ein Wildwuchs an Windkraftwerken entstanden - einzig zugunsten von Aktionären. Gleichzeitig hätten sich Wirtschaft und Politik einer stärkeren Energieeinsparung verweigert.
Besonders in der Herbstzeit wird das Rhinluch von immer mehr Öko-Touristen aufgesucht.
Es könnte nicht schaden, wenn Linke mit echter Sensibilität für Natur und Umwelt - also nicht jene öden Öko-Sprücheklopfer a la Trittin - jetzt NABU und Grüne Liga Brandenburgs sowie die örtlichen Bürgerinitiativen nach Kräften unterstützen, damit pure, platte Geldgier nicht noch der Natur des einzigartigen Rhinluchs den Garaus macht.

Auch unter deutschen Öko-Linken ist immerhin weithin üblich, sich über das Artensterben auf anderen Kontinenten, in anderen Ländern zu erregen, die brachiale Naturvernichtung in Berlin, Brandenburg oder anderswo in Deutschland aber "links" liegen zu lassen.

Editorische Anmerkungen

Der Autor schickte uns seinen Artikel  mit der Bitte um Veröffentlichung. In den letzten trend-Ausgaben schrieb er über

Jagen wie bei Hermann Göring
Ost-Naturschützer protestieren gegen neofeudales West-Jagdrecht
Ost-Umweltklischees und die Fakten
Truppenübungsplätze von NVA und Sowjetarmee waren Naturrefugien

Er schreibt regelmäßig Berichte aus Brasilien, die er auch dem Trend zur Verfügung stellt.

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