Stadtumbau & Stadtteilkämpfe
Wohnungsnot und Mietpreistreiberei
Was ist von dem Gesetz zu erwarten, das der Senat mit der MVE-Initiative ausgekungelt hat.Vortragsmaterial von Karl-Heinz Schubert
09/2015
trend
onlinezeitungVorbemerkung der Redaktion: Am 8.8. und 25.8.2015 fanden zwei TREND-Veranstaltungen mit Karl-Heinz Schubert zum Gesetzentwurf über die Neuausrichtung der sozialen Wohnraumversorgung der Berliner Initiative Mietenvolksentscheid (MVE) in Berlin statt. Zwischen diesen beiden Terminen wurde am 18.8.2015 bekannt, dass die Geheimverhandlungen, die die MVE-Initiatoren mit dem Senat vor und während des Volksbegehrens geführt hatten, zu einem "Kompromiss" geführt haben, der - wenn dieser bis zum 15.11.2015 durch das Berliner Abgeordnetenhaus in ein entsprechendes Gesetz umgesetzt wird - die Rücknahme des Volksbegehrens durch seine Initiatoren nach sich zieht. Jene Entwicklung, die wir im TREND-Editorial 8/2015 schon vorhergesehen hatten, führte zu einem kurzfristigen Umbau des Vortrags, indem er den "Kompromiss" einarbeitete und die entfallenen GE-Punkte kennzeichnete. Als Quelle diente ihm die Pressekonferenz der MVE-Inins vom 19.8.2015. Das schriftliche Kompromissergebnis wird nach wie vor unter Verschluss gehalten!
Bereits auf der Veranstaltung am 8.8. war Karl-Heinz Schubert, um die Veröffentlichung seines Vortrags und der "virtuellen Karteikarten" gebeten worden. Wir veröffentlichen nachfolgend die Visualisierungen in ihrer aktualisierten Fassung vom 25.8.2015 plus einiger stichwortartiger Erläuterungen zu den Folien(*).
Die Vortragsfolien laden (1,3 Mb)
Dass der MVE mit diesem Gesetzentwurf (GE) "überflüssig" ist, ist nicht Gegenstand des Vortrags. Vielmehr soll aufgezeigt, dass es sich hier um ein "falsches Herangehen" an die Wohnungsfrage handelt, da die Immobile nicht als Leihkapital in Warenform verstanden und behandelt wird. Das würde nämlich heißen, bereits unter kapitalistischen Bedingungen zu versuchen, die Profitmacherei mit Immobilien bei ihrer Produktion und Verteilung durch außerökonomische Maßnahmen (Gesetze, Verordnungen, Kontrollstrukturen) zu limitieren.
Stattdessen befeuert der GE neoliberalistische Verwertungsstrukturen. Und schließlich machen innere Unzulänglichkeiten und Fehler aus dem GE ein untaugliches Instrument gegen Wohnungsnot und Mietpreistreiberei..Folie 01
Der Gesetzentwurf wurde am 18.8. durch den "Kompromiss" zwischen dem Senat und den MVE-Inis aufgehoben.
Wenn immer dieses Logo auf einer der Folie zu sehen ist, bedeutet dies für den jeweiligen Sachverhalt: cancelt
D.h. aufgehoben durch den "Kompromiss"
Die Eckpunkte des "Kompromisses", die ein Torso des ursprünglichen GE darstellen werden gesondert auf der Folie Nr. 13 behandelt. Folie 02
Bei der Zielformulierung fehlt der verfassungsmäßige Bezug auf die Sozialbindung von Eigentum als Staatsziel (Berliner Verfassung Art. 22-24). Das Fehlen unterstreicht die scheinbar klassenneutrale Position des GE, der tatsächlich aber die Kapitalverwertung mit Immoblien fördert. Die Zielgruppen des GE wurden abgeschrieben aus dem
Gesetz über die soziale Wohnraumförderung §.1.1. und ergänzt um "Mittelschichthaushalte". Durch diese Ergänzung kommt das besondere Klasseninteresse der Initiatoren zum Ausdruck.Folie 03
Von der ökonomische Kernstruktur wird nur der Wohnraumförderfonds in den"Kompromiss" übernommen.
Die formwechselnde Umwandlung der sechs Wohnungsbaugesellschaften findet nicht statt.
Folie 04
Ob die im GE vorgeschlagenen Einnahmequellen auch die Einnahmequellen des künftigen Wohnraumförderfonds sein werden, ist derzeit ungeklärt. Bisherige Erfahrungen mit solchen Fonds belegen, dass sie nicht zielführend sind. Es muss auf Gelder am privatkapitalistischen Kreditmarkt zurückgegriffen werden, weil diese nicht ausreichend durch Haushaltsumverteilungen bereitgestellt werden können. [siehe dazu das Scheitern des Salzburger Wohnraumförderfonds].
Folie 05
Die sechs städt. Wohnungsgesellschaften bleiben in ihrer bisherigen Form und mit insgesamt ca. 8 Milliarden Euro Schulden bestehen.
Ihre betriebswirtschaftlichen Ziele - kapitalistische Generierung des Mietzins und Rekapitalisierung des Mietprofits - sind mit denen der vom GE geplanten AöR's identisch.
Inwieweit das sozialpolitische Ziel der umfassenden Unterwerfung der Sozialbaumieterin unter das Hartz IV -Regime übernommen wird, ist offen.
Auf Zwangsräumungen zu verzichten, davon war nach dem Kompromiss nicht mehr die Rede.Folie 06
entfallen
bzw. ersetzt durch eine "kleine" Lösung
siehe Folie 13Folie 07
entfallen
bzw. ersetzt durch eine "kleine" Lösung
siehe Folie 13Folie 08
entfallen
Folie 09
entfallen
bzw. ersetzt durch die
Regelungen des MietenBündnisse
siehe Folie 13Folie 10
Die Subjektförderung deckelt die "Kostenmiete, damit die Mietprofite der Immobilienkapitalisten weiterlaufen können, ohne ihre Mieter*innenschaft austauschen zu müssen. Die Kostenmiete errechnet sich aus den Kosten des Vermieters für Fremdkapitalverzinsung, Eigenkapitalverzinsung, Bewirtschaftungskosten und Abschreibung.
Bei der Eigenkapitalverzinsung im privaten und staatlichen sozialen Wohnungsbau werden Eigenleistungen bis zu 15 % der Gesamtkosten des Bauvorhabens mit bis zu vier Prozent verzinst. Für den darüber hinausgehenden Teil kann eine Verzinsung in Höhe des Zinssatzes für marktübliche erste Hypotheken genommen werden.
Folie 11
entfallen
Haushaltgrößen und Wohnberechtigung wie bisher, evtl. Übernahme der Ausweitung des Datenschutzes
wie vom GE geplantFolie 12
Der Wohnraumförderfonds: Fortsetzung durch Erweiterung des 2014 eingerichteten IBB-Wohnungsbauförderfonds? Finanzierung offen!
Subjektförderung: Fortführung der Beschlüsse des Mietenbündnis städt. Wohnungsunternehmen von 2012 /14. Bei rund 156.000 Mieterhaushalten wird nach einer Mieterhöhung die Nettokaltmiete von WBS-Mieter*innen bei 30% ihres Nettoeinkommens gekappt. 55 % der freiwerdenden Wohnungen werden für WBS-Mieter*innen reserviert.
Objektförderung: Fortsetzung der Beschlüsse des Mietenbündnisses in Sachen Neubau.
Gewinnverwendung (Reinvestition): Gesetzl. Fixierung des Zwangs zur Akkumulation von Mietprofiten.
Mieter*innenrechte: SchaufensterdemokratieFolie 13
Reinvestition ist ein Zentralbegriff der Betriebswirtschaftslehre, dessen Inhalt eine Vielzahl von Kapitalverwertungstrategien beinhaltet. Neben der Kapitalerhöhung zur Steigerung der Kreditfähigkeit und diversen Investitionsmodellen bilden z.B. Methoden der Kapazitätssteuerung oder die Abschreibungen wesentliche Elemente der kapitalistischen Immobilienwirtschaft.
Der "Kompromiss" erweist sich hiermit als eine neoliberale marktnahe staatiche Regulierung des virulent gesellschaftlichen Versorgungsproblems "Wohnungsnot".
Folie 14
Eine sozialemanzipatorische Alternative zur Eindämmung der Wohnungsnot im Kapitalismus, die eine gesetzliche Regulierung anstrebt, sollte sich aus der verfassungsrechtlich fixierten Sozialbindung des Eigentums ableiten. Damit stellt sie das verfassungsrechtliche Individualrecht auf Wohnraum über das Mietvertragsrecht des BGB. Dadurch wird Wohnen als unwiderrufliches Nutzungrecht gesetzt, welches der Forderung "Die Häuser, denen die drin wohnen" eine antikapitalistische Perspektive gibt und einem entsprechenden Volksbegehren die sozialpolitischen Leitplanken liefert.
Folie 15
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*) Ursprünglich sollten die Folien als Ergänzung des Tonmitschnitts vom 8.8.15 veröffentlicht werden. Die o.a. Ereignisse nahmen dem Vortrag in seiner ursprünglichen Form die aktuelle sachliche Bedeutsamkeit. Ein Tonmitschnitt wurde leider am 25.8.2015 nicht gemacht. Die hier in Kürze verfassten Erläuterungen zu den Folien können jedoch den einstündigen freien Vortrag vom 25.8. nicht ersetzen. Wir empfehlen daher die folgenden Artikel von Karl-Heinz Schubert zu lesen:
Verwertung und Realisierung von Kapital in der Immobilienwirtschaft
Eine schematische Darstellung
von Karl-Heinz SchubertDen kommunalen Wohnungsbau als Klassenfrage behandeln
Ergänzende Vorschläge zur INKW-Erklärung(*)
von Karl-Heinz Schubert
Diese Kröten sind nicht zu schlucken!
Den Gesetzentwurf über die Neuausrichtung der sozialen Wohnraumversorgung in Berlin kann mensch nur ablehnen!
Der revolvierende Fonds
Ein gewöhnlicher Vorschlag für die Profitmacherei mit Wohnraum
Der "gläserne Sozialbaumieter"
Objekt der kapitalistischen Kostenstruktur