Erkenntnissse und Irrtümer in der griechischen Naturphilosophie (Teil VII)

von Helmut Mielke  

04/2020

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VII. Die physikalischen Lehren des Aristoteles

Bis in die jüngste Zeit war es üblich, die physikalischen Lehren des Aristote­les, die in seinen Schriften „Über den Himmel" (De caelo), „Meteorologie" (Meteorologica) „Über Werden und Vergehen" (De generatione et corrup-tione) und besonders in seiner „Physik" (Physica) niedergelegt sind, im engen Zusammenhang mit seiner „ersten Philosophie", dargelegt in der „Metaphy­sik" (Metaphysica), also im Systemzusammenhang, zu betrachten. Noch Wer­ner Jaeger, der der Aristotelesinterpretation einen neuen Aspekt, nämlich die Betrachtung der Lehren des Aristoteles unter dem Aspekt der Fortentwick­lung von Platon, eröffnet hat, verfährt in dieser Weise.(43)

 

Systemzusammenhang kann zweierlei bedeuten: 1. die formallogische An­ordnung sämtlicher Teile, die von dem System erfaßt werden, zu einem in sich geschlossenen, in sich widerspruchsfreien Ganzen; 2. den Versuch einer Synthese heterogen erscheinender Elemente unter Durchführung eines einheitlichen Prinzips. Der unter 1. genannte Aspekt ist der ältere, schon von den Aristoteles-Kommentatoren, vor allem von Thomas von Aquino, gewandte. Er hat sich als unhaltbar erwiesen: einmal weil die Syllogistik in den Lehrschriften des Aristoteles nicht der Forschung, sondern der Dar­stellung der gewonnenen Ergebnisse dient, und zweitens findet man beim Vergleich verschiedener Äußerungen über denselben Gegenstand häufig Widersprüche, die gegen einen logisch deduzierten Aufbau der Lehren des Aristoteles sprechen. Der unter 2. angegebene Versuch der Interpretation der aristotelischen Schriften als Synthese heterogener Elemente wird deutlich sichtbar in Eduard Zellers Aristotelesdarstellung innerhalb seines Werkes „Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung."(44) Für Zeller ist das System des Aristoteles ein „wohlgegliedertes, nach Einem Grundgedanken mit sicherer Hand entworfenes Lehrgebäude". Zeller kann aber sein Urteil, wenigstens in dieser apodiktischen Formulierung, nicht schlüssig beweisen. Er hätte richtiger schreiben müssen, daß es sich dabei um einen Versuch gehandelt habe, der sich aber nicht bis zu Ende durchführen ließ. Statt dessen verschärft er mit dem unmittelbar anschließenden Satz das obige Urteil noch: „Wie sorgfältig und folgerichtig dasselbe auch weiter bis in's einzelste ausgeführt ist, wird aus unserer ganzen bisherigen Darstellung hervorgehen."(45) Definitiv sieht er sich dann aber zu der Feststellung gezwun­gen, daß es Aristoteles, selbst wenn man nicht die Wahrheit seiner Lehre, son­dern nur die Übereinstimmung mit sich selbst ins Auge faßt, „nicht gelungen ist, die leitenden Gesichtspunkte seines Systems in widerspruchsloser Weise zu verknüpfen"(46). Damit ist das obige Urteil ad absurdum geführt, und richtig bleibt, daß es sich bei Aristoteles um einen groß angelegten Versuch eines einheitlichen Systems gehandelt hat, der letztlich scheitern mußte.

 

Nachdem nun der Systemzusammenhang problematisch geworden ist, kön­nen wir das Verhältnis der aristotelischen Physik zu seiner Metaphysik, die ja als Lehre von den ersten Prinzipien alles Seienden als Deduktionsgrund­lage für die Einzelheiten zu betrachten wäre, näher untersuchen.

 

Wir folgen dabei im wesentlichen der Auffassung Wolfgang Wielands, die ein neues Licht auf dieses Verhältnis wirft.(47) Wieland geht davon aus, daß die „Physik" des Aristoteles nicht von der „Metaphysik" abhängt und ohne diese verständlich ist. Zuvor hatte bereits Kurt Reidemeister darauf hingewiesen, daß „die Physik der Methaphysik vorangeht und daß die Me­taphysik auf der Physik fußt"(48). Wieland nimmt diesen Gedanken auf und führt ihn näher aus. Allgemein spielt bei der Beurteilung der Lehren des Aristoteles, der ja ein Schüler  Platons war, der Aspekt der Überwindung der Platonischen Ideenlehre eine wesentliche Rolle. Wieland bezeichnet die Phy­sik des Aristoteles nun als die eigentliche Abgrenzung des Aristoteles gegen­über  Platon: „Der Gegensatz zu  Platon besteht bei der aristotelischen Physik nicht darin, daß er einzelne Sätze Platons kritisiert, sondern vor allem darin, daß er überhaupt das Programm einer Physik, verstanden als Erforschung der Prinzipien für eine wissenschaftliche Behandlung der natürlichen Dinge entwirft. Schon in dem Unternehmen einer Physik als solcher liegt ein tiefer Gegensatz zum  Platonismus, zu dessen Grundvoraussetzungen es gehört, daß es von der natürlichen Welt der veränderlichen Dinge keine wirkliche Er­kenntnis geben kann."(49)

 

Diese Feststellung muß man vom Standpunkt des dialektischen Materialis­mus aus als völlig richtig anerkennen; denn der Grundzug der Physik des Aristoteles, wie seiner Naturphilosophie überhaupt, war das Bestreben, die Welt der natürlichen Dinge zu erklären. Diese Grundtendenz war ihrem 8 Wesen nach materialistisch, sie wird von Aristoteles nur dort aufgegeben, Epro eine konsequente materialistische Erklärung ansgesichts der Lücken der wissenschaftlichen Deutungsmöglichkeit nicht möglich war. Hier könnte man ipnwenden, daß ein solcher Versuch doch in der atomistischen Lehre Demo-krits bereits vorlag. Warum hat sich Aristoteles nicht dem Materialismus des Demokrit angeschlossen? Bei seinem ausgeprägten Sinn für Tatsachenfor­schung doch wohl kaum aus vorgefaßten, etwa von seinem Lehrer übernom­menen idealistischen Prinzipien. Die Antwort auf diese Frage scheint uns ein­mal in der Tatsache zu liegen, daß die Atomlehre Demokrits zu allgemein gehalten war, zu sehr die Deduktion erforderte, während Aristoteles sich weit mehr um Erklärungen der Details bemühte. Es ist bekannt, daß der mechanische Materialismus gerade dabei - denken wir nur an den Vitalis­musstreit im 19. Jahrhundert - immer wieder versagt und durch seine prin­zipielle Beschränktheit dem Idealismus bei der Interpretation von Einzel­heiten, vor allem biologischer, ständig neue Angriffsflächen bot. So schwankt also Aristoteles zwischen Materialismus und Idealismus, weil die Wirklich­keit komplizierter und mannigfaltiger ist, als der mechanische Materialismus sie erklären konnte. In diesem Zusammenhang scheint uns die Feststellung Dijksterhuis', der Atomismus sei Aristoteles „seiner materialistischen Ten­denz wegen äußerst widerwärtig gewesen"(50), übertrieben und einseitig. Da­mit könnte man sehr gut die Haltung  Platons gegenüber Demokrit kenn­zeichnen, aber nicht die des Aristoteles. Für  Platon, den Idealisten aus Prin­zip, mußte natürlich jeder Materialismus von vornherein aus dogmatischen Gründen „widerwärtig" sein; die Stellungnahme des Aristoteles gegen den Atomismus war - zum Teil wenigstens - berechtigt und Ausdruck eines echten Meinungsstreits im Ringen um die Erkenntnis der Wahrheit. Man darf hier­bei Aristoteles sogar in bestimmter Beziehung den Vorzug vor Demokrit geben: der Atomismus Demokrits war zwar materialistisch, aber metaphy­sisch. Für Aristoteles ist das Suchen nach der Dialektik der Dinge charak­teristisch. So scheint uns weiter, daß vielmehr der Hauptmangel des Atomis­mus, seine Reduzierung der Mannigfaltigkeit der Welt auf qualitätslose Wirklichkeitsklötzchen und ihre Erklärung durch rein quantitative Bestim­mungen, wie Lage, Anordnung, Ausdehnung, Gestalt und Bewegung, der durchaus berechtigte wesentliche Grund dafür gewesen ist, weshalb Aristote­les den Atomismus bekämpfte. Da dieser Hauptmangel der Atomlehre un­mittelbar mit ihrer Grundkonzeption zusammenhängt, ist es nicht verwunder­lich, daß Aristoteles die Atomlehre nicht dialektisch negiert, sondern ver­wirft.

 

Unabhängig von dieser individuellen Haltung des Aristoteles kann man noch allgemein feststellen, daß auch der wissenschaftliche Meinungsstreit generell den Regeln der Dialektik unterliegt: Bei relativ geringen Differen­zen kommt es oft zu Korrekturen, die man philosophisch unter den Aspekt der quantitativen Veränderungen stellen könnte. Bei deutlichen Kontrapo­sitionen (die relative Berechtigung beider Standpunkte vorausgesetzt) er­folgt dagegen in der Regel keine Annäherung derselben, sondern jeder der Kontrahenten versucht, seine Annahme mit größter Konsequenz zu ver­fechten und die des Gegners unter Ausnutzung ihrer Mängel konsequent zu bekämpfen. Der Umschlag, die Synthese beider Standpunkte, erfolgt meist erst auf einer höheren Stufe. Im Falle der konträren Auffassungen von Ari­stoteles und Demokrit, nämlich der qualitativen und der quantitativen Seins­auffassung, läßt diese Synthese über 2000 Jahre auf sich warten: sie ist eine Leistung des dialektischen Materialismus.

 

Im Hinblick auf das Verhältnis zur Philosophie nimmt die Physik unter den Einzelwissenschaften eine Sonderstellung ein: die Verflechtung der phi­losophischen Problematik mit der physikalischen ist enger als die mit den anderen Einzelwissenschaften. Dies zeigte sich schon bei der Begründung der Physik als Wissenschaft. Die Physik war von ihren Anfängen an, soweit sie sich nicht auf das Fixieren empirisch gewonnener, im Sinne der techne (Kunstfertigkeit) verstandener empirischer Regeln beschränkte, als Versuch einer Ontologie der unbelebten Natur Teil der Philosophie.

 

Wir stimmen Wieland zu, wenn er Aristoteles als denjenigen bezeichnet, der „als erster die Physik als eine eigenständige Wissenschaft" begründet hat.(51) Die einzige Korrektur, die hier denkbar wäre, ergäbe sich aus dem Anteil, den Demokrit an der Konstituierung der Physik hatte, der sich aber nicht nachweisen läßt, weil von seinen Schriften nur spärliche Fragmente erhalten sind.

 

Im Hinblick auf die historische Einschätzung der Physik des Aristoteles muß man einem fast allgemein verbreiteten Fehlurteil entgegentreten. Es wird häufig immer noch einseitig betont, daß seine Lehren sich als Hemm­schuh für den Fortschritt der Naturwissenschaft erwiesen haben. Dies ist zwar bedingt richtig, vor allem dann, wenn man an den Kampf der neueren, KL der Zeit des Frühkapitalismus entstehenden exakten Naturwissenschaft gegen den scholastischen Aristotelismus denkt. Das liegt aber nicht im We­llen der aristotelischen Philosophie. Der reaktionäre Konservatismus und -Dogmatismus des mittelalterlichen Aristotelismus ist ausschließlich das Resultat des die Zeit beherrschenden theologischen Denkens. Auch Wieland hat das gesehen. Er schreibt dazu: „Eine offene Frage ist ferner, ob Galilei in der Auseinandersetzung mit der Aristotelestradition seiner eigenen Position nach dem echten Aristoteles nicht näherstand als seine der mittelalter­lichen Tradition verpflichteten Gegner."(52) Zu ihrer Zeit waren die natur­philosophischen Spekulationen und Lehren des Aristoteles ein durchaus ge­rechtfertigter und für die Grundlegung und Entwicklung des naturwissen­schaftlichen Denkens notwendiger Versuch der Welterklärung. Wie soll man Spekulationen überhaupt beurteilen? Durch die Entwicklung der exakten Naturwissenschaft ist die naturphilosophische Spekulation in Verruf geraten, und dies mit Recht. In der Naturphilosophie Hegels haben sich nach einem oft zitierten Wort beispielsweise die Tatsachen dem System anzupassen, und wenn erstere im Widerspruch zum System stehen, ist das „um so schlimmer für die Tatsachen". (Die Authentizität dieses Ausspruchs soll hier nicht erörtert werden; gleichwohl wird dadurch die historische Si­tuation, wenn auch nur in betont ironisierender Weise, gut beleuchtet.) Diese Ablehnung der Spekulation darf man aber, den Stand und die Methoden der modernen Naturforschung verabsolutierend, keineswegs auf alle Epochen der Haupterklärung ausdehnen. Die abfällige Art, in der heute manche Naturwissenschaftler von den Lehren des Aristoteles sprechen, ist nichts weiter als fein völlig unhistorisches Urteilen über eine notwendige Etappe der Natur­erklärung.

 

Von Interesse ist schließlich noch das Verhältnis zwischen der Physik und Hier Kosmologie des Aristoteles und die Beziehung beider zur modernen Physik. Wieland schreibt dazu im Zusammenhang mit dem soeben zitierten Gedanken: „Wichtiger aber noch ist dies: Die Aristoteleskritik Galileis und seiner Zeitgenossen betraf der Sache nach vorwiegend Fragen, die bei Aristo­teles in das Gebiet der Kosmologie gehören. Kosmologie ist aber für Aristo­teles etwas anderes als Physik. Die Kosmologie, wie sie in den vier Büchern de caelo und den daran anschließenden Schriften vorliegt, ist eine Lehre, die sich mit den natürlichen Dingen und ihren Eigenschaften befaßt, in erster Linie aber mit demjenigen Ding, das in der Rangordnung der natürlichen Wesenheiten an oberster Stelle steht: dem Himmel. Die Physik fragt dagegen überhaupt nicht nach bestimmten natürlichen Dingen, sondern nach den all­gemeinen Erscheinungsformen und Prinzipien natürlicher ... Dinge über­haupt . .. Ginge man von der aristotelischen Ordnung der Wissenschaften aus, so gehörte fast alles von dem, was in der neueren Zeit die Physik er­forscht, eigentlich in das Gebiet der Kosmologie. Die Physik hat bei Aristo­teles nur Prinzipienfragen zu erörtern . . ,"(53)

 

Richtig ist zunächst, daß alles, was mit der Praxis zusammenhängt (techne), nicht unter die aristotelische Physik fällt. Eine dem Aristoteles zugeschriebene Abhandlung: „Mechanische Probleme" (Quaestiones Mechanicae), die einen gegenteiligen Eindruck erwecken könnte, ist inzwischen als unecht erkannt worden.(54) Insofern hat die Physik des Aristoteles wirklich Prinzipienfragen zum Gegenstand. Wieland vergißt jedoch über den kosmologischen Fragen, daß die Aristoteleskritik Galileis und seiner Zeitgenossen der Sache nach ausgeht von der Kritik der aristotelischen Auffassung von der Bewegung der irdischen Körper. Diese gehört aber nun zweifellos zur aristotelischen Phy­sik und nicht zur Kosmologie. Nach Wieland gäbe es also einen fast grund­sätzlichen Unterschied zwischen dem Physikbegriff des Aristoteles und dem der modernen Wissenschaft; und zwar soll dieser Unterschied - was zu ak­zeptieren wäre - nicht durch den inzwischen erzielten Fortschritt bedingt sein, sondern von vornherein in der Sache liegen. Wir können Wieland nicht darin zustimmen, daß der Gegenstand der modernen Physik nach der aristoteli­schen Einteilung eigentlich in die Kosmologie gehöre. Die Gliederungs­grundlage, von der Wieland ausgeht, die Zweiteilung in Prinzipienforschung und in Erforschung konkreter Gegenstände, berechtigt nicht, die erstere als Physik, die letztere als Kosmologie darzustellen; das hat auch gar nicht in der Absicht des Aristoteles gelegen. Die Tatsache, daß die in der Physik des Aristoteles untersuchten Fragen allgemeiner Natur sind, hängt damit zusam­men, daß die Physik die Grundeigenschaften und -gesetzmäßigkeiten der materiellen Welt untersucht und von den Unterschieden der verschiedenen Stoffe abstrahiert. In diesem Sinne ist die Physik die allgemeinste Natur­wissenschaft. Bestimmte Grundeigenschaften, wie Schwere, Ausdehnung, Gestalt, Bewegung usw. fallen, eben weil es grundlegende Eigenschaften sind, bei einer bewußten Betrachtung der Dinge sofort ins Auge. Die Ab­straktionsstufe, mit der wir es dabei zu tun haben, ist etwa zu vergleichen mit der Abstraktion der natürlichen Zahlen, es ist eine sich unmittelbar an­bietende und unkomplizierte Stufe der Abstraktion.

Aus der Kenntnis bestimmter Grundeigenschaften der Körper und dem Bedürfnis nach Erklärung komplizierterer Erscheinungen als dieser Grund­eigenschaften erwuchs mit Notwendigkeit die deduktive Methode, deren Tragfähigkeit sich bereits in der Mathematik bewährt hatte und die sich unmittelbar anbot, die aber, und zwar mit historischer Notwendigkeit, in ihrer Anwendbarkeit auf andere Gebiete überschätzt und verabsolutiert wurde. (Dabei muß man allerdings betonen, daß diese Verabsolutierung keinesfalls eine Absicht des Aristoteles war, sondern erst später, als der Aristeristotelismus - vor allem durch Thomas von Aquino - mit dem religiösen Dogma vereint wurde, und als die Kluft zwischen Glauben und Wissen die religiöse Ideologie der mittelalterlichen herrschenden Klassen bedrohte, quasi zur Lebensnotwendigkeit der klerikal-feudalistischen Reaktion ge­worden war.) Bei seiner Neigung zur empirischen Forschung ist Aristoteles aber weit davon entfernt, der von Spekulationen ausgehenden Deduktion zu breiten Raum zu geben. Er schreibt in einer späteren Schrift dazu: „Noch sind die Erscheinungen nicht hinreichend erforscht. Wenn sie es aber dereinst sein werden, ist der Beobachtung mehr zu trauen als der Spekulation und letzterer nur insoweit, als sie mit den Erscheinungen Übereinstimmendes er­gibt."(55)

Zum Verhältnis zwischen Empirie und Spekulation bei Aristoteles ist fol­gendes zu sagen: Erstens konnten gerade die allgemeinen Fragen damals längst noch nicht an Hand der spärlichen Beobachtungsmaterialien beantworet werden. Vergessen wir nicht, daß die primitive Denkstufe der Mythologie bis zu der kurzen Zeitspanne seit Thales die einzig vorhandene Möglichkeit dieser Deutung der Naturerscheinungen war.(56) Ihr gegenüber bedeutet die rationale Spekulation einen unbedingten Fortschritt. Wenn wir uns die nahezu unermeßlichen Schwierigkeiten vor Augen halten, die gerade für die Grundlegung der physikalischen Wissenschaft charakteristisch sind (am deut­lichsten tritt dies in Erscheinung bei dem bereits im Mittelalter beginnenden mühevollen Ringen um die Erkenntnis der Trägheit der Körper), so leuchtet ohne weiteres ein, daß Spekulationen - immer vor dem Hintergrund der derzeit bekannten Tatsachen - ein notwendiger Versuch waren. Wo die Möglichkeit der Detailforschung gegeben war, und das gilt vor allem für den biologischen Bereich, gibt Aristoteles der Empirie das Primat. Die Auffassung, die auch heute noch von einseitig empirisch orientierten Naturwissen- |; schaftlern vertreten wird, Aristoteles hätte sich lieber auf die Beschreibung des Beobachteten beschränken und auf alle darüber hinausgehenden Speku­lationen verzichten sollen, ist völlig unhistorisch.

Zweitens bahnt sich bei Aristoteles das richtige Verhältnis von Induktion! und Deduktion im Keime an. Daß dies gerade in der Physik am wenigsten hervortritt, liegt in der Schwierigkeit der Sache.

Daß Aristoteles trotz seiner Neigung zu empirischer Forschung keinen Grundstein für das moderne physikalische Wissen legen konnte, hat eine ganze Reihe von Ursachen. Vor allem sind es zwei Faktoren, die dabei eine wesentliche Rolle spielen: Einmal fehlte es an der Verbindung zur Praxis,; d. h., es gab noch keine echte Wechselwirkung zwischen Technik und Natur­forschung. Das gilt noch für lange Zeit. Allein die empirisch angewandten ; mechanischen Regeln bargen weit größere Möglichkeiten für die Entwicklung i der Produktivkräfte in sich, als damals nutzbar gemacht wurden. So zeigen zum Beispiel die Schriften Herons einen großen Reichtum an nutzbaren physikalischen Prinzipien. Er kennt die grundlegenden mechanischen Werk­zeuge: Hebel, Wellrad, Keil, Schraube und Flaschenzug. Außerdem ist er mit den Grundlagen der Mechanik der Gase und Dämpfe vertraut.(57) Die physikalischen Möglichkeiten, über die er verfügt, unterscheiden sich kaumjl von denen der Erfinder des 18. Jh., deren Erfindungen zur industriellen j Revolution führten. Zum größten Teil sind seine Bemühungen aber darauf | gerichtet, geistreich erdachtes mechanisches Spielzeug (mirabilia) herzustellen. Von der Herstellung von Geräten für Versuchszwecke war man damals ) generell noch weit entfernt. Unmittelbar hing dies offensichtlich mit der Vetf|| achtung der Angehörigen der herrschenden Sklavenhalterklasse für alle praktisch angewandte Wissenschaft zusammen. Insbesondere  Platon  hatte diesqj Einstellung sanktioniert.

Zum anderen war die philosophische Grundlage der Naturforschung, ihre erkenntnistheoretische und methodologische Anleitung, wenig geeignet, eine Plattform für die schrittweise Entfaltung der physikalischen Wissenschaft! abzugeben. Wenn wir eingangs festgestellt haben, daß die „Physik" des Aristoteles vor seiner „Metaphysik" abgefaßt wurde und somit nicht von dieser abhängt, so bedeutet das natürlich nicht, daß es keine wesentlichen Beziehungen zwischen den physikalischen Lehren des Aristoteles und seinen in der „Ersten Philosophie" dargelegten allgemeinen Grundsätzen gibt, wenn­gleich letztere auch nach den ersteren formuliert wurden.
Die Lehre von Stoff und Form, von Möglichkeit und Wirklichkeit ist maß­gebend für die Natur er klärung des Aristoteles. Jedes Ding besteht aus Stoff und Form. Der Stoff ist rein passiv, er ist das Material für die Form, durch die ein Ding erst geworden ist. Einen Gegenstand erkennen und zu erklären heißt, seine charakteristischen Eigenschaften feststellen, und diese erhält er erst durch die Form. Es gibt keinen Stoff ohne Form, wohl aber Form ohne Stoff, reine Form. Dies ist die Gottheit, die in dem System der Naturerklä­rung des Aristoteles - im Gegensatz zu der ethisch-transzendenten und er­kenntnistheoretischen Begründung Gottes bei  Platon  - mit Notwendigkeit einen Platz innerhalb der physikalischen Welt erhält, und zwar den Platz des ersten, selbst unbewegten Bewegers.

Die Entwicklung eines Dinges vollzieht sich als Formungsprozeß des Stof­fes, als Ubergang von der Möglichkeit zur Wirklichkeit, sein Wesen ist nur der Möglichkeit (potentia, dynamis) nach vorhanden, erst durch die Form wird es Wirklichkeit (actus, energeia). Die Veränderung ist der Übergang von der Möglichkeit zur Wirklichkeit. Bewegung im allgemeinen Sinne ist für Aristoteles identisch mit Veränderung. Er teilt sie ein in: 1. Entstehen und Vergehen; 2. qualitative Veränderungen (Umwandlung); 3. quantitative Veränderung (Zu- oder Abnahme); und 4. Ortsveränderung. In letzter In­stanz wird die Bewegung durch ein idealistisches Prinzip, durch die Form, erklärt.

Vor allem spielt hier die Lehre von den vier Elementen und ihren „na­türlichen Orten", die wir weiter unten näher behandeln werden, faktisch eine hemmende Rolle. Dijksterhuis schreibt dazu: „Indem Aristoteles diese durch die Erfahrung nur sehr mangelhaft gestützte Theorie mit ihrem quasi­logischen Zusammenhang zwischen der Zahl der Elemente und derjenigen der ersten Qualitäten als Grundlage für seine Erklärung der Natur wählte und sich in der Überzeugung von ihrer Richtigkeit nie erschüttert fühlte, hat er, wie wir hinterher mit Sicherheit feststellen können, einen Weg eingeschla­gen, auf welchem für die Naturforschung wenig günstige Aussichten und viele Gefahren lagen."(58) Faktisch ist dieses Urteil natürlich richtig. Man muß aber unbedingt hinzufügen, daß es nicht angeht, daraus - wie dies oft ge­schieht - die Schlußfolgerung zu ziehen, die naturwissenschaftlichen Lehren des Aristoteles seien ein prinzipielles Hindernis für die Entwicklung der mo­dernen Naturwissenschaft gewesen. Die Ursachen für die Dogmatisierung der zum Teil falschen Lehren des Aristoteles liegen in keiner Weise in diesen selbst, schon gar nicht in der grundsätzlichen Haltung des Aristoteles, I Sie rühren aus der späteren ideologischen Verschmelzung des inzwischen  zur Staatsreligion gewordenen Christentums mit bestimmten, als brauchbar empfundenen Seiten des Aristotelismus her. An sich sind die aristotelischen Lehren - auch die verkehrtesten - nichts weiter als ein auf bestimmter histo-rischer Stufe unternommener Versuch der Naturerklärung. Daß dieser Ver­such vor seiner Dogmatisierung nicht noch korrigiert wurde, liegt offensicht­lich an den gewaltigen Schwierigkeiten einer Grundlegung der exakten Na­turerkenntnis, und dies gilt vor allem für die Physik.

Die Grundanschauungen des Aristoteles waren zunächst nichts weiter als ein Versuch von vielen möglichen, auf spekulativem Wege Aufschluß über die allgemeinen Grundbestimmungen alles Existierenden zu erhalten. Sie sind vor allem entstanden aus der Tendenz, die Ideenlehre  Platon s zu überwinden. Die Kritik des Aristoteles am Idealismus  Platon s ist, wie Lenin sagt, „eine Kritik am Idealismus als Idealismus überhaupt. . ,"(59). Durch die Kri­tik der Ideenlehre  Platon s sind die Vorstellungen Aristoteles* ein relativer Fortschritt: „Wenn ein Idealist die Grundlagen des Idealismus eines anderen Idealisten kritisiert, so gewinnt dabei stets der Materialismus. Vergl. Aristo­teles versus Plato etc."(60)

Die Philosophie  Platon s war infolge ihrer idealistischen Grundkonzeption! ein prinzipielles Hindernis für die naturwissenschaftliche Erkenntnis. Dies gilt natürlich nicht für die Mathematik, die ja wegen ihrer Abstraktheit der einzelwissenschaftliche Ausgangspunkt für die Ideenlehre Platons war und andererseits, da sie nicht von stofflichen Dingen, sondern von idealen Ver-; hältnissen handelt, als Bindeglied zwischen dem Reich der Ideen und der materiellen Welt angesehen und daher hoch geschätzt und gefördert wurde;; Nach  Platon  ist nur das Seiende, Unveränderliche erkennbar, d. h. die Ideen.  Platon  will aus vorgefaßten idealistischen Prinzipien eine imaginäre Natur j konstruieren, der sich die Wirklichkeit anzupassen habe. Aristoteles hingegen j macht mit seiner realistischen Grundkonzeption methodologisch den Weg  frei für die naturwissenschaftliche Erforschung der Dinge. Das weitgehend j empirische Herangehen des Aristoteles an die Erscheinungen der Natur ist| die erste Vorbedingung für die Naturwissenschaft. Hinzu kommt noch der von ihm vertretene richtige erkenntnistheoretische Grundsatz, daß alles Wis­sen in letzter Instanz aus der sinnlichen Wahrnehmung stamme.

Die aristotelische Physik befaßt sich im wesentlichen mit philosophischen Betrachtungen über Raum und Zeit, Bewegung und Kausalität, ferner mit den kosmologischen Fragen. Die Lehre von den Elementen muß als die Grundlage des aristotelischen Weltbildes angesehen werden.(61) Wir beginnen deshalb mit ihr. Sie ist für die Physik im weitesten Sinne, worunter auch die Astronomie fällt, von Bedeutung. Astronomie wiederum ist für Aristoteles wesentlich Kosmologie. Eine Kosmogonie gibt es bei ihm nicht, da die Welt unerschaffen und ewig ist.(62)

Ausgangspunkt ist die sinnliche Wahrnehmung, wobei sich Aristoteles aus­schließlich auf die Empfindungen des Tastsinnes beschränkt. Von diesem werden nur die Eigenschaften berücksichtigt, die imstande sind, qualitative Veränderungen hervorzubringen und die paarweise Gegensätze bilden.

Weshalb diese Forderungen? In ihnen zeigt sich die spontane Tendenz des Aristoteles, die objektive Dialektik in einem ontologischen Schema wider­zuspiegeln: Die in der Natur beobachtete ständige Bewegung und Verän­derung wird (im Gegensatz zu der Behauptung der Eleaten, alle Bewegung und Veränderung sei nur Schein) von ihm als wesenhaft anerkannt. Damit knüpft er an Heraklit an. Da für Aristoteles alle wesentlichen Veränderun­gen richtig als qualitative Änderungen erkannt werden, womit er schon in der Ausgangsposition im Gegensatz zu der rein quantitativen Hypothese der Demokritschen Atomistik steht, ergibt sich für ihn die logische Konse­quenz nach paarweisen Gegensätzen, welche die polaren Konkretisierungen des relativ Seienden und des relativ Nichtseienden darstellen. Sein und Nichtsein werden von Aristoteles in der einzig sinnvollen Gestalt, nämlich in ihrer Relativität erfaßt. Diese Relativität, man könnte auch sagen Gegen­sätzlichkeit, findet ihre Einheit in der Materialität: Jedes konkrete Ding bedarf zu seiner Bildung der Materie und ist selbst wieder Materie für das Höhere. Zum Beispiel ist für den Ziegelstein der Lehm die Materie, für das Haus wiederum ist der Ziegelstein die Materie.

Eigenartigerweise erkannte Aristoteles spontan die bewegende Kraft der Gegensätze, ohne sie jedoch zum Prinzip der Bewegung zu erklären. Statt­dessen greift er zum idealistischen Prinzip der Form. Diese Inkonsequenz kann nur aus der historischen Entwicklung des philosophischen Denkens her­aus verstanden werden. Hätte Aristoteles nicht gegen die Ideenlehre  Platon s kämpfen müssen, so hätte er der Annahme eines separaten Formprinzips, durch das ja die Ideen als das Wesen der Erscheinungen ihrer hypostasierten Transzendenz entkleidet und den Dingen immanent erklärt wurden, nicht bedurft. Doch konnte der ehemalige Platonschüler Aristoteles nicht umhin, ein Gegenstück zur Ideenlehre, das Formprinzip, zu schaffen. Die dabei ein­geschlagene idealistische Richtung resultiert im wesentlichen aus den theolo­gischen Neigungen des Aristoteles (im Gegensatz zu Demokrit) und aus den in der Sache selbst liegenden Schwierigkeiten, eine wenigstens im Prinzip wirklich befriedigende Antwort auf die Fragen der qualitativen Veränderung und Entwicklung, besonders der organischen Welt, zu geben. Der Atomis­mus konnte dies gerade für einen Denker wie Aristoteles, der vor allem die organische Welt erforschte, nicht leisten. Echte Schwierigkeiten bei der Erklärung von Naturdingen, die mit unzureichender wissenschaftlicher Er­forschung zusammenhängen (und dafür ist die ganze Geschichte der Natur­wissenschaften ein einziger Beweis), konnten immer noch am bequemsten durch idealistische Spekulationen umgangen werden.

Unter der Voraussetzung der genannten Forderungen nach qualitativer!^ Veränderung und paarweisen Gegensätzen gibt es nun für Aristoteles vier Grundeigenschaften: das Warme und das Kalte, das Trockene und das Feuchte. Die sinnvollen Kombinationen dieser Eigenschaften ergeben die Elemente: trocken und kalt - Erde, kalt und feucht - Wasser, feucht und warm - Luft, warm und trocken - Feuer. Diese Elemente sind - im Gegen­satz zum Atomismus - nicht unveränderlich. Die qualitativen Veränderungen, die man an den Dingen sinnlich wahrnimmt, werden auch für ihre letz­ten Bestandteile angenommen: Durch Übergang der Grundqualitäten in ihr Gegenteil kann sich jedes Element in jedes andere verwandeln. Alle konkreten Körper bestehen aus unterschiedlichen quantitativen Mischungen die­ser Elemente.

Wie steht die Annahme von diesen vier Elementen zur Theorie von den chemischen Verbindungen? An dieser Stelle müssen wir eine allgemeine Be­trachtung einfügen. Meist werden die bei den klassischen Denkern der Antike auftretenden Widersprüche stillschweigend übergangen. Es taucht jedoch die Frage auf: Waren die derzeit aufgestellten Hypothesen wirklich in der Lage, die damals bekannten Tatsachen befriedigend zu erklären? Eine Deduktion aus mangelhaften Grundannahmen über die Natur, von denen die meisten - wie wir heute wissen - falsch waren, mußte doch bei der Konfrontierung mit einzelnen Fakten zu Widersprüchen führen. Und dies mußte gerade bei Aristoteles der Fall sein, der der empirischen Forschung so zuge­wandt war. Wohl einer bequemen Darstellung des „geschlossenen Systems" zuliebe wird sehr oft auf die Erwähnung von wesentlichen - im Hinblick auf die Erklärung der Erscheinungen - Widersprüchen verzichtet. Im Hinblick auf die allgemeine Grundlegung einer als Basis für die chemische Wissenschaft geeigneten Elementenlehre hat Aristoteles bestimmte Schwierigkeiten nicht übersehen. Diese ergeben sich aus der Frage, ob in einer chemischen Verbin­dung (mixtum secundum veritatem), die Aristoteles bereits von der einfachen Mischung (mixtum ad sensum) unterschied, die Elemente weiter vorhanden sind oder nicht. Hierüber gibt es bei Aristoteles keine eindeutige Ansicht.Gegen die Zurückführung der verschiedenen Körper auf einen einzigen Urstoff spricht für Aristoteles ihr unterschiedliches Gewicht. Die Erfahrung lehre, daß Erde und Wasser „Schwere", Luft und Feuer aber „Leichtigkeit" besitzen.(64) Damit hängt seine Lehre vom „natürlichen Ort" der Elemente zusammen. Erde und Wasser besitzen „Schwere", sie streben zum Mittelpunkt des Universums, Luft und Feuer besitzen „Leichtigkeit" und streben zum obe­ren Teil der Atmosphäre. Noch Kopernikus greift bei der Widerlegung des ptolemäischen Weltbildes zum Teil auf die Vorstellung vom „natürlichen Ort" zurück.(65) Er erklärt das Mitrotieren der Luft bei der Drehung der Erde um ihre Achse und das Mitrotieren emporgeworfener Gegenstände dadurch, daß diese „erdige" Bestandteile haben (die Luft) oder selbst „erdiger" Natur seien (z. B. ein Stein).

Diese Lehre weist zwar ganz und gar nicht in die Richtung der allgemeinen Massenanziehung; sie wurde in den Händen der Scholastik zu Beginn der Neuzeit zu einem Hemmnis für die wirkliche Naturerkenntnis. Zu ihrer Zeit war sie jedoch ein notwendiger Schritt, der wenigstens die beobachteten Phä­nomene scheinbar kausal erklären konnte, ohne jedoch ihrem wirklichen We­sen nahezukommen.

Für die Kosmologie des Aristoteles ist die Teilung der Welt in einen ir­dischen Bereich (unterhalb der Mondsphäre) und einen himmlischen Bereich Ausgangspunkt. Auch diese Teilung ist nicht willkürlich und nicht etwa durch bloße religiöse Tendenzen entstanden. Die Erfahrung zeigte, daß auf der Erde alles veränderlich und vergänglich ist, im Bereich der Planeten und Fixsterne hingegen schien alles von ewigem Bestand zu sein: der Ort der Fixsterne und die Umläufe der Planeten schienen unwandelbar. Alle ver­änderlichen kosmischen Erscheinungen, z. B. die Kometen und Meteore, wurden dem irdischen Bereich zugeordnet.(66) Dementsprechend bestehen die Himmelskörper auch nicht aus den umwandelbaren irdischen Elementen. Für sie nimmt Aristoteles ein fünftes Element, den Äther, an.

Für die Abgrenzung der irdischen Elemente vom Äther gibt es für Aristoteles noch einen anderen Grund, nämlich die beobachteten Bewegungen. Sämtliche Bewegungen sind entweder geradlinig oder kreisförmig oder aus diesen zusammengesetzt. Infolge ihrer „Schwere" und „Leichtigkeit" ist den irdischen Elementen die geradlinige Bewegung natürlich (zum Mittelpunkt det Welt hin oder von ihm fort). Die beobachteten Kreisbewegungen der Gestirne erklärt er dadurch, daß dem Äther die kreisförmige Bewegung ursprünglich zukomme.

Bis zu dieser Stelle sind die Spekulationen des Aristoteles durchaus ma­terialistisch, sie wollen die Natur aus sich selbst heraus erklären. Die Be­obachtung der Bewegung zeigte indes, daß alles Bewegte scheinbar nur so­lange in Bewegung bleibt, wie eine unmittelbare Berührung mit einem ständig einwirkenden Beweger stattfindet, z. B. bei der Fortbewegung von Lasten und Fahrzeugen. Aus der Beobachtung dieser Bewegung hat sich Aristoteles nun zu einer voreiligen Verallgemeinerung verleiten lassen, die in der Folgezeit der gesamten Entwicklung der Mechanik zum Verhängnis wurde. Es gab nämlich noch eine zweite Gruppe von Bewegungen, z. B. die des fliegenden Pfeiles und der geworfenen Gegenstände, bei denen doch eine unmittelbare Berührung mit dem Bewegenden nur am Anfang vorhanden war, während über den weitaus größten Teil der Flugbahn die Vermutung einer „Schwungkraft" naheliegend gewesen wäre. Daß Aristoteles diesen Weg nicht beschritten hat, liegt wahrscheinlich daran, daß die Erklärung der Bewegung der ersten Gruppe durch eine Verallgemeinerung der Erklärung der zweiten Gruppe von Bewegungen zu großen Schwierigkeiten führte, wäh­rend umgekehrt eine Erklärung durch zusätzliche Annahmen leicht möglich war. So entschied sich Aristoteles für diese Möglichkeit.

Aristoteles leugnete die Existenz des leeren Raumes. Einmal hängt dies 1 mit seiner Erklärung der Bewegung zusammen, zum anderen mit seiner Stel­lungnahme gegen den Atomismus. Hier wird er allerdings zum Apologeten seines Systems. Dijksterhuis schreibt dazu völlig richtig: „Wir sehen aber, 1 daß dieses Urteil nicht auf dem Nachweis eines inneren Widerspruchs in der atomistischen Lehre beruht; auch wird nicht auf die Unvereinbarkeit ihrer Schlußfolgerungen mit den Erfahrungstatsachen hingewiesen; sondern alle Argumente laufen darauf hinaus, daß die von ihm bekämpften Anschauungen | mit seinen eigenen, prinzipiell anders gearteten Theorien nicht im Einklang stehen . . . Übrigens ist die ganze Bekämpfung mehr emotioneller als logischer 1 Art, mehr Ausdruck der Selbstbehauptung als Widerlegung."(68)

Auf Grund seiner Lehre von den Elementen, ihrem „natürlichen Ort und seiner Bewegungslehre sieht Aristoteles' astronomisches Weltbild nun wie folgt aus: Die kugelförmige Erde, als aus dem schwersten Element be­stehend, ruht unbeweglich an ihrem „natürlichen Ort", dem Mittelpunkt des Weltalls. Sie ist umgeben von 11 Sphären: Von drei inneren, irdischen (Was­ser-, Luft- und Feuersphäre) und von acht himmlischen (Mond-, Merkur-, Venus-, Sonne-, Mars-, Jupiter-, Saturn- und Fixsternsphäre). Die beobach­teten Abweichungen von der Kreisbahn, die eine Folge der tatsächlichen elliptischen Bahn sind, erklärte Aristoteles im Anschluß an Eudoxus durch konzentrische Sphären; insgesamt erhält er so 55 Sphären und die Fixstern­sphäre.(69) (Etwa ein Jahrhundert später verbesserte Apollonius diese Lehre durch die Lehre von den Epizyklen.)

So sehr Aristoteles sonst im Gegensatz zur Lehre Platons stand, hier ver­wirklichte er Platons Programm: „Die Axiome der Gleichförmigkeit aller Bewegungen und der Kreisgestalt aller Bahnen von Himmelskörpern, die Pia­ton aus mathematischen und religiösen Gründen aufgestellt hatte, wurden von Aristoteles mit physikalischen Argumenten untermauert. . ."Die Bewegung der Himmelssphären, an denen man sich nach allgemeiner Auffassung die Himmelskörper befestigt dachte, weiß Aristoteles entspre­chend seiner allgemeinen Bewegungsauffassung, die einen ständig wirkenden Beweger erfordert, nicht anders zu erklären als mit Hilfe einer idealistisch­religiösen Vorstellung: die Vollkommenheit der Gestirnbewegung (Ewig­keit und Unveränderlichkeit) führt ihn zu der Schlußfolgerung, daß die Sphä­ren von immateriellen Intelligenzen bewegt werden. Die äußerste Sphäre, die Fixsternsphäre, wird von einem höchsten geistigen Wesen, dem Ersten Be­weger (Gott), in Umlauf gesetzt. Dieser ist als reiner Akt, als reine Form, selbst unbewegt. Der Materie (hier dem Äther) wohnt ein Streben nach der Form, nach höherer Vollkommenheit inne, so daß nicht durch Anstoß des Bewegers, sondern durch das Hinstreben zum Beweger die Bewegung zu­stande kommt.(71) Die sich daraus ergebenden Unklarheiten und Widersprüche kritisiert Zeller mit Recht: „Die Vorstellung, daß das Bewegte ein natürli­ches Verlangen nach dem Bewegenden, das Körperliche ein Verlangen nach dem Göttlichen habe, ist so unklar, daß wir uns nur schwer in sie finden kön­nen."(72) So endet die Kosmologie des Aristoteles in religiösen Vorstellungen.

Das astronomische Weltbild des Aristoteles stimmt in seinen Grundzügenf mit dem des Ptolemäus über ein. In einem Punkt stehen beide jedoch in einem grundsätzlichen Widerspruch zueinander, und dieser wurde offenbar, | als man die mathematische Beschreibung der beobachteten Gestirnbewegun­gen, die das ptolemäische System mit Hilfe von Epizyklen gab, mit der Lehre des Aristoteles über die physikalische Struktur der Welt verglich. Nach des­sen Auffassung von der Bewegung (auf die wir weiter unten noch näher eingehen werden) konnte eine „natürliche" Bewegung nur um das absolut feststehende Weltzentrum erfolgen. Eine Bewegung auf Epizyklen und Ex­zentern, wie sie das ptolemäische System annimmt, ist danach völlig undenk­bar. Der Astronom Sosigenes erklärt es denn auch als physikalisch unhaltbar.! Umgekehrt griff der Ptolemäusanhänger Xenarchos den Standpunkt der ari-J stotelischen Kosmologie an. Er betrachtete die Existenz der Exzenter und Epizyklen als erwiesen und schloß daraus auf die Unhaltbarkeit des aristo­telischen Prinzips, daß die natürlichen Kreisbewegungen der Gestirne uml die Erde als feststehenden Mittelpunkt erfolgen müßten. Dieser Streit setzte I sich in der Astronomie fort und kam erst zur Ruhe, als das kopernikanische System ihm ein Ende machte. Averroes, Maimonides und Alpetragius sind die prominentesten Vertreter des aristotelischen Standpunktes, der in Oppo­sition zur allgemein verbreiteten Auffassung des Ptolemäus stand.

Methodologisch gehen in diesem Streit die Aristoteliker von dem materia­listischen Gedanken aus, daß die Beschreibung der Gestirnbewegungen eine Widerspiegelung des realen physikalischen Sachverhalts sein müsse, während die mathematischen Hypothesen der Anhänger des Ptolemäus nur eine kine­matische Beschreibung geben wollen, also rein phänomenologisch sind. Zu­gleich finden wir darin subjektivistisch-positivistische Anklänge. Proklus betont, daß die Bewegungen, in die man die beobachteten Planetenbewe-1 gungen zerlegt, nur mathematische Fiktionen seien, die nur im Bewußtsein;« des Astronomen existieren. Das Kriterium für die Wahl zwischen verschie-Jj denen möglichen Zerlegungen sei die Einfachheit; es ist also identisch mit j dem Prinzip der Denkökonomie der Positivisten. Proklus verfällt in Wissenschaftspessimismus und Agnostizismus, der dem Aristotelismus völlig fremd ist, wenn er erklärt, daß die Unzulänglichkeiten der astronomischen Lehren  eine Folge der Beschränktheit des menschlichen Verstandes seien.

Der Bewegungsbegriff des Aristoteles ist sehr umfassend. Er bedeutet den Übergang vom potentiellen zum aktuellen Sein, d. h. alle Veränderungs- und Entwicklungsvorgänge. Uns interessiert hier nur die Ortsveränderung, die mechanische Bewegung, die, ganz im Sinne der Lehre des dialektischen Materialismus von den Bewegungsformen, der Veränderung und Entwicklung zugrunde liegt.

Aristoteles unterscheidet zwischen natürlichen und erzwungenen Bewe­gungen. Das Streben der Elemente nach ihrem „natürlichen Ort" (Erde und Wasser besitzen „Schwere" und fallen in Richtung auf den Mittelpunkt, Luft und Feuer besitzen „Leichtigkeit" und streben in die Höhe) ist eine natür­liche Bewegung, der geworfene Stein z. B. führt hingegen eine erzwungene Bewegung aus. Die Kreisbewegungen der Himmelskörper sind natürliche Bewegungen, erzwungene Bewegungen gibt es für sie nicht.

Die erzwungene Bewegung erfordert in jedem Augenblick den unmittel­baren Kontakt des zu Bewegenden mit dem Beweger. Diese These führte Aristoteles zwangsläufig zum „horror vacui", zur Leugnung des leeren Rau­mes. (Man muß sich hierbei stets vor Augen halten, daß der Begriff der Trägheit damals noch völlig unbekannt war; keiner der antiken Denker hat eine spekulative Kategorie geschaffen, die auch nur die geringste Vermutung in dieser Richtung andeutet.) Wie kann man z. B. die Bewegung eines ab­geschossenen Pfeiles erklären, sobald dieser sich von der Bogensehne gelöst hat? Aristoteles gibt darauf folgende Antwort: Der Beweger setzt anfangs zugleich mit dem zu bewegenden Pfeil auch die unmittelbar angrenzende Schicht des Mediums in Bewegung und teilt somit dem Medium gleichzeitig ein Vermögen mit, etwas anderes in Bewegung zu setzen (virtus movens). Die Grenzschicht des Mediums fungiert nun ihrerseits als Beweger, sie be­wegt den Pfeil und teilt der nächsten Schicht des Mediums Bewegung und virtus movens mit. Die Verlangsamung des Pfeils wird dadurch erklärt, daß sich die virtus movens bei der Übertragung etwas abschwächt.(74)

Das Medium sei in diesem Falle die Luft, die lückenlos den Raum erfülle, denn eine Kraftübertragung könne nur durch Nahwirkung erfolgen. Ein Vakuum könne keine Bewegung ermöglichen. Aristoteles führt noch weitere Gründe für die Unmöglichkeit des leeren Raumes an, die sich zum Teil widersprechen; dort, wo es um bloße Bekämpfung der Atomistik mit ihrer Lehre von den Atomen und vom leeren Raum geht, wird er offen dogmatisch und apologetisch.

Eine eigentliche Raumdefinition hat Aristoteles nicht gegeben. Seltsamer­weise ist diese Tatsache noch gar nicht beachtet worden.(75) Die oft zitierte angebliche Raumdefinition aus „Über den Himmel", A 3, 310 b, daß der Raum die Grenze des umschließenden Körpers gegen den umschlossenen sei, beruht auf einer Begriffsverwechselung. Hier ist nicht der Raum schlecht­hin gemeint, sondern ganz eindeutig der „Ort" im Sinne des „natürlichen Ortes". Diese Definition wird im Zusammenhang mit Steigen und Fallen gegeben. Man kann nur sagen, daß der Raum bei Aristoteles identisch ist mit dem Weltall, das durch die Fixsternsphäre begrenzt wird. Da es für Atistoteies keinen leeren Raum gibt, existiert die Frage, was „hinter" der Fixsternsphäre sei, für ihn gar nicht. Also ist der Weltraum endlich und begrenzt.

Die Zeit definierte Aristoteles im Hinblick auf die Bewegung richtig als das Maß oder die Zahl derselben in Beziehung auf das Früher und Später.(76) Sie ist unbegrenzt in Vergangenheit und Zukunft. Dies ergibt sich schon aus der Anfangs- und Endlosigkeit der Bewegung. Deshalb ist auch die Welt nie entstanden und wird sie nie vergehen.(77)

Als weiteren Punkt, der in der Lehre des Aristoteles für die Naturwissenschaft und für die Naturphilosophie wichtig ist, wollen wir seine Auffassung von Kausalität und Teleologie kurz erwähnen. Durch seine biologischen Forschungen ist Aristoteles auf den Zweckbegriff gestoßen, und diesen überträgt er auf die anorganische Natur.

Aristoteles unterscheidet vier Arten von Ursachen: die Stoff Ursache (das Material des Dinges), die Formursache (der Plan, nach dem das Ding gestaltet wird), die Wirkursache (die eigentliche Ursache im modernen Sinne, die  das Geschehen tatsächlich bewirkt) und die Zweckursache. Die Wirkursache,  nach der das Spätere vom Früheren erzeugt wird, ist nach Aristoteles der Zweckursache untergeordnet. Hierauf greift später insbesondere Thomas von Aquino zurück. Das Werden und die Veränderung eines Dinges werden demnach nicht aus den gegebenen Bedingungen gesetzmäßig durch diese selbst erzeugt, sondern der vorgegebene Plan zieht gleichsam die Prozesse zu sich hin. Diese Auffassung ist der Kern der Kausalitätsauffassung des objektiven Idealismus.

Zum Schluß wollen wir noch kurz das Verhältnis Aristoteles' zur Mathematik darstellen.(78) Im Unterschied zu Platon, für den die mathematischen  Verhältnisse ideale Verhältnisse sind, befaßt sich die Mathematik nach Ari­stoteles mit der Ordnung der Dinge.(79) Er wendet sich auch gegen die Auffassung der Pythagoreer, daß das Mathematische früher ist als das Sein und eine von den Dingen getrennte Sonderexistenz habe.(80)

Die mathematischen Größen sollen deshalb erstens nicht von den realen Dingen getrennt werden, zweitens dürfen sie aber nicht von dem materiellen Substrat der Dinge abhängig gemacht werden.(81) Aristoteles begegnet dieser Schwierigkeit dadurch, daß er annimmt, es gebe bestimmte Eigenschaften der Dinge, die man abstrakt untersuchen könne. Die Mathematik betrachte überhaupt nichts Stoffliches, sondern nur Formverhältnisse. Analog zu  Platon  und zu der Ersetzung der Ideenlehre durch die Lehre von der Form sieht Aristoteles in der Erkenntnis der Form das höchste Ziel aller Wissen­schaft. Ihr Verfahren, das in der Realität miteinander Verknüpfte getrennt zu untersuchen, bezeichnet er geradezu als Muster der Forschung überhaupt.(82) Wo es sich um streng wissenschaftliche Erkenntnis handelt, stellt er die Mathematik an die Spitze.(83) Aristoteles verabsolutiert jedoch nicht die quan­titative Methode. Wo etwas Stoffliches erforscht werde, könne man die ma­thematische Genauigkeit nicht in Anspruch nehmen.(84)

Wichtig ist in diesem Zusammenhang das Kontinuumsproblem. Die Be­deutung des Kontinuums für die Physik hängt vor allem mit der Bewegung zusammen, die sich nur als ein stetiges Passieren von Raumpunkten, also nur als kontinuierlich denken läßt. Aristoteles läßt den mathematischen Aspekt des Kontinuumsproblems außer Betracht und behandelt es als ein Problem der Grundstruktur der anschaulichen Welt. Sehen wir uns Wielands Behaup­tung an, „daß die Kontinuitätslehre des Aristoteles wie kaum ein anderes Stück seiner Philosophie inhaltlich so unveraltet ist, daß man sich auch heute noch mit ihren sachlichen Problemen genau so unmittelbar wie mit einem modernen Beitrag zu den Grundfragen der neuzeitlichen exakten Wissen­schaft auseinandersetzen kann".(85)

Gemäß seinem oben angedeuteten Programm zum Kontinuumsproblem kommen die Fragen des Kontinuums nicht im Rahmen einer mathematischen Strukturtheorie zur Untersuchung; zum Beispiel auch nicht das von den Py-thagoreern aufgeworfene Problem der Irrationalzahlen. Aristoteles unter­sucht das Kontinuumsproblem im Zusammenhang und nur im Zusammenhang mit dem physikalischen Problem von Ausdehnung, Bewegung und Zeit. Alle diese Größen sind nach seiner Auffassung kontinuierlich. Ein konti­nuierliches Ganzes könne unmöglich aus einzelnen ausdehnungslosen Teilen bestehen.(86) Die Linie etwa besteht nicht aus Raumpunkten; denn wenn sich ausdehnungslose Punkte berühren, müssen sie, eben weil sie ausdehnungs­los sind, zusammenfallen und so nur einen Punkt ergeben. Auch die Bewe­gung bestehe nicht aus unteilbaren Bewegungselementen und die Zeit nicht aus dauerlosen Augenblicken.(87) Die endgültige Definition des Aristoteles für das Kontinuum lautet: Teilbar in immer wieder Teilbares.(88)

Zur Beschäftigung mit dem Kontinuumsproblem wurde Aristoteles offensichtlich durch die Zenonschen Aporien angeregt.(89) Er unterscheidet bereits deutlich den Begriff der Lage eines Körpers an einem Ort als Passieren von Raumteilchen von dem der Ruhe eines Körpers an einem Ort. Zu einem , bestimmten Zeitpunkt befindet sich der Körper zwar in der gleichen Lage, aber er ruht nicht in ihr.(90) J. Cohn weist darauf hin, daß Aristoteles bereits damit im wesentlichen die gleiche Lösung der Zenonschen Aporien gegeben hat, die E. Dühring für sich in Anspruch nahm.(91)

Wir haben bereits erwähnt, daß Aristoteles auf der Suche nach dialekti­schen Beziehungen war. Aus diesem Grunde verabsolutierte er den Kon-tinuumsgedanken nicht. Nach seiner Auffassung würde es dem Augenschein offenbar widersprechen, wenn man annähme, daß auch qualitative Verände­rungen stetig vor sich gehen.(92) Durch die Besonderheiten der qualitativen Prozesse erklärte Aristoteles auch die damals schon bekannte Reizschwelle der Sinneswahrnehmungen, die doch offensichtlich gegen die Annahme eines Kontinuums spricht.

Unser kurzer Uberblick zeigt, daß Aristoteles als erster den Versuch unter­nommen hat, die physikalischen Probleme seiner Zeit relativ detailliert in einem umfassenden Zusammenhang darzustellen. Diese Darstellung sollte allen damals bekannten Erscheinungen der physikalischen Bewegungsform Rechnung tragen. Bei näherer Bekanntschaft mit den Schriften des Aristoteles kann man nicht umhin, der uns in ihnen entgegentretenden spekulativen Ge­dankentiefe die gebührende Achtung entgegenzubringen, und dies gilt vor allem für die Stellung vieler physikalischer Probleme, deren exakte Beantwortung fast zweitausend Jahre auf sich warten ließ.

 

Anmerkungen

43) Siehe W. Jaeger, Aristoteles, Berlin 1955, S. 308-327.
44) Siehe E. Zeller, Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung,II/2.
45) Ebenda, S. 801.
46) Ebenda.
47) Siehe W. Wieland, Die aristotelische Physik, Göttingen 1962.
48) K. Reidemeister, Das exakte Denken der Griechen, Hamburg 1949, S. 70.
49) W. Wieland, Die aristotelische Physik, S. 25.
50) E.J.Dijksterhuis, Die Mechanisierung des Weltbildes, Berlin-Göttingen-Heidelberg 1956, S.44.
51
) W. Wieland, Die aristotelische Physik, S. 11.
52)  Ebenda, S. 18.
53) Ebenda, S. 18 f.
54
) Siehe Friedrich Überwegs Grundriß der Geschichte der Philosophie, Erster Teil, Darm-
stadt 1957, S. 369.
  Vgl. auch Abriß der Entwicklung der grundlegenden physikalischen Ideen, Mos­kau 1959, S. 54 (russ.).
55
) Aristoteles, Über die Zeugung der Geschöpfe, T 10. 760 b 20-33.
56
) Siehe J. V. Kropp, Das physikalische Weltbild der frühen griechischen Dichtung, phil. Diss., Freiburg, Schweiz 1939.
57) Siehe Heronis Alexandrini Pneumatica, Leipzig 1899, und Heronis Alexandrini Auto-mata, Leipzig 1899.
58) E. J. Dijksterhuis, Die Mechanisierung des Weltbildes, S. 81.
59) W. I. Lenin, Konspekt zu Hegels „Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie",S. 271.
60) Ebenda.
61) Siehe Aristoteles, Über Entstehen und Vergehen, B 2. 3. 329 b - 331 a.
62) Siehe Aristoteles, Über den Himmel A 10. 279 b.
63) Siehe E. J. Dijksterhuis, Die Mechanisierung des Weltbildes, S. 25 f. und 226-232.
64) Siehe Aristoteles, Über den Himmel A 2. 310 a.
65) Siehe Nicolaus Copernicus, Die Kreisbewegungen der Weltkörper, Berlin 1959,
S. 55 ff.
66) Siehe Aristoteles, Meteorologie A 4. 5. 341 b - 342 b
67) Siehe Aristoteles, Über den Himmel A 2. 268 b.
68) E. J. Dijksterhuis, Die Mechani
sierung des Weltbildes, S. 45.
69) Siehe Aristoteles, Metaphysik, 1. 8. 1074 a 1-14.
70) E. J. Dijksterhuis, Die Mechanisierung des Weltbildes, S. 39.
71) Siehe Aristoteles, Metaphysik, 1. 7. 1072 b 3.
72) E. Zeller, Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung, Bd. II/2,
S. 375.
73) Siehe E. J. Dijksterhuis, Die Mechanisierung des Weltbildes, S. 75-77, 236-239.
74) Siehe Aristoteles, Physik, H 2. 243 a - 245 b; vgl. auch E. J. Dijksterhuis, Die Me-
chanisierung des Weltbildes, S. 30.
75) Siehe E. Zeller, Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung,
Bd. II/2, S. 398; vgl. auch F. Überweg, Die Philosophie des Altertums, Darmstadt
1957, S. 384.
76) Siehe Aristoteles, Physik, A 10. 11. 218 a - 220 a; Über den Himmel A 9. 279 a.
77) Siehe Aristoteles, Physik, O 1. 251 a - 252 b.
78) Siehe dazu auch im vorliegenden Band G. Klaus/G. Kröber, Mathematik und Philo-
sophie in der Antike, IV, S. 114 f.
79) Siehe Aristoteles, Metaphysik M 3-4. 1078 b.
80) Siehe ebenda, M 2. 1077 b.
81) Siehe E. Eucken, Die Methode der aristotelischen Forschung, Berlin 1872, S. 57; vgl.
auch G. Asser, Zum Verhältnis von Mathematik und objektiver Realität. In: Deutsche
Zeitschrift für Philosophie 2/65, S. 173-176.
82) Siehe Aristoteles, Physik B 1.193 b.
83) Siehe Aristoteles, Metaphysik M 3. 1078 a.
84) Siehe Aristoteles, Zweite Analytik, 79 a 17.
85) W. Wieland, Die aristotelische Physik, S. 278.
86) Siehe Aristoteles, Physik, Z 1. 231 a 21-29.
87) Siehe Aristoteles, Physik Z 1, 231 b.
88) Siehe ebenda, ZI, 231b.
89) Siehe M. Schramm, Die Bedeutung der Bewegungslehre des Aristoteles für seine bei-
den Lösungen der Zenonschen Paradoxien, Frankfurt a. M. 1962.
90) Siehe Aristoteles, Physik Z 8. 239 a.
91) Siehe J. Cohn, Geschichte des Unendlichkeitsproblems, Hildesheim 1960, S. 40.
92) Siehe Aristoteles, Physik 6 3. 253 b.

Editorische Hinweise

Der Text wurde entnommen aus: Günter Kröber (HG), Wissenschaft und Weltanschauung in der Antike, Berlin 1966, S. 151 - 171

Siehe dazu: