Editorial
Politische Mieten

von Karl-Heinz Schubert

10-2014

trend
onlinezeitung

Im Juli 2014 meldete  RBB, dass das landeseigene Berliner Unternehmen Berlinovo, die laut eigenem Geschäftsbericht 2013 etwa 526 Einzelobjekte besitzt, wovon 115 Objekte Mietwohnungen und Appartements (ca. 42.500 Wohnungen bundesweit) sind, nun 14.000 Wohnungen an die Westgrund AG zum  Kaufpreis von  knapp 450 Millionen Euro abgetreten hat. Die im Bestand noch verbliebenen  Wohnungen in Berlin sollen den Angaben zufolge nicht verkauft werden. Die Berliner Zeitung vom 4.08.2014 konnte in diesem Zusammenhang darauf verweisen, dass die Berlinovo damit die Verschuldung ihrer  Immobilien immer weiter reduziert hat. Der Wert der Immobilien wurde zuletzt auf rund 3,7 Milliarden Euro beziffert. Demgegenüber standen Schulden von 3,4 Milliarden Euro. Schließlich meldete die Berliner Morgenpost am 14.9.2014, dass Chefs der Berliner Landesunternehmen  2013 einen kräftigen Gehaltszuschlag erhalten haben. Darunter Roland Stauber von der  Berlinovo, sein Gehalt  legte  um 20,5 Prozent zu. Er verdient jetzt 343.139 Euro im Jahr.

In etwa zeitgleich berichtete die "Immobilien Zeitung" unter dem Titel Kommunale holen sich Hilfe bei Privaten:

„ In eine 70 Jahre alte Bombenlücke zwischen zwei Wohnhäusern im Bauhausstil legte Berlins älteste landeseigene Wohnungsgesellschaft den Grundstein für 98 Wohnungen. Mit im Boot: Die Berliner Fondsgesellschaft Treucon als Finanzierungspartner und das niederländische Unternehmen Kondor Wessels, das den Bau übernimmt. Im Herbst 2015 will Marcus Becker, Geschäftsführer von Kondor Wessels Bouw Berlin, die Schlüssel übergeben. Dann will die Gewobag den Gartenhof Kiefholzstraße von der Treucon auch erwerben..... 15 Mio. Euro wird die Errichtung der beiden Niedrigenergiehäuser mit Wohnungen zwischen 40 und 100 m2 kosten. Ein Drittel der Wohnungen will Gewobag-Vorstand Hendrik Jellema für 6,50 Euro/m2 anbieten. Die übrigen Quartiere werden
für bis zu 12 Euro/m2 vermarktet. Für die Gewobag ist dies der erste Neubau seit zehn Jahren … Aber auch die Pankower Gärten in der Buchholzstraße 92 stemmt die kommunale Gesellschaft nicht aus eigener Kraft. Die privaten Partner heißen MHMI Immobilienverwaltung und Anes Bau. Die zusammengehörenden Unternehmen fungieren als Projektentwickler und Bauunternehmen und haben der Gesobau die Häuser vor zwei Wochen verkauft.“

Baukapitalisten und Investoren, Immobilienvermarkter und Beratungsfirmen zu fördern, mit ihnen Geschäfte zu machen und selber mit landeseigenen Unternehmen Rendite erheischend staatskapitalistisch zu agieren, das ist in Berlin - Wende hin und her - in Sachen Wohnungsversorgung/-politik seit vielen vielen Jahrzehnten eine never ending story des politischen Personals von Rot-Rot (-Grün) über Rot-Schwarz bis Schwarz-Gelb(-Grün).

Wenn nun heute die INKW diesem Mainstream  mit der Parole Öffentlich bauen statt Private fördern entgegen tritt, dann ist dies natürlich eine Kampfansage mit dem Anspruch, ein anderes Konezpt in der Wohnungsfrage im öffentlich Raum zu verankern, um in Folge davon, eine wohnungspolitische Bewegung anzuschieben, die stark genug ist, entsprechenden Druck auf das herrschende politische Personal in dieser Stadt auszuüben.

Die Sache hat nur einen Haken: Das bisher vorgelegte Papier lässt eine klare Grenzziehung zur herkömmlichen Wohnungspolitik nur erahnen. Das wurde besonders deutlich auf einer Gesprächrunde am 23.9.2014, wozu die INKW Berliner wohnungs- und stadtteilpolitische Initiativen eingeladen hatte. Da hilft es auch nicht um die Differenz zur bisherigen staatlichen Förderung aufzuzeigen, wie dort geschehen, begrifflos von der politischen Miete als Abkehr von der Kostenmiete zu reden. Politische Mieten gibt es von jeher, so wie es politische Gehälter gibt, wie das obige Gehaltsbeispiel des Herrn Roland Stauber zeigt. Politische Miete heißt heute bundesweit: Nicht die Kostenstruktur der Mietsache erscheint als der Bezugspunkt für die Miete, sondern die subjektive Zahlungsfähigkeit der MieterInnen. Gemäß dieser Logik werden in der BRD laut neuester "Pestelstudie" (S.5) von ca. 7,5 Mio. Haushalten staatlicherseits die Wohnkosten direkt oder anteilig übernommen.

Das erste BRD-Wohnungsbaugesetz vom 25. April 1950 bestimmte, daß die Landesregierungen bis zum 1. Oktober eines jeden Jahres ein Programm für den öffentlichen Wohnungsbau aufzustellen haben. Dafür lieferte der Bund die Geldmittel und legte fest, dass die Miete 1, - DM pro Quadratmeter, in Ausnahmefällen 1,10 D-Mark. betragen sollte. Dies galt nicht für freifinanzierte oder teilgeförderte Wohnungen.

In beiden Fällen wurde die Kapitalverwertungslogik des mietzinsgenerierenden Leihkapitals Wohnung nicht gebrochen. Das Verwertung suchende Kapital wurde im Falle des 1. Wohnungsbaugesetzes nur historisch bedingt (Wiederaufbau/Marshallplan)  zur Anlage im Produktivkapital veranlasst. Verblieb es im Wohnungsbau, dann galten natürlich seine Kosten ungebrochen als Mietzinsbezugspunkt. Die gegenwärtige Regulierung der Subjektföderung befreit lediglich das Leihkapital Wohnung von dem Risiko ausbleibender Mietzahlungen. Folglich ist auch dort der tatsächliche Bezugspunkt die kapitalistische "Kostenmiete" und nicht die Einkommensituation der MieterInnen.

Eine politische Miete, die die Kanäle der Rendite mit dem Leihkapital Wohnung verstopfen will, muss einen anderen Bezugspunkt suchen. Dazu gibt es in der Geschichte der ArbeiterInnenbewegung Einiges zu lernen. Das Stichwort lautet "rotes Wien". Dort trat die Kommune an die Stelle der Baukapitalisten und schuf ganz andere preisliche Voraussetzungen für die Miethöhe. Die Miete brauchte sich jetzt nur auf die Kosten der Instandhaltung beziehen. Das solche Eingriffe allerdings erst durch weitere flankierende Maßnahmen in die Kapitalströme (z.B. Sondersteuern für Kapitals) finanziell möglichen werden, zeigt an, dass die INKW noch reichlich "Butter bei die Fische" bringen muss, wenn sie politisch als erstes im linken Spektrum wahr- und ernst genommen werden will.

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Die vorliegende Ausgabe verzeichnet etliche Artikel, die bedingt durch die aktuelle Entwicklung sich auf  die Kriegsschauplätze Ukraine und Syrien/Irak beziehen. Besonders hervorzuheben ist hier der Diskussionsbeitrag der DKP von Hans-Peter Brenner  “Nichts ist mehr, wie es war”. Man muss seine politischen Schlußfolgerungen nicht teilen, jedoch ist sein methodisches Herangehen für eine Diskussion über Krieg und Frieden schon relevant, als er deutlich auf die ökonomischen und politischen Struktren einer "multipolare Welt" abstellt.

Wir Berliner Trendies wollen am Sonntag den 12.Oktober 2014 um 18 Uhr zum Thema "Krieg und Frieden" eine Gesprächrunde  durchführen. Wir wollen das Thema weder durch Subtexte noch durch bestimmte vorher veröffentlichte Texte binden, sondern wählen bewußt die Form des "Brainstorming". Die in dieser Ausgabe veröffentlichten Texte bilden von daher keine Voraussetzung sondern verstehen sich als eine reine Anregung zum Brainstorming. Wer eingeladen werden möchte, der melde sich bitte per Mail bei trend@infopartisan.net

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Auf der Titelseite  ist das Thema "75 Jahre Zweiter Weltkrieg", mit dem in der September-Ausgabe begonnen wurde, durch den Zusatz "Das Ende" erweitert worden. Die dazugehörige Artikelliste beinhaltet vor allem Texte aus dem antifaschistischen Widerstand. Diese Texte sollen zeigen, dass es trotz massenhafter Unterstützung des Hitlerfaschismus auch das "andere Deutschland" gegeben hat.

Das "andere Deutschland" sind für uns nicht die aktiven Unterstützer der Nazis, die erst 1944 mit ihnen brachen, als klar war, dass die Sowjetunion nicht zu bezwingen und der Krieg verloren war. Das "andere Deutschland" sind für uns diejenigen, die ihre Kräfte, ihren Mut und ihre Gefühle für ein Deutschland einsetzten, in dem nicht nur  Faschismus und Antisemitismus beseitigt werden sollten, sondern auch die kapitalistische ökonomische Basis als deren "fruchtbarer Schoß".


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