Schutz für die Überlebenden?
Weit gefehlt!

von
Antonín Dick

10/08

trend
onlinezeitung

 Der Berliner „Tagesspiegel“ vom 25. Oktober 2008 veröffentlichte unter dem Titel „Sie sollten sich schämen“ einen Beitrag von Frank Jansen zur gegenwärtig im Bundestag aus Anlass des Gedenkens an die Opfer der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 heillos zerredeten  Debatte über die Einrichtung des Amtes eines Bundesbeauftragten zur Bekämpfung des Antisemitismus.

Dieser Beitrag endet mit zwei fundamentalen Fragen: „Ein Bundesbeauftragter wird den Antisemitismus nicht zum Verschwinden bringen. Aber er könnte Aufklärung und Bildung befördern und damit den Abbau von Ressentiments. Wer wollte sich dem verweigern? Und den Überlebenden der Pogromnacht sowie den Opfern antijüdischer Angriffe heute signalisieren: Parteienstreit habe am 9. November Vorrang?“ 

An diese Fragen anknüpfend der folgende von mir verfasste Kommentar, der von der Redaktion in der online-Ausgabe vom „Tagesspiegel“ am 25. Oktober 2008 veröffentlicht wurde: 

„Seit 2003 führten Mitarbeiter des Berliner Bezirksamtes von Steglitz-Zehlendorf einen barbarischen Verfolgungskampf gegen meine siebenundneunzigjährige Mutter, eine verfolgte Jüdin und selbstlose Widerstandskämpferin, die bereits vor 1933 politisch aktiv war, fliehen musste und dann zusammen mit Oskar Kokoschka, Stefan Zweig, John Heartfield, Jürgen Kuczynski und anderen Exilanten den Freien Deutschen Kulturbund in Großbritannien gründete, eine antifaschistische Vereinigung, die originäre Beiträge von unschätzbarem Wert für die politische und kulturelle Befreiung Deutschlands erarbeitete. Den  Bezirksamtsmitarbeitern bedeutete dies alles nichts, denn sie agieren ja bereits in der Freiheit, für die meine Mutter erst kämpfte. Sie blockierten Anträge auf Pflegeleistungen, initiierten  ein Entmündigungsverfahren,  liehen versuchtem Wohnungs- und Pflegeentzug den starken Arm des Staates. Die Angst ging um in unserer von den Nazis zerstörten Familie. Erst vor kurzem, auf Grund eines Offenen Briefes, bereitete der Bezirksbürgermeister von Steglitz-Zehlendorf Norbert Kopp (CDU),  ein engagierter Antifaschist, diesem anachronistischen Diskriminierungsspuk ein Ende, indem er ein Petitionsverfahren einleitete. Solidaritätsadressen aller Parteien flatterten plötzlich ins Haus: echte, vorgetäuschte, verspätete, unwillige. Für die Rettung meiner Mutter war dies alles wirksam und sehr willkommen, keine Frage, aber was wir, die Überlebenden des Hitlerfaschismus und ihre Angehörigen wirklich brauchen, um nicht mehr auf den Koffern zu sitzen, ist ein gesetzlicher und damit dauerhafter Schutz. Wie das bewerkstelligen? Ganz einfach: eine kleine Ergänzung zu Artikel 139 Grundgesetz, dem Befreiungsgesetz, eingeführt per Beschluss des Deutschen Bundestages.

Apropos DDR, die jetzt angesichts der aktuellen Antisemitismus-Debatte des Bundestages wieder ins Gerede gekommen ist: In der DDR gab es für alle Verfolgten des Naziregimes, für die jüdischen wie nichtjüdischen,  einen solchen gesetzlichen Schutz.“

Editorische Anmerkungen

Den Artikel erhielten wir vom Autor zur Veröffentlichung. Wir weisen in diesem Zusammenhang auf folgende Artikel hin: