Editorial
Unsere Geschichte ist die Geschichte der ArbeiterInnenbewegung


von Karl Mueller

05-2013

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onlinezeitung

Mit dem Erreichen des fünften Lebensjahrzehnts beginnt meist beim gewöhnlichen Autonomen lebensgeschichtlich die postautonome Phase. Ich verwende hier die männliche Form nicht nur wegen der sprachlichen Einfachheit, sondern auch wegen der männlichdominierten Umgangsformen selbsternannter postautonomer Transgenderfreunde.

Nun, wo ihm die kalte Wirklichkeit des kapitalistischen Ausbeutungsystems  beim Verkauf der Ware Arbeitskraft entgegenschlägt und seine gewohnte Umwelt gentrifiziert wird, setzt sich die soziale Frage von ganz allein auf seine politische To-do-Liste. Aber - jahrzehntelang eingeübte voluntaristische Wirklichkeitsinterpretionen als ideologisches Fundament für seine "Politik der ersten Person" können jetzt nicht einfach über Bord geschmissen werden, käme dies doch einer selbstkritischen Bilanz vergangener und vertaner Jahre gleich. Jetzt hilft nur der Rückgriff auf die in den Nischen der Uniseminare der 1990er Jahre adaptierte althusserianische Uminterpretation des Marxismus-Leninismus gemixt mit allerlei strukturalistischen Versatzstücken. System- und formtheoretische Verkürzungen der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie liefern fehlende Bindeglieder fürs postautonome Theorie-Patchwork. Herauskommt eine Behandlung der gesellschaftlichen Widersprüche nach dem Motto "nachts sind alle Katzen grau". Auch wenn dies erkenntnistheoretisch von wenig Nutzen ist, so garantiert diese Verschwurbelung jedoch das politische Aufgehobensein in einer Welt, die so gar nicht mehr mit der bewährten "Politik der ersten Person" kompatibel ist, weil in ihr schroffer denn je die Klassengegensätze zu Tage treten.

Diese Klassenwirklichkeit drängt gleichsam die Organisationsfrage auf, nämlich wer organisiert wen für was? Und unser Postautonomer wird anworten: Die Frage ist falsch gestellt, als subjektive Revolutionäre organisieren wir uns selber. Um sich nicht auf das Proletariat als das historische Subjekt beziehen müssen, weil man(n) sich damit klassenmäßig politisch positioniert und verpflichtet, bleibt man(n) eben lieber selbstreferenziert genügsam.

Doch jene postautonome Gleichmacherei von gesellschaftlichen Widersprüchen, die dieser Argumentationsfigur zugrundeliegt, ist eben keine persönliche Marotte, sondern der ideologische Kniefall vor jenen Kräften, die mit dem Totschlagargument des Stalinismus einen gedanklichen Sperrriegel errichtet haben, um durch ihre Verteufelung sich nicht mehr mit der Geschichte der ArbeiterInnenbewegung auseinander setzen zu müssen. Statt durch Übernahme von (ideeller) Verantwortung für das Geschehene sich kritisch und selbstkritisch mit der ArbeiterInnenbewegung zu beschäftigen, um sich an die Seite der Klasse stellen zu können, wird von vielen postautonomen AktivistInnen lieber die proletarische Klasse für nicht mehr existent oder zumindest irgendwie für verschwunden erklärt.

In den aktuellen Stadtkämpfen ist jene ideologische Verdrängung der Klasse von besonderer Relevanz. Zum einen ist es tatsächlich emprisch schwierig, das Klassenverhältnis sichtbar zu machen, wenn die gegenwärtigen Kämpfe nicht auf die Aufhebung des Privateigentums an Immobilien und Grundstücken zielen, sondern - mit Ausnahme des Widerstands gegen Zwangsräumungen - nur als reduzierter Verteilungskampf um die Miethöhe geführt werden. Zum andern gilt der Blick in die Geschichte der städtischen Klassenkämpfe als "uncool" und "old school", ließe er ansonsten die selbstverschuldete Unmündigkeit in die frei gewählte Meuterei auf Knien deutlich hervortreten.

Die vorliegende Ausgabe will mit dazu beitragen, diese Denkblockaden zu durchbrechen, indem wir zwei wichtige historische Texte über Stadtkämpfe wieder zugänglich machen; denn unsere Geschichte ist die Geschichte der ArbeiterInnenbewegung, die Geschichte ihrer Siege, Niederlagen und Fehler, aus denen wir für heute lernen müssen.

Sowohl die Mietkämpfe von 1932/33 als auch die in Italien entwickelten Widerstandsformen wären nicht durchführbar gewesen, wenn es nicht die proletarischen Klassenorganisationen als Transmissionen dieser Kämpfe gegeben hätte. Spätestens hier - anhand des historischen Materials - wird deutlich, dass die gegenwärtigen Stadtkämpfe - selbst wenn sie an Quantität zunähmen - nicht auf ein qualitativ höheres Niveau gebracht werden könnten, da sie über das Niveau der reinen Addition von Teilinteressen im Hier und Jetzt nicht hinauskommen.

Deshalb bedarf es einerseits einer gemeinsamen stadtweiten Organisation aller Initiativen, die beanspruchen den Stadtkampf,  Miet- und Wohnungskampf mit antikapitalistischer, d.h. proletarischer  Perspektive zu führen. Andererseits lässt sich dieses Zirkelwesen nur überwinden, wenn ihre ProtagonistInnen eine antikapitalistische Programmatik erarbeiten, auf deren Grundlage sich die stadtweite Organisation als Union oder Kartell, der sie tragenden Gruppen bildet. Damit scheint sich die Katze in den Schwanz zu beißen. Auflösen lässt sich dieser Widerspruch nur, wenn die linken Kader in den einzelnen Gruppen und Ini's mit ihren Bewegungssozialismus brechen und in ihrer Politik der Theorie den Platz einräumen, der ihr zukommt: Nämlich als klassenanalytisches Untersuchungsinstrument, also einer Theorie, die sich verpflichtet sieht, zur politischen (Selbst-)Organisierung der proletarischen Klasse beizutragen.

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