Offener Brief an Jürgen Elsässer

01/09

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Lieber Jürgen,

wir wenden uns an Dich , weil wir Dich bei aller Kritik in verschiedenen politischen Fragen immer als streitbaren Genossen begriffen haben.

Das ist uns bei Deiner neuesten Intervention, der so genannten „Volksinitiative“, nicht mehr möglich. Dabei geht es uns nicht in erster Linie um die Begleitmusik, sondern um die Inhalte.

Wenn Du das Versagen der Linken (mit großen und kleinen L)  beklagst, muss man natürlich sofort fragen, wo siehst Du die Fehler? Deine Kritik an der  Political Correctness in der Linken, könnte man bisher mit viel Wohlfallen als sehr polemische Zuspitzung von Kritiken verstehen, wie sie auch marxistischen Kreisen der USA-Wissenschaft geäußert werden. Dort wird  moniert, dass Teil der modernen   Linken nur noch ethnische und geschlechtliche Unterdrückung, aber keine Klassenausbeutung mehr erkennen wollen. Oder – anders ausgedrückt, dass sie sich über den Begriff Fremdarbeiter mehr aufregen, als über deren reale Ausbeutung, wenn sie nur  politisch korrekt als ArbeitsmigrantInnen bezeichnet werden.

Doch  spätestens mit der Formulierung Deiner Thesen zur Volksinitiative  ist deutlich geworden, dass Deine Kritik an der Linken ganz anders begründet wird.  Denn dort wird ja gerade der Klassenkampf abgelehnt und den deutschen ArbeiterInnen ein Bündnis mit dem einheimischen  deutschen Kapital empfohlen. Ein solches Bündnis hättest Du vor 10 Jahren als prägnanter Ausdruck der deutschen Volksgemeinschaft bezeichnet. Doch,  man kann weniger polemisch von einer Konzertierter Aktion oder von Sozialpartnerschaft sprechen. Tatsache ist, dass diese Politik in der Nachkriegszeit die offizielle Politik von  Union und FDP und spätestens seit dem Godesberger Programm auch die Politik der SPD ist. In allen führenden Medien wurde beispielsweise während der letzten Tarifrunde der IG-Metall betont, wie wichtig eine Mäßigung  für die Lohnabhängigen ist und dass ansonsten  der Standort Deutschland in Gefahr gerät. Nichts anderes als Maßhalteappelle für die Lohnabhängigen finden sich auch in Deiner Volksinitiative. Dass der Klassenkampf „sektiererischer Unsinn“ ist, haben die Gewerkschaften eigentlich immer dann gehört, wenn sie nicht sofort klein beigegeben haben und tatsächlich sogar mal an Streiks gedacht haben. Dass Du in einer Zeit, in der immer mehr Menschen von ihrem Lohn nicht mehr leben können, wo die Lohnabhängigen immer wieder Reallohnverluste hingenommen haben oder hinnehmen mussten, und wo die Arbeitszeit immer mehr verlängert wird, dafür plädierst, die ArbeiterInnen sollen den Gürtel im Interesse des Standortes noch enger schnallen, hat nun wahrlich nichts mehr mit linker Politik zu tun. Wir  fragen wir uns schon, was Du hier als das neue siehst, was die Linke Deiner Meinung nach versäumt hat?  Dass Linke klassenkämpferische Positionen verlassen, ist gerade nicht überraschend, sondern die Erfahrung vieler Linker immer wieder. Und das wurde von Dir lange Zeit auch immer wieder heftig kritisiert. Der einzige Unterschied ist, dass Du dieses Bündnis der Klassenzusammenarbeit mit dem Begriff Volksfront bezeichnest, der in der traditionsmarxistischen Linken einen guten Klang hat. Unabhängig, wie man das historische Volksfrontkonzept beurteilt, bleibt festzuhalten, dass Deine Volksinitiative mit einem solchen Konzept nichts zu tun hat. Kern der historischen Volksfront waren die kommunistischen und sozialistischen Parteien im Bündnis mit bürgerlichen Kräften.  

Außerdem war das Konzept gegen faschistische Kräfte gerichtet und  nicht mit einer Aufgabe des Klassenkampfes verbunden. Tatsächlich erkämpfen die ArbeiterInnen am Beginn der ersten französischen Volksfrontregierung durch Streiks und Fabrikbesetzungen beträchtliche Verbesserungen ihrer Lebensverhältnisse. Das galt auch für den Beginn der spanischen Volksfrontregierung. 

Bedenklich finden wir insbesondere auch, dass Du einerseits von Kapitalismuskritik und Klassenkampf abrückst, aber andererseits verbal scharf gegen - ausschließlich - 'das Finanzkapital' Front machst. Finanz- und anderes Kapital künstlich auseinanderdividieren zu wollen, obwohl ihre Funktionsweise nicht auseinander zu denken ist, und die Kritik ausschließlich auf Ersteres zu konzentrieren, kann auf gefährliche Abwege führen. Nicht nur, aber gerade auch in Deutschland." 

Querfront statt Volksfront 

Welche Bündnispartner sich der Volksinitiative anbieten, zeigte sich bei der Veranstaltung am vergangenen Samstag in Berlin, sowie die Berichterstattung in der Jungen Freiheit, die aus Ihrer Warte positiv von  Nationalbolschewismus und  Querfront redet.

Lieber Jürgen, Du bist nicht naiv und musst aus Deiner jahrzehntelangen politisch-publizistischen Tätigkeit heraus wissen, dass aus einer solchen Volksinitiative nur eine Querfront werden kann.

Wir fragen Dich, ob Du diesen Weg bewusst weiter gehen willst.  Weil Du in der Vergangenheit gezeigt hast, dass Du Positionen, die Du vehement vertreten hast, auch  zu korrigieren bereit bist, wenn Du Ihre Fehlerhaftigkeit erkennst, haben wir noch die Hoffnung, dass Du auch Dein Plädoyer für einen nationalen Schulterschluss und Abkehr von Klassenkampf zu korrigieren bereit bist.  Deshalb schreiben wir diesen Brief. Denn Linke, die sich der nationalen Sache verschreiben, gab und gibt es nun wirklich schon genügend.

Bernard Schmid
Peter Nowak

 

Editorische Anmerkungen

Den Brief erhielten wir am 15.1.2009 von den AutorInnen zur Veröffentlichung.

Des weiteren liegt uns die Stellungnahme der Internationalen KommunistInnen zu Jürgen Elsässer vor.

Und schließlich: Jürgen Elsässer antwortet Peter Nowak und Bernard Schmid

Am 30.9.2007 diskutierte im Haus der Demokratie Bernard Schmid mit Jürgen Elsässer über das Thema "Wieviel Populismus braucht die Linke?" - moderiert wurde die Veranstaltung von Peter Nowak.

In der TREND-Ausgabe 12/07 berichteten wir vom praktischen Schulterschluss des Jürgen Elsässer mit nationalkonservativen Kräften. Seitdem war mehr als deutlich, dass Elsässer nicht mehr zum linken Lager gehörte, sondern die Seiten gewechselt hatte. Die Gründung einer nationalistischen  "Volksinitiative" erscheint nur als logische Konsequenz des Rechtsschwenks. Seine Distanzierungen von der NPD klingen nicht anders als die von Pro Köln oder von der Jungen Freiheit.

Am Samstag den 10. Januar 2009 lud der Elsässer zu einer öffentlichen Diskussion im Berlin/Kreuzberger Wirthaus Max & Moritz ein.  Neben Elsässer referierten ebenfalls Honeckers Neffe Peter Feist  und der Oberstleutnant a.D.  Jochen Scholz . Die Fa. NuoVison zeichnete die Veranstaltung per Video auf. Allerdings musste die Veranstaltung, an der Leute aus dem rechtsextremen Spektrum teilnahmen, aufgrund militanter Interventionen seitens antifaschistischer Kräfte kurz vor Ende abgebrochen werden. Elsässer kündigte an, mit dem Staatsschutz zusammen die Strafverfolgung dieser AntifaschistInnen zu betreiben.

Ein Mitschnitt der Veranstaltung von NuoVisoProductions:


Nuovision ist "Partner" von Exopolitik Deutschland.
Dort heißt es zum Exopolitik-Selbstverständnis:

 "Wir sind ein Netzwerk von Menschen, welche sich zum Ziel gesetzt haben, die Verschleierung der außerirdischen Präsenz auf der Erde nicht länger hin zu nehmen. Die überwältigenden Beweise für außerirdische Besucher machen die in den Massenmedien geführte hypothetische Debatte über deren Existenz überflüssig. Die Tatsache, dass wir nicht allein im Universum sind, ist für alle Bereiche des menschlichen Lebens von größter Bedeutung. Es ist höchste Zeit, dass die Menschheit diese Tatsache anerkennt und ihren Platz im Universum einnimmt, den sie mit vielen anderen Rassen teilt."

Am 6.2.2009 gab J. Elsässer eine weitere Stellungnahme ab, in der er direkt Bezug auf den "Offenen Brief" von Schmid & Nowak nimmt:

Antwort auf konstruktive Kritiken, Teil II

Bei den im Internet und z.T. auch in Printmedien kursierenden Reaktionen muss man streng zwischen zwei Arten unterscheiden. Die einen sind an einer Debatte gar nicht interessiert, rufmörderisch und/oder gaga. Dazu gehört zum Beispiel der Artikel in der Jungle World, in dem es heißt: "Elsässer will mit seinem zum Faschismus geronnenen, regressiven Antikapitalismus 'raus aus dem linken Getto'." Mein Antikapitalismus ist also "zum Faschismus geronnen". Wissen diesen Typen überhaupt noch, was Faschismus ist? Wehe, einer würde Israels Kriegspolitik in die Nähe des Faschismus rücken ... Aber einen "kommunistischen Journalisten" (so der "Tagesspiegel" am 12.01.09 über mich) darf man natürlich schnell mal nazifizieren.

Aber es gibt auch eine ganz Menge kluger Kritiken zum Ansatz der "Volksinitiative" bzw. zu meinen Thesen. Positiv aufgefallen sind mir insbesondere entsprechende Artikel im stattweb.de, auf infopartisan.net, von den Internationalen KommunistInnen und auf 911video.de. Die dort vorgebrachten Einwände sind in der Regel berechtigt, auch wenn ich sie nur in Einzelfällen für richtig halte.

Drei Ebenen von Kritiken lassen sich unterscheiden. Zum einen werden meine ökonomischen Grundannahmen kritisiert. Zum zweiten geht es um die Absage des Klassenkampfes, die mir unterstellt wird. Zum dritten wird mir vorgeworfen, ich hätte bewusst oder aus Dummheit terminologische Akzente gesetzt, die die Rechten anlocken.

Ad 3 habe ich mich bereits geäußert und meine Begrifflichkeit vom "anglo-amerikanischen Finanzkapital" wegen eines gewissen Restrisikos zurückgezogen. (s. das erste Posting auf diesem Blog).

Heute zu ad 2, dem Klassenkampf. Bernhard Schmid und Peter Nowak behaupten auf infopartisan.net, bei Elsässer "wird ja gerade der Klassenkampf abgelehnt". Weiter heißt es: "Dass der Klassenkampf 'sektiererischer Unsinn' ist, haben die Gewerkschaften eigentlich immer dann gehört, wenn sie nicht sofort klein beigegeben haben ...." Liebe Freunde, habt Ihr Probleme mit den Augen? In meinen "Fünf Thesen" heißt es: "Reduzierung auf Klassenkampf ist sektiererischer Unsinn." Noch mal zum Mitlesen: Nicht Klassenkampf ist sektiererischer Unsinn, sondern die Reduzierung darauf. Das ist keine Absage an den Klassenkampf, sondern nur die Absage an dessen Verabsolutierung. Nehmen wir die historischen Volksfronten "gegen Faschismus und Krieg" aus den dreißiger Jahren, auf die sich die neue "Volksinitiative" bezieht: Selbstverständlich ging während der Front Populaire auch in Frankreich der Klassenkampf weiter, es wurde gestreikt usw. Aber auch die Kommunisten nahmen dabei Abstriche vor, indem sie, anders als vorher, auf revolutionäre Ziele verzichteten, d.h. der Bourgeoisie eine Art Besitzstandsgarantie gab – sofern diese sich am Abwehrkampf gegen den Faschismus und Nazi-Deutschland beteiligte.
Richtig scheint mir aber der Einwand (auf 911video.de): "Weshalb sollte das nationale Industriekapital ein Bündnis mit dieser 'Volksinitiative' eingehen, die keine Massenbewegung ist?" Eine Volksfront wird nur zustande kommen, sofern die Arbeiter zuerst aktiv werden. So war es auch 1935ff. Die Kapitalisten neigen dazu, einen faulen Frieden mit dem Aggressor zu schließen.

Konkret: Wenn GM bankrott geht, wird Opel auch geschlossen werden – es sei denn, die Arbeiter in Rüsselsheim und Bochum usw. besetzen ihre Werke. Sie werden den Kampf um den Erhalt ihrer Werke hierzulande aber vermutlich nicht gewinnen können, wenn sie gleich aufs sozialistische Ganze gehen und die Überführung der Betriebe "in Arbeiterhand" fordern. Denn: General Motors hat internationale Verträge und internationales Recht auf seiner Seite, wenn es die deutschen Standorte als Konkursmasse behandelt. Sie dort herauszulösen, erfordert einen Rechtsbruch. Das ist natürlich absolut notwendig – aber könnt Ihr Euch das Geschrei aus den USA und von der US-hörigen Presse hierzulande vorstellen, wenn in Rüsselsheim und Bochum "a la Chavez" US-Vermögen beschlagnahmt wird?
Das wird ein brutaler Machtkampf, quer durch das ganze Land. Gewonnen werden kann er nur, wenn die Arbeiter eine breite gesellschaftliche Mehrheit für den Erhalt ihrer Werke hinter sich haben, trotz der gegenteiligen Rechtslage. Diese Mehrheit wird nicht mit Maximalforderungen gewonnen werden können. Eher wird das möglich sein, wenn die Kollegen ganz schlicht die Abspaltung von GM und die Neu-Gründung der Adam Opel AG fordern, also einer Firma nach deutschem Recht mit sowohl privater wie staatlicher Kapitalbeteiligung – und einer "goldenen Aktie" für Gewerkschaft und Betriebsrat. Ist Euch das zuviel Klassenkompromiß? Aber ich gebe zu bedenken: Wir Linken dürfen nicht immer nur Recht haben – wir müssen auch mal Recht bekommen.
Die Machtfrage muß entschieden werden – nicht das Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der Radikalste im ganzen Land.


Jürgen Elsässer, 06.02.2009
 

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