Jürgen Elsässer & die Preußische Gesellschaft
Mit Nationalkonservativen für Deutschland

Eine Recherche von "einer von vielen"

12/07

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Jürgen Elsässer, Stammautor der "junge Welt", fordert ein Bündnis von "Lafontaine bis Gauweiler" und einen nationalen Kampf gegen das Finanzkapital. Diese Forderung kommt in der Linken an. Doch die Erkenntnis, das der positive Bezug auf die Nation nicht ohne Aufgabe linker Grundpositionen und reaktionärer Bündnisse zu haben ist, die liefert Elsässer gleich mit.

„Jürgen Elsässer ist mittlerweile immer wieder für die Formulierung konservativer Wahrheiten im linken Milieu gut.“ (Werner Olles, Autor der rechtsextremen „Jungen Freiheit“, 2005)

„Ja, was denn? Darf man nicht mehr sagen, das es draußen regnet, wenn es auch ein Rechter sagt?" (Jürgen Elsässer, 2007)

Seit Anfang des Jahres 2007 fordert der Publizist Jürgen Elsässer (50) in seinem neusten Buch „Angriff der Heuschrecken – Zerstörung der Nationen und globaler Krieg“, mehr Populismus und Nation für die Linke. Nur wenn die Linke ihre „volksfeindliche Entwicklung“[1] zurück nimmt und die Nation positiv codiert wird sie mehrheitsfähig werden und kann den neoliberalen Angriff abwehren. Dazu braucht es nicht die Vertretung von Partikularinteressen, sondern ein Bündnis, „von links bis zur demokratischen Rechten“[2]. Wohin diese Reise für Elsässer geht, machte er Anfang Oktober deutlich. Er stellte sein neues Buch am 10. Oktober im Berliner Hilton Hotel vor, auf Einladung der „Preußische[n] Gesellschaft Berlin-Brandenburg e.V.[3]; einem Verein von elitären Preußenfans in dessen Umfeld sich Rechtsextreme, Deutschkonservative, Monarchiefans und Unternehmer für die „geistige Erneuerung Deutschlands“ einsetzen.

Die „höchst respektable Vereinigung“ (Elsässer) wurde vor ca. zehn Jahren gegründet. Damals versammelte sich die zweite und dritte Garde der selbsternannten BRD-Eliten aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung unter der Fahne Preußens um für die „Initialzündung für eine geistige Erneuerung Deutschlands“ einzutreten. Die Gesellschaft hat nach eigenen Angaben 178 Mitglieder [4], Jörg Schönbohm (CDU) verkehrt hier genauso wie Kanzleramtsminister Lothar de Maizière (CDU). Man pflegt „Pflichtbewußtsein“ und „Opferbereitschaft“ , „Vaterlandsliebe“ ,„Selbstlosigkeit“ und „Stolz vor Königsthronen“. Solche Werte sind natürlich nicht nur für diejenigen attraktiv, die an deutscher Großmacht, Militarismus und Dreiklassenwahlrecht Gefallen finden könnten, sondern für Rechtsextreme aller Couleur. Preußen wäre ja schon einmal ein Anfang...

Ende 2001 hatten die ehemaligen Abonnenten der rechtsextremen „Staatsbriefe“ von Hans-Dietrich SANDER die Hauspostille der Preußischen Gesellschaft, die „Preußischen Nachrichten von Staats- und Gelehrten Sachen. Monatsblatt der Preußischen Gesellschaft Berlin-Brandenburg e.V." im Briefkasten. Geplant war eine Neuauflage der “Staatsbriefe“ durch die Preußische Gesellschaft, des, wie zu lesen war, „unabhängige[n] Blatt[es], politisch nicht immer korrekt dem Zeitgeist angepasst, aber mutig und anspruchsvoll“. Auch ihr Herausgeber Sander sei ein „unbequemer Denker, der sich nie von den Geboten der politischen Korrektheit einschüchtern ließ“ schrieb Volker TSCHAPKE, langjähriger Präsident der Preußischen Gesellschaft[5].

Jedoch, zur Neuauflage der Staatsbriefe kam es nicht und Sander arbeitete bei einem anderen Projekt an der „geistigen Erneuerung Deutschlands“. 2003 gründete er zusammen mit Horst Mahler und anderen Rechtsextremen den „Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten“ der sich dem Kampf gegen die „Auschwitzlüge“[6] widmet. Für die Preußische Gesellschaft ist Sanders revisionistische Vereinsmeierei nicht weiter problematisch. Sie wirbt mit ihm als „Ehrengast und Referent“ für Vortrags- und Diskussionsabende[7].

Man weiß sich in guter Gesellschaft. Zum Neujahrsempfang 2003 begrüßten die als gemeinnützig anerkannten Pfleger der deutschen Kultur 1000 Personen aus Politik, Bundeswehr, Ministerien und Wirtschaftsverbänden um den Beginn des neuen Jahres im Kreise der Ihren zu verbringen. Stolz veröffentlichte die Preußische Gesellschaft kurz darauf einen Auszug aus der Gästeliste. So konnte man erfahren das neben Unternehmern, Bundestagsabgeordneten und Militärs aus der Führungsebene auch Peter DEHOUST (Herausgeber des rechtsextremen Strategieorgans „Nation und Europa“), Gerhard FREY (Vorsitzender der DVU) und andere Rechtsextreme die Ansprache von Volker Tschapke genießen durften. In dieser beklagte er sich über „Leere“ und „Ohnmacht“ in Deutschland, darüber, dass nicht das „Ganze“, nicht „Staat“ und „Volk“ im Vordergrund stehen, sondern nur die „jeweiligen Parteien“ und der „eigene Vorteil“. Abhilfe könne nur ein Denken von Preußen her schaffen, gegen das „liberalistische System“ und den „englisch-liberalen Sinn“. Offenbar kann man sich in der BRD glücklich schätzen, dass der Leidensdruck der Preußenfans noch nicht zur Revolution geführt hat, endete seine Ansprache doch mit dem Aufruf „Preußen ist Treue zu Volk und Land, dienen der Sache bis in den Tod und Griff zu den Waffen -erst in der Not.“[8].

Zwei Monate vor Elsässers Auftritt referierte Wjatscheslaw DASCHITSCHEW, ehemaliger Deutschlandberater Gorbatschows und heutiger Autor bei Frey's „Nationalzeitung“ sowie Referent bei der rechtsextremen „Gesellschaft für freie Publizistik“[9] zum Thema „Deutschland und Russland in der europäischen und globalen Politik“ im Berliner Hilton. Tschapke und Freunde wussten, wessen Thesen sie an diesem Abend lauschen würden. Hatte es doch „im Vorfeld gut gemeinte Hinweise auf eine vermeintliche „Rechtslastigkeit“ dieses weltoffenen Mannes gegeben“, weiß Tschapke im Monatsbrief September 2007[10] zu berichten. Er verteidigt seinen „weltoffenen“ Referenten und lässt erkennen wo für ihn das eigentliche Problem liegt, „Wird nicht zu leichtfertig mit Anwürfen umgegangen, die -leider Gottes!- dem Ansehen des solchermaßen Gekennzeichneten Schaden zufügen können?“[11].

Bei einer derart rechtwinklig verengten Auffassung von „Weltoffenheit“ überrascht es dann nicht mehr, dass Volker Tschapke im August beim „7. Erlebnis-Wochenende Geschichte“ als Referent zum Thema „Die Idee Preußen“ angekündigt war[12]. Veranstalteter der Tagung mit „namhafte[n] Persönlichkeiten“ war der Druffel & Vohwinkel Verlag des Rechtsextremen SUDHOLT.

Diese Braunzone zwischen Konservatismus und organisiertem Rechtsextremismus ist nicht der einzige rechte Bündnisversuch von Elsässer. Seit 2006 schreibt er in der Schweizer Wochenzeitung „Zeit-Fragen – Wochenzeitung für freie Meinungsbildung, Ethik und Verantwortung“. Die „Zeit-Fragen“ ist ein Restprodukt der 2002 offiziell aufgelösten rechten Psychosekte „VPM-Verein zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis"[13]. Diese Sekte hatte ihren Schwerpunkt in der Schweiz, besaß jedoch auch bundesdeutsche Ableger, forderte eine vorgebliche „Rückbesinnung auf christlich-humane Werte“, und suchte den Kontakt zu reaktionären und extrem rechten Kreisen. Die ehemalige Vizepräsidentin des VPM, Erika VÖGELI[14], ist heute Chefredakteurin der“ Zeit-Fragen“, die nach Eigenangaben europaweit verbreitet ist. Aktuell gibt man sich gegen Sozialabbau, US-Kriege und für eine Stärkung der europäischen Position, dabei ist die „Zeit-Fragen“ weiterhin nach weit rechts offen. So schrieb Wolfgang SEIFFERT in der Ausgabe 37/2007, wenige Seiten vor Jürgen Elsässers Artikel über „Das Märchen vom Terror-Fritz“, von „Russlands Rolle in der neuen Weltordnung.“[15]. Seiffert ist u.a. in der Kontinent Europa Stiftung tätig, ein Zusammenschluss rechtsextremer europäischer Wissenschaftler und Politiker, die sich zum Ziel gesetzt haben die „europäischen Völker“ zu „erhalten“ und zu „fördern“[16]. Im fünfköpfigen Vorstand sind mit Andreas Molau (NPD) und Gert Sudholt gleich zwei deutsche Rechtsextreme anzutreffen.

Mit der Verharmlosung von Braunzonen wie der "Preußische[n] Gesellschaft" als „konservativ“[17] geht bei Jürgen Elsässer die Diskreditierung des linken Antifaschismus einher. So kann es nicht überraschen, wenn er Antifaschismus als „Gutmenschentum“ bezeichnet und als Grundlage linker Politik in Frage stellt.. In einem Artikel für die „Junge Welt“ im Juli 2006 verteidigte er unter der Überschrift „Querfront-Regierung in der Slowakei: Fragen an die Antifa“, die slowakische Regierung und die sie stützende Slowakische Nationalpartei (SNS). Diese berufe sich zwar auf eine faschistische Tradition, jedoch habe die Regierung nur mit der SNS eine Mehrheit für eine „soziale Wirtschaftspolitik“. Die Auffassungen einer Regierungspartei, mit faschistischen Traditionen, von "sozialer Wirtschaftspolitik" sind für ihn Anlass Antifaschismus gegen die soziale Frage auszuspielen: „Grundsätzlich gesagt: Definiert die Antifa die Hauptaufgabe linker Politik – oder der Klassenkampf?“[18].

Von dieser Frage ausgehend ist es nur noch ein kurzer Gedankensprung für Elsässer, sich gegen die „gebetsmühlenhafte Beschwörung“ der bundesdeutschen NS Vergangenheit einzusetzen, zugunsten mehr nationalstaatlichen „Souveränismus“[19] gegen das Imperium der USA und des von ihm geschützten Finanzkapitals. „Kollatoralschäden“ dieser „Re-Nationalisierung“ („Junge Freiheit“) gibt es für den Autor der "junge Welt" nicht. Denn in Zeiten zunehmender Übergriffe von Neonazis auf Leib und Leben, die seit 1990 mehr als hundert Todesopfer gefordert haben und einer NPD Fraktion im Sächsischen Landtag, ruft er zu kritischem Denken auf. Selbstverständlich nicht gegen Deutschtümelei, sondern gegen „Umfragen (...) die zu Alarmismus Anlass geben. Den schrillen Ton dieser Sirenen hört man seit Jahrzehnten, ohne daß jedem Ansteigen des nazistischen Einflusses nicht auch wieder ein Rückgang gefolgt wäre“[20]. Er weiß, wo der Grund für neonazistische Gewalttaten liegt. Rassimus? Sozialdarwinismus? Nationale Überlegenheitsgefühle? Alles falsch. Es ist die Traditonslosigkeit der Amerikanisierung, die „Individualismus als höchste Tugend“ predigt und jede Form von „Kollektivität“ wie „Kirche“ und „Familie“ unter „Faschismusverdacht“[21] setzt. So ist für Elsässer "die tatsächlich grassierende Jugendgewalt (...) in den reindeutschen Dorfruinen Vorpommerns – gerade kein Ausdruck irgendeiner archaischen Kultur, sondern der Verlust jeder Kultur und jeden Anstands.[22]“

Bei diesen Zeilen ist ihm der Applaus der „Neuen Rechten“ sicher. In ihrer Mitte ist Jürgen Elsässer durch seine Thesen und Auftritte nun endgültig angekommen. Die rechtsextreme „Junge Freiheit“ wird’s freuen, wenn ein Stammautor der Linken sie in ihrem Bemühen unterstützt, Blut und Boden der Nation wieder anschlussfähig zu machen.
Für die Linke sollte Elsässers neustes politisches Programm allerdings kein Anlass sein, dem Mann zu folgen, der ihr bisher immer eine Spaltung voraus war. Wer in Zeiten einer stärker werdenden Linken darauf setzt, diese zu schwächen indem er ihre antifaschistischen Grundlagen unterwandert und beim Kapital und dessen nationalkonservativem Begleitschutz für sein Programm wirbt, dem darf keine Plattform mehr geboten werden!


Anmerkungen

[1] Galore, April 2007 „Gehört zu den streitbarsten Stimmen Deutschlands“ . Interview zu Jürgen Elsässers „Angriff der Heuschrecken“ von Oliver Uschmann
[2] ebenda
[3] Jörg Fischer in der „Junge Freiheit“ 43/07, 19.10.2007: „Sympathie für Stoiber. Berlin: Jürgen Elsässer sprach bei der preußischen Gesellschaft“
[4] http://www.preussen.org/media/MGV2006-Tschapke.pdf  
[5] Stefan Jacoby (2003): Die Rückkehr der Pickelhauben. Prominenter Beifall für preußische Umsturzparolen. DISS-Archivnotizen 2003
[6] Gerd Alt (2004): Aufstand der Wahnsinnigen. Der „Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocausts Verfolgten“, in LOTTA – antifaschistische Zeitung aus NRW Nr.15/2004, S. 28-29
[7] Vorliegendes Fluglatt der Preußische[n] Gesellschaft Berlin-Brandenburg e.V.
[8] Stefan Jacoby (2003): Die Rückkehr der Pickelhauben. Prominenter Beifall für preußische Umsturzparolen. DISS-Archivnotizen 2003
[9] http://www.gfp-netz.de/html/vorstellung_referenten.html  
[10] Monatsbrief September 2007 von Volker Tschapke
[11] ebenda
[12] vorliegende Mail von Tschapke „Zeitgespräche: Preußen und Deutschland“ vom 16. Juni 2007
[13] http://www.diss-duisburg.de/Internetbibliothek/Artikel/Politisierende_Psycho-Sekten.htm  
[14] http://www.agpf.de/VPM.htm  
[15] http://www.zeit-fragen.ch/ausgaben/2007/nr37-vom-1792007/  
[16] http://www.kontinent-europa-stiftelsen.org/?l=4.  
[17] Monatsbrief Oktober 2007/2 von Volker Tschapke
[18] Jürgen Elsässer, „Querfrontregierung in der Slowakei: Fragen an die Antifa“ in "junge Welt" 06.07.2006
[19] Elsässer, Jürgen (2007): Angriff der Heuschrecken. Zerstörung der Nationen und globaler Krieg, Bonn, S. 119
[20] Ebenda S. 95
[21] Elsässer, Jürgen (2007): Angriff der Heuschrecken. Zerstörung der Nationen und globaler Krieg, Bonn, S. 33
[22] Ebenda S. 112f

Editorische Anmerkungen

Der Artikel erschien am 27.11.2007 bei Indymedia. Dort kann er diskutiert werden. Es liegen schon reichlich Statements vor.

Siehe auch das Editorial der Nr. 10-07
Vom Querkopf zur Querfront