Jürgen Elsässer antwortet Peter Nowak und Bernard Schmid

01/09

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Jürgen Elsässer
Sun, 18 Jan 2009 09:20:30 +0100

Lieber Bernard, lieber Peter,

danke Euch für Eure solidarische Kritik.
Ich habe im Anhang eine Antwort verfasst und bitte Euch, bei infopartisan darauf hinzuwirken, dass sie veröffentlicht wird.

Merci!!
Jürgen

DER ANHANG

Zur Diskussion um die "Volksinitiative"

Antwort auf konstruktive Kritiken (I)

Bei den im Internet und z.T. auch in Printmedien kursierenden Reaktionen auf unsere Initiative gibt es neben viel böser Polemik und unsachlichen Verdrehungen auch bedenkenswerte Kritiken von Leuten, die es gut mit uns meinen. Darauf möchte ich gerne eingehen.

So wird mir bzw. der Volksinitiative bisweilen vorgeworfen, wir hätten mit Kalkül oder aus Naivität nach rechts geblinkt. Bernhard Schmid und Peter Nowak schreiben auf infopartisan (http://www.trend.infopartisan.net/trd0109/t490109.html ): "Lieber Jürgen, Du bist nicht naiv und musst aus Deiner jahrzehntelangen politisch-publizistischen Tätigkeit heraus wissen, dass aus einer solchen Volksinitiative nur eine Querfront werden kann." Und das, obwohl ein anderer Kritiker, der bei der Veranstaltung der Volksinitiative persönlich dabei war, auf 911video.de bestätigte: "Elsässer ging gleich zu Anfang seines Vortrags auf die schriftlich erfolgten Annäherungsversuche der NPD ein und verwehrte sich massiv dagegen." Tatsächlich verwendete ich die ersten 20 Minuten meiner Rede nur darauf, mich nach rechts zu distanzieren. Die deutliche Abgrenzung – die "Feuerwand der Abgrenzung nach rechts" – wurde auch sofort nach der Veranstaltung in einer Presseerklärung erneuert.

Hätten wir mehr machen können, um die falschen Freunde von rechts nicht an den Hals zu bekommen? Für mich war im Vorfeld der Veranstaltung nie erkennbar, daß die Rechten sich in dieser Weise anschleimen würden. Denn alles, was ich zur Bewerbung der Veranstaltung herausgab, ging in Aussage und Formulierung nicht über das hinaus, was in meinem Buch "Angriff der Heuschrecken. Zerstörung der Nationen und globaler Krieg" stand. Auch nach Erscheinen dieses Buches im Januar 2007 gab es Anschleimerei von der NPD - aber es gab nie Nazi-Besuche auf meinen Lesungen, geschweige denn gewalttätige Übergriffe.

Daß es dieses Mal anders laufen könnte, war nicht absehbar. Zudem hat die NPD erst einen Tag vor der Veranstaltung ihre Presseerklärung ins Netz gestellt. Was hätten wir tun können, außer uns bei nächster Gelegenheit zu distanzieren? Die ganze Veranstaltung absagen?

Was die Mobilisierungsmaterialien angeht, weiss man natürlich hinterher, was man hätte anders machen sollen. Es gab in meinen vorbereitenden "Fünf Thesen" etwa die Formulierung vom "anglo-amerikanischem Finanzkapital" bzw. "anglo-amerikanischer Finanzaristokratie". Das hat wohl den Rechten besonders gut gefallen – sie erinnerten sich vielleicht an entsprechende Termini in der NS-Presse, während ich bei Abfassung eher an unsere ältere ND-Leserschaft dachte, die mit solchen Formulierungen durch DDR-Medien vertraut gemacht wurde. Sei's drum, ich hätte von der Doppeldeutigkeit wissen müssen.

Für meinen ND-Artikel im Vorfeld der Veranstaltung (http://www.neues-deutschland.de/artikel/140964.bomben-aus-fiktivem-kapital.html )verwendete ich mehr Sorgfalt als für die "Fünf Thesen": Darin schrieb ich nicht von "angloamerikanischem Finanzkapital", sondern vom "internationalen Finanzkapital mit seinen Hauptbastionen in den USA und Großbritannien". Nach Zitierung einiger Opelianer mit antiamerikanischen Positionen kommentierte ich abgrenzend: "In solchen Äußerungen mag dumpfes Ressentiment mitschwingen. Aber die ökonomische Realität, die dem zugrunde liegt, darf die Linke nicht ignorieren." Auch auf der Veranstaltung selbst sagte ich gegen rassistische und antisemitische Missdeutungen des Charakters des Finanzkapitals: "Besonders dumm und gefährlich ist, wenn die Rechten von 'jüdischem Finanzkapital' sprechen. In der Finanzaristokratie gibt es Leute, die Juden sind, die Christen sind, die Moslems sind, die konfessionslos sind. Diese Finanzaristokratie kennt keine Religion und keine Nation. Ihr einziger Gott ist der Mammon."
Langer Rede kurzer Sinn: "Anglo-amerikanisches" Finanzkapital ist eine unzuverlässige Verkürzung des Sachverhalts, die mir zu spät bewusst geworden ist. Da dadurch falsche Leute (Rechte) angelockt und gute Leute (Linke) abgeschreckt werden können, bin ich künftig gerne bereit, darauf zu verzichten. Ich bin auch gerne bereit, weiter an der Präzisierung von Begriffen zu arbeiten, wenn es der Sache – der Diskussion von Inhalten, der Vorbereitung von Aktionen – dient.

Weiterhin wird mir – fälschlich! – eine Absage an den Klassenkampf vorgeworfen und eine unzutreffende Kapitalismusanalyse, die das Finanzkapital zu sehr dämonisiert. Mit diesen Punkten werde ich mich in Kürze auseinandersetzen.

Weiteren Diskussionsangeboten bin ich immer aufgeschlossen. Ich weiß, daß ich dazulernen kann.

Jürgen Elsässer, 17.01.2009


Weitere Materialien

Presseerklärung der Volksinitiative vom 12.01.2009 (http://www.volks-initiative.info/eigne%20infos.html#PE%201 ):

"Zwischen uns von der 'Volksinitiative' und Nazis, und zwar nicht nur der NPD, sondern jedweder Couleur, steht eine Feuerwand der Abgrenzung." Intendiert ist eine „Volksfront in der Tradition des Bündnisses von Kommunisten, Sozialdemokraten und Bürgerlichen in den dreißiger Jahren, die sich gegen Faschismus und Krieg richtete". "Ein Spektrum von Lafontaine bis Gauweiler ist das, was wir wollen."

Öffentliche Erklärung der Chefredaktion Neues Deutschland vom 15.01.2009 (http://www.neues-deutschland.de/artikel/142207.in-eigener-sache.html ):

"Wir unterstellen Elsässer nicht, ins rechte Lager übergewechselt zu sein ..."

Offener Brief von Jürgen Elsässer an das Neue Deutschland vom 15.01.2009 (http://www.volks-initiative.info/eigne%20infos.html#PE%202 ) :

"Wer sinnvolle wirtschaftliche Maßnahmen nur deswegen nicht propagiert und umsetzt, weil auch die Rechten und Rechtsradikalen ähnliches vorschlagen, überlässt den braunen Rattenfängern das Terrain. Was andererseits Roosevelt gemacht hat (und was ich, den Zeiten angepasst, für heute vorschlage), ist die wirksamste antifaschistische Politik, die man sich vorstellen kann: Ein Keynesianismus auf nationaler Ebene, um die zerstörerischen Angriffe der aggressivsten Teile des Kapitals abzuwehren; eine Zusammenarbeit zwischen der Linken und der Arbeiterklasse mit Mittelstand und aufgeklärten Kapitalisten in Form einer Volksfront; eine Koalition der angegriffenen Nationalstaaten unabhängig von ihrer jeweiligen ideologischen Orientierung."

Bericht von Klaus Höpcke über die Veranstaltung - vom ND bestellt, aber nicht gedruckt (http://www.volks-initiative.info/letzte%20meldung.html ):

"Elsässer sprach sich dafür aus, als Gegner nicht das Kapital im allgemeinen zu betrachten, sondern die aggressivsten Teile des Finanzkapitals. Gegen diesen Gegner sollten Arbeiterschaft, Mittelstand und aufgeklärte Teile des Industriekapitals zusammengehen können. Die Möglichkeiten des Nationalstaats seien dafür zu nutzen."
 

Editorische Anmerkungen

Die Texte erhielten wir  von B. Schmid.

Die Website www.volks-initiative.info gehört Elsässers Verleger Kai Homilius, in dessen Verlag auch etliche Bücher von Jan von Flocken erschienen sind, der als Autor für die Junge Freiheit arbeitet: