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trend onlinezeitung für die alltägliche wut
Nr. 7-8/1998
 

Siehe dazu auch die Kritik von A.N.

Liebe GenossInnen,
vielleicht habt Ihr Verwendung für den folgenden Vorabdruck aus "Was Tun",   Zeitung der Kommunistischen Plattform der PDS München. Der Autor Max Brym spricht albanisch und verfolgt regelmäßig die Presse und diskutiert mit  Emigranten aus dem Kosovo. Daher ist uns ein relativ differenziertes Bild möglich.
Mit kommunistischen Grüßen,
Nick

 

Kosovo-Krieg - um was geht es dem albanischen Widerstand?

von Max Brym
 

Der blutige Krieg im Kosovo beschäftigt die Kommentatoren
bürgerliche Zeitungen. Die deutsche Außenpolitik drängt auf einen
Militärschlag gegen Serbien und hat ihre erklärten Lieblinge unter
den Albanern, zum Beispiel Ibrahim Rugova, den "friedlichen
Präsidenten". Viele linke Publikationen ziehen aus der völlig
berechtigten Ablehnung deutscher Großmachtpolitik den irrigen
Schluß: "Der Feind meines Feindes ist mein Freund". Das
Milosevic-Regime wird schöngeredet und viele ergehen sich in
Verschwörungsphantasien, um die tatsächliche Unterdrückung der
Albaner im Kosovo irgendwie ignorieren zu können.

Wie kam es zu dem Konflikt?

Es gab und gibt im Kosovo nicht nur eine soziale, sondern auch eine
nationale Unterdrückung der Albaner. Dieses Phänomen ist sehr alt,
denn der serbische Nationalismus pflegt unter anderem folgende
Geschichtslegende: "Kosovo ist das Mutterland Serbiens. In der
heroischen Schlacht auf dem Amselfeld 1389 hätten sich die Serben
heldenhaft gegen die Türken geschlagen und seien deshalb
unterlegen, weil die "feigen und wilden Albaner" ihnen nicht halfen,
sondern im Gegenteil den Kosovo mit ihren Menschen in Beschlag
nahmen. Ausgehend von dieser nationalistischen Doktrin wurde und
wird den Albanern im Kosovo immer klargemacht: Obwohl ihr über
90% der Bevölkerung stellt, habt ihr hier eigentlich nichts verloren
und wenn ihr schon da seid, dann findet euch gefälligst mit eurer
Minderwertigkeit ab. Diese Politik wurde nur zu Zeiten Titos
abgemildert. So bekam der Kosovo 1974 den Status einer
autonomen Region innerhalb Serbiens, was albanischsprachigen
Schulunterricht bis zur Universität ermöglichte und auch auf den
Behörden Albanisch neben Serbokroatisch Amtssprache war.
Dennoch verschwand auch unter Tito der serbische Nationalismus
nicht. So erklärte Tito 1946 bei einem Besuch des albanischen
Parteichefs Enver Hoxha wörtlich: "Ich kann mein Versprechen, das
ich den Albanern während des Kampfes gegen den Faschismus gab,
daß sie frei entscheiden können, zu wem sie gehören wollen - zu
Jugoslawien oder Albanien - momentan nicht halten. Denn der
serbische Nationalismus ist zu stark". Die Unterdrückung des
nationalen Selbstbestimmungsrechtes der Albaner hatte auch im
sogenannten sozialistischen Jugoslawien entsprechende
wirtschaftliche Folgen. Im alten Jugoslawien bis 1989 herrschte
bezüglich des Lebensstandards ein krasses Nord-Süd-Gefälle. Es
gab eine Lohndifferenzierung von 6:1 bezogen von Nord nach Süd.
Am meisten wurde in Slowenien verdient, dann kam Kroatien, dann
Serbien, anschließend Bosnien und Montenegro und weiter hinten
Mazedonien, ganz am Ende rangierte der Kosovo. Zudem herrschte
im Kosovo, auch im alten Jugoslawien eine hohe Arbeitslosigkeit.
So hatte 1980 nur jeder zehnte Albaner eine Beschäftigung im
Kosovo. Damals gab es im albanischen Kosovo mehr Studenten als
Arbeiter. Gut 50% der erwerbslosen Albaner kannten in den 80er
Jahren in einem sogenannten sozialistischen Staat weder eine
Arbeitslosen-, Kranken- oder Rentenversicherung. Das wurde als
schreiende Ungerechtigkeit empfunden, der Kosovo war und ist bis
heute die Rohstoffkammer Jugoslawiens. Die größte Menge der
Braunkohle stammt aus dem Kosovo. Im Kosovo befinden sich
große Vorkommen an Nickel, Kupfer, Blei und enorme Vorkommen
an Chromerzen. (Mit Albanien zusammen verfügt das Gebiet über
die zweitgrößten Chromerzvorkommen der Welt). Es ist klar, daß
dieser Gegensatz, riesiger Reichtum an Bodenschätzen auf der einen
Seite und soziale, sowie nationale Unterdrückung auf der anderen
Seite schon in den 80er Jahren vor allen Dingen die albanische
Jugend auf die Straße treiben mußte. In diesem Zusammenhang
sollte erwähnt werden, daß der Kosovo die höchste Geburtenrate auf
Seiten der albanischen Bevölkerung in Europa hatte. 1981
veranstalteten serbische Polizeiorgane Massaker an
demonstrierenden albanischen Studenten, Arbeitern und Bauern. Im
Kosovo existierte damals eine "Bewegung für eine albanische
Republik in Jugoslawien". Geführt wurde diese Bewegung von
marxistisch orientierten Kräften, ausgehend von der " Front i Kuq "
(Rote Front), die besonders stark war unter den Studenten der
Provinzhauptstadt Pristina. Ihr Einfluß erstreckte sich damals auf
den gesamten Kosovo. In der Emigration in Europa wurden von den
linken Albanern Massendemonstrationen initiiert gegen die
serbische Repressionswelle zwischen 1981 und 1983. Letztendlich
gelang es den serbischen Nationalisten mittels Massenterror, Folter
und Mord diese Bewegung im Kosovo, aber auch im Ausland zu
zerschlagen. Dabei wurde die jugoslawische Geheimpolizei (UdBa)
auch vom deutschen Staat unterstützt, der tatenlos zusah, wie diese
in Deutschland albanische Immigranten abknallten.
Bezeichnenderweise bezog sich dieser Terror ausschließlich auf
linke Immigranten. Erwähnt sei hier nur der Mord an Jussuf
Gervalla, Bardohsh Gervalla und Kadri Zeka im Herbst 1983 in
Stuttgart. Sie wurden beim Verlassen eines Hauses von
Maschinengewehrsalven durchsiebt. Dabei wurden die Köpfe des
linken albanischen Widerstandes beseitigt. Hier trafen sich auch die
Interessen des deutschen Kapitals und der jugoslawischen Führung.
Denn das Stellen der nationalen Frage von links wollte sowohl die
jugoslawische Bürokratie wie der Imperialismus nicht.

Um was geht es jetzt?

Das Jahr 1989 muß als das Schicksalsjahr Jugoslawiens betrachtet
werden. Eine immense Auslandsverschuldung des Bundesstaates in
Höhe von 20 Milliarden US-Dollar verschlechterte die Lebenslage
der Arbeiter und Bauern rapide. In Gesamtjugoslawien kam es zu
Streiks gegen die Teuerung und Entlassungswelle in der Industrie.
Um nicht Gefahr zu laufen, von den wütenden Arbeitern davon
gejagt zu werden, verwandelten sich die "Kommunisten", die
Bürokratie in extreme Nationalisten. Sie regierten nach dem Motto
"teile und herrsche", um an der Macht zu bleiben. Dabei stützten
sich die mittlerweile prokapitalistischen Cliquen auf verschiedene
imperialistische Staaten. So Slowenien und das jetzt
halbfaschistische Kroatien auf Deutschland und Österreich (in
Kroatien wird die Masse des Außenhandels mit Deutschland
abgewickelt, der deutsche Elektrogigant Siemens ist sogar der
Hauptgläubiger des kroatischen Staates). Serbien stützte sich in der
Hauptseite auf Rußland und versuchte, den Interessengegensatz
zwischen Deutschland und Frankreich auszunützen. Die Resultate
sind bekannt. Jugoslawien wurde zerstört, Leichenberge pflasterten
den Weg der Anlehnung an verschiedene mächtige Staaten, in denen
gigantische, private Monopolbetriebe herrschen. Der
Hauptverantwortliche für diese Tragödie, der Wegbereiter für den
nationalistischen Wahn, für den Krieg heißt trotz aller Maskerade
Slobodan Milosevic.

Die Tragödie begann im Kosovo

Zum Jahrestag der Schlacht auf dem Amselfeld 1389 mobilisierte
Milosevic eine Million nationalistisch verhetzter Serben 1989 zu
einem Marsch in den Kosovo. Dabei sollte den Albanern gezeigt
werden, was eine Harke ist. Sie wurden von dem sogenannten
Sozialisten Milosevic als "potentielle Unruhestifter" und als
"degenerierte Menschen" beschimpft. Aber es blieb nicht nur bei
Worten, dem Kosovo wurde der Autonomiestatus genommen. Dies
war das Startsignal für den Zerfall Jugoslawiens. Was bedeutete die
Aufhebung der Autonomie? Alle staatlichen Stellen im Kosovo sind
heute von Serben besetzt. An den Schulen wird nur noch serbisch
unterrichtet, die Lehrpläne stammen aus Belgrad. Bis jetzt sind fast
100% der albanischen Arbeiter aus der staatlichen Industrie
entlassen worden. Die wenig übrig gebliebenen Stellen vergab man
an Serben. Zu 100% wurden die albanischen Bergarbeiter von
Tepeca gefeuert, die 1989 ihr Bergwerk besetzten, um gegen die
nationale und soziale Unterdrückung zu protestieren. Neben dem
kriegszerstörten Bosnien ist Kosovo heute das ärmste Land in
Europa. In einigen albanischen Städten sieht man immer mehr
Kinder mit den typisch en Hungerbäuchen, wie man sie aus weiten
Teilen Afrikas kennt. Die prokapitalistische Regierung Milosevic,
die die Hälfte der jugoslawischen Telekom an italienische und
griechische Konzerne verkaufte, hat trotz eines Aufschwungs der
Exporte in den letzten beiden Jahren eine tiefe wirtschaftliche und
soziale Krise provoziert. Alle Auflagen der Weltbank nach
Abwertung des Dinars und beschleunigter  Privatisierung wurden
erfüllt. Ergebnis: Die Preise steigen in Restjugoslawien, viele
Arbeiter und Pensionäre erhalten in Serbien seit Monaten kein Geld.
Die Arbeitslosigkeit liegt in Serbien bei 30%. Im Kosovo wird
gegenwärtig wie oben bereits dargelegt überhaupt nicht mehr
gearbeitet. Zudem wütet der serbische Polizei- und Militärterror.
Fast jede albanische Familie im Kosovo hatte in den letzten Jahren
mindestens ein Familienmitglied im Gefängnis.

Der albanische Widerstand

Wo Unterdrückung herrscht, gibt es bekanntlich Widerstand. Seit
1990 boykottieren die Albaner den serbischen Schulunterricht. Sie
haben ihren eigenen illegalen Unterricht aufgezogen, eine
Gegenkultur entwickelt, de facto einen Gegenstaat aufgebaut. 1991
wählten sie ihr eigenes Parlament und einen Präsidenten namens
Ibrahim Rugova. Zudem  sprachen sie sich im selben Jahr in einem
Referendum zu fast einmütig für die Unabhängigkeit des Kosovo
aus. Doch mit dem Präsidenten Rugova und seiner Partei
"Demokratische Liga des Kosovo" (LDK) waren sie schlecht
beraten. Rugova repräsentiert in erster Linie die Interessen der
kleinen albanischen Unternehmerklasse im Kosovo. Diese Klasse
möchte in Ruhe Geschäfte machen, will sich in die EU integrieren,
jetzt fordern sie aus dem Kosovo ein internationales Protektorat zu
machen. Dieses Gebilde soll durch NATO-Truppen, darunter
deutsche Einheiten geschaffen werden. Rugova will ins Geschäft
kommen, deshalb fleht er bei großen imperialistischen Mächten um
Beistand. Er mißtraut zutiefst und mit ihm seine Klasse der
Selbstaktivität der albanischen Massen. Rugova hat vor allem bei
der albanischen Jugend ausgespielt. Er wird zurecht des
Vaterlandsverrates beschuldigt, weil er die Imperialisten hereinbittet
und als "Westentaschengandhi" mit dem Feind Milosevic verhandelt
statt diesen zu bekämpfen. Die Haltung Rugovas ist kein Zufall,
denn die albanische Oberschicht fürchtet den bewaffneten Kampf,
die Selbstaktivität der Unterdrückten, weil dieser Kampf die Gefahr
enthält, permanent zu werden und auch die Handelsinteressen der
albanischen Kleinbourgeoisie bedroht. Straßendemonstrationen,
militanten Widerstand für ein unabhängiges, vereintes Albanien
lehnte Rugova immer ab. Noch im Oktober 1997 nannte Rugova die
UCK (Befreiungsarmee des Kosovo) eine "terroristische Gruppe".
Jetzt, nachdem die UCK 40% des Kosovo bewaffnet befreite, ist es
für ihn nicht mehr so einfach, mit ähnlichen Floskeln zu
argumentieren wie Milosevic und die Imperialisten. Dennoch
versucht er weiter zu schleimen und der Liebling "großer"
Staatsmänner zu bleiben. Er bemühe sich, "die UCK zu zähmen",
erklärte er bei seinem kürzlichen "Staatsbesuch" in Bonn.

Was will die UCK?

Die UCK ist eine militante nationale Befreiungsbewegung, die das
Ende der nationalen Unterdrückung anstrebt. Die albanische Jugend
sieht keinen anderen Weg mehr, um aus dem ganzen Elend
herauszukommen, was verständlich ist. Getragen wird die
Bewegung von patriotischen Bauern ohne eine wirklich fundierte
Gesamtschau der Dinge, entlassenen Arbeitern und der Intelligenz.
In ihr tummeln sich verschiedene politische Gruppen, zum Teil auch
Familienclans, aber auch Menschen, die an den Kampf der Albaner
unter Enver Hoxha gegen den Faschismus erinnern. "Die UCK ist
das Volk", skandierten Tausende in Pristina, Pec und anderswo. Das
Volk will das Recht auf nationale Selbstbestimmung, die
Vereinigung aller Albaner und demokratische Rechte. Kein
Bürokrat, kein Diplomat, keine imperialistische Großmacht hat das
Recht, dagegen anzukämpfen. Auch nicht bestimmte Linke in
Deutschland, die dabei sind, das gleiche zu vertreten wie
Außenminister Kinkel, für den die Unabhängigkeit des Kosovo
"nicht in Frage kommt". Es ist die Pflicht jedes Internationalisten die
Wünsche des albanischen Volkes zu respektieren. Bis dato ist die
UCK die einzige Kraft unter den Kosovoalbanern, die selbstbewußt
erklärt, "wir werden das Land selbst befreien. Es gibt keinen
Kompromiß mehr mit Milosevic". Das gilt es in Deutschland zu
unterstützen und gegen die militärischen Ambitionen von Kohl und
Rühe zu wenden. Uns ist klar, daß die UCK kein festes Programm
und marxistische Orientierung hat, was es ihr verunmöglicht,
serbische Arbeiter anzusprechen. Sie ist eine bäuerlich geprägte
nationale Bewegung, die sich auf kurz oder lang entscheiden muß,
nach welcher Seite sie sich entwickelt. Nach links oder nach rechts.
Beide Seiten gibt es momentan innerhalb der UCK.

Der Imperialismus und Kosovo

Wie oben bereits ausgeführt ist Kosovo rohstoffreich. Daran haben
große Konzerne Interessen, nicht zuletzt die deutschen. Daß die
großen imperialistischen Staaten sich irgendwie für Menschenrechte
interessieren, ist ein Ammenmärchen für Kinder. Eine
selbstbewußte, albanische Massenbewegung ist auch der deutschen
Außenpolitik suspekt. Die deutsche Politik will nur ihre neue
Großmachtpolitik demonstrieren, wenn sich Rühe für Luftschläge
und das eventuelle Entsenden von Bodentruppen gegen Serbien
ausspricht. Dagegen müssen wir prinzipiell sein. Man giert nur nach
Macht und hat Interessen, wozu sicherlich nicht die wirkliche
Unabhängigkeit des Kosovo gehört. Kinkel erklärte am 11.Juli 98 in
Moskau:" Wir Deutschen werden gegen die aggressiven Albaner
auftreten und ihr Russen habt Serbien zu mäßigen". Im bayerischen
Verfassungsschutzbericht wird die UCK als "extremistische
Vereinigung" geführt. Deutschland will weiter Albaner nach
Restjugoslawien abschieben und nach UCK-Konten in Deutschland
fahnden. Alle Imperialisten haben die Haltung wie es die "Financial
Times" am 13.4.98 beschrieb: "Die größte Sorge der westlichen
Regierungen ist, daß der Konflikt außer Kontrolle gerät (...).
Serbien bezieht den weithin anerkannten Standpunkt gegen die
Unabhängigkeit des Kosovoalbaner - wie jeder anerkennt - zur
Aufspaltung Serbiens führen würde. Die Kontaktgruppe unterstützt
diesen Standpunkt".  Der Imperialismus hat eindeutig eine
proserbische Haltung. Wir haben demzufolge die Pflicht, die
objektiv die antiimperialistische UCK zu unterstützen - ohne
allerdings zu vergessen, daß sich die Lage schnell ändern kann. Hier
in Deutschland treten gegen wir gegen jeden antialbanischen und
antiserbischen Rassismus auf und lehnen jede deutsche
Kriegsbeteiligung ab.

Quellen:
Enver Hoxha: Die Titoisten,
Autorenkollektiv, Tirana 1983, Über die Ereignisse in Kosovo
SZ vom 13.7.98
Fischer Weltalmanach 1998
Bota Sot, 8.7.98
Koha Ditore, 18.7.98

 

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