Kapitalverwertung im Retrolook

Stadtumbau & Stadtteilkämpfe
Kapitalverwertung im Retrolook
Zur Geschichte und Funktion des Erbbaurechts

von Karl-Heinz Schubert
5/6-2014

trend
onlinezeitung

Lesehinweis: Der nachfolgende Text wurde aufgrund seiner Besprechung im "Arbeitskreis Kapitalismus aufheben" an einigen Stellen begrifflich überarbeitet. red. trend 8/7/2014

Vorbemerkung: Aufgrund der von mir verfassten Kritik am Mietshäuser Syndikat Teil1), entwickelte sich eine rege Diskussion im "Arbeitskreis Kapitalismus aufheben" (AKKA), deren Ergebnisse in das politische Fazit des geplanten 2.Teils einbezogen werden sollen. In der aktuellen Ausgabe gibt es zum MhS-Komplex einen Kommentar von "Sebast", der empfiehlt sich die Ideologie der Anthroposophen genauer unter die Lupe zu nehmen. Als ich diese Empfehlung aufgriff, musste ich bei der Sichtung der einschlägigen Literatur feststellen, dass sowohl die ökonomischen Konzepte als auch deren ideologischen Aufladungen, wie sie von Nichtanthroposophen formuliert werden, sehr wohl anschlussfähig an die bodenreformerische Konzepte der Steinerschen Eso-Szene sind. Zusammen bilden sie ideologisch gleichsam eine wohnungspolitische Querfront, mit der "Erbpacht" (Erbbaurecht) als konzeptionelles Bindeglied. Ohne dieses Bindeglied genauer zu behandeln, würde eine Ideologiekritik an "Steiners langen Schatten" quasi ungeerdet in der Luft hängen. / khs

"Je langfristiger wir denken, desto näher kommen wir
den alten Erbpachtmodellen der Kirchen, Städten und
Stiftungen, die seit Jahrhunderten funktionieren."
(Irene Mohr & Rolf Novy-Huy, Trias-Stiftung)

Die Berliner Architektin Jutta Kalepky, Vorstandsmitglied der Berliner Architektenkammer und Ex-Baustadträtin von Kreuzberg-Friedrichshain, befürchtete laut Berliner Morgenpost vom 2.April 2014 anläßlich der abrupten Entlassung des Berliner Staatssekretärs für Bauen und Wohnen Ephraim Gothe, dass nun städtische Grundstücke nur noch verkauft und nicht mehr in „Erbpacht“ vergeben würden. Ort ihrer Befürchtung war das anthroposophenaffine Projekt Exrotaprint(1), wo am Dienstag, den 1. April 2014 um 11 Uhr, Ephraim Gothes stadtpolitischer Fankreis(2) zu einem Pressegespräch eingeladen hatte, um gegen dessen Entlassung zu protestieren.

Nutzungsbeschränkungen von Kapitalverwertung mithilfe des Bodenrechts, auf denen hier insistiert wird, gelten nicht nur in Rudolf Steiners Anhängerschar als der zentrale Schlüssel, um der Spekulation mit Immobilien den Weg zu versperren und „soziales Wohnen“ zu ermöglichen. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts, als Steiner noch als theosophischer Vortragsreisender(3) unterwegs war, besaß Adolph Damaschke(4), der freikirchliche Christ und Lebensreformer, schon seinen Bodenreformverein, der gestützt auf die sozialreformerischen Kreise des Bürgertums, die Wohnungsfrage in deren Klasseninteresse ganz praktisch beantwortete, indem der persönliche Eigenheimbau durch kommunale Eingriffe in das Boden(nutzungs)recht gefördert wurde. Übrigens eine Boden- und Wohnraumpolitik, die bruchlos im Nationalsozialismus fortgesetzt wurde(5) und heute in Zeiten der urbanen Wohnungsnot in Gestalt der Erbbaurechtsforderung eine weitere Renaissance erlebt.

Quasi exemplarisch für diese Strömung schreibt dazu die von der anthroposophischen Trias Stiftung mitgetragene „Entwicklungsgenossenschaft Tempelhofer Feld“ im Hinblick auf die aktuell geplante Bebauung des Berliner Tempelhofer Feldes mit Wohnungen:

„Land ist, wie gerade die Diskussion um das Tempelhofer Feld deutlich macht, nicht vermehrbar und sollte nicht zu Spekulationszwecken dienen. Das gilt umso mehr für ein enormes Entwicklungspotenzial, das sich noch in öffentlicher Hand befindet. Um der Stadt Berlin das dauerhafte Eigentum an Grund und Boden zu sichern, entsteht der Stadtteil mit seinen Einzelprojekten im Erbbaurecht.“(6)

Wenn heute mit der "Erbpacht" ein Kapitalverwertungsprojekt im Retrolook des ausgehenden 19. Jahrhunderts als Lösung für die Wohnungsfrage in der spätkapitalistischen Stadt angeboten wird, wird es zu dessen Verständnis umungänglich sein, sich mit der Geschichte dieses „deutschen Rechts“ und seine materiellen Grundlagen zu befassen. Dann werden wir ein Blick in die gegenwärtige Kapitalverwertung mithilfe des Erbbaurrechts werfen. Abschließend werden wir uns der Frage widmen, ob mit dem Erbbaurecht Spekulationen tatsächlich ausgeschlossen werden können und ob der Mietzins niedrig gehalten werden kann.

Eine "höchst unvollständige Regelung" und ihre historischen Wurzeln

Vor Inkraftsetzen des „Bürgerlichen Gesetzbuches“ im Jahre 1900, worin auch das Erbbaurecht geregelt wurde, bildete das mittelalterliche Lehen – wenn auch bereits stark erodiert - bei der wirtschaftlichen Verwertung von Grundstücken die Rechtsgrundlage bzw. formte das Rechtsbewußtsein. Kernstück dieses Rechtsverständnisses war bis dato die Überlassung eines Grundstücks zu Nutzungszwecken gegen die Erbringung einer persönlichen Dienstpflicht des Nutzers – sei es in Natura, durch Arbeitszeit oder mit Geld. Dieses persönliche Rechtsverhältnis galt ursprünglich als unauflöslich und wurde durch Erbfolge beständig weitergeführt. In Analogie entwickelte sich in den Städten das so genannte Baulehen. Hier wurden Baugrundstücke für Mitglieder der städtischen Zünfte und Bünde gegen Zinszahlung für die Errichtung von Geschäftsräumen oder Werkstätten nebst Wohnräumen zur Verfügung gestellt.

Aus diesem ökonomischen Grundverhältnis des Feudalismus entwickelte sich mit dem Heranreifen des Kapitalismus nach dem „Bauernlegen“(7) ein Pachtverhältnis auf der Basis von Geldzahlungen des Pächters an den Grundeigentümer. Gewöhnlich waren die Pächter Kapitalisten, die – wie Marx im dritten Band des Kapitals klar herausarbeitet – ihren Profit, den sie ihren Lohnarbeitern abgepresst hatten oder der aus der Verzinsung von auf dem Grundstück errichteten Baulichkeiten resultierte, mit dem Grundstückeigentümer zu teilen hatten, indem sie ihm eine „Grundrente“ für die kapitalistische Nutzung des Grundstücks entrichten mussten.

Durch diese Kapitalisierung eines Grundstücks, d.h. durch seine Verwandlung in eine Ware, die verliehen oder verkauft werden kann, entsteht der Bodenpreis. Dieser entspringt jedoch nicht aus dem Wert, der nur durch Verausgabung menschlicher Arbeitskraft entsteht, sondern aus dem Zins, der sich aus einem zeitlich limitierten Verleihen des Grundstücks ableitet.

Bei Marx heißt es zu diesen historisch neuen Verwertungsbedingungen:

„Die Voraussetzung bei der kapitalistischen Produktionsweise ist also diese: die wirklichen Ackerbauer sind Lohnarbeiter, beschäftigt von einem Kapitalisten, dem Pächter, der die Landwirtschaft nur als ein besondres Exploitationsfeld des Kapitals, als Anlage seines Kapitals in einer besondern Produktionssphäre betreibt. Dieser Pächter-Kapitalist zahlt dem Grundeigentümer, dem Eigentümer des von ihm exploitierten Bodens, in bestimmten Terminen, z.B. jährlich, eine kontraktlich festgesetzte Geldsumme (ganz wie der Borger von Geldkapital bestimmten Zins) für die Erlaubnis, sein Kapital in diesem besondern Produktionsfeld anzuwenden. Diese Geldsumme heißt Grundrente, einerlei ob sie von Ackerboden, Bauterrain, Bergwerken, Fischereien, Waldungen usw. gezahlt werde. Sie wird gezahlt für die ganze Zeit, während deren kontraktlich der Grundeigentümer den Boden an den Pächter verliehen, vermietet hat. Die Grundrente ist also hier die Form, worin sich das Grundeigentum ökonomisch realisiert, verwertet.“ (MEW 25 / 631f)

„Die mehr temporären Kapitalanlagen, die die gewöhnlichen Produktionsprozesse in der Agrikultur mit sich führen, werden alle ohne Ausnahme vom Pächter gemacht. Diese Anlagen, wie die bloße Bebauung überhaupt, wenn sie einigermaßen rationell betrieben wird, also sich nicht auf die brutale Aussaugung des Bodens reduziert, wie etwa bei den ehemaligen amerikanischen Sklavenhaltern - wogegen sich jedoch die Herren Grundeigentümer kontraktlich sichern -, verbessern den Boden, steigern sein Produkt und verwandeln die Erde aus bloßer Materie in Erde-Kapital. Ein bebautes Feld ist mehr wert als ein unbebautes von derselben natürlichen Qualität. Auch die mehr permanenten. sich in längerer Zeit abnutzenden, der Erde einverleibten fixen Kapitale werden zum großen Teil, in gewissen Sphären oft ausschließlich, vom Pächter gemacht. Sobald aber die kontraktlich festgesetzte Pachtzeit abgelaufen ist - und es ist dies einer der Gründe, warum mit der Entwicklung der kapitalistischen Produktion der Grundeigentümer die Pachtzeit möglichst abzukürzen sucht -, fallen die dem Boden einverleibten Verbesserungen als untrennbares Akzidens der Substanz, des Bodens, als Eigentum dem Besitzer des Bodens anheim.“ (MEW 25 / 632f)

„In der eigentlichen Agrikultur erscheint dieser Prozeß noch nicht so klar wie bei Benutzung des Bodens als Bauterrain. Der weitaus überwiegende Teil des Bodens, der in England zu Bauzwecken, aber nicht als freehold verkauft wird, wird von den Grundeigentümern vermietet für 99 Jahre oder auf kürzere Zeit wenn möglich. Nach Ablauf dieser Zeit fallen die Baulichkeiten mit dem Boden selbst dem Grundbesitzer anheim ....

…. Dies Beispiel mit dem Eigentum an Baulichkeiten ist wichtig, 1. weil es klar den Unterschied zwischen der eigentlichen Grundrente und dem Zins des dem Boden einverleibten fixen Kapitals zeigt, der einen Zusatz zur Grundrente bilden kann. Der Zins der Baulichkeiten, wie des bei der Agrikultur vom Pächter dem Boden einverleibten Kapitals, fällt dem industriellen Kapitalisten, dem Bauspekulanten oder Pächter zu während der Dauer des Mietkontrakts und hat an und für sich nichts zu tun mit der Grundrente, die jährlich in bestimmten Terminen für Benutzung des Bodens gezahlt werden muß. 2. Weil es zeigt, wie mit dem Boden das ihm einverleibte fremde Kapital schließlich dem Grundeigentümer anheimfällt und der Zins dafür seine Rente schwellt.“(MEW 25 / 634f)

„Ist z.B. der mittlere Zinsfuß 5%, so kann also auch eine jährliche Grundrente von 200 Pfd.St. als Zins eines Kapitals von 4.000 Pfd.St. betrachtet werden. Es ist die so kapitalisierte Grundrente, die den Kaufpreis oder Wert des Bodens bildet, eine Kategorie, die prima facie, ganz wie der Preis der Arbeit irrationell ist, da die Erde nicht das Produkt der Arbeit ist, also auch keinen Wert hat. Andrerseits aber verbirgt sich hinter dieser irrationellen Form ein wirkliches Produktionsverhältnis. Kauft ein Kapitalist Grund und Boden, der eine jährliche Rente von 200 Pfd.St. abwirft, für 4.000 Pfd.St., so bezieht er den durchschnittlichen jährlichen Zins zu 5% von 4.000 Pfd.St., ganz ebenso, wie wenn er dies Kapital in zinstragenden Papieren angelegt oder es direkt zu 5% Zinsen ausgeliehen hätte. Es ist die Verwertung eines Kapitals von 4.000 Pfd.St. zu 5%. Unter dieser Voraussetzung würde er in 20 Jahren den Einkaufspreis seines Guts durch dessen Einkünfte wieder ersetzt haben. In England wird daher der Kaufpreis von Ländereien nach soundso viel years purchase <Jahreserträgen> berechnet, was nur ein andrer Ausdruck für die Kapitalisierung der Grundrente ist. Es ist in der Tat der Kaufpreis nicht des Bodens, sondern der Grundrente, die er abwirft, berechnet nach dem gewöhnlichen Zinsfuß. Diese Kapitalisierung der Rente setzt aber die Rente voraus, während die Rente nicht umgekehrt aus ihrer eignen Kapitalisierung abgeleitet und erklärt werden kann. Ihre Existenz, unabhängig von dem Verkauf, ist vielmehr hier die Voraussetzung, von der ausgegangen wird.“MEW 25/ 636)

Und schließlich resumiert Marx:

„Es ist endlich bei der Betrachtung der Erscheinungsformen der Grundrente, d.h. des Pachtgeldes, das für die Benutzung des Bodens, sei es zu produktiven, sei es zu konsumtiven Zwecken, unter dem Titel der Grundrente dem Grundbesitzer gezahlt wird, festzuhalten, daß der Preis von Dingen, die an und für sich keinen Wert haben, d.h. nicht das Produkt der Arbeit sind, wie der Boden, oder die wenigstens nicht durch Arbeit reproduziert werden können, wie Altertümer, Kunstwerke bestimmter Meister etc., durch sehr zufällige Kombinationen bestimmt werden kann. Um ein Ding zu verkaufen, dazu gehört nichts, als daß es monopolisierbar und veräußerlich ist. (MEW 25 / 646)

Die Monopolisierung des Bodens durch eine Klasse ging in Deutschland im 19. Jahrhundert seinem Ende entgegen. Für Baukapitalisten und Mietspekulanten begann ein Eldorado der Profitmacherei, indem sie sukzessive das Bodenmonopol der feudalen Klasse zerbrachen, um an deren Stelle mit der kapitalistischen Monopolisierung des Bodens in Warenform fortzufahren.

Zum Beispiel waren es 1857 im Regierungsbezirk Potsdam bereits 37 % und im Bezirk Frankfurt/Oder schon 93 % der Güter, die nicht mehr zum Besitz des Adels gehörten, sondern von Geschäftsleuten, Bankiers, Rechtsanwälten oder auch von erfolgreichen Pächtern aufgekauft worden waren.(8)

In dem Buch „Rund um Riehmers Hofgarten“(9) ist sehr anschaulich nachzulesen, wie zwischen 1807 und 1875 dieser kapitalistische Umverteilungsprozess einen städtischen Raum strukturierte, indem die bäuerlichen Eigentumsverhältnisse an Grund und Boden umgewälzt wurden, um mit diesen Grundstücken entweder zu handeln oder darauf Wohnraum unter dem Diktat der Rendite zu errichten.

Tempelhofer Vorstadt 1832

Der Lageplan zeigt, die bäuerlichen Grundstücke, sowie den Upstall,
der eine Allmendewiese der Tempelhofer Bauern war.

Tempelhofer Vorstadt: Grundstückseigentumsverhältnisse 1875

Seit 1861 ist die Tempelhofer Vorstadt in Berlin eingemeindet. Das Gelände ist voll arrondiert
und im Eigentum von Baukapitalisten und Mietspekulanten

Diese Entwicklung wurde befördert durch ein rasches Anwachsen der Industrie und durch eine permanente Ausweitung des Eisenbahnnetzes. Ein weiterer Anschub für diesen zügellosen Wirtschaftsliberalismus bildete 1869 die Einführung der Gewerbefreiheit. Damit einher ging in den urbanen Räumen die Verknappung von Bauland und das Massenmietshaus wurde das Hauptziel städtischer Bodenspekulation. Dies trieb sowohl die Bodenpreise wie auch die Baukosten in die Höhe; was wiederum einen wesentlich höheren Kapitaleinsatz zur Folge hatte. Waren es zunächst vor allem noch Handwerksmeister und Kaufleute, die als Käufer von Grundstücken auftraten, um mit diesen zu spekulieren, so traten zum Ende des 19. Jahrhundert an deren Stelle Terraingesellschaften, von Banken getragen und oft als Aktiengesellschaften organisiert.

Sofern in solchen Mietskasernen das Objekt der Mietzinsbegierde aus dem Bürgertum stammte, bewohnte es die Bel Etages des Vorderhauses, während in den schwach belichteten Hinterhäusern kinderreiche proletarische Familien zusammengepfercht in Einraumwohnungen mit Außenklo wohnen mussten. Diese Miethaie bekamen allerdings regional Konkurrenz durch den Werkswohnungsbau. Hier sahen die "industriellen" Kapitalisten - speziell im Ruhrgebiet - nicht nur ein Befriedungsinstrument, sondern auch eine eigene profitbringende Kapitalanlage als Vermieter.

Während die ArbeiterInnen sich zunächst einmal politisch als Klasse konstituieren mussten(10) - immerhin war die antikapitalistische politische Betätigung zwischen 1878 und 1888 verboten und verfolgt (Sozialistengesetze) - schuf sich der Reformflügel des Bürgertums recht frühzeitig entsprechende Konzepte und Betätigungsfelder auf dem Gebiet der Bau- und Wohnungsfrage.

Als Nestor dieser Bewegung gilt in der ersten Häfte des 19. Jahrhundert Victor Aimé Huber(11), Universitätsprofessor und Vertreter eines christlichen Konservativismus, der ihn motivierte Genossenschaftsmodelle zur Lösung der Wohnungsfrage zu entwickeln. So sollten zum Beispiel durch Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentum aus "besitzlosen Arbeitern" nun "arbeitende Eigentümer" werden. Bei der Entstehung einer als gemeinnützig definierten Wohnungswirtschaft spielten allerdings nicht Baugesellschaften für Erwerbergenossenschaften sondern für Mietgenossenschaften die dominierende Rolle (12)

Entscheidend für die formale Konturierung des Genossenschaftsgedanken waren die Aktivitäten des Juristen Hermann Schulze-Delitzsch, aufgrund dessen Bemühungen 1868 das erste Genossenschaftsgesetz (nur im Norddeutschen Bund) erlassen wurde. Da die Mitglieder eines kapitalistischen Unternehmens in der Rechtsform einer Genossenschaft unbeschränkt mit ihrem Vermögen hafteten, blieb dieses Konzept ein reines Nischenprodukt bis 1889 (im Deutschen Reich) die unbeschränkte Haftpflicht durch eine beschränkte Haftpflicht ersetzt wurde. (13) Unbeschadet dessen blieb die Kapitaldecke dieser Unternehmensform weiterhin dünn, sodass man dazu überging, die Spargelder der zukünftigen Mietergenossen zu vereinnahmen und für den Wohnungsbau zu kapitalisieren. Als weiteren Schritt ersann man sich, bei Erwerbergenossenschaften das Grundstück gegen Zinszahlung zu verpachten und nur das Eigentum an den Immobilien zu verkaufen.(14)

Sicherlich auch bedingt durch die eigene, unüberwindbar erscheinende Kapitalschwäche polemisierten die Protagonisten des bürgerlichen Reformlagers beständig gegen das Massenmietshaus als "Hauptanreizmittel für die ganze Bodenspekulation".(15) So entstand der Gegenentwurf der aufgelockerten Vorstadt- und Gartensiedlung(16), der aber nur zu verwirklichen war, wenn dafür staatlicherseits entsprechende Voraussetzungen - vor allem zivil-, bau- und steuerrechtlicher Art - geschaffen wurden.

Den Abschluss der Bemühungen der herrschenden Klassen - Adel und Bourgeoisie - , den nationalstaatlichen juristischen Überbau den ökonomischen Verhältnissen der sich monopolkapitalistisch entwickelnden Gesellschaft anzupassen (17), bildete schließlich das ab 1. Januar 1900 reichsweit inkraft gesetzte Bürgerliche Gesetzbuch (BGB)(18), vorbereitet 1896 durch Art. 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch.

In seinem Vortrag "Das neue bürgerliche Recht, ein Rück- oder ein Fortschritt..."(19) vor rund 800 SPD-GenossInnen am 29.9.1900 in Dresden gehalten, bewertete Karl Liebknecht das BGB folgendermaßen:

"Über zwei Jahrzehnte ist an dem neuen Recht gearbeitet worden. Die Einheitlichkeit, die erstrebt wurde, ist jedoch trotzdem nicht zustande gekommen, wie man es hätte erwarten können....Vorausschauende Geister sind es nicht gewesen, die das neue Recht schufen, und darum ist dasselbe zu einer Festsetzung des Bestehenden geworden".

Im Hinblick auf das Erbbaurecht ist Liebknechts Einschätzung in besonderer Weise zutreffend. Im Handbuch des Erbbaurechts heißt es dazu:

"Das Erbbaurecht ist kein neues Rechtsinstitut, sondern beruht auf einer langen Entwicklung, die zumindest auf das römische Recht zurückreicht. Dieses kannte die superficies, ein dingliches Baurecht auf einem fremden Grundstück gegen Zahlung eines Entgelts (solarium). Im deutschen Recht des Mittelalters entstand die sogenannte „städtische Bauleihe" („Bodenleihe"). Dieses Rechtsinstitut hat für die Entwicklung vieler deutscher Städte eine wichtige Rolle gespielt. Gegen Zahlung eines Jahreszinses hatte der Berechtigte ein vererbliches, aber unveräußerliches dingliches Recht an der Baustelle und Nutz- bzw. Untereigentum am Bauwerk. Gegen Ende des Mittelalters wurde dieses Recht in Volleigentum umgewandelt und der Zins in eine Reallastberechtigung. Nach der Rezeption des römischen Rechts wurde die superficies in das gemeine Recht übernommen und teilweise mit Gedanken der städtischen Bodenleihe vermischt. ...

Durch die von der französischen Revolution ausgelöste Rechtsentwicklung kam es im 19. Jahrhundert zur Durchsetzung des individualistischen Eigentumsbegriffs. In dem aus damaliger Sicht verständlichen Wunsch der Loslösung des Eigentums aus zum Teil noch aus dem Mittelalter stammenden Bindungen und durch das Ziel der Abschaffung von lehensrechtlichem Ober- und Untereigentum und dergleichen, wurde nun auch das Erbbaurecht als Fremdkörper gesehen und in den Hintergrund gedrängt ....

Das Bürgerliche Gesetzbuch hat nach den Motiven hierzu das Erbbaurecht zwar wegen weiterbestehender Normierungen nicht abgeschafft. Da es aber das Erbbaurecht für praktisch unbedeutend hielt und vor allem für einen Fremdkörper in seiner Eigentumskonzeption, hat es hierzu in den §§ 1012 bis 1017 BGB nur eine höchst unvollständige Regelung getroffen." (20)

Diese "höchst unvollständige Regelung" (21) erwies sich für die Praxis einer Wohnungsreformpolitik eher hinderlich als förderlich. Clemens Zimmermann nennt in seiner Dissertation "Von der Wohnungsfrage zur Wohnungspolitik" dafür folgende Gründe (22):

1) Das Erbbaurecht verhindere keineswegs die Bodenspekulation, denn der Eigentümer könne nach Ablauf der Bindungsfristen die Wertsteigerung des Bodens doch noch realisieren, sie sei damit nur hinausgeschoben, nicht ausgeschlossen.
2. Um für den Käufer attraktiv zu sein, mußte der Erbbauzins unter dem üblichen Kapitalmarktzins liegen, was aber nicht immer zutraf.
3) Bei der Vergabe von günstigem städtischem Bauland musste die Kommune auf kurzfristige Gewinne verzichten. Dies war häufig in den Stadtverordnetenversammlungen nicht konsensfähig.
4) Nach Ablauf einer Pachtfrist von manchmal nur zwölf, in der Regel von 30 - 50 Jahren entstand das Problem der angemessenen Entschädigung des Pächters aufgrund der von ihm errichteten Immobilien.
5) Hypotheken auf Erbbaurecht waren nicht gegen Verlust geschützt d.h. sie wurden nicht als »mündelsicher« betrachtet.
6) Die Beleihbarkeit von Erbbauland war beschränkt.

Angesichts dieser Unwägbarkeiten fand das Erbbaurecht nur geringe Anwendung. Die nach dem Erbbaurecht bebaute Fläche betrug zum Beispiel in Preußen vor 1914 insgesamt nur 27 Hektar in 12 Städten (23).

Durch den Weltkrieg kam ab 1914 der Wohnungsbau nahezu völlig zum Erliegen und es zeichnete sich ab, dass es in der Nachkriegzeit zu einer immensen Wohnungsnot kommen würde. Als im Februar 1918 ein Wohnungsfehlbestand von 700.000 Einheiten geschätzt wurde(24), griff das Reichswirtschaftsamt 1918 die Anregungen der "Bodenreformer" auf, die 1912 auf dem Wiener Juristentag in Sachen Erbbaurechtsreform vorgetragen worden waren, und wähnte in der Kombination von städtischer Bodenpolitik und Erbbaurecht eine Methode zur Bekämpfung der drohenden Wohnungsnot gefunden zu haben. Am 3. Mai 1918 veröffentlichte das Ministerium "Den Entwurf eines Gesetzes über das Erbbaurecht"(25), das nun die rechtliche Dürre der geltenden Fassung des Erbbaurechts aufheben und durch eine umfassende Lösung kompatibel zum restlichen BGB-Sachen- und Schuldrecht machen sollte.

Nach Abdankung des deutschen Kaisers bildete sich in der Novemberrevolution 1918 aus rechten und linken Sozialdemokraten als Regierung der Übergangszeit ein so genannter "Rat der Volksbeauftragten". Dieser Rat war - gemessen an seinen sozialistischen Ansprüchen nur eine Art Camouflage, denn "die Führungen von MSP und Gewerkschaftsbürokratie suchten in einem Bündnis mit der etablierten Bürokratie des monarchistischen Systems, mit der Obersten Heeresleitung der geschlagenen Armee und mit den Managern der großen Konzerne, sozialistische Konsequenzen einer Revolution, die für ihre Begriffe unvermeidlich zu einem Chaos führen mußten, abzuwenden."(26)

Von daher war es auch nicht verwunderlich, dass in der brennenden Wohnungfrage nicht eine Vergesellschaftung des Wohneigentums eingeleitet wurde, sondern Lösungswege auf kapitalistischer Grundlage gesucht wurden. So kam dem Rat der Volksbeauftragten der Entwurf des kaiserlichen Reichministeriums vom Mai 1918 gerade recht und es wurden am 15. Januar 1919 die "Verordnung über das Erbbaurecht" vom Rat der Volksbeauftragten erlassen und die dazugehörigen BGB-Paragrafen (§1012-§1017) außer Kraft gesetzt.

Im Handbuch zum Erbbaurecht wird dazu rechtsgeschichtlich ausgeführt:

"Die Erbbaurechtsverordnung ist, von vergleichsweise wenigen Änderungen abgesehen, heute immer noch die gesetzliche Grundlage des Erbbaurechts. Das Wohnungseigentumsgesetz vom 15. März 1951 ermöglichte in § 30 WEG die Konstruktionsform des Wohnungs- und Teilerbbaurechts sowie die Belastbarkeit eines Erbbaurechts mit einem Dauerwohnungsrecht (§ 42 WEG). Der Gesetzestitel wurde durch Art. 25 des Gesetzes vom 29. 11. 2007 (BGB1. S. 2614) im Erbbaurechtsgesetz geändert. Mit dieser sinnvollen Klarstellung der Rechtsnatur wurde jedoch keinerlei inhaltliche Reform verbunden."(27)

Ein Nischenprodukt der kapitalistischen Boden- und Immobilienverwertung

Mit dem Artikel 155 der Weimarer Verfassung vom 11. August 1919 wurden bildlich die Leitplanken eines neuen Umgangs mit der Boden- und Wohnungsfrage verbindlich als Staatsaufgabe festgelegt:

(1) Die Verteilung und Nutzung des Bodens wird von Staats wegen in einer Weise überwacht, die Mißbrauch verhütet und dem Ziele zustrebt, jedem Deutschen eine gesunde Wohnung und allen deutschen Familien, besonders den kinderreichen, eine ihren Bedürfnissen entsprechende Wohn- und Wirtschaftsheimstätte zu sichern. Kriegsteilnehmer sind bei dem zu schaffenden Heimstättenrecht besonders zu berücksichtigen.
(2) Grundbesitz, dessen Erwerb zur Befriedigung des Wohnungsbedürfnisses, zur Förderung der Siedlung und Urbarmachung oder zur Hebung der Landwirtschaft nötig ist, kann enteignet werden. Die Fideikommisse sind aufzulösen.
[Fideikommiss: unverkäufliches, unbelastbares und nur im Ganzen vererbliches Landgut.]
(3) Die Bearbeitung und Ausnutzung des Bodens ist eine Pflicht des Grundbesitzers gegenüber der Gemeinschaft. Die Wertsteigerung des Bodens, die ohne eine Arbeits- oder Kapitalaufwendung auf das Grundstück entsteht, ist für die Gesamtheit nutzbar zu machen.
(4) Alle Bodenschätze und alle wirtschaftlich nutzbaren Naturkräfte stehen unter Aufsicht des Staates. Private Regale sind im Wege der Gesetzgebung auf den Staat zu überführen. (28)

Statt jedoch diesen Anspruch systematisch zu verwirklichen, kam es in der Zeit der Weimarer Republik - aus klassenpolitischen Bedingungen, die hier nicht weiter erörtert werden können - nur zu punktuellen Lösungsversuchen(29).

Sie begannen im Dezember 1919 mit einer Miethöchstpreisverordnung. Es folgten in den Jahren bis 1923 diverse Wohnungsbauprogramme, die bestimmten Bevölkerungsschichten vorbehalten waren: Bedienstete von Reich, Länder und Gemeinden, Kriegshinterbliebene und Kriegsgeschädigte, Bergleute und Landarbeiter. Mietwohnungsbau wurde staatlicherseits zunächst direkt gefördert, ab 1920 -1923 auf Darlehensbasis. 1924 trat an die Stelle der abgeschafften Miethöchstpreisverordnung die Hauszinssteuer, wodurch der Staat sich finanzielle Ressourcen für die Wohnungsbauförderung(30) verschaffte. Peter-Christian Witt stellt in seiner Untersuchung fest, dass zwischen 1919-1932 etwa 81% aller neu errichteten Wohnungen zu mindestens 50 % durch öffentliche Zuwendungen erstellt wurden.(31) Wegen dies Maßnahmenpatchworks kam es zu keiner befriedigenden Lösung der Wohnungsfrage. In Berlin ergab 1929 eine Zählung der Stadtregierung, dass rund 200.000 Wohnungen in Berlin fehlten.

Bezeichnenderweise spielte unter diesen Bedingungen das Erbbaurecht nur die Rolle eines Nischenprodukts, was sich in der Geschichte der Erbbauvereine Köln und Moabit widerspiegelt(32). Selbst bei den herausragenden städtebaulichen Projekten wie z.B. der Berliner Hufeisensiedlung, kauften die Projekträger - Baugesellschaften der Arbeiterorganisationen - das Grundstück von der Stadt Berlin, welche zuvor das ehemalige Rittergut 1895 erworben hatte.(33) Der Mietpreis wurde stattdessen niedrig gehalten, indem aufgrund des Einsatzes neuer Bautechnologien kostensparend gebaut wurde(34).

Bei Ulrike Haerendel erfahren wir am Beispiel von München, wie es beim Niedergang der Weimarer Republik zum Einsatz des Erbbaurechts kam, nämlich beim Kleinsiedlungsbau als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Erwerbslose.

"Die ersten Münchner Siedler mußten 1932 etwa 2000 bis 3000 Stunden Eigenleistung zum Bau der Häuser, aber auch zur Straßenherstellung und generellen Erschließung beitragen. Um eine gleichmäßige Beteiligung am "Gemeinschaftswerk" zu garantieren, wurden die Siedlerstellen erst kurz vor der Fertigstellung an ihre künftigen Besitzer verlost ...

Neben den Siedlern selbst wurden der Freiwillige Arbeitsdienst und erwerbslose Pilichtarbeiter der öffentlichen Fürsorge herangezogen. Der Verzicht auf den Einsatz professioneller Baufirmen bedeutete freilich auch einen Verzicht auf moderne Baustandards und rationalisierte Arbeitsabläufe, ganz zu schweigen von der Aushöhlung des Tariflohnsystems, die von Vertretern der SPD und KPD scharf kritisiert ...

Bei den ersten 400 Siedlerstellen, die im Jahr 1932 in München entstanden, ließen sich dadurch die Kosten tatsächlich auf die im Reichsprogramm vorgesehenen 3000 Mark pro Siedlerstelle eingrenzen - für ein einfaches Haus kalkulierte man auf dem privaten Markt damals das Drei- bis Vierfache. Die Siedlerarbeit wurde mit einem Pauschalwert von 500 Mark angesetzt - die freilich nicht ausgezahlt wurden -, 2500 Mark stellte das Reich als Darlehen für die im Erbbaurecht ausgegebenen Stellen. ...

Die Häuschen mit ihren rund 60 qm Wohnfläche verzichteten nicht nur auf jeglichen "Luxus" wie Badezimmer, den Anforderungen einer Siedlerfamilie mit meist mehreren Kindern waren sie kaum gewachsen. Eine funktionale Trennung zwischen Essen, Wohnen und Schlafen war gar nicht möglich; die Wohnküchen mußten auch für typische Anforderungen der Siedlerwirtschaft, wie die Futterzubereitung, genügen; selbst die Kleintierställe wurden zunächst unter das gleiche Dach gepackt. Zusätzlichen Platz boten nur die Gärten von 800 bis 1000 qm, aus denen die Siedlerfamilien einen Gutteil ihres Bedarfs an Hackfrüchten, Gemüse und Obst decken sollten.

Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, waren in München drei Reichskleinsiedlungen fertiggestellt worden. Sie selbst errichteten bis 1937 drei weitere solcher Siedlungen, alle auf billigem Grund im Norden der Stadt und in der Form nur wenig verändert."(35)

Im Faschismus gab es in der NSDAP sozusagen einen Kampf zweier Linien in der Wohnungsfrage(36). Der Flügel, zu dem zweitweilig auch der "Bodenreformer" und Verfasser des NSDAP-Programm (37) Gottfried Feder gehörte, favorisierte nicht nur aus ideologischen, sondern angesichts der Massenarbeitslosigkeit und der Wohnungnot aus rein pragmatischen Überlegungen den Kleinsiedlungsbau. Der andere Flügel, der den urbanen Mietgeschosswohnungsbau favorisierte, bekam nach der Ablösung von Gottfried Feder als "Reichkommissar für das deutsche Siedlungswesen" Ende 1934 langsam Oberwasser, als klar wurde, dass mit dem Kleinsiedlungsprogramm bis 1938 nur 52.000 Siedlerstellen insgesamt statt jährlich 300.000 errichtet worden waren.

Gegen Ende des Krieges wendete sich das Blatt wieder und das "Deutsche Wohnungshilfwerk" konnte mit seinem Baracken- und Behelfsbauprogramm für Bombengeschädigte(38) wieder wohnungspolitisch im Sinne des Kleinsiedlungsbaus mit kommunal kostenlos zur Verfügung gestellten Grundstücken reüssieren. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass

"...diese Fachleute nicht allein in der Behörde des Reichswohnungskommissars, sondern fast durchweg auch nach dem Krieg in den mit Wohnungsfragen befaßten zonalen Dienststellen, in der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft, als Verfasser der Standardkommentare zur Wohnungsgesetzgebung, in den Wiederaufbauministerien der Länder und ab 1949 auch im Wohnungsbauministerium des Bundes (Bedeutung) hatten."

Die Zerstörungen insbesondere der Städte machten nach dem II. Weltkrieg eine Zwangsbewirtschaft des Wohnraums und eine staatliche Wohnbauförderung unumgänglich. Während in der DDR das bürgerliche Bodenrecht sukzessive in ein sozialistisches transformiert wurde und die Kriegsfolgen bedingte Wohnraumzwangbewirtschaftung genutzt wurde, um die Wohnungswirtschaft zu vergesellschaften, stand in der BRD die Restauration der kapitalistischen Verwertungsstrukturen ganz oben auf der Agenda. Anknüpfend an den Kleinsiedlungskonzepten der vergangenen Jahrzehnte und gestützt auch Fachleute aus der Nazizeit, die ungebrochen in den Ministerien des Bundes und der Länder wohnungspolitisch unterwegs waren, engagierte sich besonders die Katholische Kirche und verlieh Grundstücke nach dem Erbbaurecht. Bis 1955 entstanden auf diese Weise in katholischer Regie 85.000 Wohnungen, davon 78 % Eigenheime und Kleinsiedlungen. In gleicher Weise engagierte sich die evangelische Kirche. Heute sind verschiedene evangelische Landeskirchen und Stiftungen sowie katholische Siedlungsdienste im deutschen Erbbaurechtsverband zusammengeschlossen(39).

Doch wie die folgenden Zahlen zeigen, blieb der Siedlungs- und Wohnungbau auf der Grundlage des Erbbaurechts in der BRD weiterhin ein marginales Projekt, trotz der relativ hohen Renditen für die Erbbaurechtsgeber (Zinssätze 3,6 -5,1%):

"Nach einer Studie der „Initiative Erbbaurecht" von Mitte 2008 bezieht sich ca. 5% der Wohnfläche in Deutschland auf Erbbaurecht und sind die durchschnittlichen Erbbauzinssätze bei Kommunen und Kirchen für Wohnen 3,6-4% und für Nicht-Wohnzwecke 5,1%. Eine Befragung bei deutschen Hypothekenbanken hat ergeben, dass dort ein Geschäftsanteil von 3% auf die Besicherung von Erbbaurechten entfällt. Diese Zahlen ergeben zwar einen insgesamt bescheidenen Anteil des Erbbaurechts an den vorhandenen Grundbuchblättern von 1,4% bis 1,7%, während der Anteil an den gesamten Wohnimmobilien deutlich höher sein dürfte, vielleicht entsprechend der Umfrage bei den Hypothekenbanken von gut 3%."(40)

Neben dem auslaufenden Trend, in suburbanen Räumen im Eigenheim zu wohnen, dürften nun im urbanen Raum folgende Gründe eine Rolle spielen, wodurch das Erbbaurecht weiterhin eine wenig gewählte Form der Immobilienkapitalverwertung bleibt:

"Nach der vorgenannten Umfrage des Deutschen Städtetags werden hier zwar im Wesentlichen die Möglichkeiten der Bodenpolitik gesehen, bilden aber seitens der Gemeinden die haushaltsrechtlichen Probleme das Haupthindernis, während bei den Bauwilligen die Finanzierungsschwierigkeiten und die Bevorzugung des Volleigentums die Haupthindernisse sind."(41 / Unterstreichungen von mir - khs))

Deshalb wurden und werden immer wieder Anstrengungen unternommen, dieses Vintage-Konzept durch neue Ideen aus der Verwertungsnische herauszuholen:

"Die Interessenlagen können hierbei die verschiedensten sein, neben den vorgenannten sozialen und bodenordnungspolitischen Zielen der öffentlichen Hand und den wirtschaftlichen Interessen sind hier steuerliche Gründe denkbar (wirtschaftliches Eigentum), Immobilien-Leasing und ganz spezielle Interessenlagen, wie z.B. Feriensiedlungen im Erbbaurecht, damit eine Nutzungsbindung ermöglicht wird, Windenergieanlagen und dergleichen. Zunehmend werden auch Immobilienfonds gegründet, in die Erbbaugrundstücke in guten Innenstaddagen eingebracht werden, zu denen hohe Erbbauzinsen an gewerblichen Erbbaurechten gehören - oft eine ertragreiche und sichere Anlageform. Kommunale Wohnbaugesellschaften können bei schwacher Kasse und einem Bestand an stark sanierungsbedürftigen Wohnhäusern entweder diese als Erbbaurecht vergeben, mit einer Verpflichtung zur Sanierung und einer Mieterbindung oder die Erbbaugrundstücke verkaufen und aus dem Kaufpreis die im Erbbaurecht zurückbehaltenen Mietshäuser sanieren, so dass sie Vermieter bleiben."(42)

Kapitalverwertung mithilfe des Erbbaurrechts heute

"Am Rentenmarkt verharrte die Umlaufrendite börsennotierter Bundeswertpapiere bei 1,29 Prozent"(43)

"Investoren können sich nach ihren eigenen Investitionskriterien ein oder mehrere Erbbaugrundstücke zusammenstellen. Der Verwaltungsaufwand ist verhältnismäßig gering und kann auf Wunsch auch an Dritte vergeben werden. Aber auch strukturierte Poolinglösungen, sogenannte Club Deals, sind denkbar. Dabei investieren mehrere Investoren in eine neu gegründete Gesellschaft, die wiederum ein Grundstücksportfolio kauft und hält. Ein Blick in die Nische „Kapitalanlagen auf Basis des Erbbaurechtes“ kann sich für Investoren mit konservativem Anlageansatz im aktuellen Zinsumfeld also lohnen." (44)

In der nun schon länger anhaltenden Niedrigzinsphase erscheint dem Kapital jede Investitionsquelle in der BRD recht, wenn sie denn nur über den Zinssätzen der Bundeswertpapiere liegt. Im Herbst 2012 erwarb die schweizer Pensionskasse "Stiftung Abendrot" das 18.000 qm große, landeseigene innerstädtische Filetgrundstück "Holzmarkt" direkt an der Spree. Ursprünglich sollte das ehemalige Gelände der Berliner Stadtreinigung 32 Millionen Euro in die leere Stadtkasse spülen. Doch: "Dem Vernehmen nach lag das Angebot der Initiative für das rund 18.000 Quadratmeter große Areal jedoch bei mehr als zehn Millionen Euro." vermeldete die "Welt"(45). In der TAZ war unlängst über den Erwerber zu lesen: "Die Stiftung Abendrot erzielte 2012 eine Gesamtrendite von 6,08 Prozent." Und der Renditeanteil der Immobilien gegenüber Aktiengeschäften läge in der Stiftung bei 3:1.(46)

Das Holzmarkt-Projekt gibt sich äußerst transparent und gewährt in seiner Hochglanzbroschüre(47) auch einen Einblick in die Kapitalverwertungsstrukturen:

Die Stiftung Abendrot teilt das Areal in vier rechtlich voneinander getrennte Grundstücke. Die "Holzmarkt plus eG" ist von der Stiftung mit der langfristigen Wahrung des Quartiercharakters beauftragt und benennt zugleich die jeweiligen Erbbaurechtsnehmer.

Die Holzmarkt plus eG nimmt ihre Verantwortung als Quartiermanager zum Einen über zivilrechtliche Verträge mit den Erbbaurechtsgesellschaften und Betreibern des Eckwerks und des Hotels wahr. Zum Anderen ist sie gemeinsam mit der "Genossenschaft für urbane Kreativität" direkt an der "Erbbaurechtsgesellschaft Holzmarkt", der Holzmarkt Betriebs GmbH", beteiligt.

Die Holzmarkt Betriebs GmbH wird ausschließlich als Bauherr und Verpächter des Holzmarkts, also des Grundstücks zwischen Bahntrasse und Hotel aktiv. Sie schließt Pachtverträge mit Nutzern und Gewerbetreibenden, in denen die Grundsätze des Quartiers festgeschrieben sind.

Pachtmodelle

"Dorf-Genosse"

unbefristeter Mietvertrag

Mieter bilden den infrastrukturellen Kern des Dorfes

Beitritt in die GuK (Genossenschaft für urbane Kreativität) als Kondition des Mietvertrags

"Kreativer Ansiedler"

Mietvertrag 5 – 10 Jahre

Beitritt in GuK erwünscht, aber keine Bedingung

"Ausprobierer"

Nutzung auf Zeit (kann zu normalen Konditionen verlängert werden)

jährliche Auswahl durch ein noch zu bildendes Gremium

Genossenschaft für urbane Kreativität ist die federführende Genossenschaft im Genossenschaftsverbund "Holzmarkt eG", die das Erbbaurecht an den vier Abendrot-Grundstücken erworben hat.

Die Gewobag soll laut Berliner Zeitung vom 28.4.2014 als weiterer Erbbaurechtsnehmer 400 Wohnungen errichten. Hier ist eine Kumulierung von Erbbaurechten denkbar.

Hinter diesem kafkaesken Gewirr verbirgt sich charmant eine erbbaurechtliche Kapitalverwertungsstruktur. Daher wäre zunächst festzuhalten, dass die Stiftung Abendrot für die Vergabe des Erbbaurechts einen Erbbauzins erhält, der mit Sicherheit ihrer bisherigen Gesamtrendite und ihren Stiftungsverpflichtung gegenüber ihren Pensionskassenkunden entspricht - also irgendwo bei vier Prozent liegt, wenn man nämlich netterweise unproduktive Kosten und Steuern pauschal von der oben erwähnten Gesamtrendite von 6,08 % in Abzug bringt. Da sich nach dem Erbbaurechtsgesetz(48) der Zins auf den Kaufpreis des Grundstücks (der den Verkehrswert in etwa widerspiegelt) zu beziehen hat, läge der Gewinn der Stiftung derzeit bei jährlich 400.000 Euro.

Um zukünftige Risiken - z.B. inflationäre Tendenzen - auszuschalten, enthält jeder Erbbaurechtsvertrag grundsätzlich eine Wertsicherungsregelung - kurzum eine Anpassung der Verzinsung nach oben durch Bezugnahme auf bestimmte variable Indices wie z.B. Rentenindex, Beamtengehälter usw. Darüberhinaus ermöglicht die Zerlegung des Grundstücks in vier Erbbau-Grundstücke der Stiftung Abendrot die Verzinsung - sprich die Kapitalverwertung - den jeweiligen Nutzern flexibel anzupassen. Was diese wiederum wenig tangieren wird, da sie ihre jeweilige Erbbaurechtszinsbelastung an ihre Kundschaft ("Dorf-Genosse" bis "Ausprobierer") als Teil von deren Pacht/Miete (Gewobag-Mieter) weitergeben.

Auch sollten sich LeserInnen nicht davon täuschen lassen, dass es abgeblich im § 9a des Erbbaurechtsgesetzes (ErbbauRG) eine Art Sozialbindung gibt, die vor Spekulation mit dem Erbbaurecht schützt. Entsprechende BGH-Urteile weisen genau in die andere Richtung.(49)

Die Besonderheit des Erbbaurechts gegenüber anderen Formen von Leihkapital in Warenform besteht darin, dass nach Ablauf des Vertrages die auf dem Grundstück errichteten Immobilien sowohl darauf als auch darunter (z.B. Kanalisation) in das Eigentum des Erbbaurechtgebers übergehen. Dies kann entschädigungslos erfolgen oder vertraglich so geregelt sein, dass der Erbbaurechtsnehmer den Zeitwert erhält. Um diese hier zunächst nur skizzierten Zusammenhänge in ihrer grundsätzlichen Bedeutung für die Kapitalverwertung mittels Erbbaurecht besser zu verstehen, soll abschließend noch ein systematischer Blick ins Erbbaurecht geworfen werden.

Für das grundsätzliche Verständnis des Erbbaurechts - umgangssprachlich "Erbpacht" - ist es erhellend, wenn man sich das Erbbaurecht als ein eigenes Grundstück vorstellt, das bildlich gesprochen über dem realexistierenden Grundstück „schwebt". Auf diesem „fiktiven" Grundstück steht das Gebäude des Eigentümers des Erbbaurechts. Er ist also der Erbbaunehmer, während der Grundstückeigentümer in diesem Leihgeschäft (Ware / Grundstück verliehen auf Zeit gegen Geld / Zinszahlung) der Erbbaurechtsgeber ist.

Juristisch gesprochen ist das Erbbaurecht zum einen ein "dingliches Recht" an dem Grundstück des Erbbaurechtgebers. Andererseits wird damit das allgemein geltende BGB-Recht, dass Grundstück und Bauwerk normalerweise eine Einheit bilden, durchbrochen, indem das Bauwerk nun eine Einheit mit dem "fiktiven" Grundstück bildet. Es wird also nicht nur das Eigentum am Gebäude abgetrennt, sondern im Regelfall auch die gesamte faktische Benutzung des realexistierenden Grundstücks. D.h. für den Erbbaurechtsnehmer / Erbbauberechtigten, dass er grundsätzlich alle einem "normalen" Eigentümer zustehenden Befugnisse daran hat: Das Recht zum Bauen, Benutzen, Ändern, Abbrechen und Erneuern. Diese Rechte gelten bis zum Ende des erbaurechtlichen Vertrages, dessen Laufzeit - wenn darauf Bauwerke errichtet werden - im allgemeinen bis zu 100 Jahren laufen kann.

Das fiktive Grundstück wird folglich katastermäßig wie ein realexistierendes Grundstück behandelt und bekommt ein eigenes Grundbuch, worin Hypothen und/oder Belastungen/Dienstbarkeiten eingetragen und gesichert werden können. Im Grundbuch des realexistierenden Grundstücks, wird wiederum das Erbbaurechtsgrundstück als Belastung eingetragen. (50)

Bisweilen ist es auch üblich, dass an einem bebauten Grundstück ein Erbbaurecht eingeräumt wird, dann geht mit der Einräumung des Erbbaurechts auch das zivilrechtliche und das wirtschaftliche Eigentum an dem Gebäude für die Dauer das Vertrages auch auf den Erbbauberechtigten über.

Erbbaurechtsgeber verbleibt bis zur Beendigung des Erbbaurechtsvertrages nur die wirtschaftliche Nutzung der verliehenen Ware nämlich durch die vereinbarten geldlichen Gegenleistungen - in der Regel durch den Erbbauzins. Unberührt von diesem Rechtsverhältnis bleibt ihm das Recht zur Veräußerung und Belastung des realexistierenden Grundstücks, beides jedoch durch den Wert des Erbbaurechts sowie durch vertragliche Rechte gegenüber dem Erbbauberechtigten eingeschränkt.

"Das Erbbaurecht ist also weder lediglich ein Benutzungsrecht oder nur ein beschränktes dingliches Recht, noch entsteht ein geteiltes Eigentum oder Miteigentum zwischen Grundstückseigentümer und Erbbauberechtigtem. Vielmehr werden wesentliche Inhalte des Grundstückseigentums von diesem getrennt und in einem grundstücksgleichen Recht verselbständigt, das übertragbar und belastbar ist und dessen untrennbarer Bestandteil das Bauwerkseigentum ist. Daraus ergibt sich die Doppelnatur des Erbbaurechts: Recht am Grundstück verbunden mit Eigentum am Bauwerk."(51)

Auch kann der Erbbauberechtigte ein ökonomisches Interesse daran haben, sein Erbbaurecht aufzuteilen, z.B. wenn sich das Erbbaurecht auf mehrere vorhandene Bauwerke oder Grundstück bezieht oder der Erbbauberechtigte ein Gebäude mit mehreren selbständigen abgeschlossenen Wohnungen hat, dann kann er ein Teilerbbaurecht oder Untererbbaurecht bilden und verkaufen, vorausgesetzt der Haupterbbaurechtsvertrag lässt diese rechtliche Variante zu.

"Praktisch kann sich ergeben, dass die hier behandelten Gestaltungsformen kumuliert werden, so im Extremfall zB die Bildung von Wohnungs-/Teilerbbaurecht an einem Untererbaurecht, welches wieder an einem Gesamterbbaurecht lastet, das wieder einem der Grundstückseigentümer gehört (teilweises Eigentümer-Gesamterbbaurecht). Schon diese Übersicht der faktischen Probleme zeigt, dass sich hier eine Reihe von Zulässigkeits- und Rechtswirkungsproblemen ergeben müssen. Zum Verständnis der konstruktiven Unterschiede wird folgende schematische Darstellung beigefügt:"(52)

Die eingangs zitierte „Entwicklungsgenossenschaft Tempelhofer Feld“ will den Wohnungsbau auf dem Tempelhofer Feld mithilfe einer derartig bürokratisch verschachtelten Struktur auf den Weg bringen und dabei möglichst die Funktion des "Treuhänders" innehaben.

"Das Land Berlin bedient sich bei der Vergabe der Erbbaurechte eines Treuhänders, der die Mitwirkung der jetzigen und zukünftigen Nutzer sowie die Beziehungen untereinander ordnet und sicherstellt .... Das übertragene Gesamtgrundstück wird im Laufe des partizipativen Planungs- und Entwicklungsprozesses entsprechend den zukünftigen Nutzungen in Projekt optimierte Teile („Baugrundstücke“ für Teilprojekte) gegliedert, um diese dann in transparenten, dialogischen Verhandlungsverfahren mittels Erbbaurecht an Projektträger zu vergeben ... Der Betrieb des Treuhänders wird nach Vergabe der Erbbaurechte an Projektträger aus dem Erbbauzins finanziert. Überschüsse sind zu noch festzulegenden Anteilen in einen Stadtteilfonds einzubringen sowie an das Land Berlin abzuführen."(53)

Mit Beendigung des Erbbaurechts geht das "fiktive" Grundstück unter und das Eigentum an dem Bauwerk von dem Erbbauberechtigten auf den Erbbaurechtsgeber über, indem es nun rechtlich Teil des existierenden Grundstücks wird. Soll der Eigentümer des realexistierenden Grundstücks am Ende des Vertrages nun eine Entschädigung an den Erbbauberechtigten (z.B. auf den Restwert des Bauwerks) leisten, dann muss diese Zahlungsverpflichtung zuvor im Erbbaurechtsvertrag geregelt worden sein.

Aus den bisherigen Darlegungen ergibt sich, dass Erbbaurechtsverträge komplizierter sind als „normale" Grundstückskaufverträge. Während Grundstückskaufverträge (nur) der vertraglichen Fixierung und Abwicklung eines (einmaligen) Veräußerungsgeschäftes dienen, enthält ein Vertrag über die Bestellung eines Erbbaurechts einerseits diesen Veräußerungsvorgang, andererseits ähnlich einem Pachtvertrag die Rechtsbeziehungen der Vertragspartner für die gesamte Laufzeit des Erbbaurechts und weitere Bestimmungen für den Fall der (vorzeitigen) Beendigung des Erbbaurechtes. Im folgenden soll die kursorische Aufzählung von den üblichen Vertragspunkten dies in Ansätzen(54) verdeutlichen:

Sachverhalt und Grundbuchstand
Im Rahmen der Bestellung des Vertrages ist klar zu bezeichnen, ob das Erbbaurecht sich auf das ganze Grundstück oder nur Teile davon bezieht.

Nutzungsvereinbarungen
Hier wird z.B. geregelt, wie das zu errichtende Gebäude (wirtschaftlich) genutzt wird.

Dauer des Erbbrechts
Für die Errichtung von Gebäuden bietet sich eine Laufzeit von 75-100 Jahren an. Werden Gebäude mit übernommen und nicht errichtet, kann die Laufzeit erheblich kürzer sein. Sie kann auch kürzer sein, wenn ein Rückkauf vereinbart wird.

Instandhaltungsverpflichtung / Versicherungen
Nicht nur das zu errichtende Gebäude sondern auch das Grundstück ist entsprechend zu pflegen und zu versichern.

Lastentragung / Erschließung
Als wirtschaftlicher Eigentümer entfallen alle auf das Grundstück bezogenen Steuern, Abgaben und Lasten auf den Erbbaurechtsnehmer.

Zustimmungen
Hier kann festgelegt werden, welche Rechtshandlungen nur mit Zustimmung des Erbbaurechtsgebers zulässig sind, so z.B. Veräußerung oder Belastung mit Hypotheken.

Der "Heimfall"
Bei Verstoß gegen vertragliche Bestimmungen (z.B. Art des Bauwerks, Instandhaltung, Versicherung, Nichtzahlung des Erbbauzinses, Insolvenz) kann der Erbbaurechtsgeber die Rückübertragung des Erbbaurechts auf ihn verlangen, was der Insbesitznahme des Bauwerks gleichkommt. Daher wird oft die Regelung der Feststellung des Gebäudewerts in den Vertrag mit aufgenommen.

Vorrecht auf "Erneuerung"
Mit der "Erneuerung" wird dem Erbbaurechtnehmer die Bitte eingeräumt, den Vertrag nach Ablauf fortsetzen zu können. Die Erneuerungmöglichkeit entsteht nur, wenn der Grundstückeigentümer das Grundstück erneut "verpachten" will.

Der Erbbauzins
"Der Erbbauzins ist das laufende Entgelt, das der Erbbauberechtigte dem Grundstückseigentümer dafür zu bezahlen hat, dass er den Grund und Boden für lange Zeit zur Nutzung überlassen erhält. Der Erbbauzins kann als Äquivalent zu einem Kaufpreis, der durch Ratenzahlung erbracht wird, betrachtet werden, wobei der Unterschied zum Ratenkauf darin besteht, dass das Eigentum beim Kaufvertrag dem Käufer verbleibt, beim Erbbaurechtsvertrag nach Ablauf der Laufzeit des Erbbaurechts auch bezüglich des Gebäudes wieder an den Grundstückseigentümer zurückfällt. Die Höhe des Erbbauzinses unterliegt wie der Kaufpreis über ein Grundstück der freien Vereinbaruno der Vertragsteile. Insbesondere setzt das Gesetz hier auch keine Grenzen nach oben oder nach unten. Oft wird die Höhe des anfänglichen Erbbauzinses nach einem Prozentsatz (z.B. 4 %) des Verkehrswertes des Grundstücks bemessen. Maßgeblich bleibt aber immer der Einzelfall bzw. der Grad der jeweiligen Nutzungsmöglichkeit für den Erbbauberechtigten und die Marktverhältnisse vor Ort. Wegen der langen Laufzeit von Erbbaurechtsverträgen ist es nicht angemessen, für die gesamte Vertragsdauer einen Festbetrag für den Erbbauzins zu vereinbaren. Das Risiko einer Geldentwertung wird daher in nahezu allen Erbbaurechtsverträgen durch die Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel ausgeschlossen. Dann ändert sich der Erbbauzins z.B. in dem Verhältnis nach oben bzw. nach unten, in dem sich der Preisindex für die Gesamtlebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland verändert."(55)

Wie sich aus obigem bereits schon unschwer erkennen ließ, ist das Erbbaurecht ein Modell zur Kapitalisierung des Bodens, mit dem Ziel der Zuführung des dadurch kassierten Zinses in andere kapitalistische Verwertungskanäle. Aufgrund des Doppelcharakters der erbbaurechtlichen Geschäftsbeziehung müssen wir allerdings unterscheiden zwischen denen, die als "Pächter" das "fiktive" Grundstück für ihre Zwecke kapitalistisch nutzen und denen, für die ihr Grundbesitz dazu dient, durch Verleihen des Bodens eine "Grundrente" zu realisieren.

Der kapitalistische Eigentümer eines Grundstücks kennt aufgrund seiner Markterfahrung und der Höhe seiner Grundsteuer(56) ziemlich genau den Preis seines Bodens. Dabei ist jedoch zu beachten, dass wie Marx zutreffend ausführt (siehe oben) die Rente für den Grundstückeigentümer kein Ergebnis von Arbeit ist, sondern sich aus dem Bodenbesitzmonopol ableitet. Andererseits ist die Rente, da sie ein Gewinn aus Verpachtung darstellt, in ihrer Höhe sowohl von der möglichst optimalen Nutzung des Grundstücks als auch vom realisierten Mehrwert anhängig, der mithilfe menschlicher Arbeitskraft und unter Verwendung der Naturkraft des Bodens erzeugt wurde.

Mit Blick auf die Mehrwertrealisierung gelangen wir zur Sphäre der Konkurrenz, wo es aufgrund dieses privaten Besitzverhältnisses nun möglich ist, dem gesamtgesellschaftlichen Wirtschaftskreislauf mittels des Pachtzinses Geld zu entziehen, dessen Gegenwert zuvor in der produktiven Sphäre durch die lohnarbeitende Klasse geschaffen wurde. Schließlich sichert sich durch die erbbaurechtsübliche "Wertsicherungklausel" der Erbbaurechtsgeber während der gesamten Laufzeit der Verpachtung durch eine reziprok steigende Zinssumme den proportional gleichen (d.h. bezogen auf den Beginn der Verpachtung) Anteil an dem ständig durch menschliche Arbeitskraft gesteigerten gesellschaftlichen Reichtum.

Der sich daraus ergebende Bodenpreis wird aber auch durch die Nachfrage und dem Vorhandensein anderer angebotener Grundstücke beeinflusst. Hier beginnt gleichsam das Reich der Spekulation. Und dies betrifft nicht nur den Handel mit Grundstücken, sondern wie im Erbbaurechtsmodell ganz klassisch auch das Verpachten.

Auf der Website mit dem bezeichnenden Namen "Hedgework" lesen wir dazu:

"Aus Kapitalanlagegesichtspunkten ist – für sich betrachtet – das Grundstück im Gegensatz zu den Gebäuden die werthaltigere Investition. Denn die klassischen Immobilienrisiken wie das Mietausfallrisiko sowie die Modernisierungs- und Instandhaltungskosten betreffen ausschließlich die Gebäude, nicht das Grundstück. Letzten Endes ist es immer das Grundstück, das den Wert einer Immobilie nicht nur hält, sondern über die Zeit auch steigert – im Durchschnitt 6,4% pro Jahr."(57)

Und weil - vor allem - städtische Grundstücke rar sind, mit denen spekuliert werden kann, empfiehlt "Hedgework":

"Daher generieren Spezialisten dieses Asset selbst, indem sie Vollimmobilien in Grundstück und Gebäude aufspalten und getrennt vermarkten. Die DGR-Deutsche Grundstücksverwaltungs GmbH räumt dem Erbbauberechtigten auf Wunsch das vertragliche Recht ein, dass das Grundstück nach einer fest definierten Laufzeit zu einem fest definierten Preis zurückgekauft werden kann; etwa wenn der Eigentümer der Gebäude das Objekt nach 10 Jahren als Vollimmobilie wieder veräußern möchte. Erbbaugrundstücke als Kapitalanlage müssen bestimmte Investitionskriterien erfüllen: Die Werthaltigkeit der Aufbauten auf dem Grundstück muss in einem vernünftigen Verhältnis zum aktuellen oder möglichen Mietertrag und dem Jahreserbbauzins stehen. Im aktuellen Zinsumfeld bieten Grundstücksinvestitionen dieser Art stabile Cashflows und attraktive Renditen von rund 4 bis 4,5% pro Jahr. Stresstests zeigen, dass eine Erbbaugrundstücksinvestition selbst unter Worst-Case-Szenarien (Grundstückswert nach 30 Jahren: 0,00 Euro) noch rund 3% Rendite erwirtschaften."(58)

Es bedarf wohl hier im behandelten Kontext keiner tiefergehenden Ausführungen darüber, wie eine auf diesem Weg erzielte Rendite erneut der Kapitalverwertung zugeführt werden kann. Denn entweder verlässt dieses durch Zinsen generierte Kapital seine Sphäre und wird im produktiven Bereich investiert, um direkt an dem von den LohnarbeiterInnen geschaffenen Mehrwert teilzuhaben oder es verbleibt weiterhin als Zins heckendes Kapital im Reproduktionsbereich. Zum Beispiel wenn es - wie von "Hedgework" vorgeschlagen - Teil eines Fonds wird, um sich dort durch Ausgabe von zinsabwerfenden Anteilscheinen in fiktives Kapital zu transformieren.

Wenden wir uns nun den "PächterInnen" zu: Diese können Terraingesellschaften sein, die ihrerseits das Grundstück zur Bebauung vorbereiten und dann weiter verpachten. Sie greifen sozusagen einen Teil der Grundrente ab, bevor sie den Rest an den Erbbaurechtsgeber weiterreichen. Es können aber auch "industrielle" Kapitalisten sein, die auf dem Grundstück Betriebsstätten errichten, um dort LohnarbeiterInnen auszubeuten. Sie müssen sich ebenso ihre Rendite mit dem Erbbaurechtsgeber teilen, d.h. gemäß Erbbaurechtsvertrag einen Zins zahlen, den sie ihrerseits aus dem Profit abzweigen. Dieser Profitverlust kann steuerlich kompensiert werden. Zum einen dadurch, dass das Anlagevermögen des "industriellen" Kapitalisten kleiner ist, als wenn er selber der Eigentümer des realexistierenden Grundstücks wäre. Zum andern gelten seine "Pachtzinsen" als Aufwand und werden vor Steuer vom Umsatz abgezogen.

Während die LohnarbeiterInnen gesamtgesellschaftlich betrachtet den Profit mit dem Boden erarbeiten, werden sie als als einzelne MieterInnen erneut zu Kasse gebeten. Im "normalen" Mietwohnungsbau, wo das Vintage-Pacht-Modell der Eigentumstrennung verflossener Jahrhunderte nicht angewendet wird, deckt der Mietzins die Verzinsung des Fremd- und Eigenkapitals. Im Laufe der Jahrzehnte haben die MieterInnen mit ihren Zahlungen das Verhältnis zwischen Fremd- und Eigenkapitals mittels dieser Tilgungen zugunsten des Eigenkapitals des Immobilienkapitalisten verändert. Das hat allerdings zu keiner Mietsenkung geführt, sondern nur die Rendite des Vermieters gesteigert und im besten Fall kontinuierliche Mieterhöhungen gedämpft, also Mieterhöhungen die nicht aus wertschöpfenden Arbeitsleistungen resultieren.

Ganz anders im Erbbau. Hier ist von vornherein klar, dass der Zins für das Erbbaugrundstück, der durch den Mietzins gedeckt ist, beständig steigt. Die Höhe ergibt sich aus den konkreten Vertragsbedingungen für die jeweilige Wertsicherungsklausel und aus den sonstigen Verpflichtungen, die der Vermieter als Erbbaurechtsnehmer zur Instandhaltung (auf der "Höhe der Zeit") und Pflege der Pachtsache eingegangen ist. Letzteres meint Wertsteigerungen aufgrund menschlicher Arbeit (z.B. sog. Modernisierungen vom Kabelfernsehen bis zur energetischen Sanierung), die nun ihrerseits per Miete zu bezahlen sind. Hier kann der Vermieter als "Pächter" nicht mehr den Zeitpunkt der Maßnahme frei bestimmen oder sie ganz unterlassen, sondern wird durch den Erbbaurechtsvertrag gezwungen, Kapital zu investieren, welches in seiner stofflichen Form später in den Besitz des Erbbaurechtgebers fällt.

Von daher stehen Kapitalisten und Grundeigentümer in einem unauflöslich erscheinenden Interessengegensatz, den der einzelne Kapitalist zu überwinden sucht, indem er selber Bodeneigentümer wird. Die andere Alternative, welches die Einheit Bourgeoisklasse in dieser Frage voraussetzt, wäre die Verstaatlichung des Bodens, um ihn sich dann (möglichst kostenlos z.B. durch Abzug vom Umsatz vor Steuer) vom bürgerlichen Klassenstaat zu leihen. Karl Marx beschreibt diesen Zusammenhang folgendermaßen:

"Die kapitalistische Produktionsweise vorausgesetzt, ist der Kapitalist nicht nur ein notwendiger Funktionär, sondern der herrschende Funktionär der Produktion. Dagegen ist der Grundeigentümer in dieser Produktionsweise ganz überflüssig. Alles was für sie nötig ist, ist, daß der Grund und Boden nicht common property ist, daß er der Arbeiterklasse als ihr nicht gehörige Produktionsbedingung gegenübersteht, und dieser Zweck wird vollständig erreicht, wenn er Staatseigentum wird, der Staat also die Grundrente bezieht. Der Grundeigentümer, ein so wesentlicher Funktionär der Produktion in der antiken und mittelaltrigen Welt, ist in der industriellen a useless superfetation. Der radikale Bourgeois (besides with an eye to the suppression of all other taxes) geht daher theoretisch zur Leugnung des privaten Grundeigentums fort, das er in der Form des Staatseigentums zum common property der Bourgeoisklasse, des Kapitals, machen möchte. In der Praxis fehlt jedoch die Courage, da der Angriff auf eine Eigentumsform - eine Form des Privateigentums an Arbeitsbedingungen - sehr bedenklich für die andre Form würde. Außerdem hat der Bourgeois sich selbst territorialisiert." (MEW 26.2/ 38f)

Der zu Beginn des Textes erwähnte Personkreis zeichnet sich in der Erbbaurechtsfrage besonders dadurch aus, dass er glaubt oder Glauben machen will, dass, wenn der Staat (wie z.B. beim Tempelhofer Feld) oder gemeinnützige Stiftungen (wie z.B. beim "Holzmarkt" eine schweizer Pensionskasse) als Erbbaurechtsgeber auftreten, der Spekulation ein Riegel vorgeschoben wäre.

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass jede "auf Gewinnerzielung aus Preisveränderungen gerichtete Geschäftstätigkeit" (59) als Spekulation gilt, während in Abgrenzung dazu durch eine anklagende Bodenreformer-Rhetorik die Geschäftstätigkeit mit Grundstücken als eine schlimme Variante der Profitmacherei erscheint. Im Sinne von Marx nehmen diese Leute aber nur eine besonders radikale Kapitalisten-Position in der Bodenfrage ein, damit der Kapitalismus "ehrlicher" funktioniert.

Nach Informationen des Vereins "Demokratische Initative 100% Tempelhofer Feld" sollen die Grundstücke für rund 130 Mio. Euro verkauft werden, und die Vorbereitung und Erschließung der Baufelder würde über 400 Mio. Euro kosten (60). Nach der Erschließung durch die mehrwertschaffende Lohnarbeit hätte das Grundstück, das gemäß unserer "Erbpacht"-ProtagonistInnen durch den Staat verliehen werden soll, einen Wert von 530 Mio. Euro. Der übliche Erbbauzins von 4 % bezogen auf den (Verkehrs-)Wert eines Grundstücks brächte nun dem Land Berlin eine jährliche Einnahme von 21.200.000 Euro ein. Und wenn wie angekündigt auf dieser Fläche 4.700 Wohnungen(61) errichtet werden sollten, dann wäre jede Wohnung im Durchschnitt jährlich mit Erbbauzinsen in Höhe von 4.510 Euro belastet. Und diese Zinshöhe würde aufgrund der Wertsicherung sukzessive steigen.

Würde der Boden vom Land Berlin verkauft und von den Käufern durch Kredite finanziert, wären dies bei gleicher Zinshöhe auch 4.510 Euro. Jedoch würden in die Landeskasse sofort 530 Millionen Euro fließen, wenn beim Verkauf das Land die Erschließungskosten an die Immobilienkapitalisten weitergäbe. Dies ist jedoch nicht geplant. Damit entstünde zwar ein Minus für die Steuerkasse von rund 270 Mio. Euro, aber der durch den Mietzins zu tilgende Betrag würde bei 4% die monatliche Miete "nur noch" mit 1.106 Euro belasten. Da es sich bei den Investoren um stadteigene Wohnungsbaugesellschaften handelt, wäre das Veräußerungsminus jedoch dadurch haushaltsrechtlich kompensiert.

Ganz gleich wie man die Sache rechnet, für die zukünftigen MieterInnen bleibt es wahrscheinlich egal, ob der Mietzins durch den Vermieter zur Tilgung von Bankkrediten oder zur Bedienung von Erbbaurechtszinsen verwendet werden muss. Jedenfalls handelt es sich im genuinen Wortsinne in beiden Fällen um "Spekulation". Einmal mit größerem - einmal mit (erheblich) kleinerem Ergebnis.

Allerdings darf nicht aus den Augen verloren werden, dass im Durchschnitt der Verkehrswert einer städtischen Immobilie – und damit der Preis der Miete - nur maximal zu 10% vom Bodenpreis gebildet wird(62). "Bezahlbare" Mieten wären daher auf kapitalistischer Grundlage nur zu erzielen, wenn im Hinblick auf die Bauweise und Ausstattung geringerwertigere Wohnungen errichtet würden - eine traurige Perspektive!

Kurzum: Die Lösung der Wohnungsfrage liegt jenseits des Kapitalismus.

Anmerkungen
1) http://www.stiftung-trias.de/berlin_exrotaprint.html

2) Initiative Stadt Neudenken, Haben und Brauchen, ExRotaprint, Kotti & Co, Think Berl!n, Team Eleven, Studentendorf Schlachtensee, open berlin, Stiftung trias, Prinzessinnengarten / Quelle: http://www.archplus.net

3) Gerhard Wehr, Rudolf Steiner - Wirklichkeit, Erkenntnis und Kulturimpuls, Freiburg im Breisgau 1982, insbesondere S. 128-159

4) http://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_Damaschke

5) Tilmann Harlander, Kleinsiedlungspolitik zwischen 1930 und 1950, in: Günther Schulz (Hg.), Wohnungspolitik im Sozialstaat, Düsseldorf 1993, S. 123-139

6) Entwicklungsgenossenschaft Tempelhofer Feld eG (EGTeG) / Prospekt S. 4

7) Unter "Bauernlegen" wird hier die Schaffung des doppelt freien Lohnarbeiters durch das Vertreiben der feudalabhängigen Bauern von ihren Produktionsmitteln verstanden, wie dies Karl Marx exemplarisch anhand der sogenannten (englischen) ursprünglichen Akkumulation im ersten Band des Kapitals herausarbeitet (MEW 23 / 24. Kapitel). Die Ausgangsbedingungen für das "Bauernlegen" waren in Deutschland geprägt von zwei unterschiedlichen Agrarverfassungen. Im Westen war die Agrarverfassung "grundherrschaftlich", während sie im Osten (Preußen) "gutsherrschaftlich" war, d.h. die Form der Subsumtion der bäuerlichen Arbeitskraft unter die Herrschaft des Feudalherrn unterschied sich z.B. in dem Punkt, dass die Bauern im Westen grundherrschaftlich dem Landesherrn und nicht wie im Osten direkt dem Adligen vor Ort unterworfen waren. Siehe dazu: Josef Kulischer, Allgemeine Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters und der Neuzeit, Band II, München und Berlin 1929, 6. und 27. Kapitel

8) Klaus Schmidt, Grundherrschaftlich und gutswirtschaftlich verfasste Agrarverhältnisse in
der Mark Brandenburg, in: derselbe, Gutachten, für die Enquetekommission 5/1, 2012, S. 12

9) Galli, Haas, Rabatsch (Hg.), Rund um Riehmers Hofgarten, Bremen 1987, insbesondere S.8-21

10) D.h. nicht, dass es in der Frage des Wohnens keine Klassenauseinandersetzungen gab. Aber es waren nur punktuelle Abwehrkämpfe gegen die maßlose Wohnungsnot. Siehe z.B. "Wohnungsrevolte in Berlin 1872". Nach den Sozialistengesetzen bestand der sozialdemokratische Mainstream in der Wohnungsfrage zunächst darin, dass die Lösung der Wohnungsfrage auf kapitalistischer Grundlage als nicht möglich angesehen wurde. Erst ab der Jahrhundertwende entfalteten sich in der SPD sozialreformistische Vorstellungen. Nun galt: "Im Mittelpunkt stand das Verlangen, die öffentliche Hand, vor allem die Gemeinde, möge den Wohnungsbau fördern und eine aktive Boden- und Grundstückspolitik betreiben." ( Adelheid von Saldern, Sozialdemokratie und kommunale Wohnungsbaupolitik in den 20er Jahren am Beispiel von Hamburg und Wien)

11) siehe dazu: http://www.huberverein.de; Klaus Novy, Die veralltäglichte Utopie, in: Karl Schwarz (Hg.) Die Zukunft der Metropolen, Westberlin 1984, S.385-394; Novy weist in seiner kurzen Geschichte der Berliner Baugenossenschaften daraufhin, das die Wurzel der Bewegung bei Kapitalgebern lag, die "sich auf eine beschränkte Rendite einließen, nicht jedoch auf die Preisgabe der Verfügungsrechte".(S.387)

12) siehe dazu: http://www.holzmindener-baugenossenschaft.de/geschichtl.htm

13) siehe dazu: http://www.wgaufbau-dresden.de/fileadmin/user_upload/wgadresden/Entstehung-Genossenschaften.pdf

14) ebd.

15) Clemens Zimmermann, Von der Wohnungsfrage zur Wohnungspolitik. Die Reformbewegung in Deutschland 1845–1914, Göttingen 1991, siehe dazu S. 135

16) ebd. S. 136

17) Vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs herrschte auf dem Gebiet des 1871 gegründeten Deutschen Reichs Rechtszersplitterung, es galt u. a. Gemeines Recht, das Preußische Allgemeine Landrecht (ALR) von 1794, der Code Civil von 1804, Badisches Recht von 1810, der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756, das Jütische Recht von 1241, der Sachsenspiegel bzw. das gemeine Sachsenrecht und das Sächsische BGB von 1865. Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Bürgerliches_Gesetzbuch

18) http://de.wikisource.org/wiki/Bürgerliches_Gesetzbuch

19) Karl Liebknecht, Gesammelte Werke und Schriften, Berlin 1958, Band I, S. 3ff

20) Helmut Freiherr von Oefele, Karl Winkler, Handbuch des Erbbaurechts, 5. Auflage, München 2012, S. 13f

21) siehe: BGB in der Fassung von 1896 (1900) §1012-1017

22) Clemens Zimmermann, Von der Wohnungsfrage zur Wohnungspolitik, a.a.O., S.171f

23) Clemens Zimmermann, Von der Wohnungsfrage zur Wohnungspolitik, a.a.O., S.171, damit konnten die Städte Wohnraum schaffen, der bis zu 25 % unter der Vergleichsmiete lag, so dass sich diese Art von Wohnraum als lohndämpfend erwies.

24) Peter-Christian Witt, Inflation, Inflation, Wohnungszwangswirtschaft und Hauszinssteuer. Zur Regelung von Wohnungsbau und Wohnungsmarkt in der Weimarer Republik, in: Niethammer, L. (Hrsg.), 1979. Wohnen im Wandel. Wuppertal 1979, S. 392

25) Deutsche Juristen-Zeitung. Jg. 23, 1918, S. 477ff, Der Entwurf eines Reichsgesetzes über das Erbbaurecht, Digitale Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Europäische Rechtsgeschichte

26) Wolfgang Abendroth, Sozialgeschichte der europäischen Arbeiterbewegung, Frankfurt/M. 1965, S.89; mit "MSP" sind die rechten Sozialdemokraten der SPD gemeint.

27) Helmut Freiherr von Oefele, Karl Winkler, Handbuch des Erbbaurechts, a.a.O, S. 14f

28) zitiert nach: http://www.documentarchiv.de/wr/wrv.html, im Gegensatz zur Weimarer Verfassung gibt es im Grundgesetz bezeichnender Weise kein Grundrecht auf Wohnen, stattdessen wurde es in die Länderverfassungen als unverbindliche Lightversion abgedrängt, so z.B. in der Berlin: "Jeder Mensch hat das Recht auf angemessenen Wohnraum. Das Land fördert die Schaffung und Erhaltung von angemessenem Wohnraum, insbesondere für Menschen mit geringem Einkommen, sowie die Bildung von Wohnungseigentum. (Art. 28 Verfassung von Berlin)

29) Die nachfolgenden Beispiele sind entnommen aus: Peter-Christian Witt, Inflation, Inflation, Wohnungszwangswirtschaft und Hauszinssteuer, a.a.O.

30) In Wirklichkeit wurde die Hauszinssteuer von den Immobilienkapitalisten zum Bestandteil der Miete gemacht und somit auf die Mieter abgewälzt. Daher lehnte die KPD - übrigens als einzige Partei - diese Steuer ab. Siehe dazu: Annemarie Lange, Berlin in der Weimarer Republik, Berlin, 1987, S. 640

31) Peter-Christian Witt, Inflation, Inflation, Wohnungszwangswirtschaft und Hauszinssteuer, a.a.O. S. 402

32) siehe dazu: 100 Jahre Erbbauverein Köln eG und EVM Berlin eG - Ein Mitgliederunternehmen wird 100.

33) Britzer Heimatgeschichte S. 44

34) Siehe dazu: Annemarie Lange, Berlin in der Weimarer Republik, Berlin, 1987, S. 642ff

35) Ulrike Haerendel, Wohnungspolitik im Nationalsozialismus S.854f

36) Tilmann Harlander, ebd., die folgenden Zahlen und Fakten im Zeitabschnitt Faschismus stammen - wenn nicht anders ausgewiesen - aus dieser Quelle.

37) Im NSDAP-Programm von 1927 heißt es bezeichnender Weise im Abschnitt "Brechung der Zinsknechtschaft": "Wir fordern eine unseren nationalen Bedürfnissen angepaBte Bodenreform, Schaffung eines Gesetzes zur unentgeltlichen Enteignung von Boden für gemeinschaftliche Zwecke. Abschaffung des Bodenzinses und Verhinderung jeder Bodenspekulation. (Unterstreichung von mir - khs)

38) http://fakten-uber.de/haus_ley

39) Natürlich geschah das wohnungspolitische Engagement nicht uneigennützig - ganz im Gegenteil: "Die Evangelische Stiftung Pflege Schönau (ESPS) ist eine selbständige kirchliche Stiftung des öffentlichen Rechts mit Sitz in Heidelberg. Ihr Stiftungszweck besteht im Wesentlichen darin, kirchliches Bauen zu finanzieren und Besoldungsbeiträge für Pfarrstellen zu erwirtschaften. Erlösquellen der ESPS, die über rund 14.000 Hektar Grundbesitz verfügt, sind Miet- und Pachteinnahmen aus etwa 20.000 Erbbau- und Pachtverträgen, knapp 100 Wohnimmobilien, sowie Erlöse aus dem unternehmerisch geführten Forstbetrieb: Mit rund 7.500 Hektar Wald ist die ESPS die größte körperschaftliche Waldbesitzerin in Baden-Württemberg." (Quelle: http://www.esp-schoenau.de)

40) Helmut Freiherr von Oefele, Karl Winkler, Handbuch des Erbbaurechts, a.a.O, S. 19

41) ebd.

42) ebd.
43) http://de.investing.com/news/ vom 11.4.2014

44) Klaus Secker, DGR Grundstücksverwaltungs GmbH, Erbbaugrundstücke sind die ideale Sachwertanlage, in: Hedgework, Kommunikationsplattform für Anbieter von Produkten und Dienstleistungen rund um die Alternative-Investment-Branche mit Schwerpunkt Hedgefonds. http://www.hedgework.de

45) http://www.welt.de/regionales/berlin/

46) http://www.taz.de

47) http://www.holzmarkt.com/downloads/140411_Holzmarkt_Broschuere.pdf

48) Alle nachfolgenden Informationen zum Erbbaurecht entstammen - wenn nicht anders ausgewiesen - aus: Helmut Freiherr von Oefele, Karl Winkler, Handbuch des Erbbaurechts, a.a.o.

49) Rechtsprechung zu § 9a ErbbauRG siehe: http://dejure.org/gesetze/ErbbauRG/9a.html#Rspr

50) Die pfand- und schuldrechtlichen Probleme, die dadurch entstehen können, wie z.B. grundbuchliche Sicherung gegen Pfändung und Zwangsvollstreckung, bleiben hier ausgeklammert. Sie sind ein weites Feld und würden den Rahmen dieser Abhandlung sprengen.

51) Helmut Freiherr von Oefele, Karl Winkler, Handbuch des Erbbaurechts, a.a.O, S. 24

52) Text und Grafik: Helmut Freiherr von Oefele, Karl Winkler, Handbuch des Erbbaurechts, a.a.O, S. 87f
53) Berlin gewinnt vielfältig Hg. von Entwicklungsgenossenschaft Tempelhofer Feld eG (EGTeG)- S.20f

54) Als Vorlage dieser Auflistung diente das "Merkblatt Erbbaurecht" der Notare Ernst Wahl & Andreas Adrian; Helmut Freiherr von Oefele, Karl Winkler, Handbuch des Erbbaurechts, a.a.O. enthält allein 23(!!!) unterschiedliche Muster für verschiedene Vertragsanlässe.

55) "Merkblatt Erbbaurecht" der Notare Ernst Wahl & Andreas Adrian, S. 12f

56) Die Höhe der Grundsteuer von Erbbaugrundstücken wird folgendermaßen ermittelt: Unabhängig von der Laufzeit des Erbbaurechtes wird das Grunstück mit dem 18,6fachen Jahreserbbauzins bewertet. Quelle: "Merkblatt Erbrecht" ebd.

57) http://www.hedgework.de

58) ebd.

59) http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/spekulation.html

60) Auszug aus der Amtlichen Informationsbroschüre zum Volksentscheid! S. 30

61) Tempelhofer Feld - Wohnen ab sechs Euro pro Quadratmeter, Berliner Morgenpost vom 12.9.2013

62) siehe dazu: Karl-Heinz Schubert, Grundrente, Mehrwert und Bodenpreis,

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