Bernard Schmid  berichtet aus Frankreich
„Volksfront“ von und für Rechts
Statt geistiger Nahrung: Schlangenfraß vom Fernsehphilosophen - Zur (gelinde ausgedrückt) rechtsoffenen Publikation von Michel Onfray unter dem Titel Front populaire und ihrem jüngst zu verzeichnenden Erfolg

08/2020

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onlinezeitung

Die Initiatoren hatten solide geistige Nahrung versprochen. Heraus kam ein Hochgenuss, der tendenziell an Hundefutter erinnert. Eine Gemeinsamkeit mit Joghurtspeisen könnte hingegen insofern bestehen, als es sich um rechtsdrehenden Joghurt handelt.

Es war noch während des confinement, also der französischen Variante des Lock-down, die vom 17. März bis zum 10. Mai dieses Jahres die Bewegungsfreiheit der Französinnen und Franzosen einschränkte, als die Öffentlichkeit von einem neuen Publikationsprojekt des mittlerweile berühmten oder, je nach Standpunkt, berüchtigten Fernsehphilosophen Michel Onfray erfuhr.

Dieses sollte unter dem spektakulären Titel Front populaire stehen – schlecht ins Deutsche übersetzt mit „Volksfront“, genauer eher Front der sozialen Unterklassen, denn der französische Ausdruck le peuple wurde historisch mit „der Pöbel“ ins Deutsche übersetzt und entspricht nicht dem deutschsprachigen „Volk“ im vielfach benutzten Sinne (von „Ein Reich, ein Volk…“ bis zu „Deutsche Volksunion“). Und es sollte damit eine Bezeichnung übernehmen, die bislang für die infolge eines Generalstreiks gebildete antifaschistische Linksregierung in den Jahren 1936 und 37 stand und darüber in die Geschichtsbücher einging. Inhaltlich hatte Onfray jedoch augenscheinlich etwas völlig Anderes im Sinn. Jedenfalls sicherlich nichts Antifaschistisches.

Der 61jährige war dem breiten Publikum zunächst als Autor von über einhundert Büchern, Gründer der „Volksuniversität von Caen“ – einer gesellschaftspolitischen Themen gewidmeten Diskussionsstätte – sowie als Atheist und Angehöriger der „libertären Linken“ bekannt. Zwischenzeitlich definierte er sich allerdings auch als „christlicher Atheist“, und mit der Linken hat er spätestens 2015 gebrochen, als er lautstark Verständnis für die Motive von Wähler/inne/n der rechtsextremen Politikerin Marine Le Pen anmeldete und sich Gedanken über die Vernachlässigung „des französischen Volkes“ zugunsten von Minderheiteninteressen, Ausländern und Europaorientierung der „politischen Klasse“ machte. (Siehe "Frankreichs Intellektuelle & Rechtsruck und Der Krieg der Ideen)

Genese des Projekts

Zu Beginn des confinement machte Onfray zunächst mit einem Gastbeitrag von sich reden, welcher auf einem Blog unter dem Titel La France libérée („Das befreite Frankreich“) erschien. Auch hier betreibt man augenscheinlichen Begriffsklau, jedenfalls indirekt, unter Anspielung an La France libre (Das freie Frankreich) unter Charles de Gaulle im Kampf gegen Nazibesatzung und Vichy-Regime. Der so benannte Blog veröffentlicht derzeit etwa Beiträge über „Staatslügen“ zu Covid-19 und zur Forderung nach Todesstrafe für Kinderschänder und Polizistenmörder. Am selben Ort machte sich Onfray ab dem 23. März d.J. für einen Armeeeinsatz im Inneren stark, um angeblichen Corona-Orgien in Migrantenvierteln und Trabantenstädten ein Ende zu setzen. (Siehe http://www.lafranceliberee.fr/) Sein Beitrag ist an den Staatspräsidenten in seiner Eigenschaft als Oberbefehlshaber der Streitkräfte gerichtet und endet mit der Aufforderung: „Den Feind ausmachen, ihn aufspüren, ins Visier nehmen, einkreisen, ihm die Bewegungsfreiheit nehmen, ihn isolieren, um die gesunden Personen zu verschonen: Wer würde behaupten, dass es sich dabei nicht um eine gesunde Methode handelt, um den kleinen Krieg, alle kleinen Kriege zu einem guten Ende zu führen?“

In den darauffolgenden Wochen bastelte Onfray offenkundig an seinem Projekt für den Start eines neuen Vierteljahresmagazins, über das andere Medien ab April d.J., verstärkt ab Anfang Mai d.J. zu berichten anfingen. Über Twitter kündigte der vermeintliche Meisterdenker die Gründung der Publikation Front populaire am 12. April 20 an (siehe http://michel-onfray.over-blog.com ), die konservative Tageszeitung Le Figaro berichtete erstmals am 16. April dieses Jahres über das Projekt. (Siehe https://www.lefigaro.fr ) Im Mai 20 häuften sich dann die Artikel und Medienberichte. Zu Beginn des Monats konnten Onfray und seine Mitstreiter/innen den mittlerweile prominenten französischen Mediziner Didier Raoult, welcher sich durch seinen vehementen Einsatz für die Malaria-Arznei Chloroquin als Wunderheilmittel gegen Covid-19 (ähnlich wie Donald Trump) und seine damit begründeten verbalen Ausfälle gegen die Regierenden landesweit bekannt machte, für ein Video gewinnen. Dieses wurde am 1. Mai dieses Jahres auf der Webseite der in Gründung befindlichen Publikation veröffentlicht. Daraufhin wurde Raoult auch als Mitwirkender der künftigen Zeitschrift dargestellt, obwohl er in deren Spalten (nach Erscheinen) nicht vertreten ist.

Im selben Zeitraum zeichnete sich auch ab, dass ein verstärkter Zuspruch für das Vorhaben aus dem rechtsintellektuellen bis neofaschistischen Milieu kam; die liberale Pariser Abendzeitung Le Monde bezeichnete ihn zur Monatsmitte in einer Überschrift als neues „Schätzchen (coqueluche) der extremen Rechten“. Zu dem Zeitpunkt hatten etwa Alain de Benoist – der Vordenker der rechtsintellektuellen Strömung rund um den GRECE, der Name bedeutet „Forschungs- und Studiengruppe für die europäische Zivilisation“ und spielt zugleich als Akronym auf das antike Griechenland an -, das Wahlmandate tragende rechtsextreme Ehepaar Robert und Emmanuelle Ménard sowie Philippe Vardon, einer der Köpfe der „identitären Bewegung“ in Frankreich sowie Regionalpolitiker des Rassemblement national (RN) in Südostfrankreich, ihre Unterstützung bekundet.

In der „Liste der ersten eintausend Abonnenten“, die in dem nunmehr vorliegenden ersten Heft von Front populaire – durch dessen Redaktion selbst auch FP abgekürzt – veröffentlicht wurde, tauchen tatsächlich die Namen de Benoist und Vardon auf.

Ende Mai 20 war bereits von insgesamt 27.000 Abonnent/inn/en im Vorverkauf die Rede und davon, dass die gezeichneten Jahres-Abos der noch inexistenten Publikation bereits eine Million Einnahmen verschafft hätten. Am 23. Juni 20 war die erste Ausgabe dann tatsächlich an den Kiosken erhältlich, wenngleich jedenfalls in Paris der Vertrieb zum Teil schleppend anlief. Am Wochenende des 25./26. Juli 20 schrieb nun die gewöhnlich gut unterrichtete, auf Medienthemen spezialisierte Webseite des Journalisten Jean-Marc Morandini, mittlerweile hätten sich 45.000 Abonnent/inn/en gefunden und 50.000 Exemplare seien an Kiosken und im Buchhandel verkauft worden. Weitere 50.000 seien Mitte Juli d.J. nachgedruckt worden.

Analyse einer Einleitung

In einer fünfseitigen Einleitung klagt Herausgeber Onfray sich zunächst wortreich über die EU-Integrationspolitik aus und sodann darüber - in zahllosen Variationen immer dieselben Idee -, dass man ihn und sein Publikationsprojekt sowie seine Stichwortgeber in die Nazi-ecke haben drängen wollen. Selbstverständlich völlig zu Unrecht. Sei es doch, im Gegenteil, einer der so genannten Gründerväter der EWG (Vorläuferin der Europäischen Union) gewesen, der Elsässer Robert Schumann, welcher ihm zufolge mit Nazideutschland zusammenarbeitete. Debatte beendet. Nationalsozialistische Ideologie im engeren Sinne vertritt Onfray übrigens tatsächlich keine – auch die extreme Rechte ist bekanntlich ein Konglomerat unterschiedlicher Strömungen, und die tatsächlich Hitler-affinen Strömungen (in Frankreich u.a. durch den im Lyoner Raum angesiedelten Ideologen Pierre Vial verkörpert, von ihm wird unten noch die Rede sein) sind dort in der Minderzahl. Dadurch scheint in den Augen von Michel Onfray auch jegliche Debatte über eventuelle politische oder ideologische Verbindungen zur extremen Rechten bereits abgeschlossen; Thema für ihn erledigt.

Allerdings glaubt Onfray beim Übergang von Seite 9 zu Seite 10 aus unerfindlichen Gründen, im selben Atemzug den Begriff des „Nationalbolschewismus“ rehabilitieren zu müssen. Sei dieser doch „vor Auschwitz“ (also nicht im Wissen darum) entstanden, und sei dessen führender Vertreter Ernst Niekisch doch in einem NS-Konzentrationslager gelandet, was im Übrigen beides zutrifft.

Ansonsten erfindet Onfray den Begriff des populicide („Volksmords“ oder „Volksmörders“), den er – im Plural – auf den letzten Zeilen der Seite 8 benutzt, bevor er dann auf Seite 11 zum Schluss einer Ausführungen einen front populicide (eine Volksmörderfront oder eine volksmordende Front…) dem front populaire, in dem von ihm verfochtenen Sinne, entgegenstellt. Es sei denn, sein Chefredakteur Stéphane Simon hat den neuen Begriff geschiss…, pardon, erfunden, denn jener benutzt ihn seinerseits in seinem Vorwort auf Seite 3 (linke Spalte), ebenfalls im Plural. Simon, Jahrgang 1967, ist ansonsten ein früherer Fernsehproduzent und Medienschaffender, dem der prominente TV-Moderator Thierry Ardisson – für welchen er arbeitete – nachsagt, er handele eher aus Karrieredurst und Geltungsdrang denn aus erkennbaren ideologischen Antriebsgründen. In den letzten Jahren produzierte Simon, der zuvor als Redaktionsmitarbeiter die Medienlandschaft in quasi alle Richtungen durchlief (begonnen hatte er einmal beim „Pilgermagazin“), vor allem Websendungen für aggressive rechte Ideolog/inn/en wie Elisabeth Lévy vom Magazin Causeur und Jean-William Goldnadel – Anwalt und Autor im Figaro -, die beide zu jenem politischen Segment zählen, das an der Nahtstelle zwischen Teilen der Konservativen und dem pro-israelischen Flügel der extremen Rechten sitzt. Vgl. https://www.lemonde.fr

Zurück zur Einleitung des Herausgebers, Michel Onfray: Dieser schlingert in ihrem Schlussteil ein wenig zwischen dem Auftreten als konstruktiver Kritiker, und jenem als Fundamentaloppositioneller (von rechts; obwohl er selbst sich wohl als irgendwie klüger gewordenen Linken oder, wahlweise, als „jenseits von Rechts und Links stehend“ bezeichnet). Auf Seite 10 in der rechten Spalte reduziert Onfray so den weltanschaulichen Gegensatz zwischen ihm selbst und den Anhänger/inne/n ähnlicher Ideen auf der einen Seite, den Befürworter/inne/n einer verstärkten EU-Integration auf der anderen Seite auf eine scheinbar begrenzte Frage nach Modalitäten zwischenstaatlicher Zusammenarbeit: Er vergleicht das Europa, das er befürworte (und das Charles de Gaulle befürwortet hätte), einerseits und das durch die aktuelle EU-Politik verfolgte Modell andererseits mit einer „Ehe mit Gütertrennung“ im ersteren Falle, einer Ehe mit Gütergemeinschaft im letztgenannten Falle. Das klingt nach prinzipiellem Einverständnis mit lediglich einer Differenz bezüglich Organisationsfragen. Doch auf Seite 11 wird er wiederum sehr viel grundsätzlicher. Kulturen (französisch: civilisations, doch dieser Begriff steht tendenziell näher am deutschen „Kultur“- als am „Zivilisations“begriff) stiegen auf oder vergingen, er zitiert dafür Hegel… und unterlässt es, Oswald Spengler zu zitieren. Das Jahr 1968, führt Onfray fort, habe einen Meilenstein beim Abstieg der abendländischen civilisation, ihrer Infragestellung bedeutet. Sozusagen einen Sargnagel, auch wenn Onfray diesen Begriff nicht benutzt; ein Zerstörungswerk. Die jetzigen EU-Vorderen verfolgten jedoch genau dieses Vorhaben, das er auch als „internationalistisches Projekt“ (Seite 11 rechte Spalte) bezeichnet. War doch, darauf spielt er an, der frühere EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in jungen Jahren Maoist. So verhält es sich, laut Onfray, mit denen, die „damals (Anm.: 1968) die Dekadenz (unserer Zivilisation) wünschten und vor Marx und Marcuse, Mao und Trotski, Guy Debord und Che Guevara Kniebeugen vollführten“ und die nun „fünfzig Jahre später dasselbe Ziel verfolgen, indem sie Weihrauchfässer für Maastricht-Europa schwenken, das zum internationalistischen Projekt beiträgt, wenn auch heute dem des Kapitals“.

Grundsätzlich wird auf diese Weise klar, wie Onfray den jüngeren Verlauf der Geschichte interpretiert.

Souveränisten“

Inhaltlich weist die auf 159 Seiten im größeren Buchformat und mit professionell wirkendem Layout publizierte Zeitschrift zahlreiche Redundanzen auf, viele Aspekte kehren in einem Beitrag nach dem anderen wieder. Ihr erklärtes Ziel – das bereits vorab öffentlich festgelegt worden war – besteht darin, die „Souveränisten“ unterschiedlicher Couleur zu versammeln.

So bezeichnet man seit über zwei Jahrzehnten jene gegen die EU-Integration Frankreichs opponierenden Strömungen, die sich nicht selbst schlicht als „Nationalisten“ bezeichnen möchten. Zu Anfang der neunziger Jahre, seit dem innenpolitischen Streit rund um die Abstimmung zum Maastricht-Vertrag, die im September 1992 mit einem knappen 51 zu 49 Prozent-Ergebnis endete, fand man sowohl zur Linken als auch zur Rechten gezählte Strömungen in diesem Lager. Wortführer des „Nein“ zum Maastricht-Vertrag waren, außerhalb der nationalistischen extremen Rechten unter Jean-Marie Le Pen, vor allem der sich als Gaullist bezeichnende Innenminister Charles Pasqua (inzwischen verstorben) und sein Parteikollege sowie vormaliger Arbeitsminister Philippe Séguin, der nationalkonservative und rechtskatholische Graf Philippe de Villiers - damals Mitglied der rechtsliberalen UDF, er unterstützte jedoch 2017 bei der Präsidentschaftswahl Marine Le Pen – sowie der etatistisch-national argumentierende Sozialdemokrat und Vielfachminister (er war u.a. Verteidigungs- und zuletzt Innenminister) Jean-Pierre Chevènement. Damals nannte man diese unterschiedlichen, jedoch mehr oder minder inoffiziell miteinander kooperierenden Fraktionen nationaux-républicains. Aus dem Umfeld von de Villiers wurde dann die Selbstbezeichnung als souverainistes kreiert, dessen Berater Paul-Marie Coûteaux benutzte den Begriff in dieser Form zum ersten Mal 1999. (Anm.: Zuvor hatte es den Begriff souverainistes als Bezeichnung für Anhänger/innen einer vollen Souveränität der französischsprachigen kanadischen Provinz Québec gegeben.) Coûteaux landete später ebenfalls beim Front National und gehörte dessen organisatorischem Umfeld von 2011 bis 2014 an, schloss sich jedoch später aufgrund strategischer Differenzen mit Marine Le Pen dem rechten Flügel der Konservative an.

Wohl als Schmankerl für seine Leser gedacht, präsentiert FP ein acht Seiten langes gemeinsames Gespräch mit Chevènement und de Villiers. (Vgl. https://frontpopulaire.fr ) So wird es jedenfalls präsentiert. Aus der Lektüre – die eher ein schriftliches Abfrageinterview ohne intensiveren Austausch zwischen Interviewer und Interviewten erkennen lässt – ergibt sich allerdings ziemlich eindeutig, dass beide Herren mutmaßlich nur auf schriftliche Interviewfragen antworteten und diese dann entsprechend zusammengeschnitten und ins Blatt gestellt wurden. Die liberale, aber auch pro-EU-orientierte Abendzeitung Le Monde spricht spöttisch von „staubbedeckten“ Seiten (vgl. https://www.lemonde.fr/), da die beiden Interviewten vor allem in der Vergangenheit eine politische Rolle spielten.

Chevènement & Graf de Villiers

De Villiers beharrt dabei vor allem darauf, seit vierzig Jahren Recht gehabt zu haben. Die Corona-Krise lasse dies nun erkennen - nachdem er lange politisch „wie ein Pariabehandelt worden sei -, da diese zu Grenzschließungen geführt habe, aber auch die Idee der Familie als primärem Lebenszusammenhang im Zuge des Lock-down rehabilitiert worden sei. Bemerkenswert ist vor allem, dass de Villiers zwei mal, auf den Seiten 24 und 30, „den Rechtsstaat“ respektive „das, was sie Rechtsstaat nennen“, neben den Maastricht-Kriterien und anderen Ärgernissen, in der Reihe zu überwindender gesellschaftlicher Missstände aufzählt. Denn, so lautet die Begründung, ein Großteil des anzuwendenden Rechts werde heute auf EU-Ebene gesetzt. Chevènement ist da moderater in seinen Äußerungen, zögert erkennbar bei der Frage eines Austritts aus dem Euro – den de Villiers für unabdingbar erklärt – und spricht sich vor allem für eine stärkere staatliche Industriepolitik aus.

Um diese und ähnliche Themen kreisen auch viele andere Beiträge, wobei in fast jedem von ihnen die Idee wiederkehrt, die Corona-Krise berge eine Chance für eine Zäsur, da die neoliberale Globalisierung nun erkennbar an ihre Grenzen stoße. Etwa, weil nunmehr allgemein eingesehen werde, dass man nicht die Produktion der Pharmaindustrie großenteils in Länder wie China und Indien verlagern könne, wie die eklatanten medizinischen Versorgungsmängel zu Anfang der Pandemie – dabei handelt es sich in Frankreich um eine Tatsache – belegt hätten.

Chevènement und de Villiers sollen dabei als Garanten dafür stehen, dass auch eine nichtfaschistische Politik im Namen der Nation und gegen die EU im Angebot sei – wobei Graf de Villiers, den man bei einer Übertragung ins deutsche politische System wohl irgendwo zwischen Peter Gauweiler und Bernd Lucke verorten müsste, zwar aus der bürgerlichen Rechten kommt, jedoch in der Vergangenheit wiederholt offene Berührungspunkte auch zur extremen Rechten aufwies.

Letztere ist allerdings, trotz gegenteiliger Bekundungen Onfrays im Vorfeld – er betonte bei der ersten Vorstellung des Projekts, „weder Jean-Luc Mélenchon noch Marine Le Pen unterstützen“ zu wollen (Fußnote 1), also weder die linkspopulistische noch die neofaschistische Opposition – stark im Heft präsent.

Der Einfluss des GRECE

Am wenigstens für Nichtkenner/innen der extremen Rechten identifizierbar und doch am deutlichsten wird dies mit der erheblichen Präsenz von Thibault Isabel in der Zeitschrift. Neben Jacques Sapir (siehe:Querfront gegen Euro und EU), einem Wirtschaftswissenschaftler, welcher sich mit fast monothematischer Besessenheit der Vorbereitung eines Euro-Austritts widmet und dieser Thematik in der Erstausgabe gleich zwei Beiträge widmen darf, ist Isabel der einzige Autor, den man mit zwei Artikeln im Heft antrifft. - Am 24. April d.J. hatte er seine künftige Mitarbeit bei Front populaire in einem über Facebook verbreiteten Video unter dem Titel „Thibault Isabel schließt sich Front populaire an“ von einer Minute und 19 Sekunden Dauer angekündigt. Darin erläutert er u.a., die künftige Publikation vertrete „die einzige Opposition gegen den mondialisme (Anm.: ungefähr ‚Globalismus‘, ein rechtsextremer Terminus als Alternative zum Begriff ,Globalisierung‘, welcher in den 1990er Jahren Eingang ins Vokabular u.a. des Front National fand), die nicht den Weg über die Extreme wählt“ (im Original: la seule opposition contre le mondialisme qui ne transite pas par les extrêmes). Soll sinngemäß heißen: „…die weder mit der extremen Linken noch der extremen Rechten zusammenhängt“. Lügner, Lügner!

Auch wenn dies den Leser/inne/n nicht mitgeteilt wird: Derselbe Herr war von 2003 bis 2018 Chefredakteur der Zeitschrift Krisis – nicht zu verwechseln mit einer gleichnamigen deutschen Publikation mit ziemlich unterschiedlichem Inhalt! -, die ein Aushängeschild des GRECE unter Alain de Benoist insbesondere für den Dialog mit nicht rechtsextremen Interviewpartnern darstellt. Er ist aber auch Mitarbeiter des direkten Publikationsorgans des GRECE, der seit wenigen Jahren auch an Kiosken vertriebenen Zeitschrift Eléments, auf deren Webseite er eine eigene Autorenseite hat. (Vgl. als einen jüngeren Untersuchungsbeitrag zu dieser Publikation auch u.a. : https://www.lemonde.fr)

Isabel publizierte 2017 ein Buch über den französischen Anarcho-Syndikalisten des 19. Jahrhunderts – aber unter anderem auch Antisemiten – Pierre-Joseph Proudhon mit dem Untertitel „Die Anarchie ohne die Unordnung“, und 2020 ein „Handbuch heidnischer Weisheit“ (Manuel de sagesse païenne).

Beides sind ideologische Steckenpferde des GRECE und besonders Alain de Benoists. Letzterer verlegte vor wenigen Jahren die „Hefte des Proudhon-Zirkels“ neu; unter diesem Namen trafen sich von 1911 bis 1914 rechtsextreme Nationalisten der Action française unter Charles Maurras mit sich als „revolutionäre Syndikalisten“ bezeichnenden Dissidenten der Arbeiterbewegung, die von der sozialistischen Hauptströmung innerhalb der Arbeiterbewegung enttäuscht waren und/oder gegen den Einfluss des Marxismus opponierten. Rechtsintellektuelle versuchten des Öfteren in der Geschichte, die Figur Proudhon zu besetzen, um einen nicht-marxistischen Zugang zur sozialen Frage und zu einem revolutionär klingenden Diskurs zu schaffen. Aber auch Onfray entdeckte in jüngerer Zeit Proudhon für sich, sprach und schrieb seit 2011 über ihn, verfasste das Vorwort für Isabels Buch und trat darüber hinaus mit Alain de Benoist in einen Dialog über Proudhon ein (siehe: https://www.prenonslemaquis.fr).

Zum zweiten Punkt; Der Neopaganismus, also ein gegen das Christen- wie das Judentum gerichtetes Neuheidentum, das sich unter anderem auf das antike Griechenland – siehe die Namensgebung des GRECE – sowie auf Germanen- und Keltentum bezieht, ist darüber hinaus ein langjähriges Erkennungsmerkmal der Strömung unter Alain de Benoist. Letzterer steht dabei in einer Tradition rechter Kritik am Monotheismus, welcher aufgrund der Idee einer Gleichheit aller Menschen vor einem Gott quasi als Urvater von Liberalismus und Kommunismus (und damit verderblicher Phänomene) zu betrachten sei, wie sie seit Friedrich Nietzsche formuliert wird. Viele seiner Bündnispartner, auch innerhalb der extremen Rechten, folgten de Benoist in diesem Punkt aber nicht. Auch Onfray benutzt den Begriff der Verteidigung des „jüdisch-christlichen Abendlands“ in seinem Vorwort für FP eher apologetisch (auch bei ihm ist die Fronstellung vor allem gegen „den“ Islam gerichtet), während der GRECE den Begriff des occident judéo-chrétien oder des judéo-christianisme stets nur als Kritikformel, ja mit Abscheu benutzt hat. (Vgl. bei Onfray Seite 8, linke Spalte, den apologetischen Bezug zu la civilisation judéo-chrétienne.)

Einen, sozusagen, affirmative turn zugunsten eines „christlich(-jüdisch)en Abendlands“ musste de Benoist jedoch in der Vergangenheit bei sehr vielen Weggefährten erleben, wie etwa auch dem früheren GRECE-Kader und späteren „Okzidentalisten“ (so wird die Strömung der zuvörderst anti-muslimisch argumentierenden Abendlandsverteidiger innerhalb der extremen Rechten, occidentalistes, bezeichnet), Guillaume Faye. Der Autor vieler Bücher war im Jahr 2000 aus dem GRECE ausgeschlossen worden. Später arbeitete er zeitweilig mit dem ebenfalls sich vom ursprünglichen GRECE entfernenden, nach seiner Abspaltung vom GRECE 1987 beim Front National aktiven und zugleich zunehmend explizit NS-affinen Rassisten Pierre Vial und dessen Gruppierung Terre & peuple („Erde & Volk“, soll bedeuten: Blut & Boden) zusammen. Gullaume Faye (1949-2019) trat aber auch aktiv für eine Annäherung an Russland als „weiße“, „eurasische“ Macht ein und trat u.a. 2014 bei der „identitären Bewegung“ auf, welche er bereits in den Jahren zuvor stark ideologisch beeinflusst hatte.

In Front populaire nun schreibt Isabel über Konzepte für die Bildung einer um gesellschaftliche Mehrheiten ringenden Koalition, sowie für ein Wirtschaftsprogramm derselben. Im ersten Punkt knüpft er an das an, was de Benoist bereits mehrfach in der Vergangenheit formulierte, aber auch etwa der aus dem Umfeld des GRECE kommende frühere Chefideologe des Front National zwischen 1986 und 1998, Bruno Mégret, in einem Aufsehen erregenden Interview in Le Monde vom 13. Februar 1996. (Vgl.: https://www.lemonde.fr) Ihnen zufolge soll die extreme Rechte – welche sie nicht als solche bezeichnen – sich auf die soziale Frage konzentrieren und dabei EU- respektive Globalisierungskritik als unterschiedliche Kräfte verbindenden Punkt ins Zentrum rücken. Thibault Isabel empfiehlt folgerichtig, die Rechtsopposition solle sich nicht zu sehr auf die Ablehnung von Einwanderung konzentrieren, die Linke nicht auf Antirassismus und die Verteidigung von Minderheiten, denn beides verhindere lagerübergreifende Konvergenzen und die Schaffung eines mehrheitsfähigen sozialen Blocks. Vielmehr müsse für die Opposition gegen Emmanuel Macron der Protektionismus ins Zentrum rücken.

Wie andere Autoren auch buhlt er um die „Gelbwesten“, die vor allem im Zeitraum 2018/19 protestierten, aber Isabel wendet sich auch an die Demonstrant/inn/en gegen die Rentenreform vom Winter 2019/20. Diese hätten sich allerdings vor den Karren von Gewerkschaften, welche überkommene Strukturen darstellten, spannen lassen. Sein Konzept für ein Wirtschaftsprogramm wiederum zeichnet sich nicht durch brüllende Originalität aus. Dort findet man eine stärkere Interventionstätigkeit des Staates, die Rückverlagerung mancher Produktionszweige – wie der Pharmaindustrie, was längst auch in Kreisen der herrschenden Klasse diskutiert wird – nach Frankreich oder Europa und eine stärkere Besteuerung multinationaler Unternehmen. Dazu sollen Steuerfluchtparadiese, im Einvernehmen unter an Steuereinnahmen interessierten Staaten, eingedämmt werden. Auch solle ein Land wie Frankreich, ähnlich wie die USA es bereits tun, ein Primat seiner Besteuerungshoheit auch gegenüber (eventuell aus steuerlichen Gründen) im Ausland lebenden Staatsbürger/inne/n durchsetzen. Von Infragestellung des Kapitalismus ist dagegen keine Rede. Neu an seinen Vorschlägen ist höchstens, dass er für die Ausweitung von Telearbeit, also Home Office oder digitaler Heimarbeit, der Lohnabhängigen eintritt.

Ferner spricht sich Isabel für eine Mitarbeiterbeteiligung (participation) am Gewinn „ihrer“ Unternehmen, wie der historische Gaullismus in seiner Regierungsphase 1958-1969 es praktizierte, aus. Bei Themen im Zusammenhang mit der Einwanderung äußert er sich hingegen vergleichsweise zurückhaltend, was auch mit seiner oben beschriebenen Prioritätensetzung zusammenhängt. (Stichworte: Protektionismus; relocalisation, d.h. Rückverlagerung von Produktion in nationale und/oder europäische Grenzen als Anknüpfungspunkte für unterschiedliche politisch-ideologische Richtungen, wobei die Rückverlagerungs-Idee aufgrund der damit zusammenhängenden Vorstellung einer Eindämmung des Welthandels auch als eine ökologische verkauft wird.) Zwar stellt er einen ausdrücklichen Zusammenhang zwischen den Verwerfungen der wirtschaftlichen/neoliberalen „Globalisierung“ einerseits und der Deregulierung der Migrationsströme“ – die es folgerichtig einzudämmen gilt, was er im vorliegenden Beitrag jedoch kaum näher entwickelt – her. (Vgl. St. 81) Konkret führt er jedoch nur die Idee einer Beschränkung des Zugangs zur französischen Staatsbürgerschaft durch Einbürgerung auf die Inhaber(/innen) besonders benötigter beruflicher Qualifikationen aus. Dieses Thema wäre für rechtsextreme Autoren sicherlich ausbaufähig, er behandelt es an dieser Stelle jedoch wirklich nur knapp und vergleichsweise zurückhaltend.

Rechte Ökologie

Durchaus im Sinne des GRECE, aber auch aller jener Rechten, die die Relocalisation/Rückverlagerungs-Diskussion führen (bei den „Identitären“ auch unter dem Begriff des Localisme, welcher als vermeintliches ökologisches Konzept diskutiert wird), ist eine Inanspruchnahme des Themas Ökologie.

Im vorliegenden Heft wird die Bezugnahme auf diese Thematik durch die Präsenz der in manchen Kreisen als junge Starjournalistin gehandelten Eugénie Bastié (Seiten 62 bis 65) garantiert. Vorgestellt wird die junge Frau, Jahrgang 1991, als Mitarbeiterin der Tageszeitung Le Figaro sowie als (Zitat) „Gründerin der katholisch inspirierten, fundamental-ökologischen Zeitschrift <Limite>“. Diesen Namen (er bedeutet „Grenze“ oder „Begrenzung“) trägt ein Publikationsorgan, das rund um die Idee herum entstand, die menschliche Natur - da unvollkommen - weise notwendig Grenzen auf, die ihr unter anderem vom göttlichen Willen gesetzt werden. Werde gegen diese verstoßen, dann drohten Unheil und Katastrophen. Dies sehe man bei Eingriffen in die gottgewollte Schöpfung, in Form von Umweltzerstörung. Ebenfalls einen Verstoß gegen die Schöpfungsordnung stelle jedoch auch die Homosexuellenehe dar. (Vgl. dazu: Rechtsextreme und Ökologie) Die Zeitschrift entstand 2015 im Kontext der Bewegung gegen die – in Frankreich per Gesetz vom 17. Mai 2013 eingeführte – „Ehe für alle“, die auch homosexuellen Paare Heiratsschlüsse ermöglicht; die u.a. von rechten und religiösen Kräften unterstützten Proteste dagegen mobilisierten zwischen November 2012 und Oktober 2014 zeitweilig Hunderttausende Menschen.

In Front populaire nun begründet Bastié nochmals ideologisch sauber, warum Ökologie – so, wie sie dieselbe versteht (Anm.d.Verf.: was selbstverständlich kein Argument gegen ökologische Anliegen überhaupt sein kann!) – ausdrücklich eine rechte Angelegenheit sein müsse. So führt sie u.a. aus, Seite 65 linke Spalte: „Die Vorsicht (prudence), ein konservativer Wert an sich, ein Gegengift gegen Ideologie (Anmerkung: Dort, wo die Autorin von ,Ideologie‘ spricht, meint sie stets linke Gedanken, da Rechte in ihren Augen für ,Realitätssinn‘ und nicht für Ideologie einstehen), muss sich im Kern ökologischen Handelns befinden. Sie erfordert einen Verzicht auf eine revolutionäre Perspektive (…). Diese Bescheidenheit gegenüber der Geschichte, diese Ablehnung der Utopie muss uns dazu führen, über alles, was uns als <Fortschritt> präsentiert wird, zu diskutieren (…).“

Gilets jaunes

Die „Gelbwesten“ werden in vielen Beiträgen hier und dort beschworen. Eine ihrer kurzzeitigen Protagonistinnen im Herbst 2018, die durch ihre Mobilisierungsvideos gegen Emmanuel Macron bekannt gewordene freiberufliche Krankenschwester Jacline Mouraud, durfte ebenfalls in dem vorliegenden Heft schreiben. Mouraud war allerdings ab Anfang 2019, während sie mit Regierungsvertretern in Gespräche eintrat und sich als – notorisch erfolglose – Parteigründerin betätigte, in Teilen des heterogenen „Gelbwesten“spektrums dann als „Verräterin“ gehandelt worden. (Vgl. zu ihr in jüngerer Vergangenheit: "Gelbwesten-Chronik - Bericht vom 29. April 2019"  )

Der Beitrag, für den die Dame gewonnen werden konnte, strömt allerdings vor allem gähnende, absolute Langeweile aus. Neben viel Larmoyanz betreffend ihre eigene Situation und einigem unqualizierten Gestänkere gegen Emmanuel Macron findet sich nicht eine Idee, nicht aber auch nur der Anflug eines klaren Gedankens darin. Als einzige Perspektive schlägt sie vor, es solle in Zukunft „einen gewählten Präsidenten oder eine gewählte Präsidentin dank eines wirklichen Konsens‘, der die gesamte Zustimmung des Volkes geschaffen hat“, geben. Dann mal viel Glück bei dem Vorhaben!

Ja, so dümmlich und hohl können die Ergüsse einer Person klingen, die zumindest zeitweilig immerhin mal eine mediale Rolle bei der Entstehung der damaligen „Gelbwesten“proteste gespielt hatte… Nicht einmal als angenehm zu lesen lässt sich dieses hoffnungslose Geschwurbel bezeichnen.

Frühere Linke (im weitesten Sinne…)

Interviewt werden zwei frühere Mitglieder vom, seit Ende 2018 weitgehend abgestoßenen, früheren rot-braunen Flügel der linkspopulistischen Wahlplattform La France insoumise (Das aufsässige Frankreich). Zufällig handelt es sich um zwei serbischstämmige Franzosen, Georges Kuzmanovic und Andrea Kotarac. Ersterer, seines Zeichens Reserveoffizier, er tritt auch als Lobbyist für Russlands Machthaber und zugunsten der russischen Interventionen in Syrien und der Ukraine auf (vgl. über ihn auch: https://www.lejdd.fr/4), gründete mittlerweile seinen eigenen Parteiverein unter dem Namen La République sociale. Kotarac wiederum schloss sich dem Rassemblement national (RN) unter Marine Le Pen an. In einem Interview, das im Unterschied zu jenem mit Chevènement/de Villiers tatsächlich ein Streitgespräch – jedoch mit weitgehendem inhaltlichem Konsens zwischen beiden Diskutanten – darstellt, kritisiert Ersterer die wirtschaftspolitische Konzeptlosigkeit des RN und seine Unfähigkeit zum Regieren. Zweiterer wiederum fordert, die Einheit der Opposition um Marine Le Pen herzustellen. Beide (Kuzmanovic und Kotarac) sind sich unterdessen in ihrer ökonomisch argumentierenden Begründung für die Ablehnung von Einwanderung – Stichwort Lohndumping usw. – einig.

Kotarac zitiert dabei auch Ernst Jünger („Mut ist der Wind, der zu fernen Küsten treibt“) auf Seite 100, sowie den Schriftsteller Jean-Claude Michéa auf Seite 103 – mittlerweile eine Referenz für Rechtsideologen und Querfröntler (vgl. Einige Ausführungen zum querfrontverdächtigen französischen Denker Jean-Claude ).

Auf Seite 100 zitierte er auch den von ihm nicht näher bezeichneten Autor François Bousquet. Letzterer wiederum ist seit 2017 Chefredakteur von Eléments. Auch an dieser Stelle lässt sich, einmal mehr, die ideologische Handschrift des GRECE und seine Einflussnahme auf die neue Publikation ablesen.

Ebenfalls von La France insoumise her kommend (er gehört der Wahlplattform allem Anschein nach noch immer an, zumindest formal, verlor jedoch in jüngerer Zeit seinen ursprünglichen ideologischen Einfluss auf ihren Chef Jean-Luc Mélenchon), schreibt auch der Philosoph Henri Peña-Ruiz einen sechsseitigen Beitrag. Er vertritt den Flügel der Anhänger/innen eines autoritären Staats-Laizismus; dieser Begriff bezeichnet in Frankreich jenes Konzept, das den historisch absolut verteidigungswerten Laizismus (d.h. die Trennung von Religion/en und Staat), welcher einen Anspruch auf konfessionelle Neutralität des Staates bezeichnet, im letzten Vierteljahrhundert in einen Anspruch des Staates gegen Teile der Gesellschaft – besonders, immer wieder, die muslimische Minderheit – umwandelte. Diesen Weg ging auch der genannte Philosoph. 2019 löste er eine Polemik aus, als er sich im August 2019 bei einer „Sommeruniversität“ von La France insoumise (LFI) explizit für das Recht auf „Islamophobie“ aussprach. // Vgl. https://www.marianne.net/ // Nun ist dieser Begriff etwa unter Rassismuskritiker/inne/n umstritten, insofern er manchen Stimmen zufolge einer unzulässigen Vermischung zwischen Rassismusbekämpfung einerseits und Verteidigung einer Religion als solcher andererseits den Weg bereite. Diese Debatte mag man dort, wo dieser Begriff in kritischer Absicht benutzt wird, führen. Peña-Ruiz jedoch scherte sich mitnichten um solche Differenzierungen und benutzte den Begriff, ohne nähere Nuancen, in apologetischer Absicht. Sein Einfluss bei LFI wurde daraufhin in Frage gestellt. Nun taucht er also bei FP auf, mit einem längeren Beitrag auf Seite 140 bis 147, wo er Laizismus zu definieren versucht.

Vergleich zu Deutschland?

In gewisser Weise könnte man die Rolle Michel Onfrays mit jener des früheren Linken Jürgen Elsässer in Deutschland vergleichen, allerdings auf ungleich höherem geistigem Niveau. Diese Feststellung ist längst ein Klassiker im Verhältnis zwischen französischen Rechtsintellektuellen und Lautsprechern der deutschen Rechtsextremen, so konnte etwa der deutsche Epigone Dieter Stein nie Alain de Benoist auch nur annähernd das Wasser reichen. Und Elsässer ist aktuell tief in der intellektuellen Gosse angekommen, nachdem die August 20-Ausgabe seines Compact-Magazins nun – sensationsheischend mit angeblichen Enthüllungen über längst, längst bekannte Affären aus den USA werbend - dem Satanismus in Hollywood, einem angeblichen weltumspannenden Kinderschänderring rund um Bill und Hillary Clinton und den QAnon-Verschwörungsthesen gewidmet wurde. In dem Vorstellungsvideo kommen Elsässers Ausführungen über angebliche systematische Kindermorde in Hollywood auf der Suche nach Verjüngungschancen einschlägigen historischen Legenden über Ritualmorde an Kindern erheblich nahe. Dagegen wirken selbst Onfrays jüngste Ergüsse noch nüchtern.

1) Allerdings ließ Onfray kurz darauf anlässlich einer Debatte mit dem bekannten rechtsextremen TV-Journalisten und Schriftsteller Eric Zemmour (bei welcher eine Reihe von Gemeinsamkeiten, jedoch auch ein paar Differenzen hervortraten) auch erkennen, dass er Marine Le Pen bei der kommenden Präsidentschaftswahl für chancenlos hält, doch dass er eine aussichtsreichere « populistische » Kandidatur unterstützen könnte. Vgl. : https://www.challenges.fr/

Ed. Hinweis:

Wir erhielten Text und Foto vom Autor für diese Ausgabe.