MLPD – jetzt auch ökologisch engagiert

Von Frank Braun, Köln/Hannover, und Jürgen Suttner, Siegen

08-2014

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onlinezeitung

Vorbemerkung: Als Frank Braun und Jürgen Suttner ihre Kritiken an der DKP und MLPD hinsichtlich der Ökologiefrage in unserer Zeitung veröffentlichten, verbanden wir dies mit der Hoffnung, dass es dadurch gelänge, "KommunistInnen aus verschiedenen Zusammenhängen in dieser Frage an "einen Tisch" zu bringen." Das war im Januar 2014. In der TREND-Nr. 7/2014 antwortete Stefan Engel (MLPD) auf die vorgebrachte Kritik an der  Ökologiepolitik der MLPD. Der nachfolgende Aufsatz ist eine Kritik an Stefan Engels Buch „Katastrophenalarm“, das vom Autor bei TREND vorgestellt wurde - leider aber keine Replik auf Engels Kritik an ihnen. Dennoch haben wir die Hoffnung noch nicht aufgegeben, obwohl unseres Erachtens die gegenseitigen  Kritiklinien bisher noch nebeneinander herlaufen, dass sich eine Debatte über gemeinsam herausgearbeitete Sachpunkte entwickelt. / kamue - red. trend.

Zum Thema 'MLPD und Ökologie...' hatten wir uns an dieser Stelle schon einmal geäußert. In der Ausgabe 01/14 von 'trend-online' erschien eine erste Stellungnahme.1 Die uns bis dahin vorliegenden Publikationen der MLPD faßten wir zusammen, unterzogen sie einer kritischen Beurteilung und resümierten u.a.: „Wir hoffen auch, daß (...) das Kollektiv der MLPD in den politischen Schlußfolgerungen mehr essenzielle Begründung für ein intensives Engagement in den vorhandenen Umweltschutzbewegungen liefern kann...“

Seit März diesen Jahres zirkuliert nun eine wohl als ausführliche Agitationsbroschüre konzipierte Publikation der MLPD mit dem Titel „Katastrophenalarm“ und dem Untertitel „Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur ?“2

Dort wurde zusammengetragen, was in den Monaten zuvor bereits geschrieben worden war, ergänzt um eine in Teilen breiter und detaillierter angelegte Schilderung des aktuellen Ausmasses der Umweltzerstörung, an einzelnen Stellen mit Korrektur allzu schräger Formulierungen aus früheren Publikationen. Im Großen und Ganzen wurde die Linie beibehalten.

Allerdings hat das Redaktionskollektiv unsere Hoffnung auf eine „mehr essenzielle Begruendung“ nicht erfüllt. Zumal: Neu aufgelegt wurde hier die Lobpreisung einer angeblich ökologisch profilierten Politik der Sowjetunion unter Stalin sowie der VR China unter MaoZedong - beides aus unserer Sicht jenseits historischer Fakten. Ebenfalls neu aufgelegt, in der Substanz aber wie gewohnt, die inTeilen schwer erträgliche, ja geradezu geltungssüchtige Diktion der MLPD-AutorInnen - irgendwie wohl Ausdruck mangelnder Selbstsicherheit. Beides Aspekte, deren Erörterung unseren hier gesteckten Rahmen sprengen würden, aber ganz sicher potenziell Interessierte von einer Auseinandersetzung mit den Thesen von „Katastrophenalarm“ abschrecken werden.

Trotz der folgenden kritischen Würdigung der MLPD-Publikation halten wir es immer noch für ein gutes Zeichen, daß diese Gruppierung der kommunistischen Linken einen Beitrag in Richtung einer strategischen Debatte der ökologischen Fragen leisten will – ausdrücklich über die eigenen Reihen hinaus.

Weltanschauung ahistorisch: Der alte Liebknecht ist an allem Schuld ...

Der „Katastrophenalarm“ allerdings inszeniert dabei ganz schön ahistorisch und damit auch unstrategisch: Die Sache mit der Unterschätzung der Ökologiefrage in der revolutionären Arbeiterbewegung soll unter anderem darin begründet sein, daß Wilhelm Liebknecht aus dem Gründerkreis der SPD die Kritik von Marx am Vereinigungsprogramm der Sozialdemokratie ('Gothaer Programm') 3 unter Verschluß gehalten hatte. Er, Liebknecht, habe damit dafür gesorgt, daß die programmatische Aussage, einzig die Arbeit sei Quelle allen Reichtums, in der Arbeiterbewegung immer weiter Geltung behalten habe. 4

Die Missetat von Wilhelm Liebknecht ist bekannt, aber glauben die GenossInnen aus dem AutorInnenteam ernsthaft, daß das genannte Konstrukt - von Arbeit als Quelle allen Reichtums unter Weglassung der Natur als einer weiteren Quelle - in der Arbeiterbewegung und der revolutionären Linken über einen Zeitraum von einhundertfünfzig Jahren (!) Dominanz besitzen kann, nur weil Wilhelm Liebknecht Marxens kritische Randglossen über gut fünfzehn Jahre in seinem Schreibtisch verschimmeln ließ ?

Gleichwohl ist die damit mittelbar verbundene Fragestellung aber tatsächlich von Bedeutung – als Gattungsfrage für die Menschheit insgesamt und als strategische und taktische Frage der revolutionären Arbeiterbewegung. Die Schlußfolgerung des MLPD-AutorInnenkollektivs aus dem eben genannten Konflikt geriet jedoch ziemlich hahnebüchen, wenn geschrieben wird: „Mit dem Abgehen von den Marx'schen Positionen zur Einheit von Mensch und Natur begann die weitgehende Verdrängung der Umweltfrage aus der Arbeiterbewegung (...)“ ! 5

Da ist, erstens, diese dumme Formulierung: „Abgehen von den Marx'schen Positionen“! Als hätten Marx, Engels und ihre Getreuen die Mehrheit der deutschen Sozialdemokraten hinter sich gehabt und damit sozusagen die Richtlinienkompetenz. Das war ja mitnichten der Fall. Wer also soll da von welchen Positionen 'abgegangen' sein - die Mehrheit von der Minderheit oder wie ?

Da ist, zweitens, das darin mitschwingende 'In-den-Himmel-heben' der beiden bei gleichzeitigem Verhöhnen von Liebknecht. Der steht in der Schilderung der AutroInnen als einer da, der offenbar ganz von Opportunismus und Machtdünkel beseelt gewesen sein muß, dennoch aber von den Mitgliedermassen in die Spitze der SPD gewählt wurde ! Ein Umstand, der für eine Partei mit einem revolutionärem Charakter, wie es in der MLPD-Schrift heißt, dann wohl noch erklärt werden müßte.

Und drittens und vor allem: Marx geht ja in seinem vom MLPD-AutorInnenkollektiv zitierten Text zum Gothaer Programm einen ganz anderen Weg als es die MLPD-AutorInnen Glauben machen wollen. Eher im Vorübergehen und über gerade einmal zwanzig Zeilen kritisiert er in seiner 'Kritik des Gothaer Programms' die törichte Aussage von der Arbeit als alleiniger Quelle allen Reichtums. Seine zentrale Kritik am Gothaer Programm richtet er gegen eine Programmvorlage, die wegen vieler anderer prominenter Gründe insgesamt gar nicht geeignet war, eine Revolutionierung der Verhältnisse zugunsten der ArbeiterInnenklasse auf die Tagesordnung zu setzen. Von einer, wie es in der MLPD-Publikation gebetsmühlenartig vorgetragen wird, „dialektischen Einheit von Mensch und Natur“ 6 schreibt Karl Marx jedenfalls nicht.

Immerhin gestehen die MLPD-AutorInnen mit Blick auf die Vergangenheit ihrer Partei aber zu, daß bis heute eine „Geringschätzung der Umweltfrage auch in der marxistisch-leninistischen und Arbeiterbewegung“ wirke. Aber seit Gründung der MLPD im Jahr 1982 habe man auch dort eine „prinzipiell richtige Stellung“ bezogen und „wirksamen Umweltschutz“ gefordert! 7

Ironisch möchte man hinzufügen: Diese ja geradezu sozialdemokratisch anmutende Forderung, liebe GenossInnen der MLPD, meint ihr, soll 1982 noch irgendwie avantgardistisch oder auch nur etwas Besonderes gewesen sein ? Und, so muss hinzugefügt werden, dies soll, wie die AutorInnen ausdrücklich schreiben, Ausdruck einer gründlichen (!?) Kritik an der Unterschätzung der Umweltfrage gewesen sein - „Wirksamer Umweltschutz“ ? Das ist ein Mumpitz, der auch nicht durch noch so 'kühne' Weisungen nach Art von: „Die nachhaltige Verdrängung der weltanschaulichen Grundfrage der Einheit von Mensch und Natur muss unbedingt restlos überwunden werden“ 8, korrigiert werden kann.

Die MLPD strickt sich hier eine geradezu putzige Legende zusammen. Eine Legende, die mit der faktischen Abwesenheit der Partei oder ihrer Vorläufergruppen in der radikalen Umweltwschutzbewegung bis in die jüngere Zeit nicht viel zu tun hat. Sollte sie mit dieser Art Aufarbeitung der eigenen Geschichte in der vielfältigen Umweltschutzbewegung reussieren wollen, so wird derartiges Gebaren dort nicht verstanden werden.

Und noch ein anderer Aspekt in „Katastrophenalarm“ knabbert an der Glaubwürdigkeit der Darlegungen des MLPD-Kollektivs: Waren produzierende Gesellschaften, das lernen wir u.a. in den einschlägigen Schriften von Marx und Engels, trugen schon immer das Menetekel der Naturzerstörung in sich. Freilich waren und sind die jeweils wirkmächtigen Ausmasse dabei ganz unterschiedlich. Notwendigerweise noch 'Waren produzierend' waren auch die bisherigen Sozialismusversuche und auch aus ihnen heraus geschah ein erhebliches Maß an Naturzerstörung. Wir erinnern daran, daß noch zu Zeiten von Tschernobyl wohl die meisten Strömungen der kommunistischen Linken nicht viel gegen Lenins „Kommunismus – das ist Sowjetmacht plus Elekrifizierung!“ 9 als ebenso passend für mindestens das ausgehende 20. Jahrhundert eingeschätzt hatten ! Und ganz auf dieser Linie und ebenso ganz unakzeptabel ist es für heute, wenn die AutorInnen des „Katastrophenalarm“ Lenins falsche Generalklausel von der Notwendigkeit einer „Herrschaft über die Natur“ 10 als maßgebliche weltanschauliche Grundlage für eine zeitgemäße kommunistische ökologische Vision anführen. Eine kritische Aufarbeitung dieses historischen Erbes fehlt in der MLPD-Schrift nahezu ganz.

Die Einlassungen des AutorInnenkollektivs z.B. zur Person Wilhelm Liebknecht und das eklektische Zitieren von Marx und Engels, das Antäuschen von 'Wir-denken-wie-die-Klassiker' helfen uns und der MLPD nicht weiter. Die AutorInnen wollten vielleicht analysieren, welche Faktoren uns als Individuen und als Teil der ArbeiterInnenklasse und der kommunistischen Linken dazu bringen, die Umweltfrage nicht nur gering zu schätzen, sondern sie sogar bisweilen aus der Kritik der herrschenden Produktionsverhältnisse heraus zu nehmen. Diese Analyse ist aus unserer Sicht und auch im Hinblick auf eine selbstkritische Aufarbeitung der Geschichte der kommunistischen Linken sicher vonnöten. Dies haben die MLPD-AutorInnen noch richtig erkannt, aber mit „Katastrophenalarm“ haben sie es nicht geleistet !

Eine schräge Leitlinie „Einheit von Mensch und Natur“

Im MLPD-Redaktionskollektiv glaubt man wohl, bei der Beurteilung der ökologischen Fragen ohne die Analyse vor allem der kapitalistischen Produktionsprozesse auskommen zu können – dem zentralen Element von Marxens 'Kritik der Politischen Ökonomie'. Man verweist die LeserInnen von „Katastrophenalarm“ schon ziemlich früh im Text auf eigenes Nachschlagen und auf, wie es es heißt, „diese marxistische Grundposition in 'Das Kapital', insbesondere im III. Band.“ 11

Um es gleich vorweg zu nehmen, diese Leserinnen werden weder im III. Band von 'Das Kapital' noch woanders bei Marx und Engels „diese marxistische Grundposition (der) dialektischen Einheit von Mensch und Natur (als) ... einer der programmatischen Grundlagen des Marxismus“ finden.

Es finden sich dort keine weltanschaulich oder auch theoretisch positiven Bezüge auf solch einen schrägen Leitbegriff. Das umfangreiche Schriftgut der beiden paßt auch einfach nicht zu diesem esoterischen Bild. Deren Interesse galt ganz den historischen und zeitgenössischen gesellschaftlichen Formen, ihren Klassen- ihren Produktionsverhältnissen , ihren historischen Entwicklungen und den Bedingungen ihrer Aufhebung.

In den Fragmenten zur Vorbereitung von 'Das Kapital' beschreibt Marx sein Erkenntnisinteresse diesbezüglich ganz anders und sehr prägnant:„Nicht die Einheit der lebenden und tätigen Menschen mit den natürlichen, unorganischen Bedingungen ihres Stoffwechsels mit der Natur, und daher ihre Aneignung der Natur – bedarf der Erklärung oder ist Resultat eines historischen Prozesses, sondern die Trennung zwischen diesen unorganischen Bedingungen des menschlichen Daseins und diesem tätigen Dasein, eine Trennung, wie sie vollständig erst gesetzt ist im Verhältnis von Lohnarbeit und Kapital.“ 12

Wir finden dieses so zum Ausdruck gebrachte Erkenntnisinteresse absolut zielführend. Die Trennung des Menschen von seinen natürlichen Lebensgrundlagen und wie letztere durch die herschenden gesellschaftlichen Verhältnisse gefährdet werden, kann demzufolge offensichtlich nicht per moralischem Imperativ im Sinne von "Wir wollen die Einheit von Mensch und Natur" aufgehoben werden, sondern nur dadurch, daß gesellschaftliche Organisationsformen, eben Proktionsverhältnisse erkämpft werden, die sowohl unsere Reproduktion nachhaltig sichern, als auch dazu passende neue Kulturformen schaffen. Dieser Umstand thematisiert aber etwas ganz anderes als „Einheit von Mensch und Natur“!

Bereits mäßig ambitionierte KleingärtnerInnen werden bestätigen, daß bloßes Abschöpfen von Natur auf Dauer auch in der eigenen Parzelle keine zufriedenstellende Ertragslage mit sich bringen kann. Da muß schon ein bißchen mehr geschehen: Alle möglichen Formen von Kultivieren gehören dazu. Gerade so, wie es die Geschichte der Menschheit bewiesen hat, die nicht einfach nur Natur konsumieren, sondern ein Umgestalten derselben bewerkstelligen musste, um überleben zu können. Dieser Grundsatz gilt seit es Menschen gibt. Er galt auch schon, als Menschen begonnen hatten, sich in Waren - also Tauschwert - produzierenden Gesellschaften zu organiseren. Bereits die Drei-Felder-Wirtschaft bewirkte ein erhebliches Maß von Vernutzung natürlicher Ressourcen und natürlich auch die Abholzung ganzer Landstriche zum Zweck der Seefahrt. Das eine wie das andere war aber für die Spezies Mensch eine geradezu revolutionäre Errungenschaft.

Indes existierte ein, wie das AutorInnenteam schreibt, „ökologisches Gleichgewicht“13 in unseren Augen historisch nie. Was soll damit gemeint sein ? Zwischen welchen Faktoren soll es ein Gleichgewicht gegeben haben ? Zwischen Mensch und Natur ? Was ist Natur, wo beginnt und wo endet sie, wer oder was gehört dazu ?

Bis in die 1980er Jahre hätte, nach Ansicht des AutorInnenteams, ein entschlossener Widerstand der Volksmassen ein ökologisches Gleichgewicht wiederherstellen können. Danach sei die Umweltkrise von einer bloßen Begleiterscheinung zu einem gesetzmäßigen Phänomen der kapitalistischen Produktionsweise geworden.14 Wieso bis in die 1980er Jahre ?

Zu den genannten Fragen gibt es vom Autorenkollektiv der MLPD keine Antworten - eine historisch-materialistische Analyse sieht anders aus. Die Frage bleibt zu beantworten: Wie konnte also, von den Autorinnen des „Katastrophenalarm“ formell richtig dargelegt, die Quantität von Naturzerstörung heute qualitativ in einen Zustand irreversibler Zerstörung übergehen ?

Kommunistische Ökologie jenseits des Marxismus ?

bloß formell richtig dargestellt ? Ja, denn die im MLPD-Text zuvor genannte Begründung, dies sei deshalb so, weil es eine dem zugrunde liegende chronische Überakkumulation von Kapital gibt, ist offenkundig falsch.

Der „Überakkumulation“, also lediglich knappen Investitionsgelegenheiten für eine mindestens ausreichende Profitrate, konnte und kann das imperialistische Monopolkapital bisher immer noch begegnen: Mal brechen sie einen Krieg vom Zaun und schaffen vermittels Vernichtung von Produktionsmitteln neue Investitionsmöglichkeiten, mal verbrennen sie nominelles Kapital aus uneinlösbaren Zinsversprechen in Form z.B. von 'Schuldenschnitten', mal brechen ganze Kapitalfraktionen zusammen oder werden vernichtet und scheiden als Konkurrenten aus und mal gibt es ein Cocktail von alledem.

Immer aber bleibt der Katzenjammer danach: Sie kriegen den tendenziellen Fall der Profitrate nicht in den Griff. Wie soll Profitrate steigen, wenn der Anteil des variablen Kapitals im Verhältnis zum konstanten ständig sinkt ? Was ermöglicht den Mehrwert und seine Abschöpfung, wenn nicht allein menschlicher Arbeitskraft ? Wie soll andererseits der Einsatz von konstantem Kapital in Gestalt etwa der modernen Robotik in den Fertigungsanlagen zugunsten des variablen Kapitals reduziert werden können ?

Um dem Sinken der allgemeinen Mehrwert- und damit auch Profitrate entgegenzuwirken, ist das Kapital gezwungen, sich stetig auf erweiterter Stufenleiter zu reproduzieren. Dies gelingt nur, wenn es auch seine stoffliche Grundlage quantitativ und qualitativ erweitert. Dies ist der Grund für die ständig umfangreichere Einverleibung von Natur und damit der ständig fortschreitenden Zerstörung der menschlichen Lebensgrundlage !

Marx hatte bereits herausgefunden, daß das Kapital ihm eigene Hindernisse hat, um seine Maschinerie auf verbesserter Grundlage zu reproduzieren.15 Diese Tendenz hat sich im Monopolkapitalismus immer stärker manifestiert. Das Monopolkapital und sein Staat hat soviel Maschinerie aufgehäuft und der Staat die zugehörige Infrastruktur, daß eine erweiterte Reproduktion des Monopolkapitals nur quantitativ und nur im Sinne der vorhandenen Maschinerie möglich ist. Gerade die Monopole müssen ihre Reproduktionsbasis beständig

umwälzen. Dies treibt das Monopolkapital zu einem immer aggressiveren Vorgehen - es ist verfaulender Kapitalismus.

Die Konsequenz: Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse stehen im zeitgenössischen Stadium des Kapitalismus in heftigem Widerspruch zueinander. Und dann, so Karl Marx in seiner ‚Kritik der Politischen Ökonomie’: „(...) Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein (...)“ 16, weil die hemmenden kapitalistischen Produktionsverhältnisse abgestreift werden müssen und die bereits im Schoß der alten Gesellschaft schlummernden Produktivkräfte nach Maßgabe gesellschaftlicher Erfordernisse zum Durchbruch drängen.

So Marx zu seiner Zeit. Es sind die geschilderten inneren Widerspruchs des Kapitalismus, vermittels derer die äußeren Faktoren wie z.B. die imperialistischer Konkurrenz wirken. KommunistInnen heute wie damals müssen das immer wieder konkret darstellen. Das MLPD-AutorInnenkollektiv kommt dagegen ohne diese Erkenntnisse aus - jedenfalls im „Katastrophenalarm“. In unseren Augen macht es keinen Sinn, der Kapitalistenklasse bloß auf der moralischen oder weltanschaulichen Ebene begegnen zu wollen (mutwillige Zerstörung der Einheit vom Mensch und Natur“) oder etwa Fracking vor allem und allein als Ausdruck von unbeherrschbaren Abbaumethoden“ 17 zu bewerten. Letzteres ist, nüchtern betrachtet, schlicht eine den aktuellen Verhältnissen angemessene Methode des imperialistischen Monopolkapitals relevante Profitraten zu erzielen.

Und: Heute wie damals dürfen KommunistInnen nicht dabei stehen bleiben und müssen sich vor Forderungen einer unkritischen Entfesselung der gesellschaftlichen Produktivkräfte in Acht nehmen. Gerade das herrschende ökologische Desaster zeigt uns, im Schoß dieser herrschenden Produktionsverhältnisse wurden und werden fortwährend ganze Systeme destruktiver Technologien mit Natur zerstörenden Potentialen generiert – auch dies ist Ausdruck der Entwicklung der Produktivkräfte. Daraus folgt, daß der Bruch mit den herrschenden Produktionsverhältnissen einher gehen muß mit der Revolutionierung des herrschenden Mensch-Natur-Verhältnisses. Dies bleibt gesellschaftliche Aufgabe während der gesamten Übergangsperiode zur klassenlosen Gesellschaft – eine geradezu kulturrevolutionäre Aufgabe. 18

Wir glauben, daß die weltanschauliche Orientierung der KommunistInnen, ihre gesellschaftliche Vision diese vor allem durch Marx begründete historisch-materialistische Systematik zum Ausdruck bringen muß. Warum die MLPD-AutorInnen darauf verzichten und stattdessen die esoterischen Losung von 'Einheit des Menschen mit der Natur' wählen, sollten sie noch erklären.

Ideologische Differenzen in den Ökologiebewegungen – was ist schlimm daran ?

Nach längerer Analyse der Folgen globaler Naturzerstörung heißt es in „Katastrophenalarm“ quasi als Resümee: „Mit der Bedrohung der Menschheit durch eine globale Umweltkatastrophe entstand ein neuer hauptsächlicher Widerspruch im imperialistischen Weltsystem: der Widerspruch zwischen der kapitalistischen Produktionsweise und den natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit.“ 19

Aufmerksame LeserInnen dieses Satzes fragen sich sicher auch nach wiederholter Lektüre, was die AutorInnen wohl damit sagen wollen, genauer, was denn nach Auffassung der MLPD der alte „hauptsächliche Widerspruch im imperialistischen Weltsystem“ war und was aus diesem geworden ist, wenn er nicht mehr allein „hauptsächlich“ oder überhaupt nicht mehr „hauptsächlich“ sein soll. Jedenfalls können wir mit dem genannten Resümee nicht viel anfangen und vermuten stattdessen, das Kollektiv der MLPD verbirgt hinter derartig verquastem Politdeutsch noch eine Menge an ungeklärten Fragen über die Bedeutung fortschreitender Naturzerstörung in Hinblick auf eine kommunistische Strategie und Taktik.

Unzufrieden sind wir auch deswegen, weil es neben diesem nur sehr begrenzt brauchbaren 1970er-Jahre-ML-Sprech insbesondere im Kapitel IV, überschrieben mit „Klassenkampf und Kampf zur Rettung der natürlichen Umwelt“ 20, von Schuldzuschreibungen der zweifelhaften Art nur so wimmelt, wenn das MLPD-Kollektiv Gegner und politische Konkurrenz beschreiben will. Man möchte fast meinen, das Kollektiv, als Besitzer der reinen, einzig wahren Linie wähnt sich von Feinden und Dilettanten geradezu umstellt, während es selbst - zunächst etwas zögerlich, aber dann doch konsequent - ökologisch ans Werk gegangen sein will.

In den 1970er Jahren tobte, nach Aussage des MLPD-AutorInnkollektivs, „ein heftiger Kampf zwischen der fortschrittlichen, proletarischen und sozialistischen Denkweise auf der einen und der kleinbürgerlich-reformistischen und kleinbürgerlich-revisionistischen Denkweise auf der anderen Seite“ 21. Auch so etwas Ulkiges wie eine „kleinbürgerliche marxistisch-leninistische Bewegung“ 22 soll dabei eine Rolle gespielt haben.

Da das AutorInnenkollektiv bei der Aufzählung dieser Etiketten dann jeweils grammatikalisch bestimmte Artikel ("der") verwendet, kann unterstellt werden, das Kollektiv weiß, wovon es schreibt.

Erst recht, wenn es einige Zeilen später heisst: „Später rückte die kleinbürgerlich-antikommunistische und kleinbürgerlich-ökologistische Denkweise ins Zentrum der Auseinandersetzung“ 23. Dann soll noch irgendwie ein „Sog der kleinbürgerlich-parlamentarischen Denkweise“ 24 hinzugekommen sein und die verräterische Einwicklung der Grünen soll dann zum „Niedergang der kleinbürgerlichen Umweltbewegung“ wesentlich beigetragen haben. Dann schliesslich soll eine neu auflebende Umweltbewegung entstanden sein, die aber „noch nicht auf den Kampf zur Verhinderung der globalen Umweltkatastrophe“ 25 ausgerichtet sei ...

Eine Fortsetzung kann diese von inhaltlicher Darstellung ungetrübte Etiketten-Saga dann eigentlich nur darin finden, dass wir, die irgendwie übrig gebliebenen Umweltschützer, ja jetzt die MLPD haben, die sich endlich entschlossen habe, „die bürgerlich-ökologistische und die kleinbürgerlich-ökologistische Denkweise 26 in die Schranken zu weisen. Die übrig Gebliebenen, also wir, wissen nämlich nicht, dass sich die Umweltfrage im Rahmen der herrschenden Verhältnisse nicht lösen lasse !

So das Szenario in Kapitel IV des "Katastrophernalarm" - eine Self-fulfilling prophecy für ein irgendwie ökologisches Relaunch der MLPD oder einfach nur oberlehrerhaftes Gesülze oder beides ?

Unsere Meinung dazu: Es graut uns davor, gerade in der Umweltfrage, wo es um breiteste Bündnisse gehen müsste, mit einem Gruppenverhalten konfrontiert zu werden, welches ausgerechnet mit den genannten abgedroschenen Etiketten irgendetwas erklären, geschweige denn, eine nennenswerte Mobilisierung der ArbeiterInnenklasse bewirken will.

Diese Klasse an sich hat sich in ihrer ganzen versprengten Vielfalt schon über Jahrzehnte von den Gewerkschaftsführungen sagen lassen müssen, ganz dialektisch versteht sich, dass Stillhalten die einzig aktive Form von Interessenvertretung sein soll. Soll jetzt, wenn wir in der Umweltbewegung gemeinsam mit MLPD-Aktivisten kämpfen, die sehr kleine Gruppe irgendeines MLPD-Sekretariats in irgendeinem Gelsenkirchener Sitzungszimmer qua Beschluss zum Beispiel etwa eine neuerliche 'Castor Schottern'-Kampagne einfach beenden oder wenigstens gefährden können, wenn da nach deren Ansicht gerade eine 'kleinbürgerliche Denkweise' herrsche und dann lieber 'aktiv' still gehalten werden solle ?

So etwas kann nicht ernst gemeint sein und so etwas hat auch mit Stärkung der kommunistischen Linken nichts zu tun, auch nicht mit einer vorgeblich selbstkritischen Herangehensweise der MLPD in Umweltschutzfragen. Erst jahrzehntelang der Umweltschutzbewegung fern bleiben, sich dann aber in Oberlehrermanier praktisch aus der Schusslinie zu nehmen - per blumigem Vorwurf 'kleinbürgerlicher Denkweise'-, ist nicht überzeugend. Reicht der Versuch einer praktischen Materialisierung der theoretischen Denkfigur "Einheit von Mensch und Natur" nur dazu ?

Abgesehen davon, und das ist nicht ein Momenrt von geringer Tragweite: Sind vor nicht allzu langer Zeit etlichen aufrichtigen KämpferInnen gegen den Kapitalismus, darunter vielen KommunistInnen, die man diese o.g. reformistischen oder revisionistischen und sowieso immer kleinbürgerlichen Etikettierungen angeheftet hatte, die Köpfe abgeschlagen worden ? Und in dieser Hinsicht graut uns „Katastrophenalarm“ wegen seiner in manchen Kapiteln geäußerten reaktionären und unkritischen Denkweise.

'Katastrophenalarm' organisieren – ein paar Vorschläge

Wir gehen davon aus, dass die MLPD-AutorInnen nicht als eigenbrödlerische aber ansonsten nur irgendwie wackere Radikalökologen gelten wollen, sondern als kommunistisches bzw. marxistisch-leninistisches Kollektiv, welches strategisch und taktisch über den Tellerrand der kapitalistischen Gesellschaft hinaus zu sehen und eine gesellschaftlich hegemoniefähige und revolutionäre Programmatik zu entwickeln vermag.

Dann also bitte, noch viel deutlicher 'raus aus dem Schneckenhaus ! Eine grosse Anzahl noch aktiver Anti-AKW-Initiativen einschließlich überregionaler Bündnisstrukturen wie '.ausgestrahlt' warten auf Verstärkung; inzwischen auch jede Menge Anti-Fracking Gruppen. Ebenso verdienen es BUND und NABU, die Naturfreunde und andere eher weniger antikapitalistisch gestimmte Umweltschutzgruppen sozusagen aufgemöbelt zu werden. Einige noch aktive attac-Gruppen, ökologisch orientierte GewerkschafterInnen oder der Bund Demokratischer WisenschaftlerInnen und viele lokale Gruppen und Bürgerinitisative bieten ebenfalls Plattformen für radikal-ökologisches Engagement.

In Gesprächen mit einzelnen MLPD-Umweltaktivisten haben wir gelernt, dass die MLPD u.a. in den genannten Gruppierungen deswegen nicht mitarbeiten möchte, weil prinzipiell etwas gegen die Zersplitterung der Umweltbewegungen gemacht werden müsse und zudem, dass z.B. diese eine gleichberechtigte Mitarbeit von Marxisten-Leninisten nach Art der MLPD nicht zuliessen.

Aus eigener Erfahrung als Kommunisten wissen wir, es ist nicht einfach, sich dort Respekt zu verschaffen. Wir wissen aber auch, dass ein aktives Eintreten für die jeweiligen Ziele dieser unterschiedlichen Zusammenschlüsse am Ende in der Regel auch diesen Respekt einbringt. Es sei denn, man möchte für sich bezüglich Form und Inhalt dieses Engagements eine Extrawurst reklamieren. 'Ihr seid die KleinbürgerInnen, wir die VertreterInnen einer irgendwie proletarisch-sozialistischen Kultur !' oder so ähnlich. Solcherart 'pointiert' haben wir grobschlächtig agierende MLPD-AktivistInnen kennengelernt und das haben auch AktivistInnen aus der Umweltbewegung nun einmal verständlicherweise nicht gern.

Wir hoffen, die von der MLPD initiierte Idee einer Umweltgewerkschaft 27 ist nicht Ausdruck eines sektiererischen Schmollwinkels nach dem Motto: Bündnisse nur mit uns selbst ! Es ist dabei aus unserer Sicht nicht ausgemacht, dass diese Idee scheitern muss. Sie muss es nicht, wenn - neben anderen Gesichtspunkten - die MLPD einen deutlichen Grad an politischer und ideologischer Öffnung zulässt oder im Resultat zulassen muss. „Katastrophenalarm“ bietet dafür leider keine passende Vorlage.

Frank Braun und Jürgen Suttner im Juli 2014

Anregungen und Kritik auch direkt an
frank.braun@netcologne.de oder j-suttner@t-online.de

Anmerkungen

1 „Das globale ökologische Desaster und die Marxisten-Leninisten“, vgl. unter http://www.trend.infopartisan.net/trd0114/t100114.html

3 siehe unter Marx, Kritik des Gothaer Programms, MEW Bd. 19

4 „Katastrophenalarm“, S. 50 ff.

5 „Katastrophenalarm“, S. 57

6 „Katastrophenalarm“, S. 54

7 „Katastrophenalarm“, S. 61

8 „Katastrophenalarm“, S. 60-62

9 Vgl. dazu Lenin Werke (LW) Bd. 31, S. 512. Wir halten diese Losung in ihrem historischen Kontext v.a. der militärischen Konterrevolution gegen die junge Sowjetunion in jener Zeit für vollständig richtig und nachvollziehbar.

10 Vgl. dazu Lenins Schrift „Materialismus und Empiriokritizismus“ in LW, Bd. 14, S.187 (Unterstreichung von uns)

11 „Katastrophenalarm“, S. 54/55

12 siehe bei Marx/Engels, Grundrisse der Kritik der Politischen Ökonomie, MEW Bd. 42, S. 412/413

13 „Katastrophenalarm“, S. 78

14 „Katastrophenalarm“, S. 79

15 siehe bei Marx/Engels, Das Kapital Bd. 2, MEW Bd. 24, S. 170-172

16 siehe bei Marx/Engels, Vorwort Zur Kritik der Politischen Ökonomie, MEW Bd. 13, S. 9

17 „Katastrophenalarm“, S. 196

18 Die ökologische Frage ist in unseren Augen nicht bloß Zugabe für agitatorische Texte im Sinne der politischen Bewerbung des Umweltklientels. Eine positive Vision bezüglich des Mensch-Natur-Verhältnis muß wesentlicher Teil des Profils der KommunistInnen sein. Wir gehen davon aus, daß der real existierende Sozialismus u.a. auch deswegen scheiterte, weil seine führenden VertreterInnen dies nicht verstanden.

In diesem Zusammenhang möchten wir auch auf unser Papier „Das globale ökologische Desaster und die KommunistInnen“ unter http://www.trend.infopartisan.net/trd1213/t141213.html verweisen, in dem wir eine Kritik an Vorstellungen einer kommunistischen Ökologie aus den Reihen der DKP übten.

19 „Katastrophenalarm“, S. 228

20 „Katastrophenalarm“, S. 229

21 „Katastrophenalarm“, S. 243

22 „Katastrophenalarm“, S. 242

23 „Katastrophenalarm“, S. 244

24 „Katastrophenalarm“, S. 244

25 „Katastrophenalarm“, S. 252

26 „Katastrophenalarm“, S. 266

27 siehe unter http://www.umweltgewerkschaft.org/index.php/de/

Editorische Hinweise

Den Text erhielten wir von den Autoren für die Ausgabe.