Editorial
Kommunismus - was sonst?

von Karl Mueller
06/05

trend onlinezeitung
Ende Mai 2005 trafen sich auf Einladung der Redaktion Leute aus verschiedenen Zusammenhängen der Region Berlin-Brandenburg, um ihre Erfahrungen mit der  TREND Printausgabe für den 1. Mai 2005 zu besprechen und auszuwerten.  Dieser Erfahrungsaustausch sollte dazu dienen, die praktischen und inhaltlichen Bedingungen einer weiteren Printausgabe im Herbst 2005 festlegen. Gegen die Herausgabe einer Nr. 2 gab es keine prinzipiellen  Einwände, jedoch stellte sich in der sehr lebhaft geführten Diskussion heraus, dass es noch einer guten Recherche bedarf, um zum geplanten Thema der Nr. 2 „Sozialemanzipatorische Bewegungen in anderen Teilen der Welt“ eine Printausgabe zu erstellen. Bis zum nächsten Treffen Ende September 2005 wird die Redaktion eine Übersicht über die dazu im TREND bisher veröffentlichten Artikel erstellen.

Im weiteren Verlauf wandte sich die Diskussion dem aktuellen Thema „Rücktritt Rot-Grün und Bildung einer Linkspartei“ zu. Alle  waren sich darüber einig, dass der TREND von der Nr. 6-05 bis  incl. 9-05 zu den dadurch aufgeworfenen Fragen/Themen Texte
veröffentlichen sollte. Dazu gab es folgende Veröffentlichungsvorschläge:

  • Texte, die sich grundsätzlich mit dem Parlamentarismus und der Staatsfixiertheit der Linken kritisch auseinander setzen (Grundlagentexte oder Texte mit programmatischem Charakter)
  • Texte, die sich konkret mit dem Wahlprogramm der „Linken“ (PDS, WASG, MLPD) auseinandersetzen
  • Historische Quellen wie z.B. Kritik an linken Wahlbündnissen, z.B. in der Gründungsphase der Grünen
  • Auch Interviews z.B. mit Leuten des Linksbündnis bzw. die dieses kritisieren

Gemäß dieser Empfehlungen eröffnen wir mit der vorliegenden Ausgabe das "Sonderthema Neuwahlen & "Links"bündnis" mit einem Text der Gruppe Arbeitermacht, die die Begründung für ihr Ausscheiden aus der WASG  in eine Kritik an reformistischer Politik - getönt durch ihre trotzkistische Grundorientierung - wendet. Insofern steht dieser Text exemplarisch für unser Anliegen, indem wir damit zeigen können, dass sich Kritik an reformistischer Politik  aus ganz unterschiedlichen Grundpositionen ableiten kann und es von daher nicht eine Kritikschiene sondern nur mehrere Kritikdimensionen in dieser Frage geben kann.

Unter diesem Gesichtspunkt gehören zwei weitere Artikel zu diesem Themenkomplex - nämlich der Artikel von der Gruppe Kritik im Handgemenge Peter Hartz, der Staat und antiamerikanische Verhältnisse und das Referat der englischen KommunistInnen  Krise, Klassenzusammensetzung und die internationale Perspektive der Klassenkämpfe.ebenfalls dazu.

Ein weiterer Tagesordnungspunkt des regionalen Treffens war es, erste Überlegungen eines "TREND-Kongresses" anläßlich des 10-Jahres-Jubileums des TREND im Januar 2006 anzustellen. Mit der Formulierung "Den Begriff des Kommunismus mit sozialer Emanzipation verbinden" erarbeiteten sich die Anwesenden eine erste Arbeitsgrundlage für diesen Kongress. Unter diesem Titel könnten, so ihre erste Einschätzung, folgende drei Themenkreise zum Bezugspunkt für die Arbeit am Kongress-Programm werden:

  • Soziale Emanzipation weltweit
  • Die Zukunft der Metropolen
  • Klasse und revolutionäre Organisation

Zum nächsten Treffen Ende September 2005, wo die Durchführung des Kongresses verbindlich beschlossen werden soll, werden wir bundesweit einladen. Und wir hoffen, dass sich bis dahin schon mal Leute aus dem langjährigen AutorInnenkreis des TREND melden, die von sich aus meinen, als ReferentInnen, beim TREND-Kongress im Januar 2006 mitzumachen.

Kongresse gibt es immer wieder, das zeigt sich ganz aktuell an dem Berliner "Bewegungskongress". Doch die dort, wie fast überall, gepflegte Art der Behandlung wichtiger strategischer Fragen für die Linke halten wir für wenig fruchtbar, folgt so ein Kongress doch dem Strickmuster: Jede(r) erzählt ihre(seine) Geschichte und das Ganze ist dann unser Geschichtsbild.

Wenn wir - d.h. die TREND-Redaktion - fragen: "Kommunismus - was sonst?", dann transportiert dies schließlich auch eine klare Absage an jene narrative Methoden, womit die - ansonsten nicht unsympathische undogmatische - Linke sich wie eine riesige Selbsterfahrungsgruppe inszeniert und somit in ihrer selbstverschuldeten Bedeutungslosigkeit gut aufgehoben bleibt.

Wir als TREND-Redaktion wollen mit diesem Kongress statt dessen dazu beitragen, Politik auf wissenschaftliche Grundlagen zu stellen. D. h. auf solche, worin die individuelle Emanzipation(1) als integraler Bestandteil der sozialen Emanzipation enthalten ist und wodurch wissenschaftlicher Kommunismus und emanzipatorische Praxis kohärent zusammenkommen. Dies ist bitter nötig, ist es doch spätestens seit 1989 en vogue Kommunismus = Stalinismus zu setzen. Hierauf hat die Linke bisher nur defensiv oder autistisch reagiert und damit ihren Beitrag zur bürgerlichen Geschichtsentsorgung und -klitterung geleistet. Genau an dieser Stelle verknüpften sich zunehmend theoretische Regression mit linkem Nischendasein.

Angesichts dieser Zustände haben wir in den fast zehn Jahren unserer Veröffentlichungspraxis trotz unserer begrenzten Möglichkeiten ständig versucht, Inhalte anzubieten, die dieser Regression entgegenwirken. Dazu gehört gegenwärtig ganz zuvorderst der Text von Günter Jacob Kapitalismus und Lebenswelt. Hier wurde uns mitgeteilt, dass ein seit Jahren theoretisch arbeitender Kreis im Ruhrgebiet, diesen Text - motiviert durch unsere Veröffentlichung - in sein Arbeitsprogramm aufgenommen hat. Aus diesem Anlass möchten wir darauf verweisen, dass es in der LINKSKURVE des Infopartisan.net  eine weiter treibende Kritik von Robert Schlosser (Selbstverwirklichung als flop) an Jacobs Text gibt.

Abschließend möchten wir noch darauf verweisen, dass von uns der wieder zugänglich gemachte Text von Schmitt-Egner Wertgesetz und Rassismus im Kommunistischen Forum eine starke Resonanz gefunden hat. Allein dies lässt hoffen, im Januar 2006 einen gut besuchten TREND-Kongress hinzukriegen, gerade weil er anders sein wird, gerade weil es heißen wird "Kommunismus - was sonst?"

1) Gerade unter dem Gesichtspunkt, dass die so genannte "Politik der ersten Person" in der Vergangenheit dazu geführt hat, Probleme Einzelner tatsächlich Lifestylemäßig zu vereinzeln und damit aus den Widersprüchen des sozialen Kontexts zu brechen, ist es ungemein wichtig, dem entgegen zu wirken. In dieser Ausgabe geschieht dies dadurch, dass wir den Text der Antifafrauen veröffentlichen, mit dem endlich wieder gefordert wird, den Kampf gegen den Sexismus auf die linksradikale Agenda zu setzen.