Editorial
Das Einfachste zu machen, ist oft das Schwierigste.

von Karl Müller

04/09

trend
onlinezeitung

Am 28.3.2009 gingen in der BRD Zehntausende auf die Straßen, um ihren Missmut über die immer umfassender wirkende Krise zum Ausdruck zu bringen. Missmut - ja mehr war es leider nicht. Schwarze Blöcke, die an diesem BürgerInnenprotest teilnahmen, reklamierten für sich Radikalität und Militanz allein durch ihr Erscheinen und zogen so die bekannte polizeiliche Gewaltbereitschaft magisch an. Ansonsten verblieb bei diesem Spektakel die ideologische Oberhoheit bei Sozialdemokraten mit und ohne Regierungsbeteiligung. Sie empfahlen - bildlich gesprochen - als Arzt am Krankenbett, dem Patienten alternative Medizin im homöopathischen Dosen wie z. B. 10 Euro Mindestlohn. Auch divergierende Vorschläge zur existenziellen Grundsicherung wurden unterbreitet. Weltweit solle mensch gerecht handeln, wurde vehement gefordert.

Die Spitze der Sozi-Radikalität bildete die von wenigen mutig in die Demo per Transpi eingeschleuste Parole von der Neuverteilung des Reichtums durch die "Verstaatlichung von Banken und Konzernen". Dagegen wirkte sogar der MLPD-Schlachtruf "Für den echten Sozialismus" ziemlich blass, den einige hundert Montagsdemo-Menschen skandierten. Ein wenig Unterhaltungswert erzeugten dagegen in FFM  Eier und Frischobst, die auf Lafontaine geworfen wurden.

Dass Lohnarbeit bei beständig verfeinerten und erweiterten Formen der Mehrwertabpressung weltweit zunehmend überflüssig gemacht wird und dass dadurch die Aufhebung des Lohnsystems unmittelbar auf der Tagesordnung steht, war an diesem Tag nirgends Thema. Es ist einfach Unfug, gerechte Verteilung des gesellschaftlich Mehrprodukts zu fordern, wenn die objektiven ökonomischen und die dazu gehörenden politischen Voraussetzungen  nicht gegeben sind.

Das Einfachste zu machen ist oft das Schwierigste. Und das Einfachste wäre, dass die Arbeitskraft aufhörte eine Ware zu sein und dass zuvor die ProduzentInnen die politische Macht ergriffen, um das Lohnsystem zu zerschlagen. Dann ginge es nicht mehr um das Stück Kuchen, sondern um die ganze Bäckerei. Kurzum: Nieder mit dem Lohnsystem - Für den Sozialismus!

Übrigens in dieser Ausgabe ist nachzulesen, wie die russischen KommunistInnen von der bürgerlichen zur sozialistischen Revolution übergingen. Schlussendlich  ist es doch erfreulich, dass sich im linksradikalen Spektrum Stimmen mehren, die die Krise zum Ausgangspunkt nehmen, die  Notwendigkeit von neuen Produktionsverhältnissen zu begründen. In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass in Berlin seit langer Zeit wieder einmal versucht wird, innerhalb der 1.Mai - Demo des DGB als revolutionärer Block aufzutreten. Entsprechendes ist in dieser Ausgabe nachzulesen und wir werden die 1.Mai Berichterstattung wie jedes Jahr ständig aktualisieren.

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Dass die Entfaltung einer politischen Praxis, die auf die Aufhebung der kapitalistischen Produktionweise abzielt, nicht ohne revolutionäre Theorie zur machen sein wird, darauf wird im TREND des Öfteren verwiesen. Und dass es aus der Vergangenheit zu lernen gilt, zählen wir dabei zu den unabdingbaren Voraussetzungen. So haben wir für die aktuelle "Krisendebatte" einen passenden Klassikertext aufgenommen, verbunden mit der Hoffnung,  zu zeigen, dass nicht jedes Rad neu erfunden werden muss.

In ähnlicher Weise ist mit dem politischen Reformismus umzugehen, der nicht nur aus Gründen theoretischer Not in den sozialen Bewegungen dominiert, sondern weil er griffig und plausibel daherkommt. Ihn gilt es theoretisch zu widerlegen. Auf welchen Feldern dies dringlich erscheint, vermittelt sich durch Wal Buchenbergs Debatten-Beitrag: Ist ein bedingungsloses Grundeinkommen antikapitalistisch?

Im übrigen raten wir, noch einmal in die Rubrik "Krisendebatte"  der letzten Ausgabe zu schauen.

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Die weltweite Verflüssigung der Arbeitskraft als Ware ist im Neoimperialismus die objektive Grundlage der MigrantInnenströme. Die eigentlich positive Konzentration der autonomen Linken weg von ihrer lebensweltlichen Orientierung ("meine Identität als Autonome/r") hin auf die soziale Frage wurde jedoch leider begleitet von einer zunehmenden Geringschätzung der Fragen, die mit der Festung Europa und den MigrantInnenströmen zusammenhängen. Und das, obwohl die Krise in den Metropolen zur Verelendung in den Peripherien in einem direkten ökonomischen Zusammenhang steht. Von daher hielten wir es für mehr als berechtigt, ein mittlerweile marginalisiertes Thema wie die Abschiebung in die Headline dieser Ausgabe (bis zum nächsten update) zu stellen.

Gleich dahinter platzierten wir das Thema "Schülerknast". Ein Thema, das direkt mit dem Niedergang der bundesdeutschen Staatsschule und ihrer Legitimationskrise zusammenhängt und leider trotz der zunehmenden Kampfbereitschaft der SchülerInnen (Stichwort Bildungsstreik) nur am Rande - bei der Behandlung der zentralen Schülerdatei, eine Rolle spielt. Es fehlt tatsächlich eine nachvollziehbare Darstellung der logistischen Notwendigkeit dieser Schülerdatei für die Bildungsverwaltung bei der Durchsetzung des Schulpflicht und anderer Repressionen. Sie wird nur als quasi verlängerter Arm der Polizei behandelt, was die tatsächliche Absicht auf den Kopf stellt. Wir haben daher einmal die Rechtsgrundlagen dokumentiert, auf die zurückgegriffen werden muss, wenn SchülerInnen zum Lernen weggesperrt werden sollen. Darin wird deutlich, dass es drei verschiedene Rechtsgrundlagen gibt, wovon das Strafrecht für die leichte Durchsetzung den Königsweg darstellt. So erscheint es zweckmäßig, mit der zentralen Schülerdatei just in time feststellen zu können, ob Strafverfahren am Laufen sind. Auch kann es hilfreich sein, per Computerzugriff auf diese Datenbank einfach festzustellen, wie es um das Elternrecht steht. Könnte es sich doch ergeben, das eine so genannte Inobhutnahme durch das Jugendamt, noch schneller als die Strafrechtsvariante zur gewünschten Aussonderung führt.  

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Der Beitrag von  Hartmut Barth-Engelbart zur Israel/Palästina-Debatte veranlasste die Herausgeber zu einem grundsätzlichen Statement, das wir seinem Artikel vorangestellt haben. Wir möchten dies hier zum Anlass nehmen, auch unser Missfallen gegenüber HaBEs "dümmlicher Anmache" zum Ausdruck zu bringen. Ursprünglich wollten wir den Text zur Überarbeitung zurückschicken, als wir jedoch feststellten, dass der Autor diesen Artikel schon im Internet verbreitet hatte, nahmen wir davon Abstand und publizieren ihn sozusagen als "schwarzes Dokument".

Wie eine seriöser Beitrag für eine linke Debatte über die Israel/Palästina-Frage aussehen kann, zeigt dagegen das Gespräch mit Peter Ullrich. Obgleich wir der Meinung sind, dass seine ideologiekritische Verkürzung der Thematik - nämlich durch Ausblendung der Klassenwirklichkeit in Nahost - die Linke in ihrem Verhältnis zu Israel/Palästina nicht aus dem Dilemma ihres Philo- bzw. Antizionismus herausbringt.

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Im März tagte nach einer längeren Pause der politische Beirat des TREND. Hier wurden drei thematische Schwerpunkte für das laufende Kalenderjahr besprochen, die im April genauer abgestimmt werden, so dass sie in entsprechende Veranstaltungen einmünden können, die dann sofort bekannt gegeben werden.

Hier sei nur soviel verraten, dass es sich um ein aktuelles, um ein eher polit-ökonomisches und um ein historisches Thema handeln wird. Allen drei Themen soll es natürlich an Grundsätzlichkeit und vor allem Aktualität nicht mangeln. Daran "feilen" wir - versprochen!

TREND(s) im Netz - hier die jüngsten* Zahlen:

Die BesucherInnenzahlen vom März 2009, in Klammern 2008, 2007

  • Infopartisan gesamt:  131.045   (130.751, 166.775)
  • davon TREND: 90.824 ( 89.925, 114.412 )

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  • 1.977 BesucherInnen verbuchte die Agit 883 Seite.
  • Es wurden 3.506 Ausgaben der Agit 883 aufgerufen.
     
  • 5.080 BesucherInnen besuchten das  Rockarchiv
  • 7.477 Seiten wurden im Rockarchiv abgerufen
  • 48 Mal wurden die Flugblätter der Haschrebellen gelesen

Die am meisten gelesene Seite im März 2009 war:
http://www.trend.infopartisan.net/inhalt.html  5.991

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Die französischen Trabantenstädte oder Die Ethnisierung des Sozialen

Der am meisten gelesene TREND-Artikel der 3/2009- Ausgabe:
http://www.trend.infopartisan.net/trd0309/t380309.html l       386
Der drohende Zusammenbruch der Kapitalakkumulation stellt die Systemfrage