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UND JEDER WEISS WIE"S RICHTIG IST UND WIE MAN"S MACHEN SOLL! 

Das "Bündnis für Arbeit"
Eine auf dem Kopf stehende Pyramide

von DIETMAR KESTEN, Gelsenkirchen,

02/99
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DIE MACHT UND IHR PREIS Teil VI

In seiner Intention unterscheidet sich das ökonomische Modernisierungskonzept des neuen "Bündnis" eigentlich nur in Nuancen von dem im April 1996 gescheiterten erstmaligen Versuch. Es läßt an der Akzeptanz des staatlichen Gewaltmonopols keinen Zweifel aufkommen. Als Versatzstück einer neokonservativen Politik fügte es sich bestens in den Prozeß der Herrschaftsverhältnisse ein. Es ist einfach etwas ähnliches wie die schon erwähnte "Konzertierte Aktion", die am 14. 2. 1967 (99) wiederbelebt wurde; eine Veranstaltung des damaligen Wirtschaftsministers SCHILLER, um den Staat, Tarifpartner und Wirtschaft zum "gemeinsamen wirtschaflichen Handeln" (100) zu veranlassen. Mit ihr legte sich die damalige Regierung ein Instrumentarium zu, um nachhaltig die Konjunktur zu beeinflussen, die in sog. "Stabilitätsgesetze", "Finanzplanung" und "Konjunkturprogramme" gipfelten, schlicht, um den ökonomischen Status quo zu erhalten, abzusichern und auszubauen. Die Orientierung galt demStaatsapparat, und die Gewerkschaften fanden sich in dieser "Konzertierten Aktion" als Ordnungsfaktor des Staates gut zurecht.

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Serie
Das Bündnis für Arbeit

Bisher erschienen

 EXKURS: DIE ZENTRALE ARBEITSGEMEINSCHAFT.

Da kann es nicht verwundern, wenn immer wieder in die Geschichte zurückgeblickt wird. Und in der Tat gibt es auffällige Parallelen, die bis zum 11.August 1919 (101) zurückreichen. Zwar gewährte der Artikel 159 derReichsverfassung der Weimarer National- versammlung die sog. "Koalitionsfreiheit", aber es hieß unmißverständlich, daß die "Vereinigungsfreiheit" der "Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen" zu dienen habe; (102) und der Artikel 165 sprach deutlich von der "gleichberechtigten Gemeinschaft mit den Unternehmen" .(103) Daß sich die freien Gewerkschaften mit fliegenden Fahnen auf dieses Zuckerbrot stürzten, und sich nun im Einklang mit Staat und Gesellschaft befanden, sollte ihnen später zum Verhängnis werden. Die schon während des 1. Imperialistischen Krieges (104) teilweise praktizierte Zusammenarbeit zwischen Staat, Unternehmern und Gewerkschaften, die letztlich keinem anderen Zweck diente, als die Kriegswirtschaft aufrechtzuerhalten, erfuhr in der Folgezeit eine weitere einschneidende Verschärfung.

Mit dem Ausbruch der Novemberrevolution von 1918, (105) waren die Gewerkschaften immer mehr dazu bereit, Zugeständnisse zu machen: Am 15. November 1918 wurde die "Arbeitsgemeinschaft industrieller und gewerblicher Arbeit- geber und Arbeitnehmer" (ZAG) konstituiert. Diese "zentrale Arbeitsgemeinschaft" könnte m.E. durchaus als das spätere "Arbeitsfrontkonzept" der Nazis bezeichnet werden; denn es schrieb im Prinzip die "partnerschaftliche Zusammenarbeit" mit dem Kapitalismus fest.

Noch deutlicher stellte das der "Nürnberger Gewerkschaftskongreß" (106) her- aus: Sie (Betriebsräte) "sollen das gute Einvernehmen der Arbeitnehmer unterein- ander und mit dem Arbeitgeber ebenso wie das gemeinsame Interesse an einem vorteilhaften Fortgang des Betriebes berücksichtigen." (107) Der eigentliche "Sozialpartnerschaftsgedanke" war geboren. Die Gewerkschafts- führungen hielten die Zusammenarbeit zwischen ihnen und dem Kapital für die beste Garantie, ihre Reformprojekte zu realisieren.

Das Abkommen vom 15. November enthielt überdies eine Reihe von weiteren "Kompromissen", die im nachhinein tatsächlich als "terroristische Zwänge" ein- gestuft werden müssen (z.B. regelte nach § 10 der Zentralausschuß "alle Streitfragen", § 9 die "Aufrecherhaltung des Wirtschaftslebens", § 6 bestimmte die "Arbeitsbedingungen durch Kollektivverträge"). Ein korporatives Beziehungsfeld zwischen Kapital und Arbeit war dadurch installiert; die Gewerkschaftsführungen stellten den Kapitalismus nicht in Frage, sondern nur die schwache Absicherung gegen den Unbill der Zeit; sie mutierten schlicht zum gesellschaftlichen Caritasverein (Arbeitsplatzerhalt, Ernährung usw.) und gaben jedweden politischen Anspruch auf, der in dieser Form in die Nähe zum alten Reformismus der LASSALLEaner gestellt werden sollte. So betrachtet, gingen die Gewerkschaften eine Reform mit ihrem eigenen Kompromiß ein, der geschichtlich nichts anderes war, als die Anerkennung der ge- meinsamen Pflichten bezüglich des kapitalistischen Staates.

1920 wurde das Betriebsrätegesetz beschlossen, das weit hinter der rätesozialistischen Minderheit und der Mehrheit der Gewerkschaften zurückblieb. Die im "Adenauer BVG" von 1952 aufgenommene Formulierung "zum Wohle des Unternehmens", die von der Sozialdemokratie 1972 in der Neufassung des BVG beibehalten wurde, hatte ihren Vorläufer in der "Erfüllung des Betriebszweckes" aus dem Gesetzes von 1920. Die Rechte der Betriebsräte, die nur "mitwirken" durften, hatten keinerlei Ein- fluß auf die wirtschaftlichen Abläufe des Kapitalismus. Sie wurden auch in diesem Gesetz weitgehend gegängelt, eingeengt und von allen wichtigen Entscheidungen ausgeschlossen. Wie im späteren "Mitbestimmungsgesetz" der Montanindustie hatten sie nur ein anteiliges Recht, Delegationen in den Aufsichtsrat des Unternehmens zu senden. Zusätzlich wurde der Wirkungsgrad von Betriebsräten noch dadurch eingeschränkt, daß alle Entscheidungen der Rechtssprechung des Reichsarbeits- gerichtes unterlagen. Was nach 1945 in den "NIPPERDEYschen Gutachten" (108) festgeschrieben wurde, dürfte auch hier die Entsprechung gehabt haben. Der staatlichen Schlichtung unterliegend und den Belegschaften ein erhöhtes Maß an Rücksichten aufzuerlegen, darauf sollte sich später die "Konzertierte Aktion" festlegen.

Am 30. Janaur 1933 wurde HITLER zum Reichskanzler ernannt; am 7. März erfolgte das Verbot der KPD; am 23. März 1933 wurde das "Ermächtigungsgesetz" beschlossen; der 2. Mai 1933 brachte das Ende der Gewerkschaften; der 23. Juni, das Ende der SPD. Seit 1931 gab es Versuche zwischen der SPD und dem ADGB, in der sog. "Eisernen Front" einen (halb)militärischen Bund zum "Schutze der Republik" aufzustellen. Sie nährte Hoffnungen eines "Endkampfes" gegen die NSDAP, wurde um so bitterer enttäuscht, als alle entscheidenden Machtmittel des Staates (Reichswehr, Polizei etc.) schon in den Händen der Faschisten waren. Einen Wider- standsversuch wollten sie aus dem Grunde nicht eingehen, weil sie eine Niederlage oder Auflösung ihrer Organisationen für möglich hielten: Die folgenschwere Illusion ihrer Geschichte. Wenige Tage nach dem Verbot der "Eisernen Front" (109) nahmen führende Mitglieder aller Gewerkschaften Kontakt mit der NSDAP auf, um auszuloten, welche Aufgaben und Ziele jetzt noch möglich seien? Die christlichen Gewerkschaften und Vertreter der Hirsch-Dunckerschen kontaktierten JOSEPH GOEBBELS um über die "Teilnahme am neuen Staat" zu verhandeln; am 21. März erklärte sich THEODOR LEIPART (1. Vorsitzender des ADGB) dazu bereit, alle Verbindungen mit der SPD aufzulösen und mit den Unternehmern zusammenzuarbeiten. Alle Angebote des ADGB an das HITLER-Regime (Führung der Gewerkschaften durch einen Reichskommissar etc.) liefen darauf hinaus, sich völlig den Faschisten zu unterwerfen; doch HITLER war entschlossen, die Gewerkschaften zu zerschlagen.

Nach deren Fall wurden die Gewerkschaftsorganisationen durch die staatliche Zwangsorganisation "Deutsche Arbeitsfront" ersetzt; die "Volksgemeinschaftsidee" war geboren. Die Gewerkschaften hörten als Organisationen auf zu existieren. Das Führer- und Gefolgschaftsprinzip galt auch für alle Betriebe; die Belegschaften unterlagen der alleinigen Bestimmung der herrschenden autoritären Betriebsführern.

Hatten sich die Gewerkschaften auch nach 1945 als Machtfaktor beim Aufbau des Staates erwiesen, so wurde mit der Krise 1966/67 deutlich, daß Markt und Staat ihre komplette Systemintegration verlangten, die Unterwerfung unter den staatlichen Machtapparat, die Verschmelzung mit ihm. Das "Bündnis für Arbeit" könnte in diesem Sinne auch "Bündnis für Reformen" oder "Bündnis für eine konzertierte Aktion" heißen. Es ist eine populistische Phrase; vor allem aber ein "Bündnis" der Notstandsverwaltung, daß in seiner historischen Entwicklung dem Selbstlauf der Warengesellschaft gleicht, und zunehmend die Grundlagen des menschlichen Lebens untergräbt. Und es ist wiederum der Staat, der wie in der Vergangenheit eine Vermittlerrolle übernimt, der die "Gemeinkosten" des warenproduzierenden Systems an seinen steigenden Kapitalinteressen mißt; am Maßstab der Produktivität, und die niedrigproduktive Produktion einfach liquidiert. Die Globalisierung der Finanz- und Geldmärkte, die globale Konkurrenz, die Zerlegung der Produktionsabläufe, die spekulative Ära hat auf die "Kostengünstigkeit" und den "Standort Deutschland" enormen Einfluß: Nur wenn die kapitalistische Produktion den hohen Standard halten kann, entsprechen seine Produktionsergebnisse der Systemlogik.

Die marktgemäße Warenform, in die sich die Gewerkschaften zahm einfügen, ist auch die Identifikation mit dem allgemeinen Betriebszweck, anders gesagt: Die "Rettungsaktionen", die jetzt anlaufen, lassen nur die Spitze des Eisberges erscheinen; das darunterliegende Volumen ist zum erheblichen Teil die sozialökonomische Desintegration, an der das "Bündnis" beteiligt ist. Die Ahnung kommt auf, daß mit ihm die kommende Krise des Geldes, der Ware, verwaltet wird. In der Macht der Mechanik des Marktes gibt es keinerlei Konzepte mehr, die ein "Versöhnungsmodell" zulassen. Die Postmoderne scheint sich zum Ausgang des 20. Jahrhunderts in das Geld- und Schuldensystem hineinzuflüchten. (110) Die gigantischen Verschleuderungen aller materiellen und menschlichen Ressourcen, die an der Gewinmaximierung orientiert sind, zeigen die sinnlose Verschwendung eines Großteils des gesellschaftlich produzierten Reichtums; der vom Weltmarkt ausgehende Zwang läuft auf die Vernichtung jeglicher noch vorhandener qualifizierten Arbeit hinaus, und damit auch der produktiven Fähigkeiten der Menschen.

Diese Tendenz läßt sich daran festmachen, daß die normativen Muster des Fortschrittsdenkens der Moderne sich nicht mehr in das globale System einfügen lassen, je weiter sie sich zum Kollaps hin entwickelt. Ein "Bündnis für Arbeit" ist eine Ruine, das alle Schlechtigkeiten der Warenpro- duktion unter seinen Mauern verbirgt:Die Prozesse der Entzivilisierung, des (kommenden) sozialen Elends, Zusammenbrüche und Auflösungserscheinungen, es hat keine Zukunft, ruft nur noch mehr Unsicherheit und Spannung hervor, wenn der moderne Kapitalismus auch die Zerstörung der Subjektivität unvermindert fortsetzt. Die Moderne wird diese Form der Arbeitsgesellschaft, die das 19./20. Jahrhundert hervorgebracht hat, nicht mehr aufrechterhalten können. Es hat die Menschen in die Verblendung geführt, in die Abhängigkeit von der Ware, vom Fetisch Arbeit. Warum sollte jetzt ausgerechnet ein System wie das "Bündnis für Arbeit" irgend- welche "Verbindlichkeiten" regeln, eine Gleichartigkeit in der modernen Welt sug- gerieren, die auf den Misthaufen der Geschichte gehört? Wenn Menschen ganzer Kuklturkreise zu Verlierern werden, dann fragt sich, woraus "Bündnis" -Geschichte noch besteht, aus Hypothesen oder Theorien dar- über? Das warenproduzierende System produziert fortwährend allgemeines Versagen. Das sind die schmerzlichen Prozesse der Zivilisation, die sich in solchen Träumen, wie dem des "Bündnis" niederschlagen. Es ist an der Zeit, daß sie zerplatzen.

REPETITIO EST MATER STUDIORUM (Die Wiederholung ist die Mutter der Wissenschaft)!! 

Anmerkungen:

(99) KONZERTIERTE AKTION: DATENBANK MAO (unveröffentlicht) JÜRGEN SCHRÖDER (Berlin); DIETMAR KESTEN (Gelsenkirchen), DIETER OSTERLOH (Berlin), 1985-1995; Datensatz 1967.

(100) Ebd.

(101) Am 11. August 1919 wurde von der Weimarer Nationalversammlung die Reichsverfassung verabschiedet.

(102) Vgl. GORDON A. CRAIG: "Deutsche Geschichte 1866 - 1945", München 1983, S. 362ff.

(103) Ebd. und: HANS LIMMER: "Die Deutsche Gewerkschaftsbewegung" , München 1996, S. 52.

(104) Daten zum 1. Imperialistischen Krieg in einer Auswahl (Daten über See - und Luftkrieg sind nicht enhthalten): Unmittelbarer Kriegsanlaß war die Ermordung des österreichischen -ungarischen Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand durch den serb. Nationalisten GAVRILO PRINCIP am 28.6. 1914 in Sarajevo; Julikrise. Nachdem Serbien ein scharfes österreichisches Ultimatum (23.7.) abgelehnt hatte, erklärte ihm Österreich den Krieg (28.Juli); russiche Generalmobilmachung am 30. Juli; 1. - 3. August Kriegserklärungen Deutschlands an Rußland und Frankreich. Am 2.8. besetzten deutsche Truppen Luxemburg. Am 3.8. folgte die deutsche Kriegserklärung an Frankreich. Der deutsche Einmarsch in das neutrale Belgien veranlaßte Großbritannien am 4.8. zum Kriegseintritt. Italien blieb zunächst neutral; Japan trat am 23.8. in den Krieg gegen Deutschland ein. Bewegungskriege 1914 und Kämpfe 1915/16: Der Bewegungskrieg im Westen 1914: Gemäß dem Schlieffenplan (Schlieffen) erfolgte der deutsche Aufmarsch mit dem Schwerpunkt gegen Frankreich; 18. 8.: Vormarsch aller deutschen Armeen; 20.8. Einnahme von Brüssel. Die Grenzschlachten Ende August brachten keine Entscheidung; die deutschen Truppen überschritten Anfang September die Marne östlich von Paris. Die erfolgreiche Gegenoffensive der Entente (6.9.) zwischen Paris und Verdun zwang die deutschen Armeen zum Rückzug hinter die Aisne. Die Marneschlacht war der erste Wendepunkt im Verlauf des Krieges; mit ihr scheiterte die deutsche Strategie zur Vermeidung eines Zweifrontenkrieges. Daraufhin: Führungskrise in der Obersten Heeresleitung Deutschlands (14.9. Chef des Generalstabes H.von MOLTKE wird von E. FALKENHAYN abgelöst); die Front dehnte sich bis zum Herbst bis zur Nordsee aus. Bewegungskrieg im Osten 1914: Der in Ostpreußen einfallenden russischen Njemen-Armee trat die deutsche 8. Armee am 20.8. bei Gumbinnen entgegen. Auf die Nachricht vom Anmarsch der Narew-Armee brach der deutsche General M.von PRITTWITZ die Schlacht ab und befahl den Rückzug hinter die Weichsel. Er wurde durch General P.von HINDENBURG ersetzt, der sich zum Angriff auf die Narew-Armee entschloß. Nach deren Vernichtung bei Tannenberg (26. - 31. 8.) wan- dte sich HINDENBURG gegen die Njemen-Armee und besiegte sie an den Masuri- schen Seen (6. - 14.9. 1914). Das österreichische-ungarische Heer stieß auf Lublin und Lemberg vor, schlug russische Truppen bei Krasnik (25.8.) und Komarów (1.9.), mußte jedoch im September vor der russischen Übermacht in die Karpaten und hinter die Wisloka zurückweichen. Zu seiner Unterstützung wurde die aus Teilen der 8. gebildete deutsche 9.Armee unter HINDENBURG nördlich von Krakau eingesetzt. Sie drang im Oktober bis Iwangorod und südlich von Warschau vor. Am 1.11. wurde HINDENBURG Oberbefehlshaber Ost. Er überließ den Schutz Oberschlesiens den Österreichern sowie schwachen deutschen Kräften und stellte die 9.Armee unter General A. von MACKENSEN bei Thorn zum Angriff bereit, die schließlich Mitte November starke russische Kräfte um Lodz einkesselten. Durch einen russichen Vorstoß von NO wurde der deutsche linke Umfassungsflügel eingeschlossen. Ihm gelang der Durchbruch auf Brzeziny (24.11.). Im Dezember wurden die Russen hinter die Bzura und obere Pilica und bei Krakau zurückgedrängt. Danach ging auch die Ostfront zum Stellungskrieg über. Der Feldzug gegen Serbien begann am 12.8. mit einem erfolglosen österreichischen-ungarischen Vorstoß über die Drina. Ein neuer Angriff im Sept. führte nach schweren Kämpfen am 2.12. zur Einnahme Belgrads; er endete infolge eines serbischen Ge- genstoßes mit dem Rückzug hinter Drina und Save. Die Kämpfe im Westen und Osten 1915: Winterschlacht in der Champagne (16. 2. - 19. 3.),Frühjahrsschlacht im Artois (9. 5.- 18. 6.); deutscher Angriff zur Abschnürung des Ypernbogens (22. 4. - 24. 5. 1915). Im Osten schlug HINDENBURG im Februar den russischen Nordflügel vernichtend in der Winterschlacht in Masuren. Die im Januar an der österreichisch-ungarischen Karpatenfront eingesetzte deutsche Südarmee warf die nach Ungarn vorgedrungenen Russen wieder zurück; Kapitulation der österreichischen Festung Przemysl (22.3.); russische Truppen rücken erneut in die Karaparten vor. Zur Entlastung des Verbündeten griff die deutsche 11.Armee unter von MACKENSEN am 2.5. bei Gorlice- Tarnów an und durchbrach die russische Front in Galizien. Mitte Mai wurde der San über-schritten, am 3.6. Przemysl, am 22. Lemberg eingenommen. Dann stießen die Verbündeten zwischen Bug und Weichsel nach Norden vor. Mitte Juli traten die deutschen Armeen in Polen und Litauen zum Angriff an. In schneller Folge fielen im August und September Iwangorod, Warschau, Kowno, Brest-Litowsk, Grodno und Wilna. Ende September wurde die Offensive in einer von der Bukowina über Pinsk nach Dünaburg und längs der Düna zur Rigaer Bucht verlaufenden Linie eingestellt. Die Ereignisse auf den Nebenfronten 1915: Um Landverbindung mit der Türkei zu erhalten, entschlossen sich die deutsche und die österreichische-ungarische Heeresleitung im Spätsommer 1915 zum Angriff auf Serbien. Bulgarien verpflichtete sich in einer Militärkonvention (6.9.) zur Teilnahme. Unter von MACKENSEN erzwan- gen die deutsche 11. und die österreichisch-ungarische 3.Armee im Oktober den Übergang über Donau und Save. In schweren Kämpfen wurden die Serben im Okto- ber und November vernichtend geschlagen. Zu ihrer Unterstützung landeten am 5.10. britisch - französische Truppen bei Saloniki. Sie drangen im November nach Makedonien vor, wurden im Dezember von den Bulgaren über die griechische Grenze zurückgeworfen. Mit der Eroberung Montenegros und Albaniens durch österreichisch- ungarischen Kräfte im Jan./Febr. 1916 schloß der Balkanfeldzug der Mittelmächte ab. West- und Ostfront und Kämpfe 1917: Die Kämpfe an der West- und Ostfront und gegen Italien 1916: Anfang 1916 entschloss sich FALKENHAYN zum Angriff auf Verdun, der am 21.2. mit einem tiefen Einbruch begann. Die Schlacht um Verdun (Febr.Dez.), mit der der Gegner "ausgeblutet" werden sollte, wurde dann aber zu einem zähen Ringen um jeden Fußbreit Boden, in dem beide Seiten schwere Verluste erlitten (rd. 700000 Mann). Ein am 15. 5. einsetzender österreichisch- ungarische An- griff in Tirol zur Entlastung der Isonzofront mußte wieder eingestellt werden, als am 4. 6. die russische Brussilow-Offensive gegen den die Ostfront begann. Sie konnte erst im August zum Stehen gebracht werden; britisch-französischer Großangriff an der Somme (seit 24. 6.) wurde in fünfmonatigem Kampf abgewehrt. Der Mißerfolg vor Verdun, die Sommekrise und die rumän. Kriegserklärung an Österreich-Ungarn (27.8.) führten zum Rücktritt FALKENHAYNs als Generalstabschef; Nachfolger wurde HINDENBURG mit LUDENDORFF als Erstem Generalquartiermeister (Oberste Heeresleitung). Sie stellten den Angriff auf Verdun ein und entschlossen sich zur Offensive gegen Rumänien. Ein bulgarischer Vorstoß in die Dobrudscha (Anfang September) endete im Oktober mit der Besetzung. Die deutsche 9. Armee unter FALKENHAYN besiegte die nach Siebenbürgen vorgestoßenen Rumänen bei Hermannstadt (26. - 28. 9.) und Kronstadt (7./8.10.). Im November erkämpfte sie den Übergang über die Südkarpaten (Transsilvan. Alpen) und drängte den Gegner gemeinsam mit der am 23.11. bei Swischtow über die Donau gegangenen Donau-Armee nach Osten zurück. Nach schwerer Niederlage am Arges (1.3.12.) räumten die Rumänen die Walachei. Die Verbündeten besetzten am 6. 12. Bukarest. An der makedonischen Front wehrten deutsche -bulgarische Kräfte im Herbst einen großen Angriff der Saloniki-Armee ab. Am Isonzo versuchten die Italiener in fünf weiteren Schlachten (Juni/November) erfolglos, die österreichisch-ungarischen Stellungen zu durchbrechen. Eine russische Offensive in Armenien warf die Türken weit zurück. Trotz des Sieges über Rumänien und der Abwehr aller Angriffe war die Lage der Mittelmächte Ende 1916 ernst. Die 1914 errichtete britische Fernblockade in der Nordsee und im Kanal begann zu wirken. Die Donaumonarchie wurde durch die innere Opposition der Slawen und den Tod des Kaiser (21.11.) erschüttert; Versuche seines Nachfolgers, einen Sonderfrieden zu erreichen (Sixtus), bewirkten eine Entfremdung zu Deutschland. Im Deutschen Reich sprengte der Streit um die Kriegsziele die nationale Einheitsfront der politischen Parteien; die Errichtung eines Königreichs Polen (5.11.) brachte nicht die erhoffte polnische Unterstützung. Das Friedensangebot der Mittelmächte (12. 12.) wurde von der Entente abgelehnt; auch eine Friedensnote des amerikanischen Präsidenten W. WILSON (18.12.) blieb wirkungslos. Zur Fortführung des Kriegs forderten HINDENBURG und LUDENDORFF die Heranziehung aller zivilen Kräfte zur Steigerung der Rüstungsindustrie und Ernährungswirtschaft (Vaterländ. Hilfsdienst, Hindenburg-Programm). Die West- und Ostfront 1917 und der Zusammenbruch Russlands: In Erwartung einer neuen Großoffensive der Alliierten im Sommegebiet wurde die Front Mitte März in die stark ausgebaute Siegfriedstellung zurückgenommen. Darauf griffen die Alliierten im April und Mai unter extremem Kräfte- und Materialeinsatz an der Aisne und in der Champagne sowie bei Arras an, wurden aber in beweglichen Verteidigung abgewiesen. Ebensowenig vermochten die Briten in der Schlacht in Flandern (Juni - Dezember) größere Erfolge zu erzielen. Ihr Geländegewinn unter Einsatz neuartiger Panzerwagen in der am 20. 11. begonnenen Tankschlacht bei Cambrai ging bei dem deutschen Gegenangriff (Ende Nov./Anfang Dez.) wieder verloren. In Russland brach am 12. 3. (27. 2.) die "Februarrevolution" aus, Zar NIKOLAUS II. dankte am 15.3. ab. Die neue provisor. Regierung aus Demokraten und Sozialrevolutionären entschloß sich auf Drängen der Entente zu einer Offensive (Kerenski- Offensive), die am 1. 7. begann und die österreichisch - ungarische Front in Galizien teilweise zurückdrückte. Der Gegenangriff der Verbündeten bei Tarnopol (19. 7.) verdrängte die Russen aus Ostgalizien und der Bukowina; die Eroberung Rigas (3. 9.) und der baltischen Inseln (Ösel, Dagö, Moon, 12. - 21.10.) vollendete die militär. Niederlage. Mit der "Oktoberrevolution" kamen am 7.11. (25. 10.) die Bolschewiki an die Macht. Sie schlossen am 15.12. Waffenstillstand und traten am 22.12. in Friedenverhandlungen ein, die aber erst nach dem deutschen Einmarsch in Livland und Estland und der Besetzung der Ukraine am 3. 3. 1918 zum "Diktatfrieden" von Brest-Litowsk führten. Den Kriegszustand mit Rumänien beendete am 7.5. der Friede von Bukarest.  Finnland schloß am 7. 3. einen Sonderfrieden mit dem Dt. Reich und vertrieb danach mithilfe deutscher Truppen unter General R. Graf von der GOLTZ die Bolschewiki (April 1918). Kämpfe in Makkedonien und in der Türkei 1917; italienische Angriffen im Frühjahr und Aug./Sept. 1917. Zur Entlastung griffen deutsche und österreichisch - ungarische Kräf- te unter General O.von BELOW am 24.10. am oberen Isonzo an. Sie durchbra- chen die italienischen Stellung bei Flitsch-Tolmein, besiegten die Italiener bei Udine (28.10.- 3.11.) und warfen sie hinter den Piave zurück. Die deutsch-bulgarische Front in Makedonien trotzte allen Angriffen der Alliierten, de- nen sich Griechenland nach Abdankung König Konstantins am 27.6. anschloß Im Irak drängten die Briten die Türken im März bis über Bagdad zurück. Eine  britische Offensive auf Palästina führte am 10.12. zur Einnahme Jerusalems. Lage 1917 und deutsche Offensive 1918: Durch den Zusammenbruch Russlands und den Sieg in Oberitalien waren die Mittelmächte entlastet worden. Andererseits hatte der nach schweren politischen Auseinandersetzungen von Deutschland am 1.2. 1917 begonnene uneingeschränkte U-Boot-Krieg nicht die erhoffte entscheidende Wirkung gehabt, führte aber zum Kriegseintritt der USA (6.4.). Die Verschlechterung der Ernährungs- und Rohstofflage, Zerfallserscheinungen in der Donaumonarchie, die durch die Friedensresolution des Reichstags (19. 7.) gewachsene innenpolitische Spannung in Deutschland und das zu erwartende Eingreifen amerikan. Truppen forderten eine baldige Beendigung des Kriegs. Die Oberste Heeresleitung entschloß sich, eine militärische Entscheidung durch eine große Offensive im Westen zu suchen. Der am 21.3. 1918 zw. Arras und La Fère in 70 km Breite eingeleitete Angriff wurde nach großen Anfangserfolgen am 4.4. östlich von Amiens gestoppt; ein am 9.4. beginnender Angriff beiderseits Armentières kam nach Erstürmung des Kemmelberges (25.4.) ebenfalls zum Stehen. Um die gegner. Reserven aus Flandern abzuziehen, erfolgte am 27.5. ein neuer großer Angriff zw. Soissons und Reims; er führte in wenigen Tagen bis zur Marne bei Château-Thierry, blieb jedoch mit dem rechten Flügel am 13.6. vor Compiègne und Villers-Cotterêts stecken. Weitere dt. Offensiven zw. Montdidier und Noyon (9.14.6.) sowie an der Marne und in der Champagne (15.17.7.) scheiterten ebenso. Gegenoffensive der Entente und Zusammenbruch der Mittelmächte: Auf alliierter Seite hatte General F FOCH im April 1918 den Oberbefehl über alle Landstreitkräfte übernommen;Gegenoffensive am 18.7. mit einem Flankenstoß aus dem Wald von Villers-Cotterêts; Zurücknahme der deutschen Front hinter die Vesle führte; Zurück-drängung der Deutschen in die Siegfriedstellung. Ende September traten die Alliierten in Flandern, im Artois und in der Champagne zur Generaloffensive an; Zurückdrängen der Deutschen (Oktober - November) in die Antwerpen-Maas-Stellung; 30. 10. Waffenstillstand der Türken mit der Entente; am 3. 11. tritt der Waffenstillstand Österreichs mit den Alliierten in Kraft; die deutsche Reichsregierung unter MAX von BADEN bietet WILSON die Einleitung von Friedensverhandlungen und einen Waffenstill- stand an (5. 10.); 9. 11. Ausrufung der Republik durch SCHEIDEMANN; schließlich am 11. 11. 1918 Waffenstillstand im Wald von Campiegne mit den Alliierten.

Literatur:
HANS PETER ULLMANN: "Das Deutsche Kaiserreich 1871- 1918"; Moderne   Deutsche Geschichte, Bd. 7, (Hrsg.:) HANS-ULRICH WEHLER, Frankfurt/M. 1995. GORDON A. CRAIG: "Geschichte Europas im 19. und 20. Jahrhundert, BD. II (1914-1975), München 1979. SEBASTIAN HAFFNER: "Die verratene Revolution 1918/1919", München 1969; ERIC HOBSBAWM: "Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahr- hunderts", München 1995. ERNST NOLTE: "Der europäische Bürgerkrieg 1917-1945. Nationalsozialismus und Bolschewismus", Frankfurt/M. 1987. HEINRICH-AUGUST WINKLER: "Weimar 1918-1933. Die Geschichte der erste deutschen Demokratie", München 1997. ERNST LOHOFF: "Der dritte Weg in den Bürgerkrieg. Jgoslawien und das Ende der nachholenden Modernisierung", Bad Honnef 1996. ULRICH KLUGE: "Die deutsche Revolution 1918/1919", Moderne Deutsche Geschichte, Bd. 8 (Hrsg.: HANS-ULRICH WEHLER), Frankfurt/M. 1985.

(105) AUSBRUCH DER NOVEMBERREVOLUTION: Darunter sind im wesentlichen jene Ereignisse zu verstehen, die zwischen dem November 1918 und März 1919 stattfanden: Aufstand der Matrosen in Kiel 3. November; Bildungvon Arbeiter- und Soldatenräten; Bayerische Räterepublik 8. November;Berliner Aufstände 9. November; Ausrufen der Deutschen Republik durch Scheidemann (SPD); Bildung des Rats der Volksbeauftragen 10. November; Spartakisten Kämpfe in Berlin; Trennung der Spartakusgruppe von der SPD   30. Dezember 1918; Generalstreik in Berlin; NOSKE (SPD)-Terror; Ermordung von LIEBKNECHT und LUXEMBURG 15. Januar 1919; EBERT wird Reichspräsident 6. Februar; SCHEIDEMANN (SPD) wird Reichskanzler; Räteregierung in München unter Beteiligung von MÜHSAM, TOLLER, LANDAUER.

(106) NÜRNBERGER GEWERKSCHAFTSKONGREß (1919): Gilt auch als Konstituierung des ADGB (Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund); Vorsitzender THEODOR LEIPART.

(107) Zitiert nach A. ENDERLE et al: "Das Rote Gewerkschaftsbuch" o. O. o.J.

(108) HANS CARL NIPPERDEY: Jurist, 21.1. 1895, - 21.11. 1968, Prof. in Jena und Köln, 1954/63 Präsident des Bundesarbeitsgerichts. NIPPERDAY beeinflußte maßgebend die Entwicklung des Arbeitsrechts. Anfang 1954 vertrat er z. B. die Auffassung, daß sich aus den Normen des Grudgesetzes zwingend die Ordnung der "Sozialen Marktwirtschaft" als alleinige und legitimierte Wirtschaftsverfasung der Bundesrepublik ergibt; Streik und Aussperrung seien an § 2 GG gebunden (Danach dürfe sich ein Arbeitkampf niemals gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten). Daher ist es nicht abwegig zu behaupten, daß der Einfluß NIPPERDEYs auch noch heute weitreichenden Einfluß auf das Arbeitsrecht hat. Die verordneten staatlichen Zwangsschlichtungen weisen mit Nachdruck darauf hin. Veröffentlichungen zum Verfassungs- und Zivilrecht (einschl. Wirtschaftsrecht); Mitherausgeber von "Die Grundrechte" (4 Bände 1954/67).

(109) EISERNE FRONT: Wurde am 16. 12. 1931 in Berlin gegründet. Die Organisation sollten den Widerstand koordinieren. Ihr gehörten die SPD, die Gewerkschaften, Arbeitersportverbände, das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold an. Nach der Zerschlagung der Gewerkschaften löste sie sich auf. Literatur: WOLFGANG BENZ/HERMANN GRAML/HERMANN WEIß: "Enzyklopädie desNationalsozialismus", Stuttgart 1997.

(110) Vgl.ROBERT KURZ: "Der Kollaps der Modernisierung", Frankfurt/M. 1991

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