Editorial
Uschi, Rainer  & Justus

von Karl Müller

02/07

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"Wenn mein Vater angerufen hat und zu mir "Hasilein" sagte, da hat Dieter Kunzelmann, der mich nicht mochte, laut herumgeäfft: "Ach, Hasilein, Hasilein." Das war schon krass." Uschi Obermeier über die K1 in der FR am 2.2.07

Er sah aus wie die klapprige Hexe von Hänsel und Gretel und reckte drohend seinen knochigen Zeigefinger in Richtung Uschi Obermeier. So geschehen am 23. Januar 2007 vor einem Millionenpublikum im Deutschen Fernsehen während Beckmanns Talkshow.

Sie habe ihn in dem Film "Mein wildes Leben" als verklemmten Typen darstellen lassen, rüffelte Langhans die Obermeier. Dabei sei doch ihre Kommunezeit  ohne "Fehl und Tadel" gewesen. "Es war wunderschön", erwiderte Obermaier. "Auch sexuell!", bedrängte sie Langhans inquisitorisch. "Ja, auch", antwortete Obermaier genervt. "Danke", sagte Langhans. Dennoch habe er nach dem Sex immer gesagt: "Das war wieder nix", kartete Obermaier nach.

Zuvor hatte sich der als "führender Kopf der 68er" angekündigte Langhans schon mit Beckmann selber angelegt. Nach dem Motto der K1 befragt, sah sich Langhans nämlich ob dieses Labels veranlasst, sich in theoretische Unkosten zu stürzen, die bei einem Justus Wertmüller sicherlich Zustimmung hervorgerufen hätten: Als "Kinder von Mördern" hätte  er - Langhans - das Leben "auf einem großen Leichenhaufen" neu erfinden wollen. Beckmanns Verweis auf das Leben in einer Diktatur konterte Langhans mit "Ja, ja, schöne Ausrede", worauf der Moderator sichtlich böse wurde.

Im Endeffekt punktete die Obermeier deutlich vor Langhans, nicht nur weil sie besser aussieht - was nicht schwer ist - und nicht nur, weil sie ihre Persönlichkeitsrechte nicht für lumpige 15.000 Euro wie der Langhans an die Filmproduktion verkauft hat, sondern weil sie Geschichten zu erzählen hatte, die beim TV-Publikum einfach besser ankommen. So wussten alle am Ende der Sendung, was sie vorher schon wussten, nämlich dass die Uschi außer mit dem Rainer auch mit dem Jimi und dem Keith und dem Mick ein bis zweimal im Bett gewesen war.

Wer diese tiefgründigen Infos über den Alltag einer 68erIn und ihrer Bettgenossen  bei Beckmann verpasst hatte, konnte sie in den nachfolgenden Tagen bei anderen Talkshows, in Nachrichtenblättern und entsprechenden Illustrierten ablangen. Wodurch sich zeigt, dass sich die theoretischen Mühen der Kraushaars und anderer mit staatsbürgerkundlicher Unterweisung befasster Intellektueller auszuzahlen beginnen.

War in den letzten Jahren bildlich sozusagen in der Theorieetage darüber die Geschichte der 68er zur Genese der RAF verkürzt und umgeschrieben worden, fehlte  nur noch unter dem Gesichtspunkt der Vermittlung nach unten ins Alltagsbewusstsein eine gemeinverständliche Bebilderung. Kraushaars Bombenbuch übernahm dafür quasi eine Türöffnerfunktion. Zwar war man durch Kraushaars Projektion des Bösen auf die Figur des schratigen Kunzelmanns bei der Bebilderung ein gutes Stück vorangekommen, doch  in der Märchenstunde fehlte noch die gute Fee, die zum Volke sprach: "Wenn man guten Sex hat, dann liebt man die ganze Welt und möchte, dass alle so fühlen." (U. O., FR, 2.2.07)

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Was haben nun Rainer Langhans & Justus Werthmüller gemeinsam, dass sie beide in einem Atemzug hier in diesem Editorial genannt werden? Nein, es ist nicht die Tatsache, dass der Langhans mit seinem "Hitler in sich Gerede" den antideutschen G-Punkt des Justus Werthmüller stimuliert, sondern beide haben eine dritte Sache gemeinsam. Dazu das Verlautbarungsorgan des Justus Werthmüller: "Dass heute die Aufgabe des Revolutionärs ...nur in der Verhinderung einer Revolutionierung der Massen bestehen kann, wird in absehbarer Zeit ... die Redaktion BAHAMAS öffentlich begründen." - Klare Worte. Hier wird die Konterrevolution propagiert. Langhans will  sie auch - nur sein Focus ist ein anderer. Als Egomane reicht es ihm, gegen sozialen Widerstand und Klassensolidarität die zerschlissene Fahne des Hedonismus zu schwenken.

Bürgerliche Klassenherrschaft bedarf der organisierten Konterrevolution heute nicht, es reicht alle mal, wenn die sich ideologisch betätigt. Deswegen stehen auch Uschi und in deren Schatten der Rainer auf der medialen Bühne, während Justus da eher am Katzentisch Platz nehmen darf.

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Klassenherrschaft in der bürgerlichen Gesellschaft heißt nicht allein Herrschaft durch politische Apparate (Stichwort Gesundheitsreform), sondern sie steckt vor allem auch im Sachzwang der Mehrwertproduktion. Dies zeigen unsere Berichte von den betrieblichen Kämpfen. Wie Herrschaft in der BRD ganz praktisch aussieht, zeigt eine Untersuchung (Wer regiert Deutschland?), die wir von den Trotzkisten übernommen haben.

Passend zu unseren Texten zu philosophischen und erkenntnistheoretischen Grundfragen erhielten wir einen Aufsatz von Hans-Peter Büttner, der den Determinismus in der Neurobiologie kritisch hinterfragt.

Bernard Schmid schickte uns wieder exzellente Texte. Einer sei besonders hervorgehoben:Geheimverhandlungen der KP mit den Nazis im besetzten Paris. Hier geht es um Enthüllungen über die Kollaboration zwischen KPF und faschistischen Besatzern. Wir haben einen Text von Werner Rings Kollaboration in Frankreich aus dem Jahre 1979 (!!) mit dazu genommen, der die Frage aufwirft, dass die Gründe der Kollaboration nicht allein in einer "stalinistisch" entarteten Partei zu suchen wären.

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Der Februar ist bekanntlich ein kurzer Monat und wir erscheinen mit der Nr. 2/07 erst am 4.2, sodass es höchstens nur zwei Updates im Februar geben wird.

Im Gegensatz dazu  können wir  jedoch etwas Erfreuliches vermelden. Anfang März wird es in Berlin - allen "Konterrevolutionären" zum Trotz - ein TREND NACHTGESPRÄCH über ArbeiterInnenmilitanz mit dem Titel "DIE FABRIK BRENNT" geben.