Bernard Schmid berichtet aus Frankreich
Neue Bücher belegen bisher unbekannte Details: Geheimverhandlungen der KP mit den Nazis im besetzten Paris

02/07

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Nie zuvor waren die Kommunistischen Parteien in Westeuropa, vor allem in Frankreich und Italien, derart erfolgreich wie kurz nach der Befreiung dieser Länder vom Faschismus oder der nazideutschen Besatzung. Ausgestattet mit dem ganzen Prestige, das sie aufgrund ihrer Teilnahme an der und sogar als führende Kraft in der Résistance oder Resistenzia - dem antifaschistischen Widerstand – erworben hatten, wurden diese Parteien zum ersten Mal zur stärksten politischen Kraft ihrer Länder. In Frankreich, wo die KP von der Befreiung 1944 bis im Mai 1947 an der Regierung beteiligt war, wurde sie bei den Wahlen von 1946 zur stimmenstärksten Kraft mit fast 29 Prozent der Stimmen. Nicht so sehr wegen, sondern eher trotz dem real existierenden Sozialismus unter Stalin in der Sowjetunion. Allerdings wurde damals auch Letzterem in sehr breiten Kreisen zugute gehalten, dass die UdSSR einen wesentlichen Anteil an der Niederringung Hitlerdeutschlands trug. 

Im Laufe der Jahre und Jahrzehnte erhielt dieses Gemälde dann einige Risse. Manche bürgerlichen Kräfte hatten sich nie mit dem Einflussgewinn der KP nach dem Zweiten Weltkrieg abgefunden. Das ungebrochen positive Image der UdSSR seinerseits geriet leicht ins Wanken, als in Frankreich 1949 die ersten öffentlichen Diskussionen über sowjetische Arbeitslager einsetzten – und wesentlich stärker nach dem Tod Stalins und den damit zusammenhängenden Enthüllungen in den fünfziger Jahren. Ab Anfang der achtziger, nach dem Einmarsch in Afghanistan und der Verhängung des Kriegsrechts in Polen, kippte die Sichtweise einer Mehrheit der französischen Gesellschaft endgültig ins Negative. Nunmehr war es – umgekehrt als in der vorigen Periode - in breiten Kreisen Mode, den Anteil der Kommunisten am antifaschistischen Widerstand gering zu schätzen. Das daraus resultierende Erbe wurde für „historisch überholt“ erklärt, oder die kommunistische Résistance gar als „Kampf eines Totalitarismus gegen einen anderen, ihm gleichwertigen“ verunglimpft. Die bürgerliche Mitte begann von den „beiden Übeln, dem roten und dem braunen“ zu fabulieren. 

Jenseits dieser Entwicklungen der politischen Konjunktur aber gab und gibt es eine ernsthafte historische Debatte um diesen Themenkomplex, die ihrerseits hässliche Flecken auf der ursprünglich ziemlich weiben Weste der KP nach der Befreiung zu hinterlassen drohte. Jüngst hat sie nun, durch den Fund bisher unbekannter Dokumente, neue Nahrung erhalten. Die heutigen französischen Parteikommunisten haben dabei übrigens geholfen, indem sie ihre gesamten Dokumentenbestände in Paris und im angrenzenden Département Seine-Saint-Denis (das die nördliche Pariser Banlieue umfasst, die stärkste Hochburg der Partei) in den letzten Jahren den Archiven übergaben und damit öffentlich zugänglich machten.  

Dort wurden die beiden Historiker Jean-Pierre Besse und Claude Pennetier nun vor kurzem fündig. Und sie haben ihre Erkenntnisse, die das bisher vorhandene historische Wissen ergänzen und dokumentarisch abstützen, in einem Buch veröffentlicht. Es erschien kurz vor Weihnachten in einem Verlag, der auf die Geschichte der französischen Arbeiterbewegung spezialisiert ist, unter dem Titel „Juni 40: Die Geheimverhandlung“. 

Der Schatten des Hitler-Stalin-Pakts 

Schon in den späten vierziger Jahren war manchen bürgerlichen Politikern bekannt, dass es unmittelbar nach dem Einmarsch der deutschen Armee in Paris - der am 14. Juni 1940 erfolgte - Verhandlungen zwischen Repräsentanten der französischen Parteikommunisten und den nazideutschen Besatzern gegeben haben musste. Ihr Gegenstand: Die legale Wiederzulassung der Parteizeitung L‘Humanité, die Ende August 1939 verboten worden war, gefolgt von der gesetzlichen Auflösung der KP selbst einen Monat später.  

Hintergrund für diese dratische Mabnahme waren damals der Abschluss des auf deutsch kurz „Hitler-Stalin-Pakt“ genannten deutsch-sowjetischen Nichtangriffsabkommens vom 23. August desselben Jahres sowie der Kriegseintritt Frankreichs gegen Hitlerdeutschland am 3. September 1939 gewesen. Zu jenem Zeitpunkt hatte die KP-Spitze, ganz auf die Linie des deutsch-sowjetischen Pakts überschwenkend, den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs als „imperialistischen Krieg auf beiden Seiten“ bezeichnet. Und entsprechend zum politischen Widerstand gegen die französischen Kriegsanstrengungen, zeitweise – zumindest verbal – auch zur Sabotage in den Rüstungsfabriken und an der Front aufgerufen. Aufrufe zur Desertion dagegen scheint es nicht gegeben zu haben. Alle wichtigen Parteifunktionäre trugen die Uniform der französischen Armee, bis auf Generalsekretär Thorez, dem die Internationale zur Fahnenflucht riet und der nach Moskau ging.  

Diese neue Linie bildete einen scharfen Bruch gegenüber ihrer Position in der vorhergehenden Phase, als die KP unter allen politischen Kräften am schärfsten gegen das Münchener Abkommen der britischen und französischen Regierungen unter Chamberlain und Daladier mit Adolf Hitler polemisiert hatte. Damals, 1938, hatte die KP einen frühzeitigen Krieg gegen Nazideutschland befürwortet: Einerseits aus Antifaschismus; andererseits aber auch, weil sie vermutete, im Falle einer militärischen Auseinandersetzung würden die Arbeiter unter der Uniform – in Frankreich herrschte die allgemeine Wehrpflicht – siegreich zurückkehren und dann aber ihre Waffen nicht freiwillig abgeben. Jean-Paul Sartre hat diese Stimmung unter den Kommunisten in seinem Buch Le Sursis (Der Aufschub) über 1938 gut beschrieben. Die zeitweiligen revolutionären Aufwallungen am Ende des Ersten Weltkriegs, die in hohem Mabe von kriegsmüden Soldaten getragen worden waren, behielt man dabei im Hinterkopf. Die Arbeiter, die gegen den Willen der eigenen Bourgeoisie, welche die Konfrontation mit Hitler seit 1936 (unter dem Motto: „Lieber Hitler als die Volksfront“, die zu Hause regierte) abzuschwächen suchte, in den Krieg gegen den Faschismus zögen, würden dieses Mal im Triumph nach Hause kommen und dort soziale Umwälzungen erzwingen. Soweit „die Linie“ bis zum 23. August 1939. Kurz danach wurden dann aber völlig andere Parallelen zum Kriegsausbruch im August 1914 gezogen: So wie im Ersten, sei auch im ausbrechenden Zweiten Weltkrieg keine Partei im „zwischenimperialistischen“ Gerangel zu ergreifen, sondern eine Position des revolutionären Defätismus die allein richtige. Auf dieser Position hatten sich überall die kommunistischen Kräfte im Ersten Weltkrieg von den „Vaterlandsverteidigern“ der sozialdemokratischen Mehrheitsparteien zu trennen begonnen. Nur war 1939 nicht zwangsläufig richtig, was 1914 oder 1917 absolut korrekt war – so ist das nun mal mit den historischen Vergleichen und den Lehren, die man daraus zu ziehen meint. 

Der radikale Kurswechsel der französischen KP im August und September 1939 vollzog nur jenen der Kommunistischen Internationale nach, und ihr wiederum diktierte die sowjetische Aubenpolitik zu jenem Zeitpunkt sehr weitgehend ihre Interessen. In jener ersten Hochphase der Stalin-Ära waren die Vorgaben eng, die Umgangsweisen autoritär, und jedem taktischen Schwenk wurde eine theoretisch-welthistorische Begründung verliehen.

(Im übrigen scheint, folgt man Wolfgang Leonhards Erfahrungsbericht eines damaligen jungen Komintern-Kaders, der in Westdeutschland 1961 unter dem Titel „Die Revolution entlässt ihre Kinder“ publiziert wurde – und gewiss nicht dadurch unwahr oder unrichtig wird, dass der Autor später zum Sozialdemokraten wurde – 1940 in der UdSSR tatsächlich eine besondere Atmosphäre bezüglich der Sichtweise Nazideutschlands geherrscht zu haben. Wie man aus seinen Beobachtungen als damaliger Internatsschüler und junger Funktionär in Moskau schlussfolgern kann, gab es tatsächlich innerhalb des stalinistischen Machtapparats zumindest an bestimmten Stellen die Einschätzung, dass man auf absehbare Zeit mit Nazideutschland ein Auskommen finden könne, nachdem die aubenpolitische Verständigung mit den bürgerlichen westlichen Demokratien Frankreich und Grobbritannien nicht geklappt hatte. Leonhard schildert etwa, wie aus Schulungsdokumente die Verweise auf den „Faschismus“ und die Denunzierung der inneren Situation in Deutschland entfernt wurden. Auf S. 64 der 1961er Ausgabe seines Buchs liest man: „Anfang April (1940) wurden lange Auszüge aus dem sogenannten ‚Weibbuchs des Aubenministeriums’ der Hitler-Regierung mit zustimmenden Kommentaren in der ‚Prawda’ veröffentlicht.“ Und auf S. 65/66 liest man weiter: „Nun war schon nicht mehr daran zu zweifeln, dass die offizielle Linie nicht mehr auf dem Standpunkt der absoluten Neutralität (Anm.: zwischen Berlin einerseits und London/Paris andererseits) stand, sondern die immer engere Anlehnung an Hitler-Deutschland wurde mit jedem Tag deutlicher. (...) Als ich eines Vormittags an einem Zeitungsstand vorbeikam, unterhielten sich gerade zwei einfach gekleidete Leute über den Krieg in Westeuropa. ‚Hitler ist doch ein ganzer Kerl, wie der in Europa Ordnung schafft!’ sagte der eine. ‚Der haut diese französischen und englischen Imperialisten und Kriegshetzer ganz schön zusammen’, meinte andere zustimmend.“ Diese Stimmung, so fährt Leonhard fort, sei aber mit der Einnahme von Paris durch die Nazi-Armee gekippt, da Frankreich – anders als England – in der sowjetischen Intelligenz ein hohes Prestige besessen habe. Spätens mit dem Beginn des deutschen Überfalls auf die UdSSR war die oben beschriebene Phase natürlich vorbei, und die ganz allgemeine Haltung der Sowjetbürger gegenüber dem Nazi-Reich in ihr absolutes Gegenteil umgeschlagen. Doch zurück nach Frankreich in den Jahren 1939/1940...)  

Verwerfungen innerhalb der französischen KP 

Aber in Frankreich verloren die Kommunisten damit schon Ende 1939  zahlreiche Anhänger, Sympathisanten wurden verprellt, Mitglieder gingen auf Distanz oder nabelten sich von der Parteiführung ab. Deren Direktiven nicht mehr anzunehmen, wurde ihnen kurz darauf durch die Illegalisierung der Partei, deren Parlamentsabgeordnete –- so sich nicht distanziert hatten -- Anfang 1940 in die Gefängnisse der Dritten Republik geworfen wurden, erleichtert. Viele Parteikommunisten an der „Basis“ führten einfach einige Monate lang ihre eigene Politik durch, so lange, bis sich die Parteilinie ab dem darauffolgenden Jahr wieder zugunsten einer Betonung des antifaschistischen Widerstands änderte. Nunmehr wandte sich die Partei geschlossen dem Aufbau der Résistance zu.  

Natürlich hatten bis dahin die bürgerlichen und reaktionären Kräfte in Frankreich, jenem der Republik ebenso wie zu Anfang des Vichy-Régimes, bis dahin eifrig vom „Vaterlandsverrat“ der KP von 1939 profitiert, um die grobe Abrechnung mit der Arbeiterbewegung zu vollziehen. Verbot und Kriminalisierung der KP, die vor wie nach der Niederlage der Republik und der Umwandlung des französischen Staates in ein autoritäres Regime unter dem Marschall Philippe Pétain fast bruchlos weiterliefen, dienten also auch anderen Zielen als der Kritik am Hitler-Stalin-Pakt. Es ging um eine breit angelegte soziale Revanche, nachdem die „Volksfront“-Regierung 1936/37 erstmals Errungenschaften wie bezahlten Urlaub oder eine Verkürzung der Arbeitswoche durchgesetzt hatte. Generalstreik und eine Regierung mit Unterstützung der KP: Pfui Teufel! Eben darum hatten einflussreiche Kreise des Bürgertums postuliert: „Plutôt Hitler que le Front populaire“ (Lieber Hitler…). Und eben darum hatte ein Teil der Armeeführung den Verteidigungskrieg gegen den am 10. Mai 1940 beginnenden deutschen Einmarsch mit allen Mitteln sabotiert. In der so genannten „drôle de guerre“ – dem komischen Krieg, wie jener Abschnitt des Zweiten Weltkriegs in Frankreich bis heute heißt – hatten große Teile der französischen Armee kampflos verloren. Die Artillerie etwa wurde Generäle der Republik unter Verschluss gehalten und kam nicht zum Einsatz.  

Auf die Besatzungsmacht gegen die einheimischen Reaktionäre stützen? 

Das Explosive nun aber ist, dass Kräfte innerhalb der KP allem Anschein nach von der neuen Situation, die mit der Niederlage der Dritten Republik entstanden war, ihrerseits profitieren wollten, um die Karten im innenpolitischen Spiel jetzt zu ihren Gunsten neu zu mischen. Das ging nur, indem die Beteiligten versuchten, sich gegen die alten, reaktionären französischen Eliten - die auch in Vichy den Ton angaben - auf die neuen Herren zu stützen. Also die nazideutschen Besatzer gegen die französischen Behörden, die einen realen aber begrenzten Handlungsspielraum behielten, auszuspielen.  

Genau darin liegt die Brisanz an den Verhandlungen vom Juni 1940, deren Existenz seit langem gerüchteweise bekannt war. Schlimm genug aus Sicht der Nachkriegs-KP übrigens, dass sie selbst im Jahr 1949 eine interne, streng geheime Untersuchungskommission dazu einsetzte, um untersuchen zu lassen, was an den Vorwürfen bürgerlicher Abgeordneter in dieser Sache dran war.  

Untersuchungskommission bei der KP schon 1949 

Die Ergebnisse der Untersuchungskommission, die dem Generalsekretär (1930-1964) der Partei Maurice Thorez zuarbeitete, waren Jahrzehnte lang unter Verschluss geblieben. Die Historiker und Forscher Besse und Pennetier haben ihren Abschlussbericht nun ausgegraben, und zitieren ihn in ihrem neuen Buch. Demnach war man innerhalb der KP selbst schon 1949 zu der Ansicht gekommen, dass es sich nicht um die Verirrungen einiger – wohlmeinender, aber die Anweisungen der Internationalen falsch auslegender – Genossen gehandelt habe, als Vertreter der französischen KP im Juni 1940 Gespräche mit der nazideutschen Besatzungsmacht aufnahmen. Vielmehr seien die Direktiven von oben, also von der ins sowjetische Exil gegangenen obersten Parteiführung und der Komintern, gekommen. Und das Problem, so hi es, sei damals nicht die Interpretation der Linie gewesen – sondern sehr wohl „die Linie“ selbst. Jedenfalls in jenen Wochen vom Juni bis August 1940, die es brauchte, bis die parteikommunistischen Führungsleute ihre Positionen korrigierten.  

Dies war also seit 1949 bekannt. Ab dann brauchte es aber noch Jahre, bis die Öffentlichkeit sich ein Bild von den damaligen Geschehnissen machen konnte. 1967 räumte die französische KP erstmals in einem von ihr herausgegebenen Buch über die Résistance ein, dass es zeitweilige Verhandlungen mit den Deutschen über die Legalisierung ihres Parteiorgans L‘Humanité gegeben habe. Aber es habe sich, so wurde es damals dargestellt, um den Irrtum einer Handvoll Genossen im besetzten Paris gehandelt. 1977 kam es zu einer Kontroverse, die mittels Gastbeiträgen in der liberalen Pariser Abendzeitung Le Monde ausgetragen wurde, zwischen Historikern und Jeannette Vermeersche – der altstalinistischen Witwe des langjährigen Parteichefs Maurice Thorez. Aber später, 1992/93, veröffentlichten die „Historischen Hefte“ des damaligen Marxistischen Forschungsinstituts (IRM) der Partei erstmals offensiv Dokumente und Analysen zu den umstrittenen Vorgängen. Ihr Autor, Roger Bourderon, konnte in den früher neunziger Jahren, als in Moskau vorübergehend die Archive der Sowjetunion und der Komintern zugänglich waren – die zeitweilige Öffnung hat der russische Staat nach 1995 wieder zurückgenommen – eine Reihe von Unterlagen dazu finden. Im Jahr 2001 veröffentlichte er ein Buch dazu im Verlag Syllepse, der den undogmatischen Trotzkisten nahe steht, nachdem er noch einen zentralen Zeitzeugenbericht einholen konnte: jenen von Odette Janvier, die „Verbindungsagentin“ eines Führungsmitglieds der verbotenen KP im Untergrund gewesen war. Janvier hatte dem ZK-Mitglied und ehemaligen Abgeordneten Jean Catelas zugearbeitet, der im Juni 1940 im von seiner Bevölkerung grteils entleerten Paris an Verhandlungen in der deutschen Botschaft teilgenommen hatte.  

Dies war also der Stand des Wissens, bevor im Dezember 2006 Besse und Pennetier zusätzliche Informationen dazu publizierten. Man wusste bis dahin, dass Maurice Tréand, der „Kaderleiter“ der illegalisierten KP gewesen war, beim nazideutschen Botschafter Otto Abetz um das offizielle Erscheinen der Parteizeitung L‘Humanité verhandelt hatte. Seit dem Buch Roger Bourderons war ebenfalls bekannt, dass die an diesem Vorstob beteiligten Parteifunktionäre ab dem Herbst 1940 kaltgestellt worden waren: Tréand, Catelas, Janvier und ein paar andere waren als „parteifeindliche Gruppe“ entlarvt worden. Dies war damals ein probates Mittel bei den stalinisierten Kommunistischen Parteien, um die Aufgabe eines bisher verfolgten Kurses oder einen radikalen Schwenk der „Linie“ zu rechtfertigen, ohne einen Fehler zuzugeben oder Selbstkritik zu üben. Ebenfalls klar war, dass die Kaltgestellten wenig später ein ebenso tragisches Schicksal ereilte, wie andere Kommunisten. Odette Janvier wurde 1942 ins KZ Ravensbrück deportiert, überlebte jedoch den Zweiten Weltkrieg. Jean Catelas starb im September 1941 als einer der ersten französischen Kommunisten unter der Guillotine des Vichy-Regimes. 

Ein Konzeptpapier verrät die Absichten  

Besse und Pennetier aber haben nun neue, besonders brisante Dokumente zusätzlich entdeckt. Dazu zählt das Konzeptpapier, das Kaderleiter Maurice Tréand und – in einer stenographierten Kurzfassung – die junge Parteiaktivistin Denise Ginollin bei sich trugen, als sie am 20. Juni 1940 durch die französische Polizei verhaftet wurden. Darin hatte Tréand –- der den Fimmel hatte, jegliche Information auch in Zeiten der Illegalisierung notieren zu müssen -- seine Absichten lang und breit in zehn Punkten schriftlich niedergelegt. Wie in einem Selbstgespräch hatte er notiert, was er dem nazideutschen Botschafter Otto Abetz oder anderen Repräsentanten der Besatzungsmacht zu sagen gedachte. Dazu kam es zunächst nicht, da die beiden Träger des Papiers zunächst durch die französische Seite verhaftet wurden. Fünf Tage kamen sie frei, möglicherweise auf Intervention der deutschen Botschaft hin, und am 26. nahmen sie ihre Gespräche mit den Deutschen wieder auf. Daran ebenfalls beteiligt war der Rechtsanwalt Robert Foissin, der als Jurist für die sowjetische Botschaft arbeitete. Er führte als letzter Gespräche mit den Deutschen, bis zum 17. August 1940. Danach wurden alle Verhandlungen auf Druck der Komintern hin abgebrochen, denn dort befürchtete man, die französischen Genossen könnten sich „mit der Besatzungsmacht kompromittieren“ und in den Augen der Bevölkerung diskreditiert werden. Zudem hatten die französischen Führungsleute in Moskau selbst offenkundig einen Einfluss auf die „Linie“ zu nehmen versucht, der gegen die Verhandlungslinie gerichtet war. Schlussendlich stellte man in Moskau aber auch fest, dass Maurice Tréand seine Ziele in den Gesprächen mit den Nazis nicht erreicht hatte: Die Legalisierung von L‘Humanité; die Gründung von Komitees, die sich um die zahllosen Flüchtlinge – sechs Millionen Franzosen hatten vor dem deutschen Einmarsch ihren Wohnsitz verlassen, allein der Raum Paris hatte sich von über zwei Millionen Menschen geleert – und um das Wiederanfahren der Fabriken kümmern sollten und in denen die KP F fassen sollte; die Freilassung der seit Anfang 1940 inhaftierten Parteikader und Abgeordneten; und die Wiedereröffnung der zuvor geschlossenen Rathäuser unter KP-Führung. 

Argumentationsmuster und diskreditierende Auftritte  

Um diese Ziele durchzusetzen, kombinierte Tréand drei Argumentationen miteinander, wie dem Papier von Maurice Tréand zu entnehmen ist, das in voller Länge und in Originalschreibweise – samt der zahllosen Rechtschreibfehler – am Anfang des Buchs von Besse/Pennetier dokumentiert wurde. Erstens behauptet Tréand gegenüber den Nazi-Repräsentanten offensiv, ihre Seite habe den Krieg gegen Frankreich deshalb gewonnen, weil es den Hitler-Stalin-Pakt gegeben habe und weil die KP gegen den „französisch-britischen imperialistischen Krieg“ agitiert habe. Zum Zweiten betont Tréand mehrfach, die KP habe dem deshalb auf ihr lastenden Druck mutig widerstanden. Einige ihrer Anhänger seien sogar wegen Sabotage der französischen Verteidigung hingerichtet worden – für diese Behauptung haben die beiden Historiker freilich keinerlei Beweise entdecken können. Tréand geelt die „Verantwortlichen für den Krieg“, die bei den Regierenden der französischen Republik zu suchen seien, und wettert in drei Passagen seines Papiers gegen „die Diktatur des Juden Mandel“. Georges Mandel war in der Endphase der Dritten Republik Innenminister gewesen. 

Benne und Pennetier betonen, die französische KP sei als solche nicht antisemitisch gewesen, sondern habe unter der Besatzung schon recht früh eine Kampagne gegen „den Antisemitismus, die Waffe der Reaktion“ entwickelt. Allerdings habe sie in der Anfangsphase - vor allem als sie noch unter dem Einfluss des Hitler-Stalin-Pakts stand - gegen einzelne konkrete Juden, die sie aus politischen Gründen zu ihren Gegnern zählte, Angriffe unter direktem oder indirektem Hinweis auf ihr Jude-Sein unterfüttert. Allerdings ging sie dabei in der Öffentlichkeit nie so weit, wie Tréand es in seinem Papier als Absicht für die Geheimverhandlungen mit dem NS-Botschafter formuliert.  

Das dritte Element von Tréands Strategie ist eine Kombination von Versprechen und Drohung: „Wir sind eine mächtige Kraft“, „hinter uns steht die französische Arbeiterklasse“, „wir sind die UdSSR in Paris“ notiert er mehrfach. Wollten die neuen Herren sich mit den französischen und Pariser Arbeitern anlegen – „gut, dann soll es so sein, aber wir dachten, dass dies nicht Ihr Vorhaben sei“. An der französischen KP vorbei könnten die neuen Herren kein Arrangement mit der Arbeiterschaft finden. Wollten sie dies aber, so müssten sie der KP eine Rückgabe ihrer Rathäuser und Gewerkschaftslokale und eine Freilassung ihrer in Haft sitzenden Abgeordneten zugestehen. Im Gegenzug glaubte Tréand, versprechen zu können, dass „wir (in unserer Presse) nichts für Sie schreiben werden, aber auch nichts gegen Sie“.  

Illusionen, Illusionen... 

Maurice Tréand scheint zunächst geglaubt zu haben, dass er überhaupt bei der deutschen Botschaft empfangen werde, liege an der Stärke der KP sowie jener der UdSSR – diese hätten die deutschen Machthaber so beeindruckt, dass sie vor ihrer Kraft zurückweichen müssten. Zudem vermutete Tréand, wie aus einigen seiner von Besse/Pennetier zitierten Vorträge und sonstigen Stellungnahmen hervorging, dass „die Nazi-Partei von inneren Widersprüchen zerrissen wird“, die man nur auszunutzen habe. Den Botschafter Otto Abetz hielt er, fälschlich, für ein „ehemaliges Mitglied der Kommunistischen Partei in Deutschland“.

Das Spiel des Nazi-Botschafters Otto Abetz 

Abetz, das ist auch aus anderen Zusammenhängen her bekannt, war ein sehr geschickter Manipulateur. Der aus dem deutsch-französischen Grenzgebiet in der Nähe von Mannheim stammende ehemalige Lehrer kannte die Pariser Intellektuellenszene seit den 20er und frühen 30er Jahren sehr gut, als er dort die deutsch-französische Annäherung und Aussöhnung predigte – zunächst auf eigene Rechnung, später aber im Auftrag des Nazistaats. Otto Abetz war mit französischen Rechten und Linken, ihren jeweiligen Reaktionsmustern gut vertraut. In den ersten Jahren der Besatzung manipulierte er sehr unterschiedliche politische Kräfte, spielte sie gegeneinander aus und scheute auch vor Gesprächen mit den faschistischen oder Nazi-Ideen entgegen gesetzten Kräften nicht zurück. Dabei ging es ihm unter anderem auch darum, den offiziellen deutschen Bündnispartner – das Regime in Vichy – in seine Grenzen zu verweisen, indem er auch noch andere politische Bewegungen in Frankreich hofierte. Abetz wollte kein Frankreich, dass das faschistische oder nationalsozialistische Modell nachahmt, sondern ein möglichst innerlich geschwächtes Frankreich; denn er wollte den deutschen Führungsanspruch aufrechterhalten, hätte aber den erklärten französischen Faschisten einen Status als (potenziell gleichberechtigte) Verbündete zugestehen müssen. Deshalb schwächte Abetz auch die Vichy-Eliten und die französischen Faschisten, indem er mit Linken oder ehemaligen Linken sprach, und umgekehrt. Die SS opponierte aber gegen diesen Kurs, und im Kriegsverlauf wurde Abetz (1942/43) ein Jahr lang in Berlin festgehalten, wo man ihm vorwarf, einen so eigenmächtigen Kurs zu verfolgen. 

In den Gesprächen mit KP-Vertretern, in den Anfangsmonaten der Besatzung, ging es Otto Abetz um ein sehr konkretes Ziel: Er wollte ihren tatsächlichen oder von ihnen behaupteten Einfluss in der Arbeiterschaft ausnutzen, um seine Propaganda dort hinein tragen zu können. Deshalb wollte Abetz eine Presse erlauben, die jener der französischen KP ähneln sollte – aber von ihm kontrolliert würde. Zur Wiederzulassung von L‘Humanité, von der die Kader wie Maurice Tréand geträumt hatten, kam es nicht. Aber kurzzeitig wurde eine weniger bedeutende KP-nahe Zeitung aus der Vorkriegsära, Ce soir, zugelassen – unter der Bedingung, durch die deutsche Zensur zu gehen. Letztendlich kam es aber nicht zu ihrem Erscheinen, da  die Gespräche an diesem Punkt versandeten. Aber gleichzeitig lieb Otto Abetz im eigenen Auftrag eine neue Zeitung herausgeben, La France au travail (Frankreich bei der Arbeit). Diese ähnelte in ihrer Aufmachung und in ihrem Stil der früheren KP-Presse, enthielt aber im Gegensatz zu ihr eine intensive antisemitische Propaganda. Kurzfristig konnte Abetz dafür, in der Anfangsphase, die Mitarbeiter einzelner Personen aus dem Umfeld der KP gewinnen. In seinem Buch von 2001 erwähnt Bourderon die junge Anwältin Juliette Goublet, die bis dahin mit dem Juristen der sowjetischen Botschaft Robert Foissin zusammengearbeitet hatte. Beide zusammen wurden aber alsbald desavouiert, und Foissin zog sich einen Parteiausschluss zu; Goublet hatte selbst nicht der KP angehört, hatte aber Kommunisten verteidigt.  

Kehrtwende durch die Internationale 

  Die Kommunistische Internationale merkte alsbald, dass sich die Bemühungen um die Legalisierung ihrer Presse nicht entwickelten, wie Tréand sich dies erträumt hatte, und erteilte daher seinen Versuchen alsbald den Schlusspfiff. Auf einer anderen Ebene sollten diese aber fatale Konsequenzen für viele Kommunisten haben. In seiner Euphorie und im Glauben, die 1939 verlorenen Rathäuser und Gewerkschaftslokale zurückerobern zu können, hatte Tréan im Sommer 1940 vielen Parteimitgliedern den „Austritt aus der Illegalität“ angeordnet. Einige waren dem nachgekommen, andere hatten dazu gezwungen werden müssen. Sowohl Bourderon als auch Besse/Pennetier erwähnen den Bürgermeister  der Pariser Vorstadt Villejuif, Georges Le Bigot, der sich dem Ansinnen nach legalem Auftreten zwecks Rückübernahme des Rathauses widersetzt hatte. Er wurde regelrecht dorthin geprügelt: In einer internen Versammlung – das Protokoll wird in beiden Büchern zitiert – wurde er als „ängstlicher Kleinbürger“ und schädliches Element angegriffen, und weil er durch sein Zögern nicht die immensen Möglichkeiten und neuen Erfolge der Partei wahrnehmen wolle. Durch dieses erzwungene Outing wurden Le Bigot und Andere der Repression durch das Vichy-Regime und die Nazibesatzer, die wenige Monate später einsetzte – die Parteilinie war inzwischen geändert und die Verhandlungen definitiv beendet – schutzlos ausgeliefert. Im Oktober und November 1940 setzte die erste Verhaftungswelle unter Kommunisten ein. Le Bigot wurde nach Auschwitz deportiert und stürzte sich dort 1942 in einen elektrischen Zaun, um Selbstmord zu begehen. 

Tragische Auswirkungen und Folgen 

Die kurze Phase der Verhandlungen mit den Vertretern Nazideutschlands, vom Juni bis August 1940, brachte keinen der von Tréand gewünschten Erfolge. Aber die längerfristigen Konsequenzen waren zum Teil fatal. Dass Maurice Tréand an einen „Austritt aus der Illegalität“ geglaubt hatte, deutet unterdessen darauf hin, dass er ernsthaft daran dachte, über Jahre hinweg einen Modus vivendi mit der Naziherrschaft zu finden – so lange vielleicht, bis die Partei stark genug sei, um selbst die Machtfrage zu stellen. 

Die Lektüre der beiden Bücher vermittelt auch einen guten Eindruck von den unterschiedlichen Charakteren der Beteiligten. Der Kaderpolitiker Maurice Tréand – der als junger Mann aufgrund einer Körperbehinderung keiner Erwerbsarbeit nachgehen konnte, und durch den stalinisierten Parteikommunismus seine Lebensaufgabe gefunden hatte – erscheint bei Bourderon als gefürchteter, autoritärer und jähzorniger Funktionär. Sein Spitzname in der Partei, so wird die ehemalige „Verbindungsagentin“ im Untergrund Odette Janvier zitiert, sei „GPU“ gewesen. Das ist das Kürzel der Stalinschen Geheimpolizei. Nach seiner innerparteilichen Verurteilung Ende 1940 wurde er ins Abseits gedrängt, er konnte deshalb auch nicht an der Résistance teilnahmen, obwohl er sicherlich auch diese Wendung als treuer Parteikader mitgemacht hätte. Tréand verfiel moralisch und körperlich, wurde 1945 in der nunmehr legalen Partei jeder Funktion enthoben und erkrankte schlieblich an Krebs. Anfang 1949 starb er vereinsamt. Aber Generalsekretär Maurice Thorez, der ihn als „jederzeit zuverlässiges Element“ schätzte, hatte ihm die Treue gehalten. Tréand, den die KP am Ende seiner Lebzeit an den Rand drängte, obwohl sie dem Kranken seinen Lebensunterhalt bezahlte, erhielt am Ende doch noch ein offizielles Parteibegräbnis mit allem Drum und Dran. 

Der ehemalige Abgeordnete Jean Catelas hingegen, der ihn bei den Verhandlungen anfänglich begleitete, erscheint in einem anderen Licht. Bei Besse/Pennetier wird er mehrmals mit den Worten zitiert, diese Verhandlungen bei der deutschen Botschaften seien „reine Verrücktheit“. Er äerte sich gegenüber seiner Umgebung in Worten wie „Wenn das mal gut geht…“ und „Wenn ich nicht zurückkomme, weißt Du, was Du  zu tun hast“. Innerlich lehnte Catelas dieses Vorgehen offenkundig rundheraus ab. Aber als disziplinierter Kommunist, in einer Ära der Stalinisierung der Partei, konnte und mochte der vormalige Eisenbahner nicht von „der Linie“ abweichen. Die KP galt damals ihm wie Anderen als unersetzbares Instrument, das die Geschichte voranbringen und der Sache der menschlichen Emanzipation zum Durchbruch verhelfen werde. Deshalb konnte man dieses Instrument aus seiner Sicht nicht gefährden, auch wenn man im konkreten Falle nicht von der Richtigkeit der Vorgaben überzeugt war.  

Jean Catelas ist dabei ein besonders tragischer Fall: Nachdem er, zusammen mit Tréand und Anderen, Ende 1940 als Angehöriger einer „parteifeindlichen Gruppe“ verdammt worden war, blieb er zwar in der Partei. Diese verstieb ihn auch nicht, da sein Einfluss und seine Popularität unter den Eisenbahnern seinen Genossen wichtig zu sein schienen. Aber aufgrund seiner innerparteilichen Marginalisierung wurden offenbar die Sicherheitsvorkehrungen, die für ihn getroffen wurden, gegenüber den für weiterhin „oben“ gebliebene Führungsmitglieder vernachlässigt. Im Mai 1941 wurde er in einem Versteck in der Pariser Vorstadt Asnières verhaftet. Im September 1941 wurde er zum Tode verurteilt, drei Tage später fiel sein Kopf: Der Preis, den die Besatzungsmacht von Vichy-Frankreich gefordert hatte, nachdem im August das bis dahin spektakulärste kommunistische Attentat – die Tötung eines deutschen Offiziers an der Métro-Station Barbès durch den jungen Aktivisten Colonel Fabien – stattgefunden hatte. Die Hinrichtung von sechs führenden Kommunisten hatten die Deutschen daraufhin verlangt. 

Zu dem Zeitpunkt, im Herbst 1941, war die KP mit allen ihren Kräften in der Résistance, die noch relativ schwach war, engagiert. Vielfach haben Historiker den Beginn dieses Engagements mit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion, im Juni 1941, zeitlich in eins gesetzt. Besse/Pennetier aber schreiben, bereits seit April jenes Jahres habe die KP sich auf den Aufbau der Résistance konzentriert. Ab diesem Zeitpunkt hatten sich ihr viele zuvor abgefallene oder zögernde Mitglieder, die wegen des Hitler-Stalin-Pakts auf Distanz gegangen waren, wieder angeschlossen. 

Dennoch hinterlieb die anderthalbjährige Periode, die mit dem Pakt eingeläutet wurde, Spuren. Nach der Befreiung von 1944 prüfte die „Kaderkommission“ der KP bei allen Bewerbern für Parteiämter, deren Gesinnung durchleuchtet wurde, ihr „Verhalten zum Zeitpunkt des Münchener Abkommens und des deutsch-sowjetischen Paktes“: Wer zum falschen Zeitpunkt die später als richtig geltende Position bezogen hatte, wer etwa schon zum Zeitpunkt des Pakts das Schwergewicht auf den Anti-Hitler-Widerstand gelegt hatte, musste als unzuverlässig gelten. Nur wer zum selben Zeitpunkt wie die Partei die richtige Position bezogen hatte, hatte seine Tauglichkeit zum Kader bewiesen. Später sollte die „Affäre André Marty / Charles Tillon“ (1951), die den Parteiausschluss zweier führender Résistance-Helden der KP bezeichnet, zum Höhe- bzw. Tiefpunkt der Jagd auf Unzuverlässige werden. Marty und Tillon hatten nie die Linie des Hitler-Stalin-Pakts vertreten, waren aber aufgrund ihres Prestiges im Widerstand nach dem Krieg zunächst unangreifbar gewesen. Die galoppierende Unterwanderungs-Paranoida in der Spätphase des Stalinismus sollte ihnen aber schlieblich doch noch den Garaus bereiten.  

Fälschung ihrer eigenen Geschichte durch die Partei 

In den fünfziger Jahren war es auch, als die KP den Zeitpunkt ihres Eintritts in die Résistance zu fälschen anfing: Damals lieb die Parteiführung eine fingierte Ausgabe ihrer (im Krieg illegal erscheinenden) Parteizeitung L‘Humanité mit dem „Aufruf vom 10. Juli 1940“ drucken. Es gab tatsächlich einen Aufruf von diesem Datum, dessen tatsächlichen Text Besse/Pennetier in ihrem Buch veröffentlichen. Der echte Aufruftext ist allerdings noch weitestgehend von der Wahrnehmung des Zweiten Weltkriegs als „zwischenimperialistischer Krieg“, der Verurteilung des britischen Imperialismus und der Verteidigung des deutsch-sowjetischen Pakts geprägt. Zwar spricht sich die KP-Führung darin auch für „die nationale Unabhängigkeit“ Frankreichs aus, aber diesen Appell als Gründungsaufruf des kommunistischen Teils der Résistance zu bezeichnen, ist eine grobe Falschinformation. Die gefälschte Humanité aus den 50er Jahren enthält jedoch einen Text, der inhaltlich aus der Résistance von 1941 oder 42 stammen könnte – im Hintergrund steht die Absicht, den Eintritt der KP in den antifaschistischen Widerstand im besetzten Frankreich historisch nach vorn zu verlegen. Alles in allem nicht eben das Anzeichen eines guten politischen Gewissens. 

Unter dem Strich bleibt der Eindruck einer gewissen Tragik zurück. Der durchstalinisierte und autoritär zugerichtete Parteikommunismus hat einige der besten Energien seiner Anhänger, und seiner Funktionäre wie etwa Jean Catelas, einige Monate lang auf dramatische Weise fehlgeleitet. Durch den kurzfristig von oben erzwungenen Austritt aus der Illegalität hat die Partei viele der Ihren, im Hinblick auf die nachfolgende Periode, in Gefahr gebracht. Die Verdienste der Kommunisten in der Résistance vermag dies nicht zu schmälern. Aber sie wurden nicht wegen, sondern trotz des Stalinismus erbracht.   

Nachsatz: Und die französische KP heute? 

Sofort nach Erscheinen des Buches von Besse/Pennetier hat die französische KP ihren Forschungen die historische Seriosität zuerkannt und sich nochmals (selbst)kritisch mit dieser Periode ihrer Geschichte auseinandergesetzt. Die parteinahe – ehemals parteieigene - Tageszeitung L’Humanité publizierte die Erkenntnisse des neuen Buches in gebotener Ausführlichkeit (vgl. http://www.humanite.fr/journal/2006-12-12/2006-12-12-842044 ) und interviewte die beiden Autoren (vgl.  http://www.humanite.fr/journal/2006-12-12/2006-12-12-842049). Die Partei selbst erklärte in einem Kommuniqué vom 11. Dezember 2006, unmittelbar nachdem die neue Publikation auf dem Büchermarkt war: „(...) Das Buch von Claude Pennetier und Jean-Pierre Besse, Historikern, die für die Ernsthaftigkeit ihrer wissenschaftlichen Arbeiten anerkannt sind, enthüllt, dass diese Strategie (Anm.: der KP im Jahre 1940) auch von antisemitischen Äerungen begleitet war, die ekelhaft sind. Wir können diese Äerungen nur mit gröbter Energie verdammen, und uns dabei auch die Warnungen von hohen Parteiverantwortlichen von damals stützen. Diese nicht zu rechtfertigende Strategie, die auch das Produkt einer Analyse war, die durch die Gesamtheit der Führungskader der UdSSR und der Kommunistischen Internationalen geteilt wurde, wurde glücklichweise im August 1940 aufgegeben. (...)“ (Vgl. http://www.humanite.fr/journal/2006-12-12/2006-12-12-842045

BIBLIOGRAPHISCHE ANGABEN zu den im Text erwähnten Büchern: 

1) Roger Bourderon: „La négociation. Ete 1940: crise au PCF“ (Die Verhandlung. Sommer 1940: Krise bei der der französischen KP) Editions Syllepse, Paris, 2001 253 Seiten. 15,24 Euro 

2) Jean-Pierre Besse und Claude Pennetier: „Juin 40. La négociation secrète“ (Juni 40. Die Geheimverhandlung) Les Editions de l‘Atelier/Les Editions Ouvrières (Anm.: „Wertkstattverlag/Arbeiterverlag“, ein Verlag, der der Arbeiterbewegung durchaus sehr nahe steht…), Ivry-sur-Seine, Ende 2006. 207 Seiten. 14.90 Euro

Editorische Anmerkung

Wir erhielten den Text am 3.2.2007 vom Autor.
Eine um circa die Hälfte gekürzte Fassung dieses ausführlichen Artikels erschien im Januar 2007 in der Wochenzeitung ‚Jungle World’.