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Erich Schmidt-Eenboom gecancelt!

Vertrauend auf die Recherchekraft der konkret (Nr. 7/99) übernahmen wir ungeprüft Schmidt-Eenbooms Texte aus dem Internet. In der soeben erschienenen konkret Nr. 8/77 verweist Peter Kratz in einem Leserbrief auf seine Untersuchungen über Schmidt-E.´s Rolle als "Braunzonen-Vertreter" und kritisiert, daß linke&radikale Zusammenhänge Schmidt-E.`s Texte trotz dessen politischer Vita veröffentlichen. Wir entschuldigen uns bei unseren LeserInnen und canceln Schmidt-E`s Texte. Um unsere Entscheidung besser nachvollziehen zu können, veröffentlichen wir  Peter Kratz "Rechte Genossen" in Auszügen, wo er sich mit der braunen Rolle des Herrn E. Schmidt-E. befaßt.

KEINE PROMOTION FÜR RECHTS!

7/8-99
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Peter Kratz
Rechte Genossen
Neokonservativismus in der SPD,
Printed Version: Berlin 1995 ISBN 3-88520-552-1
Internetversion: http://www.snafu.de/~bifff    

Wiedervereiniger der 80er Jahre legten die Fundamente

Die innerparteilichen Angriffe auf die Friedens- und Ostpolitik der SPD sind keineswegs auf Fichter und seinen Kreis beschränkt. Sogar der politisch einflußreiche "Gesprächskreis Sicherheit und Abrüstung" der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), der von Florian Gerster und dem Geschäftsführer der FES, Jürgen Burckhardt, bestimmt wird, beteiligte sich daran. Im Februar 1994 luden Gerster und Burckhardt einen der exponiertesten Vertreter der nationalrevolutionären Deutschlandpolitik, Alfred Mechtersheimer, als Widerpart zu Egon Bahr auf ein Podium, das über die "Bundeswehr 2010" diskutieren sollte. Mechtersheimer ist nicht nur als langjähriger, scharfer und rechtsextremer Kritiker der SPD-Entspannungspolitik und als Bündnispartner Fichters bekannt. Er ist vor allem auch seit seinem Ullstein-Buch "Friedensmacht Deutschland. Plädoyer für einen Patriotismus" von 1993, das er unter Rainer Zitelmanns Lektorat neben Autoren wie Jörg Haider oder Hans Helmuth Knütter herausbringen ließ, politisch weitgehend isoliert. Selbst alte Freunde distanzierten sich von ihm und warfen ihm Nationalismus und Antisemitismus vor. Denn in dem Buch geißelte Mechtersheimer die "Fremdenflut" nach Deutschland und meinte: "In einem gewissen Sinne sind Workuta (ein stalinistisches Arbeitslager für Rußlanddeutsche, P. K.) und Auschwitz Exzesse multikultureller Gewalt. Es ist ein Verbrechen an der Menschheit und am Frieden, wenn man Völker mit Gewalt zusammenzwingt." Demnach wäre der millionenfache Mord der Nazis an den Juden Europas das Ergebnis einer multikulturellen Gesellschaft, die die fremden Juden durch ihre Einwanderung nach Europa erzwungen hätten. Auschwitz als Notwehr der Deutschen - das ist die alte Rechtfertigung der Nazis. "Die tausendjährige Zugehörigkeit der deutschen Ursprungsländer Österreichs zum übrigen Deutschland", so schrieb er hier auch, "ist kein abgeschlossenes Kapitel." Bei der Wiedervereinigung Deutschlands habe der Zentralrat der Juden in Deutschland "erheblichen Druck auf die Bundesregierung" ausgeübt, um das Prinzip "Rückgabe vor Entschädigung" durchzusetzen; eigennützig hätten die deutschen Juden die Behandlung "des nach 1933 arisierten und nach 1945 enteignet gebliebenen jüdischen Vermögens in ihrem Sinne geregelt" haben wollen und damit die Deutschen der neuen Bundesländer wirtschaftlich geschädigt.

Inzwischen wird Mechtersheimers Buch von der "Deutschen National-Zeitung" des DVU-Vorsitzenden Gerhard Frey empfohlen, und die "Republikaner" im baden-würrtembergischen Landtag verteidigten ihre Forderung nach "ethnisch reinen Gebieten" in Deutschland damit, dies wörtlich hier zitiert zu haben.

Das Buch war der vorläufige Schlußpunkt seiner Karriere nach rechtsaußen, die breit bekannt geworden war, als Mechtersheimer Anfang der 90er offen für die Zeitung "Junge Freiheit" warb. In seinem "Friedenskomitee 2000" und seinem "Deutsch-Arabischen Friedenswerk" ist Henning Eichberg aktiv, in der Zeitschrift des "Friedenskomitees" schrieb auch Alain de Benoist. Über beide Organisationen verbreitete Mechtersheimer in den letzten Jahren auch antiisraelische Literatur aus der "Verlagsgesellschaft Berg" (VGB), die der Bundesinnenminister im Verfassungsschutzbericht seit Jahren kontinuierlich als rechtsextremistisch einstuft. Der VGB-Inhaber Gerd Sudholt war zur Verbüßung einer Strafe wegen Volksverhetzung sogar inhaftiert; er hatte einen Text des französischen "Auschwitz-Lügners" Robert Faurisson verbreitet. 1993, zur Zeit der ausländerfeindlichen Pogrome, schrieb Mechtersheimer in seiner Zeitschrift "Frieden 2000": "Die ganze Welt sieht das wieder aufgetauchte Gespenst des deutschen Nazismus und Antisemitismus. Doch in Umfragen in Deutschland ist es nicht aufzuspüren." Die Linke sei doch viel gefährlicher: "Während die rechtsextremen Gewalttäter fast ausschließlich spontan unter Alkoholeinfluß handeln, gehen die linksextremen Gewalttäter zumeist gezielt konspirativ vor. Zu den geistigen Vätern dieser Gewalteskalation gehört auch Ralph Giordano", weil der sich gegen Neonazi-Angriffe verteidigen wollte.

Inzwischen hat sich Mechtersheimer auch anderen rechtsextremen Organisationen, wie den "Unabhängigen Ökologen" angenähert; hier sollte er im Juni 1995 gemeinsam mit dem ehemaligen "Deutschen Unitarier" Baldur Springmann auftreten. Die ARD-Sendung "report Baden-Baden" meinte 1994 über die Entwicklung des früheren Friedensforschers: "Ein unheilvoller Weg vom einstigen Friedensengel der Linken zu einem Steigbügelhalter der Rechten." Es ist bemerkenswert, daß die sozialdemokratischen Politiker Gerster und Burckhardt im selben Jahr versuchten, Mechtersheimer politisch zu resozialisieren, obwohl er da bereits als ein Hauptagitator der "Neuen Rechten" breit bekannt war. Weshalb glaubte man, mit einem solchen Ideologen diskutieren zu müssen? 67

Eine Grundlage der nationalrevolutionären Agitation, die in den 80er Jahren auf die Sozialdemokratie, die grün-alternative Bewegung und die rechten deutschlandpolitischen Oppositionellen in der CDU/CSU-FDP-Regierungskoalition einwirkte - und hier "Querfront"-Bündnisse herstellte -, war der Kreis um Mechtersheimer, der 1985 die "Denkschrift Friedensvertrag, Deutsche Konföderation, Europäisches Sicherheitssystem" herausbrachte. Das Papier hatten Herbert Ammon und Theodor Schweisfurth gemeinsam mit Fichter, Peter Brandt und anderen verfaßt. Die "Denkschrift" war das Zentrum eines Netzes nationalrevolutionärer Gruppen der Niekisch-Strasser-Linie, denen damals immer dieselben Personen angehörten. In der Friedensbewegung sahen sie einen Hebel, den Zweiten Weltkrieg doch noch zu gewinnen, das "Jalta-System" zu zerschlagen. Sie wollten die beiden deutschen Staaten zuerst aus den Paktsystemen Nato und Warschauer Vertragsorganisation herauslösen, um sie über eine deutsch-deutsche Staatenkonföderation zur Wiedervereinigung zu führen. Mit der Aussicht auf militärische Neutralität dieses Deutschland lockten sie Friedensbewegte an, die in den Jahren der Blockeingliederung West- und Ostdeutschlands - den Jahren der Zähmung des aggressiven ökonomischen Potentials in der Mitte Europas durch seine Konkurrenten - den Sinn dafür verloren hatten, welche Friedensgefahr die wiedervereinigte deutsche Kapitalmacht als ihr eigener hegemonialer Block für Europa und die Welt bedeutete.

Was deutsche Neutralität auf politischen Gebiet hieß, nämlich eine Abkehr von liberalen und sozialen Grundsätzen - den "Ideen von 1789" - und eine Hinwendung zu Formierungskonzepten der biologischen Volksgemeinschaft - den "Ideen von 1914" -, war vielen unbekannt, die Mitte der 80er noch nichts von Konservativer Revolution und "Neuer Rechter" gehört hatten. Die Forderung nach einem Friedensvertrag klang gut in der Zeit der Nato-Nachrüstungsdebatte und der Atomraketenbedrohung; daß sich hinter ihr auch Hegemonialpolitik und Neoimperialismus des deutschen Kapitals gegen die sozialistischen Staaten Osteuropas ebenso wie gegen die konkurrierenden Nato-Partner verbargen, wollten viele Friedensaktivisten wohl gar nicht erst sehen, da dies ihr Gemeinschaftsgefühl der Guten, ihre Romantik der lila Halstücher und Gitarrenklänge störte. Bei vielen wurde mehr unbewußt ein Komplex von Ansichten wirksam, die zusammengenommen darauf hinausliefen, ein mächtiges Deutschland in der Mitte Europas wiederzuerrichten, das aus seiner 1000jährigen Geschichte als politischer, ökonomischer, kultureller und personell umfangreichster Zentralmacht des Kontinents - der Mythos des "Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation" - faktisch einen Führungsanspruch gegenüber den Nachbarn auch für die Zukunft herleitete.

Andere deutsche Mythen, wie das einzigartige "Land der Dichter und Denker", der "Dritte Weg zwischen Ost und West", "zwischen Kapitalismus und Kommunismus", der "deutsche Sonderweg", die "Mitte Europas" und ähnliches stellten den gut gedüngten Boden für die nationalrevolutionäre Aussaat dar. Sie bildeten immer schon die geistige Grundlage der imperialen Politik des deutschen Kapitals, erst recht, seitdem es galt, die reale Gefahr des Sozialismus zu beseitigen, der seine Kapitalverwertungsmöglichkeiten einschränkte. Doch in einer Zeit, als Deutschland für schwach und geteilt, politisch und militärisch entmündigt gehalten wurde, als das deutsche Kapital nur in den engen Grenzen der Weltkriegssieger die Technologien zukünftiger Märkte enwickeln konnte - Atomkraft, Luft- und Raumfahrt -, als schließlich die Hauptsieger durch die Umstände ihrer Kriege in Vietnam und Afghanistan ihren moralischen Kredit aus dem Kampf gegen den barbarischen Nazismus verspielt hatten, da waren auch große Teile der Linken bereit, ein wiedervereinigtes neutrales Deutschland als Friedensgaranten gegen die beiden Supermächte anzusehen.

Eine Analyse der jüngeren Geschichte und der ökonomischen Situation auf dem europäischen und dem Weltmarkt hätte sie eines Besseren belehrt, doch die 80er Jahre waren nicht die Zeit politisch-ökonomischer Analysen. Man begnügte sich in der Friedensbewegung - und in der Sozialdemokratie als einem ihre Teile - mit dem Augenschein, und so konnte Henning Eichbergs absurde These, Deutschland sei doppelt kolonialisiert von "Wodka-Cola", diene als Vorfeld und Austragungsort des großen Krieges zwischen den Supermächten und müsse sich deshalb "befreiungsnationalistisch" aus der Fremdherrschaft winden, breit Anhänger gewinnen. Auf die Geschichte des Kolonialismus und die Befreiungskämpfe der "Dritten Welt" zu verweisen, war demagogisch - dennoch ein erfolgreiches Propagandakonzept -, denn das vereinigte Deutschland, erst recht nach den "Dritter Weg"-Konzepten der Konservativen Revolutionäre, war selbst Kolonialmacht gewesen und als solches gedacht; ein vereinigtes ethnopluralistisches Europa der Vaterländer hätte fast den gesamten Kolonialismus als eigene Geschichte gehabt. Waren die europäischen Kapitalien in den 80er Jahren etwa nicht neokolonialistisch? Doch die irrationale Angst vor einem angeblich drohenden "Bruderkrieg" BRD-DDR im Ost-West-Konflikt der Supermächte, dem sich die beiden Staaten so wenig hätten entziehen können wie die seit 1945 diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs lebende Teile einer selben Familie, schmälerte die Kritikfähigkeit. Obwohl die Annahme, die wiedervereinigte deutsche Kapitalmacht werde nun plötzlich friedlicher sein als früher - unterliege also wohl nicht mehr den Prinzipien der Gewinnmaximierung und Konkurrenz -, absurd und unbegründet war, glaubte man dennoch den Propagandisten der Nation.

Die zentrale Aussage der Ammon/Schweisfurth-"Denkschrift" war: Damit Deutschland nicht länger "Glacis" sei, damit eine echte europäische Friedensordnung verwirklicht werden könne, müsse es wiedervereinigt werden, denn nur so könnten die Kontrahenten, die auf einen Krieg zusteuerten, aus Mitteleuropa hinausgedrängt werden. Nicht mehr die geschichtliche Erfahrung, daß ein starkes Deutschland die größten Kriege vom Zaun gebrochen hatte, zählte in dieser Argumentation, sondern das phantasierte Gegenteil der Empirie: daß die deutsch-deutsche Grenze die eigentliche Kriegsgefahr darstelle und deshalb beseitigt werden müsse, daß nach dem Wegfall dieser Grenze allenthalben Frieden sei. Diese Geschichtsmythologie - eine besondere Version der alten imperialistischen These, daß die Welt nur am deutschen Wesen genesen könne, und an sonst nichts - bestimmte nicht nur die "Denkschrift" Ammons, Schweisfurths, Fichters, Brandts und Mechtersheimers, sondern einen ganzen Debattenstrang innerhalb der Friedensbewegung bis weit in die SPD hinein, auf den der "Denkschrift"-Kreis daher Einfluß nehmen konnte.

Der Inhalt ihres Papiers ist auch im Detail bemerkenswert, zumal die abstrusen Geschichtsfälschungen Resonnanz hatten, wie Fichters "SPD und Nation"-Buch zeigt, das die "Denkschrift" anführt. Es sei "Hitlers Krieg" gewesen, schrieben Ammon und Schweisfurth, als wären die Nazis eine Besatzungsmacht über das deutsche Volk gewesen. "Deutschland" dagegen sei 1945 "domestiziert" worden, und der Leser gewinnt den Eindruck, als sei die Nazi-Besatzungsmacht nur von den alliierten Besatzern der Kriegssieger abgelöst worden, als seien die unschuldigen Deutschen dabei vom Regen in die Traufe gekommen. Diese Deutschen seien jetzt wieder vom Krieg bedroht, weil die neuen Besatzer - "die Rivalen um Deutschland", wie es in der "Denkschrift" hieß - wieder aufrüsteten, "weil sich am Besatzungszustand materiell seit 1945 fast nichts geändert hat". Die Schrift beklagte die angebliche "Entspannungseuphorie" der 70er Jahre als gefährliche Gemütsverirrung und meinte die damalige sozialdemokratische Friedenspolitik. Der KSZE-Prozeß wurde abgelehnt, weil er "nicht spezifisch deutsche Angelegenheiten" betraf. Der Schwur der "Denkschrift"-Unterzeichner lautete: "Wir wollen das 'Europa der Vaterländer' und in ihm Deutschland als unser ungeteiltes Vaterland." Das war der explizite Rückgriff auf eine Parole der "Neuen Rechten". Mechtersheimer schrieb das Vorwort: "Diese Denkschrift formt das nationale Aufbegehren in ein Friedenskonzept für Mitteleuropa", sie sei der "patriotische Aufschrei" gegen die "Fremdbestimmung der deutschen Politik". 68

Solche Thesen hatten Vorläufer im Nachkriegsdeutschland. Sie konnten in den 80er Jahren nur Erfolg haben, weil es in den 50ern bereits einmal den Versuch gegeben hatte, eine Querfront gegen die Westintegration der Bundesrepublik Deutschland und damit gegen die Teilung und Zähmung Vorkriegsdeutschlands und der deutschen Kapitalmacht gegeben hatte, die vom Neonazismus bis zu pazifistischen Linksintellektuellen reichen sollte.

Ihr Kopf war Wolf Schenke, ein integrativer Politiker des Alt- und Neofaschismus, der bis zu seinem Tod 1989 die zentrale Bezugsperson dieser nationalrevolutionären Deutschland-Vereiniger bis weit in die Sozialdemokratie hinein war. Für Schenke stellte die Wiedervereinigung Deutschlands das alles überragende Ziel dar. Sein Konzept vertrat er fast vierzig Jahre: Nach dem Austritt aus den Paktsystemen müßte die Vereinigung von BRD und DDR über eine Konföderation schrittweise erfolgen. Schenkes Zeitschrift, "Neue Politik", propagierte alle möglichen Konföderationpläne der 50er und frühen 60er Jahre - inklusive des kurzlebigen, taktischen "Deutschland-Plans" der SPD von 1959 -, die teilweise auch über die deutschen Grenzen hinausgingen und die Kerngebiete des "Alten Reiches" umfaßten: die beiden deutschen Staaten, Österreich, Ungarn, Tschechoslowakei und Polen, "Zwischeneuropa" eben. Schenke war der Meinung, daß nicht die Zeit vor 1945, sondern die nach 1945 eine "deutsche Daseinsverfehlung" sei, wie er in Anlehnung an Ernst Niekisch formulierte: Diese Vergangenheit, nicht der Komplex Auschwitz, müsse bewältigt werden. Das war der rechte Inhalt des späteren "Historikerstreits".

Schenke war vor 1945 hoher Funktionär der Reichsleitung der Hitlerjugend, zeitweise Herausgeber und Chefredakteur des HJ-Schulungsbriefes "Wille und Macht". Als Anhänger des Hilter-oppositionellen nationalrevolutionären Flügels der NSDAP lehnte er Mitte der 30er Jahre die ihm angebotene Leitung des außenpolitischen Amtes der HJ-Reichsführung ab und ging als Korrespondent für den "Völkischer Beobachter" in den japanisch-chinesischen Krieg, wo er nach eigenen Angaben auch als Agent für Japan tätig war. Seine Artikel über diesen Krieg - auch in anderen Organen der Nazis veröffentlicht, z. B. 1938 in der "Zeitschrift für Geopolitik" - waren gekennzeichnet vom nationalrevolutionären "Antiimperialismus", der antibritisch und antiamerikanisch, aber projapanisch ausgerichtet war. 1946 wurde Schenke von den USA im Schanghaier Kriegsverbrecherprozeß angeklagt und freigesprochen.

Ab 1950 machte er in der Bundesrepublik mit alten NSDAP-Parteigenossen und ehemaligen Waffen-SS-Leuten, aber auch in Bündnissen mit einigen naiven Linkspazifisten vor allem aus dem christlichen Bereich, Politik fürs Vierte Reich. Seine Organisation "Dritte Front" - der Schenke den Namen einer Zeitschrift Otto Strassers aus den 30er Jahren gegeben hatte - versuchte in den 50er Jahren, ein Bündnis mit der stärksten Oppositionskraft gegen Adenauers Westintegrationspolitik, der SPD, gegen diese Orientierung der Bundesrepublik Deutschland am westlich-liberalen Politikverständnis zu erreichen.

Obwohl Schenke der Niekisch-Strasser-Linie zugehörte, in der sich nach 1945 die Unterschiede in manchen Positionen Niekischs und Strassers aus der Zeit vor 1933 verwischten, wollte Schenke nun, aus dem "Schaden" des 8. Mai 1945 klug, das große faschistische Bündnis über die zerstrittenen Fraktionen hinweg. Er suchte z. B. auch Kontakt mit Hjalmar Schacht, der vor 1933 zeitweise die Beteiligung der "Kriegssozialisten" aus der Sozialdemokratie an einer Querfront gegen die Weimarer Republik betrieb und dann für die Ermordung Gregor Strassers und Kurt von Schleichers sorgte, und einem weiteren hochrangigen Funktionär des etablierten Nazi-Staates, Werner Naumann. Der war seit 1933 Chef des Ministerbüros des Reichspropagandaministers Josef Goebbels gewesen, dann als SS-Offizier Befehlshaber des Sicherheitsdienstes und der Sicherheitspolitzei in der Sowjetunion und in Holland. 1944 wurde er Staatssekretär von Goebbels und nach dessen Selbstmord für einen ganzen Tag der letzte Reichspropagandaminister. Bis zum 2. Mai hatte Naumann im Führerbunker ausgehalten und die Leichen von Goebbels und Hitler gesehen, bevor er geflohen war. Anfang der 50er Jahre war er gewissermaßen der ranghöchste Alt- und Neonazis auf der bundesdeutschen politischen Bühne. Naumann hielt die Fäden des Neofaschismus in der Hand, bis er 1953 auf Befehl der britischen Besatzungsbehörde verhaftet wurde, nachdem er versucht hatte, die nordrhein-westfälische FDP planmäßig mit Nazis zu unterwandern. Schenke kommentierte die Verhaftung als Schlag "nicht gegen die ehemaligen Nazis, sondern ... gegen die Deutschen an sich." Naumann hatte vor seiner Verhaftung auch regen Kontakt zu August Haußleiter, der später mit Schenke die "Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher" (AUD) gründete und diese 1980 in die Partei Die Grünen einbrachte, zum späteren NPD-Chef Adolf von Thadden und dem Gründer des "Deutschen Kulturwerkes Europäischen Geistes" (DKEG) und der "Deutschen Unitarier Religionsgemeinschaft", Herbert Böhme, der ebenfalls aus dem Goebbels-Ministerium kam. Interessant ist auch Naumanns Kontakt zu Hendrik de Man in dieser Formierungsphase des Neofaschismus; de Man war in den 20er Jahren einer der wichtigsten Ideologen des "Hofgeismarkreises der Jungsozialisten". Naumann engagierte sich auch als Kandidat für die "Deutsche Reichspartei" (DRP), die als Auffangbecken der "Sozialistischen Reichspartei" (SRP) gedient hatte, nachdem diese als verfassungswidrige Nachfolgeorganisation der NSDAP vom Bundesverfassungsgericht verboten worden war.

Im Kampf gegen die Westbindung kannte diese Szene keine Berührungsängste, zu keiner Seite. Schenke war ein kluger Organisator, dem es immer wieder gelang, über die Parteigrenzen hinweg verschiedene und widerstreitende Strömungen anzusprechen und für seine Querfront-Pläne zu interessieren. So kaufte er damals auch Adressenmaterial der neutralistischen, christlich-pazifistischen "Gesamtdeutschen Volkspartei" (GVP) um Gustav Heinemann und die jungen Johannes Rau und Erhard Eppler auf, als die Partei sich auflöste. Die Adressen nutzte Schenke für die Abonnentenwerbung seiner Zeitschrift "Neue Politik". Eine Zusammenarbeit mit der GVP scheiterte jedoch bereits nach nur einem einzigen Treffen am Widerstand Heinemanns, der die Köpfe seiner Organisation in die SPD führte. Auch vor der entscheidenden Abstimmung des Bundestages 1955 über die Pariser Verträge, die die Westbindung besiegelten, gelang es Schenke trotz großer Anstrengungen nicht, an die zu Recht mißtrauische SPD-Spitze heranzukommen, da er sich zu offen mit dem militanten Neonazismus eingelassen hatte.

Zu seinen engen Mitarbeitern, die in personam die Breite des faschistischen Netzes nach 1945 aufzeigten, zählte z. B. der von Griechenland zu viermal lebenslänglicher Haft verurteilte, dann begnadigte Kriegsverbrecher Alexander Andrae, ehemals Wehrmacht-Besatzungskommandant von Kreta, nach seiner Freilassung und Rückkehr nach Deutschland Mitbegründer der "Deutschen Reichspartei", die zur Auffangorganisation der verbotenen SRP wurde. Auch Bruno Kray gehörte zu Schenkes Leuten, der als Paul Stadtler oder K. E. Schaffner für rechtsneutralistische Positionen aktiv war und unter allen drei Namen in der "Neuen Politik" schrieb, in Wirklichkeit aber Paul Schall hieß und von 1940 bis 1945 Chefredakteur der "Straßburger Neuesten Nachrichten" und NSDAP-Kreisleiter der elsässischen Hauptstadt war. Der Konservative Revolutionär Bogislaw von Bonin schrieb ebenfalls für die "Neue Politik" und gründete Anfang der 60er die Schenke-Organisation "Vereinigung Deutsche National-Versammlung" (VDNV) mit, der dann auch Henning Eichberg angehörte. Ein Redner für die VDNV war in den 60er Jahren auch der Publizist Sebastian Haffner, der aus dem engeren Niekisch-Kreis kam. Bonin war beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs Mitglied der Operationsabteilung des Heeres, dann ein Gewinner der Nazi-Säuberungen nach dem 20. Juli-Attentat: Er wurde nun Chef der Operationsabteilung des Heeres. In Schenkes Verlag Neue Politik brachte der heutige Ullstein-Autor und Bundeswehr-"Geopolitiker" Heinz Brill eine Biographie über Bonin heraus, über den er auch promovierte. Brill schrieb häufig in der "Neuen Politik"; Mitte der 80er veröffentlichte er ein Buch über die Militärpolitik Gaddafis, des libyschen Nationalrevolutionärs, den Eichberg so sehr verehrt. 1994 brachte Brill bei Ullstein eine Arbeit zur Geopolitik heraus; er arbeitet heute im "Amt für Studien und Übungen der Bundeswehr" und trat in den 80ern bei den Wiedervereiniger-Initiativen Ammons, Schweisfurths und ihrer Mitkämpfer auf. Ebenfalls in Schenkes Organisationen und Publikationen dabei war der ehemalige Botschafter Werner Otto von Hentig, ein Nationalrevolutionär der ersten Stunde, der 1924 in den thüringischen Kommunistenaufstand verwickelt war. Damals glaubte die KPD, sich mit den "Kriegssozialismus"-Teilen der Reichwehr verbünden zu können, und Reichswehr-Einheiten hielten in der Sowjetunion heimlich Manöver ab, was gegen den Versailler Vertrag verstieß. Später war von Hentig ein enger Freund Otto Strassers und schrieb in der "Neuen Politik" anti-israelische Artikel. Wie Bonin war auch er Mitglied von Schenkes kleinem "Deutschlandrat" in den 60er Jahren, der die Wiedervereinigung über ein Konföderationsmodell verfocht und in den 80ern einen Nachfolger im "Deutschlandrat" Mohlers und Schönhubers fand. Der zwielichtige Gerhard Bednarski, Vater von Wolfram Bednarski, arbeitete zuerst mit Schenke zusammen, zerstritt sich mit ihm dann jedoch über die Frage der Anerkennung der DDR: Bednarski war dafür. Kurz nach Kriegsende hatte er mit Herbert Böhme die "Deutsche Unitarier Religionsgemeinschaft" aus früheren Kadern der Nazi-Organisationen aufgebaut, was zeitweise Bednarskis Hauptbeschäftigung war. Später schloß er sich der "Deutschen Friedens-Union" an, die als neutralistisch und DDR-geführt galt, aber ein buntes Gemisch aus Unabhängigen, Ex-Sozialdemokraten, illegalen Kommunisten und Nazi-Verbindungsleuten war. Dann tauchte er gänzlich unter. Auch Heinz Mahncke - von der SRP kommend und später Sekretär von Otto Ernst Remer, der einst als Kommandant des Wachregiments "Großdeutschland" maßgeblich an der Niederschlagung des Putschversuchs vom 20. Juli 1944 beteiligt war und dann die SRP mitinitiierte - legte eine Zwischenstation in Schenkes "Neuer Politik" ein. Mit Hjalmar Schacht verband Schenke die Vorliebe für China, der ehemalige Nazi-Reichsbankpräsident hatte in den 50ern einen Vorstandsposten in Schenkes "Deutsche China-Gesellschaft" inne. Schenke gab damals auch Schriften von Arthur Moeller van den Bruck heraus und besaß den rechtsextremistischen Holsten-Verlag, der kriegsverherrlichende Bücher von ehemaligen Wehrmachtsoffizieren und früheren NSDAP-Leuten veröffentlichte, vom Verfassungsschutz schon in den 50er Jahren beobachtet wurde und 1975 die erste deutschsprachige Biographie über Gaddafi veröffentlichte.

Man nahm es also nach der Niederlage vom 8. Mai 1945 nicht mehr ganz so erst mit den alten Fraktionsstreitereien innerhalb des Faschismus, doch die breite innerfaschistische Koalition störte zuerst die Möglichkeiten der Querfront, auf die Linke überzugreifen. Erst durch die Opposition links politisierter Studenen gegen den Vietnamkrieg änderte sich dies. Der unermüdliche Schenke erhielt wieder einen Zugang zur Linken und nutzte in den späten 60er Jahren seine Zeitschrift "Neue Politik", um ein neues Querfront-Projekt zu versuchen. Das Blatt war in den 60er Jahren ein wichtiges Diskussionsorgan des nationalrevolutionären Neutralismus mit Verbindungen in alle Bereiche des Neofaschismus, eine ähnliche Rolle, wie sie in den 80ern "wir selbst" hatte und in den 90ern der "Jungen Freiheit" zukommt. Mehr noch als in den heutigen Projekten kamen hier auch Linke zu Wort. Die Zeitschrift wurde vom Verfassungsschutz systematisch beobachtet und ausgewertet und - wie Schenkes VDNV - im ersten Verfassungsschutzbericht des Bundesinnenministers, der 1968 erschien, als rechtsextremistisch erwähnt. Autoren der "Neuen Politik" schrieben immer wieder antisemitische Artikel, zu Beginn der 60er Jahre auch Hetzartikel gegen die Auschwitz-Prozesse. Ende der 70er schrieb Wolfgang Venohr hier, er wolle von dem Film "Holocaust" in deutschen Fernsehen verschont bleiben. Hier schrieb man über "Spenglers bleibende Bedeutung" und veröffentlichte Anzeigen der "Oswald-Spengler-Gesellschaft", hier schrieben Otto Strasser und Ernst Niekisch persönlich, auch der vormalige SA-Funktionär Werner Georg Haverbeck, als er den "Weltbund zum Schutz des Lebens" (WSL) führte. Verurteilte Kriegsverbrecher und vormalige Nazi-Größen gaben sich den Schreibstift in die Hand, forderten "Freiheit für Rudolf Heß!" und veröffentlichten Texte über angebliche Kriegsschuldlügen.

Schenke persönlich fragte nach der Gründung von NPD und AUD in der "Neuen Politik": "Warum eigentlich nicht gemeinsam?" Die Frage war berechtigt, denn beide Parteien beerbten das Potential der "Deutschen Reichspartei" und Schenke hatte zu allen Verbindungen. In den 70er Jahren versuchte er ein Zeitlang, seinem Blatt einen seriösen Anstrich zu geben. Neben seinen Freunden aus dem Neofaschismus schrieben hier jetzt auch z. B. die späteren Grünen-Politiker Petra Kelly und Jakob von Uexküll, auch Günter Verheugen, damals noch FDP.

Vor allem der Niekisch-Schüler Wolfgang Venohr, später ein Verbündeter Ammons und Brandts, Autor auch in der Glotz-Zeitschrift "Die Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte", nutzte das Schenke-Blatt eifrig. Er veröffentlichte hier 1968 den Wortlaut des letzten Interviews von Rudi Dutschke vor dem Attentat, das Venohr für eine private Fernsehproduktionsfirma aufgenommen hatte, das in Deutschland jedoch nie gesendet wurde. Ziel der Veröffentlichung war es, auf die Studentenbewegung Einfluß zu nehmen, die Proteste gegen den Vietnamkrieg für die großdeutsche, antiwestliche, konservativ-revolutionäre Position zu instrumentalisieren, gegen die Sieger des Zwetien Weltkriegs und das "Jalta-System" zu wenden. So glaubten Schenke und Venohr, Teile der Studentenbewegung zu den Nationalrevolutionären hinüberziehen zu können. Diese Bündnispolitik, die Schenke dann auch mit öffentlichen Reden und Auftritten als selbsternannter "Sprecher der Außerparlamentarischen Opposition" vertrat, war nicht erfolglos: Die nationale Haltung der Gruppe um Bernd Rabehl, Peter Brandt und Tilman Fichter, die ihre Rolle im damaligen SDS heute gerne überschätzt, zeigt es. Die nationalrevolutionäre Gruppe "Außerparlamentarische Mitarbeit", die damals in Berlin gegen die "Außerparlamentarische Opposition" der linken Studenten und teilweise aus nationalrevolutionären NPD-Gruppen heraus gegründet wurde und deren Mitglieder sich heute in Piepers "Dienstags-Gesprächskreis" mit Fichter und in der "Jungen Freiheit" mit heutigen "Hofgeismarer Jungsozialisten" wiederfinden, zeigt es ebenfalls. Die späten Wirkungen Schenkes sind allerdings heute wenig bekannt.

Venohr schrieb in der "Neuen Politik" über das Zusammentreffen mit Dutschke: "Als wir im Verlaufe des Vorgesprächs auf die Generationenfrage kamen, sagte ich ihm, ich sei Fähnleinführer, Kriegsfreiwilliger und Offizier in der Deutschen Wehrmacht gewesen. Er sah mich an, lächelte und sagte in seinem langgezogenen Tonfall: 'Okay.' Von diesem Augenblick an war das Eis zwischen uns geschmolzen, und auch vor den Kameras sprach er ausführlich über das Problem des Generationskonflikts." Venohr zitiert Dutschke: "'Wenn ehemalige jugendliche Mitläufer und in Ansätzen überzeugte Nationalsozialisten einen Prozeß der Selbstaufklärung über die Geschichte des Nationalsozialismus gemacht haben, sich geschichtlich darüber klar geworden sind, was da geschehen ist, was mit ihnen geschehen ist, was mit unserem Volk und der Menschheit da geschehen ist, dann spricht nichts, aber auch gar nichts dagegen, sie als direkte Mitglieder unserer Bewegung dabei zu haben; absolut.'"

Und auf der nächsten Seite der Zeitschrift folgte unmittelbar die Würdigung eines Kriegsverbrechers, der für die Greueltaten der nazi-deutschen Besatzung auf Kreta verantwortlich war: "Unbeugsamer Charakter und politischer Mensch: General a. D. Alexander Andrae. ... Seine militärische Pflichterfüllung im Zweiten Weltkrieg brachte ihm nach 1945 mit sieben Jahren Haft in Griechenland die bittersten Jahre des Lebens, aus denen er nur noch unbeugsamer an Geist und Charakter hervorging." Dutschke ließ sich Ende der 70er Jahre in der Sex-Zeitschrift "Das da", die Klaus Rainer Röhl herausgab, auf eine Debatte mit Henning Eichberg um die "Deutsche Frage" ein. Eichberg wurde damals als "der Dutschke von rechts" verkauft. Die Debatte sollte den Nationalrevolutionären den Einstieg in die neuen sozialen Bewegungen verschaffen. Karrieren einer Szene: Röhl publizierte dann in den 90ern unter Zitelmann bei Ullstein seine eigenen nationalen Thesen.

Mit seiner nationalrevolutionären Pointierung nach 1950 schloß Schenke an seine Veröffentlichungen aus den ersten Jahren des Nationalsozialismus an. Volksgemeinschaftsideologie vertrat er in der Hitlerjugend Anfang der 30er ebenso wie "die Botschaft des Sozialismus" und "die Botschaft des Reiches" gegen die "fremde Ideologie des Westens", die als "ein Element der Auflösung bestehender Ordnungen" das Individuum "aus der Gemeinschaft der Nation und der Ordnung des Staates" gelöst habe, wie er 1934 in "Wille und Macht" schrieb. 1958 dann meinte er in der "Neuen Politik": "Im deutschen Nationalsozialismus gab es zu Anfang wenigstens noch Elemente freiheitlich-völkischer Natur"; den "völkischen Sozialismus" erklärte er als eine "nicht auf dem Klassenkampf beruhende, sondern alle sozialen Kräfte im Zusammenwirken dem Gemeinwohl verpflichtende Volksordnung," die von Hitler abgewürgt worden sei. Der immer wiederkehrende Bezug auf die Konservativen Revolutionäre Ernst Jünger oder Oswald Spengler findet sich ebenso schon in den frühen Ausgaben von "Wille und Macht".

Schenkes Thesen stießen in den 80er Jahren außer in den Wiedervereinigungsinitiativen, die sich der Friedensbewegung zugesellten, vor allem in der Friedrich-Ebert-Stiftung auf Interesse. Das erklärt auch die Aufmerksamkeit, die die Zeitschrift der FES, "Die Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte", Schenkes Apologeten Ammon, Brandt, Schweisfurth und Venohr entgegenbrachte. Auch die Positionen Niekischs und Strassers finden in der FES Sympathie und Unterstützung, man hält sie hier bisweilen für links. Die Zeitschrift "Neue Politik" lag bis zu ihrem Ende Mitte der 80er Jahre immer im Lesesaal der FES offen aus. Sie hatte durch zahlreiche Autoren aus der Ökologiebewegung und der Friedensbewegung, die in den 70er und 80er Jahren bei Schenke eine Publikationsmöglichkeit fanden, und durch die AUD-Grünen-Verbindung auch in den neuen sozialen Bewegungen einen unheilvollen Einfluß. Schenkes jahrzehntelanges Bemühen um die Wiederherstellung eines starken Deutschland in der Mitte Europas wurden von Rainer Dohse in dem Buch "Der Dritte Weg" eingehend dargestellt, das 1974 in Schenkes Holsten-Verlag erschien. Dohse zählte sich selbst zu dieser Querfront-Szene, und kein geringerer als Peter Brandt bezog sich in seinem Buch "'Vaterlandslose Gesellen'. Sozialdemokratie und Nation 1860-1990", das auch die nationalrevolutionären Deutschland-Vereiniger der 80er Jahre als Thema sozialdemokratischer Politik breit behandelte, auf Dohse, Schenke und die "Denkschrift"-Szene. 69

Schenke unterstütze am Ende seines Lebens alle Wiedervereinigungsaufrufe aus der nationalrevolutionären Ecke. Auch bei der Ammon/Schweisfurth-"Denkschrift" war er dabei. Auf einer Unterzeichnerliste bezeugte eine illustre Gesellschaft ihre Übereinstimmung mit diesem Papier. Neben Schenke, Venohr, Fichter und Brandt waren hier auch ehemalige "Junge Nationaldemokraten" um die Zeitschrift "wir selbst" anzutreffen. Hubertus Mynarek, der für die "Deutschen Unitarier" arbeitete, die vormalige Hitler-Geburtstags-Dichterin Luise Rinser, der Romancier des nationalen Kleinbürgertums Martin Walser und der oben zitierte "Neue Gesellschaft"-Autor Reinhard Hesse waren dabei. Die betagte Witwe Ernst Blochs wurde über die SDS-Schiene Fichters geködert, Unterzeichner William Borm später und posthum der MfS-Verbindungen beschuldigt. Neben etlichen Nationalrevolutionären vor allem des Niekisch-Umfelds, darunter auch das ehemalige Grünen-Bundesvorstandsmitglied Rolf Stolz, stand auch der Ex-Bundeswehrgeneral aus der Friedensbewegung, der fraktionslose Abgeordnete Gert Bastian, auf der Liste, der zur Zeit seiner Unterschrift bereits aus den Grünen wieder ausgetreten war. In der Tat: Diese Szene hätte zur Konservativen Revolution der 20er Jahre gepaßt.

Die "Denkschrift" von 1985 wurde also von einem breiten gesellschaftlichen Bündnis getragen, das jedoch seinen Schwerpunkt bei den Niekisch- und Strasser-Anhängern hatte. Offenbar war dies einigen Unterstützern aus der Mitte der Gesellschaft nicht klar, da sie weder die jüngere Entwicklung des Neofaschismus noch alle Personen einer Unterstützerliste für das Papier kannten. Die "Denkschrift" war ein taktisches Projekt der neuen "Querfront"-Strategen. Mit Schweisfurth und Fichter zielte es vor allem auf die Sozialdemokratie, wo man sich Anschluß an die 50er Jahre und den "Deutschland-Plan der SPD" erhoffte. Mit Ammon und Peter Brandt waren zwar neben dem SPD-Spektrum auch die Grün-Alternativen angesprochen, doch nicht einmal Mechtersheimer war als Bundestagsabgeordneter Mitglied der Partei Die Grünen geworden. Nach den Büchern von Brandt und Ammon ("Die Linke und die nationale Frage") und von Venohr ("Die deutsche Einheit kommt bestimmt") war das "Denkschrift"-Projekt das wichtigste und breiteste Bündnis dieser Szene, die noch weitere Gruppen und Initiativen für andere Zielgruppen gründete. Zwar ließen die Unterschiede zwischen den Zielgruppen die Szene selbst als wirr und chaotisch erscheinen, doch schon in den Zeiten 1919 bis 1923 war die Verwirrung ein Teil der Querfront, die eben Anker in allen politischen Lagern suchte. Tatsächlich jedoch hielten Ammon, Venohr, Schenke und Stolz die Zügel.

Die "Denkschrift" basierte vor allem auf den juristischen Arbeiten von Theodor Schweisfurth, einem SPD-Mitglied mit Ambitionen auf ein Bundestagsmandat, das ihm trotz seiner Bemühungen bisher verwehrt blieb. Beruflich ist er Völkerrechtler mit Schwerpunkt Osteuropa, nach der Wiedervereinigung erhielt er eine Professur an der "Europa-Universität" in Frankfurt an der Oder. Er hatte bereits 1984 in der "Frankfurter Rundschau" eine Anzeige unter dem Titel "Den Frieden retten - Deutschland vereinen!" unterzeichnet. Der Text, der explizit auf Niekisch Bezug nahm, forderte, in dessen Geiste Deutschlands Größe gegen den Westen wiederherzustellen. "Die nationale Frage der Deutschen ist zugleich eine wahrhaft revolutionäre Aufgabe aller Europäer", hieß es da. "Verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes" zeichnete für die Anzeige Sven Thomas Frank, der seit den 60er Jahren im nationalrevolutionären Neofaschismus aktiv ist. Frank gehörte zur "Außerparlamentarischen Mitarbeit" APM und ist heute bei der "Jungen Freiheit". Unterzeichner waren auch der "MUT"-Autor Gerd-Klaus Kaltenbrunner, Konrad Buchwald (ein Gefolgsmann Otto Strassers, Funktionär der Brückenkopf-Organisation VDA - früher "Verein für das deutsche Volkstum im Ausland", dann von den Alliierten verboten, jetzt "VDA-Gesellschaft für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland" -, Mitglied in Wolfram Bednarskis kurzlebiger Partei "Die Weißen", "wir selbst"-Autor), der ehemalige "Deutsche Unitarier" Wolfram Bednarski, Franks alter APM-Weggefährte Udo W. Reinhardt (heute ebenfalls bei der "Jungen Freiheit", dazwischen mit Wolfram Bednarski bei den "Unabhängigen Ökologen"), Wolfgang Seiffert, Schenke, Schweisfurth, Venohr, Wolfgang Strauss ("Nation Europa") und der "Danubia"-Burschenschaftler Michael Vogt. Vogt war ein früher Mitarbeiter Venohrs, im "Ring freiheitlicher Studenten" (rfs) aktiv, zeitweise Sprecher der Deutschen Burschenschaft; der nationalrevolutionäre Informationsdienst "DESG-inform" berichtete 1989, er sei "Pressesprecher des Luft-, Raumfahrt- und Rüstungsunternehmens MBB", dann war Vogt Sprecher des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI). Wie vernetzt diese Szene ist, zeigt die rechtsextreme Burschenschaft "Danubia", die bei der Gründung der REP-Organisation "Republikanischer Hochschulverband" eine zentrale Rolle spielte, in der hauptsächlich vormalige rfs-Leute aktiv waren. Als Sprecher des BPI tauchte Vogt dann auch in deren Anzeigen namentlich auf, die die SPD-Mitgliederzeitung "Vorwärts" zur ihrer Finanzierung abdruckte.

Schweisfurth trat auch selbst immer wieder in Burschenschaftler-Kreisen auf, die "Burschenschaftlichen Blätter" der weit rechts stehenden "Deutschen Burschenschaft" haben mehrfach über ihn positiv berichtet, ihn auch als "einen alten Corpsstudenten" vorgestellt. Auch beim "Gesamtdeutschen Studentenverband" GDS, der von Burschenschaftlern beherrscht war und bei dem sich etliche militante und auch kriminelle Neonazis trafen, trat er in den 80er Jahren auf.

Peter Glotz stützte sich 1989 in seinem Buch "Die deutsche Rechte" auf Schweisfurths Arbeiten; 1993 rechtfertigte Schweisfurth in einem "FAZ"-Artikel den Putsch als politisches Mittel in Carl-Schmitt-Manier: "Die ethische Beurteilung eines Staatsstreichs hängt von den mit ihm verfolgten Zielen ab und von der Billigung oder Mißbilligung dieser Ziele", die man in Schweisfurths Umfeld eben vor allem nach völkischen Interessen beurteilt. 70

Der Kölner Grüne Rolf Stolz bildete Ende 1984 die Gruppe "Initiativkreis Linke Deutschland-Diskussion" (LDD), die eine eher sozialistische Zielgruppe im Visier hatte. Stolz war wegen seiner nationalrevolutionären Orientierung 1980 gemeinsam mit dem zeitweiligen Gemeindeleiter der "Deutschen Unitarier" Baldur Springmann aus dem Bundesvorstand der Partei Die Grünen gekippt worden und setzte in den 80ern die verhängnisvolle Politik national orientierter Maoisten der 70er Jahre fort, zu denen Stolz gehörte. Das "links" im Initiativennamen der LDD war so demagogisch wie der Sozialismus-Begriff bei Otto Strasser. Denn das LDD-Manifest "Anstoß für eine deutsch-deutsche Alternative" enthielt im wesentlichen die Positionen der Ammon/Schweisfurth-"Denkschrift", die für die neuen sozialen Bewegungen passend umformuliert und mit etwas sozialistischer Rhetorik aufgepeppt wurden. Radikaler Antiamerikanismus sollte diejenigen ansprechen, die aus der Studentenpolitik der 70er Jahre übrig geblieben waren; daher legte Stolz auch immer wieder Wert auf eine Agitation gegen die "fremden Truppen" in Westdeutschland, besonders die US-amerikanischen, deren Abzug er in immer neuen Schriften forderte. Auch beim "Anstoß" gab es eine Unterstützerliste, zu der u. a. Ammon, Schweisfurth, Venohr, Schenke, Mynarek und Peter Bahn zählten. Der zeitweilige "Deutsche Unitarier" Bahn, der auch noch andere Beziehungen zum Stolz-Umfeld unterhielt, führte damals den völkisch-esoterischen "Helios"-Verlag in Mainz und schreibt heute im "Jahrbuch zur Konservativen Revolution" der Anneliese Thomas gemeinsam mit Armin Mohler; die "Junge Freiheit" wirbt für dieses Buch Ende 1994. Die LDD veranstaltete gemeinsame Tagungen, auf denen Ammon und Schenke auftraten, so im Mai 1985 in Berlin.

Stolz selbst ist ein enger persönlicher Freund Ammons und Mechtersheimers, in dessen Zeitschrift "Frieden 2000" er im April 1993 schrieb: "Die große Koalition der Deutschlandfeinde und Ausländerverherrlicher verlangt, die als spießig, dumm, egoistisch und rassistisch angeprangerten Deutschen sollten gefälligst der Zerstörung ihrer Gesellschaft, ihrer Kultur und ihres Wohlstands widerstandslos zusehen, weil es erstens inhuman sei, jemand abzuweisen und man zweitens ohnehin nichts gegen die wachsende Völkerwanderung tun könne." Ausländer tauchen in dem Text als "kriminelle", "Polit-Terroristen", "Drogenhändler, Zuhälter, Hütchenspieler, Zigarettenschmuggler, Sozialbetrüger", "Dauerarbeitslose und selbstverschuldete Sozialfälle" auf, die von Deutschen "durchgefüttert" werden wollten. Bosnische Roma müßten sich erst einmal das Stehlen und Betteln abgewöhnen, wenn sie bis zum Kriegsende in Deutschland bleiben wollten, befand Stolz. Er meinte, als würden noch die Nürnberger Gesetze der Nazis gegen die jüdischen Deutschen gelten: "Der 'ausländische Mitbürger' ist eine contradictio in adjecto, ein Widerspruch in sich", "Einwandern kann niemals ein Menschenrecht sein." Im April 1991 schrieb Stolz in "MUT" über Objekte seiner Begierde: "Wir fahren umher in der Nähe von Wongrowitz, Provinz Posen. Dies war über mehr als ein Jahrhundert deutsches Land, bis 1918, an das russische Reich angrenzend, 1939 für ein kurzes halbes Jahrzehnt als 'Warthegau' in das Reich zurückgekehrt, nach zwanzig polnischen Jahren. Überall gibt es Spuren, aber ein Außenstehender wird diese Spuren nicht finden oder nur ganz wenige. Es ist schon die zweite Generation, die vergessen machen will, daß einmal Deutsche in diesem Land lebten." In Zitelmanns "Geistiger Welt" ließ er sich gegen Moslems in Deutschland aus.

Seine LDD führte in den 80er Jahren mit der Neonazi-Gruppe "Politische Offensive" (PO) in Lahnstein bei Koblenz ein gemeinsames Postfach. PO war die Nachfolgeorganisation des "Nationalrevolutionären Koordinationsausschusses" (NRKA), der mit der Eichberg-Gruppe um die Zeitschrift "wir selbst" sympathisierte. So kamen führende LDD-Mitglieder auch aus dem Koblenzer Bublies-Verlag. Der "Sozialdemokratische Pressedienst" berichtete 1987, bei PO-Treffen sei das Horst-Wessel-Lied gesungen und Material der inzwischen verbotenen "Nationalistischen Front" ausgelegt worden. PO-Chef Marcus Bauer war Mitarbeiter von "wir selbst" und "Junge Freiheit" und wurde auf der REP-Liste in eine Kölner Stadtbezirksvertretung gewählt.

In der LDD wirkte auch der Juso Christian Wipperfürth mit, der später Mitarbeiter des Weimarer SPD-Europaabgeordneten Edelbert Richter wurde; Richter hatte schon im Dezember 1989 als Vertreter der DDR-Wende-Organisation "Demokratischer Aufbruch" gemeinsam mit Nationalrevolutionären um Rolf Stolz in Köln eine Wiedervereinigungs-Veranstaltung abgehalten. Nach seinem Übertritt zur SPD stieg er in Thierses "Grundwertekommission" auf, deren Funktion die weltanschauliche Weiterentwicklung der SPD ist.

Einzelne Personen aus diesem Netz saßen auch im "Deutschlandrat" Schönhubers und Mohlers von 1983 - hier waren auch Wolfgang Seiffert und Bernard Willms beteiligt -, der den Namen einer Schenke-Organisation aus den 60er Jahren wieder aufnahm, sowie in einer "Koordination Friedensvertrag", zu der Rolf Stolz 1985 gemeinsam mit dem Nationalrevolutionär August Haußleiter und weiteren Aktivisten aus dessen AUD aufgerufen hatte. Zu ihnen zählte auch Torsten Lange, Ex-AUD, Ex-Grünen-MdB, 1994 Bundestagskandidat der "Statt-Partei" in Bonn. Haußleiter hatte sich 1923 beim Hitler-Ludendorff-Putsch engagiert, schrieb nach 1933 als antisemitischer, militaristischer Nationalrevolutionär in Nazi-Zeitungen und verfaßte ein Kriegstagebuch von der Ostfront, das eine 100 000er Auflage gehabt haben soll; nach 1945 baute er die neofaschistische, teilweise paramilitärische "Deutsche Gemeinschaft" auf und gründete später die AUD, die 1980 in den Grünen aufging. Schriften der "Koordination Friedensvertrag", die eine Art Dach der Einzelinitiativen gedacht war, wurden u. a. von Gert Bastian, Peter Brandt, Ammon und Schweisfurth unterzeichnet, die für ähnliche Aktivitäten schließlich auch noch Petra Kelly, Helmut Lippelt und Eva Quistorp gewannen. Quistorp sprach sich später als Grünen-Europaabgeordnete für die Bombardierung Bosniens aus; Lippelt, der 1994 für Bündnis 90/Die Grünen in den Bundestag zurückkehrte, wollte 1992 ebenfalls ein militärisches Eingreifen auf dem Balkan. Auch zum "Neuen Deutschen Nationalverein" (NDNV), den der frühere CDU-Politiker Harald Rüddenklau 1988 für den klassischen Konservatismus gegründet hatte - Logo: das Berliner Reichstagsgebäude zur Kaiserzeit -, bestanden Verbindungen. Der NDNV knüpfte an die frühere Schenke-Organisation VDNV an und wollte die konservative Zielgruppe des aufgelösten "Deutschlandrates" von 1983 ansprechen. Rüddenklau hatte schon 1982 mit Brandt und Ammon in Venohrs Buch "Die deutsche Einheit kommt bestimmt" geschrieben.

Erich Schmidt-Eenboom, damals noch die rechte Hand Mechtersheimers, schloß sich ebenfalls dieser Szene an. Er unterzeichnete 1989 mit Ammon, Schweisfurth, Stolz, Mechtersheimer, Peter Brandt und Nationalrevolutionären aus dem NRKA-Umfeld ein "Memorandum" an Michael Gorbatschow, das die Einheit eines blockfreien Deutschland forderte. 1985 schon war die "Friedensplattform '87" von Mechtersheimer, Schmidt-Eenboom und Franz Miller als Sonderdruck der Zeitschrift "wir selbst" erschienen. Schmidt-Eenboom schrieb 1989 in Mechtersheimers Zeitschrift "Mediatus" von der "Friedensbewegung NPD" und druckte ein Flugblatt einer "NPD-Initiativgruppe Frankfurt" zum deutschen Neutralismus ab. In "Mediatus" schrieb auch Henning Eichberg, als Schmidt-Eenboom zur Redaktion gehörte, und Peter Brandt veröffentlichte hier einen gemeinsamen Artikel mit Rolf Stolz. Es ist immer dieselbe Szene.

Unter anderem die politische Rechtslastigkeit der "Memorandum"-Gruppe und die "wir selbst"-Veröffentlichung diente dem Oberlandesgericht Köln im Mai 1994 dazu, Antifaschisten die Behauptung zu erlauben, Erich Schmitt-Eenboom habe "Kontakte zu völkischen Gruppen". Bereits vorher mußte er sich vom Landgericht Bonn - wo Schmidt-Eenboom gegen ein Antifa-Flugblatt geklagt hatte - sagen lassen, angesichts seiner Äußerungen über eine angebliche "Friedensbewegung NPD" seien die Äußerungen der Antifaschisten, er sei ein "Braunzonen-Vertreter" und lasse "den nötigen Abstand zur NPD vermissen", wohl nicht zu beanstanden. Der "Friedensforscher" - wie Mechtersheimer ein vorheriger Berufssoldat der Bundeswehr - betreibt jetzt, nach Mechtersheimers Ausscheiden, das Starnberger "Forschungsinstitut für Friedenspolitik" weiter, in dem nach seiner eigenen Aussage vor den Gerichten in Bonn und Köln der rechtskräftig verurteilte "Auschwitz-Lügner" Gerd Sudholt verkehrte. In Sudholts "Verlagsgesellschaft Berg" veröffentlichte der selbsternannte "Geheimdienstexperte" Schmidt-Eenboom 1993 das Buch "Siegermacht NATO", obwohl der Verlag im Verfassungsschutzbericht als rechtsextremistisch erwähnt war. Sudholt finanzierte ihm bereitwillig das Buchprojekt, in dem auch die heutige stellvertretende SPD-Parteivorsitzende Heidemarie Wieczorek-Zeul schrieb. In der Tat: Man glaubt es kaum, wie weit die extreme Rechte heute wieder in die SPD hineinreicht.

"Der amerikanische Anspruch auf Vorherrschaft und die neue deutsche Machtentfaltung geraten in Konkurrenz zueinander", begeisterte sich der Sudholt-Verlag auf dem Umschlagstext des Buches. Schmidt-Eenboom und Jo Angerer warfen hier den USA vor, die "Rolle als alleinige Weltmacht" anzustreben. Konflikte gehörten "sozusagen zum menschlichen Dasein", so gaben Schmidt-Eenboom und Achim Schmillen (aus dem Bundestagsbüro der ostdeutschen Bündnis-Grünen Vera Wollenweber) hier ihre "eher anthropolgisch zu verstehenden Einsichten in das Wesenhafte von Konflikten" wieder. Statt einer soliden Gesellschaftsanalyse widerstreitender Interessen auf dem Weltmarkt präsentierten die Hobby-Philosophen "quasi ein Urphänomen menschlicher Existenz", wie sie schrieben. Der Krieg als anthropologische Konstante und Blauhelmeinsätze der Bundeswehr gegen den Weltmachtanspruch der USA, die in der "Friedensforschung" ohnehin Deutschland hinterherhinkten: das ist der Schluß des Buches. Wie die Blauhelmeinsätze aussehen könnte, machte Schmidt-Eenboom deutlich, in dem er "chemo-technische Sanktionen" aufzählte, die er in der Kategorie "nicht-militärische Zwangsmittel" zusammenfaßte: "waffenähnliche Mikrowelleneinsatz", "Einsatz von Schlafgasen", "materialaufweichende Chemikalien" und "eine Mikrobenlösung, die Flubenzin in eine schmierige Masse verwandelt" - Hightech.

Wieczorek-Zeul wollte mit Schmidt-Eenboom ein weiteres Buch machen, das in Sudholts Verlag erscheinen sollte. Die Verhandlungen liefen schon, als Antifaschisten das Projekt auffliegen ließen. Wieczorek-Zeul arbeitet seit Jahren mit Schmidt-Eenboom zusammen und veröffentlichte mit ihm auch andernorts Texte, die vor allem durch Antiamerikanismus auffielen. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende behauptete schließlich, von Sudholts Hintergrund nichts gewußt zu haben, obwohl die Verfassungsschutzberichte davon voll sind.

Die nationalrevolutionäre Zeitschrift "wir selbst" aus dem Verlag Siegfried Bublies war in den 80ern das Hauptorgan dieser Szene. Hier schrieben - z. T. bis in die 90er Jahre - Peter Brandt, Ammon, Schweisfurth, Venohr, Eichberg, Mechtersheimer, auch Rainer Zitelmann, Baldur Springmann, Lutz Rathenow, Rudolf Bahro. Ihre Ideen wurden hier mit denen des offenen Neofaschismus verbunden. So schrieb in "wir selbst" auch Bernard Willms, Franz Schönhuber und der Mitautor des REP-Parteiprogramms Helmut Diwald ebenso wie Karl Höffkes, der von den "Jungen Nationaldemokraten" bis zum "Thule-Seminar" die wichtigsten rechtsextremen Organisationen durchlief und zeitweise neben Bublies Mitbesitzer von "wir selbst" war (Verlag Bublies und Höffkes). Höffkes gehört heute zu den führenden Autoren von "Nation und Europa", an seinem Verlag Heitz und Höffkes war auch Mahncke finanziell beteiligt, der sich auch bei den REPs und deren "res publica GmbH" politisch und finanziell engagierte.

Ein herausragender "wir selbst"-Autor war auch der ehemalige Bundeswehrgeneral Günter Kießling, für den sich der SPD-Parteivorsitzende Hans-Jochen Vogel Anfang der 80er Jahre während der Kießling-Wörner-Affäre so vehement eingesetzt hatte. Doch waren die Angriffe auf Kießling aus dem Brüsseler Nato-Hauptquartier damals schon nicht in seiner angeblichen Homosexualität begründet, die den öffentlichen Teil der Affäre bestimmten, sondern in seinen nationalrevolutionären Vorstellungen über Deutschlands Hegemonie. Kießling tanzte Ende der 80er auf jeder deutsch-deutschen Hochzeit dieser Wiedervereiniger-Szene und ist inzwischen auch zum "Junge Freiheit"-Autor aufgestiegen. Sein Buch "Neutralität ist kein Verrat", das 1989 im rechtslastigen "Straube-Verlag" erschien, rezensierte im November 1989 im "Vorwärts" ausgerechnet Florian Gerster, der in personam für den Komplex von Nationalismus, nationalrevolutionärer Deutschland-Vereinigung und Sozialabbau stehen kann. Gerster lobte die "mutige, querdenkerische Perspektive" des Kießling-Buches und benutzte die Agitation der Ammon/Schweisfurth-"Denkschrift" und des LDD-"Anstoßes": "Der Kritik am blinden Vertrauen in die friedensbewahrende und zukunftssichernde Funktion des Status quo in Mitteleuropa werden Sozialdemokraten betreten - viele auch der weitergehenden Feststellung, Deutschland sei angesichts der Zuständigkit der Siegermächte für Deutschland als Ganzes und ihres unkündbaren Rechts auf Truppenstationierung noch immer ein besetztes Land." Kießling entwickele dagegen "sicherheits- und deutschlandpolitisch eine Konzeption, die die deutsche Suche nach einer Überwindung der Spaltung befruchten kann". Dies tat Kießling eben vor allem in den Publikationen "wir selbst" und "Junge Freiheit", was jedoch diesen engen Mitarbeiter Scharpings aus dem Mainzer Landeskabinett nicht störte.

Bublies war vor der Verlagsgründung und Gründung von "wir selbst" stellvertretender Landesvorsitzender der "Jungen Nationaldemokraten" und Vize-NPD-Vorsitzender von Rheinland-Pfalz. Er wirbt damit, daß sein Verlag die deutschsprachigen Rechte an Gaddafis "Grünem Buch" besitze; in "wir selbst" schrieb Eichberg über sein nationalrevolutionäres Vorbild Gaddafi, eine Gruppe der "wir selbst"-Redaktion reiste 1981 auf Einladung Libyens nach Tripolis und interviewte 1983 auf einer erneuten Libyenreise Gaddafi persönlich. Mit dem Bublies-Verlag arbeitete auch Mechtersheimer verlegerisch zusammen, über den seine früheren Freunde aus dem Starnberger Friedensforschungsinstitut 1994 in der Zeitschrift "Wissenschaft und Frieden" schrieben: "Gelder des libyschen Diktators Gaddafi im Umfang von etwa einer Million US-Dollar sind nur an Alfred Mechtersheimer privat gegangen." Die Zeitschrift "wir selbst" sieht die eigene nationalrevolutionäre Tradition als Weg von den Burschenschaften zu Anfang des 19. Jahrhunderts über die Konservative Revolution der 20er Jahre bis zu den Neugründungen nationalrevolutionärer Gruppen in den 70er Jahren - fast immer aus der NPD heraus - und ihre Fortsetzung in den Wiedervereiniger-Initiativen der 80er.

Im April 1995 dann forderte "wir selbst"-Autor Peter Brandt für die "Junge Freiheit", die personell und inhaltlich gewissermaßen die Nachfolge von "wir selbst" angetreten hat, in einem "Spiegel"-Leserbrief "ein Mindestmaß an Fairness" ein, "auf die Gefahr hin, wie in solchen Fällen üblich, mich selbst verdächtig zu machen" - als hätte er das noch nötig. 71

All diese Gruppen führten in den 80er Jahren inhaltlich im wesentlichen die Versuche Schenkes, Haußleiters und der Strasser- und Niekisch-Leute aus den 50ern und 60ern fort, ein blockfreies, nationalrevolutionäres Deutschland als europäische Hegemonialmacht zu erreichen, auch wenn sich einzelne Formulierungen und Etappenziele den unterschiedlichen Verhältnissen über die Jahrzehnte anpaßten. Sie meinten schon vor vierzig Jahren keine "Blockfreiheit" im friedenspolitischen, gar pazifistischen Sinne, sondern ein aufgerüstetes Deutschland, das durch sein militärisches Potential die Vorherrschaft in Europa auch behaupten könne.

Wie sehr sie in der SPD-Spitze auf Resonanz einiger ihrer Forderungen hoffen konnten, zeigte schon im September 1985 das berühmte "Bühlow-Papier" des früheren Staatssekretärs im Bundesverteidigungsministerium unter Bundeskanzler Helmut Schmidt, Andreas von Bühlow, das dieser als "Entwurf eines Antrags zur Sicherheitspoltiik für den Bundesparteitag 1986" der SPD vorgelegt hatte. Hierin forderte Bühlow, nun Mitglied der sicherheitspolitischen Kommission seiner Partei, den Abzug der US-amerikanischen und sowjetischen Truppen aus Deutschland. Als hätte er es aus der Ammon/Schweisfurth-"Denkschrift" oder aus dem LDD-"Anstoß" abgeschrieben, meinte er: "In Deutschland organisieren sich die Militärbündnisse entlang der deutschen Teilungsgrenze. ... Blitzschnell können Funken von Krisenherden der Welt, an denen fast immer mittelbar oder unmittelbar Großmächte beteiligt sind, die übervollen Pulverfässer Europas zur Explosion bringen. ... Man könnte im Laufe der Jahre ein nur zur Defensive befähigtes Verteidigungssystem ohne Supermächte auf beiden Seiten der heutigen Grenzlinien errichten."

Bühlow sprach sich zwar hier noch für eine Bestandsgarantie für die DDR aus, doch der damalige Vorstandssprecher der SPD und heutige Spitzenpolitiker seiner Partei in Nordrhein-Westfalen, Wolfgang Clement, schrieb wenige Tage, nachdem Bühlows Papier für Aufsehen gesorgt hatte, in einer Pressemitteilung: "Zu den Vorwürfen, die von den Unionsparteien im Zusammenhang mit einem sicherheitspolitischen Diskussionspapier Andreas von Bühlows gegen die SPD erhoben worden sind, hat das Präsidium der Partei ... unter Vorsitz Willy Brandts die folgende Erklärung verabschiedet: .... Wer die Spaltung Europas und Deutschlands überwinden will, muß auch über die Sicherung Europas ohne die Armeen der Supermächte nachdenken." Die "Denkschrift" war durch, bis in die SPD-Spitze; der Vorstellung, feindliche Großmächte spalteten durch ihre militärische Präsenz Deutschland und müßten aus Europa wieder vertrieben werden, schloß sich sogar das oberste Gremium der SPD an. Das Bülow-Papier von 1989 zur Verarmung der osteuropäischen Bevölkerung zeigte dann die Zielrichtung seiner Thesen von 1985 in aller Unbarmherzigkeit.

Zur Jahreswende 1988/89 forderte Heidemarie Wieczorek-Zeul dann den Abzug von "Fremdtruppen der Supermächte" aus Europa, der Bundeswehr-Admiral Elmar Schmähling - der SPD nahestehend - sprach vom "wiedernatürlichen (!) Zustand der Stationierung fremder Streitkräfte auf dem eigenen Staatsgebiet".

Die breit erfolgte Übernahme der Konföderationsidee 1989/90, durch Willy Brandt und Helmut Kohl bereitwillig, durch Hans Modrow nach den "Wir sind ein Volk!"-Demonstrationen, zeigte die Reichweite der scheinbar randständigen nationalrevolutionären Zirkel. Die Idee einer deutsch-deutschen Konföderation als erster Schritt zur Wiedervereinigung war seit den 60er Jahren vor dem November 1989 fast nur von diesen Zirkeln diskutiert worden, hier und da bei den Grünen und der SPD in die Debatte gebracht worden. Peter Brandt und Günter Minnerup beklagten dies 1987 in einem NG/FH-Artikel ausdrücklich. Die Vorstellung, z. B. an den "Deutschland-Plan" der SPD von 1959 anzuknüpfen, wurde von ernstzunehmenden sozialdemokratischen Politikern in den 80ern belächelt. Allerdings hatte schon im April 1985 die "Frankfurter Rundschau" als Dokumentation einen Teil der "Denkschrift" von Ammon, Schweisfurth, Schenke, Brandt, Fichter und Mechtersheimer abgedruckt.

1989 dann - die unrealistische Forderung nach Blockfreiheit war fallengelassen worden - spielte der Springer-Konzern eine zentrale Rolle bei der Propagierung der nationalrevolutionären Deutschlandpolitik: Nachdem Chefkommentator Herbert Kremp schon am 11. November 1989 in der "Bild-Zeitung" die Parole ausgegeben hatte: "'Wir sind das Volk' rufen sie heute, 'Wir sind ein Volk' rufen sie morgen", wurde noch im November 1989 Schweisfurths "Konföderationsplan" auf Seite 2 der "Bild-Zeitung" präsentiert, als dritte Alternative hinter Kohls 10-Punkte-Plan und Hans-Jochen Vogels Konföderationsvorschlag. "Wiedervereinigung - Der Anfang ist gemacht" titelte das Blatt in schwarz-rot-goldenen Lettern. Schweisfurth nun auf allen Kanälen: Am 28. 11. im Südwestfunk 3, am 29. 11. im "Brennpunkt" der ARD, und Kohl, Vogel und Schweisfurth gemeinsam auf einer "Bild"-Seite: Da glaubten die "Querfront"-Strategen, ein neues 1932 stünde bevor.

Derselbe Schweisfurth, der 1986 gemeinsam mit Bernhard Willms und Emil Schlee beim rechtsextremen "Arndt-Verlag" des Dietmar Munier publizierte (der Herausgeber des Buches, Helmut Kamphausen, stieg 1995 zum Leitartikler der "Jungen Freiheit" auf und unterzeichnete im selben Jahr gemeinsam mit Zitelmann und Ammon den Aufruf der extremen Rechten zum 8. Mai - diese Szene hält tatsächlich bis heute zusammen; Munier arbeitet heute für den Aufkauf und die Wiedereindeutschung Ostpreußens durch Neofaschisten; in seinem Verlag veröffentlichte auch der "Deutsche Unitarier" Baldur Springmann), derselbe Schweisfurth, der 1986 gemeinsam mit Kamphausen, Willms, Schlee, Rolf Schlierer (heute Parteivorsitzender der "Republikaner") und Günter Pahl (einem Zeremonienmeister heidnischer Feierstunden der "Deutschen Unitarier Religionsgemeinschaft") beim "Norddeutschen Forum" der "Deutschen Kulturgemeinschaft" auftrat (einer Abspaltung von Herbert Böhmes "Deutschem Kulturwerk Europäischen Geistes" DKEG), derselbe Schweisfurth konnte dennoch 1987 die "Aufrufe zum Frieden" unterschreiben, die Willy Brandt organisiert hatte und die SPD-Bundesgeschäftsführer Peter Glotz als SPD-Publikation herausbrachte, Nachwort von Erhard Eppler. Zur großen Veranstaltung "Aufrufe zum Frieden" in der Bonner SPD-Zentrale war Schweisfurth eingeladen.

Solche Bündnisse waren die Vorbereitung für ein Manifest zur Deutschlandpolitik, das die SPD im Dezember 1989 Hals über Kopf verabschiedete. Vom Fall der Mauer kalt erwischt und ohne jedes eigene Konzept, griff die Parteispitze auf die Nationalrevolutionäre zurück, die seit Jahren in der Theoriezeitschrift NG/FH Gedankenspiele geübt hatten: "In den Vordergrund rückt die Erklärung dabei das Modell der Konföderation", schrieb der Parteivorsitzende Hans-Jochen Vogel im "Vorwärts" vom Januar 1990 über die deutschlandpolitische Erklärung. Peter Brandt durfte anschließend den SPD-Mitgliedern auf zwei "Vorwärts"-Seiten seine Vorstellungen darlegen. Es war nun die Hohe Zeit der Nationalrevolutionäre, die Teile des SPD-Vorstands zur Agitation der Mitgliedschaft wohl auch planmäßig einsetzten, denn beim Fußvolk wollte keine rechte Nationalbegeisterung aufkommen. "Schmidt bei BILD: Jetzt müssen alle Opfer bringen", hieß es in der "Bild-Zeitung" schon am 11. November 1989, als der weitsichtige Helmut Schmidt im Gespräch mit Springer-Journalisten nationale Solidarität einforderte. Auf eine Sozialabbau-Politik waren Hunderttausende SPD-Mitglieder noch keineswegs gefaßt. Man bediente sich jetzt der völlig illusionären Vorstellungen Peter Brandts über das Zusammengehen eines "'amerikafreien', sozialistischen Westeuropa" mit der Sowjetunion, wie Brandt und Minnerup 1987 in NG/FH geschrieben hatten, um ein größeres Deutschland als Kernmacht für die europäische Konkurrenz zur US-amerikanischen und japanischen Wirtschaft zu schaffen. Brandts Ideen erschienen links und sympathisch, doch sie sollten nur das Parteivolk beruhigen, das dem größeren Deutschland gegenüber skeptisch war, aus historischer Erfahrung.

Zur rechten Zeit verfügten die nationalrevolutionären Zirkel über eine genügende Anzahl von Verbindungsleuten in entscheidenden Positionen, um mit ihrem Konzept die Demonstrationen in der DDR und die Mediendiskussion in der BRD zu beherrschen, bevor die DDR-Volkskammer schließlich einfach nur den Anschluß zu beschließen brauchte. Wenn auch die Mehrheit in der Volkskammer, die dann die Wiedervereinigung zugunsten der Westkonzerne beschloß, bei der Wahl im März 1990 aufgrund der Wohlstandshoffnungen zustande kam, so hatte die nationale Ideologie in den vorangegangenen Jahren doch - auch innerhalb der Linken - die Akzeptanz für diesen Schritt vorbereitet.

Inzwischen geht die Szene weit über die nationalrevolutionären Wiedervereinigungs-Bündnisse hinaus. Schweisfurth publizierte gemeinsam mit Marcus Bauer, dem "Europa vorn"-Redakteur und "Nation und Europa"-Autor Wolfgang Strauss und Alain de Benoist in dem Buch "Gedanken zu Großdeutschland", das der "Junge Freiheit"-Redakteur Stefan Ulbrich 1991 herausgab. Nachdem mit der deutschen Einheit die erste Etappe erreicht war, faßte man sogleich das nächste Ziel ins Auge. Man kennt sich seit Jahren: Benoist war bereits 1985, ein Jahr vor Schweisfurth, beim "Norddeutschen Forum" aufgetreten, gemeinsam mit Schlee sowie Michael Vogt und Wolfgang Seiffert, beide wie Schweisfurth Unterzeichner der Anzeige "Den Frieden retten- Deutschland vereinen!" von 1984. Im Januar 1990 gründeten Peter Brandt und der Stolz-Schenke-Freund Jürgen Graalfs den Verein "Deutsche Gesellschaft e. V. zur Förderung kultureller, politischer und wirtschaftlicher Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik". Das Kuratorium des Vereins zeigte die Reichweite der Nationalrevolutionäre: Neben Ammon, Schweisfurth, Mechtersheimer, Eva Quistorp, Edelbert Richter, Luise Rinser, Wolf Jobst Siedler, Martin Walser und Alexander von Stahl waren hier auch Willy Brandt, Egon Bahr, Oskar Lafontaine, Gerhard Heimann, sogar Horst Ehmke, Ilse Brusis vom DGB, Bärbel Bohley, Jens Reich, Konrad Weiß, Eberhard Diepgen, Rainer Eppelmann, Elmar Pieroth, Herribert Scharrenbroich, Lothar de Maiziere und sogar der Schauspieler Armin Müller-Stahl Mitglied. Sicher wußten die meisten nichts von den Hintergründen, die Organisation selbst erlangte ohnehin keinerlei Bedeutung. Doch teilweise kannte man sich schon: Graalfs hatte Anfang der 80er Jahre eine Schrift "Deutsche Fragen - europäische Antworten" mit herausgegeben, in der auch Peter Brandt, Schweisfurth und Eppelmann über den "Umgang mit der 'Deutschen Frage'" schrieben.

Eckart Jesse, mittlerweile Autor in NG/FH, brachte im Mai 1989 in der Zeitschrift "Deutschland Archiv" eine zusammenfassende Darstellung dieser nationalrevolutionär bestimmten Gruppen. Das "Deutschland Archiv" war eines der wichtigsten Blätter der deutschlandpolitischen Diskussion, das zudem vom Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen subventioniert und an Abgeordnete kostenlos abgegeben wurde. Die Kritik von Antifaschisten an den rechtsextremen Hintergründen all dieser Bündnisse beurteilte Jesse zwischen den Polen "nicht immer fair" und "gänzlich denunziatorisch"; sie sei von "marxistisch-leninistischen Kreisen" antideutsch beeinflußt. 72

Anmerkungen
Die Nummerierung ist forlaufend wie unter  http://www.snafu.de/~bifff

67 Vgl. für diesen Abschnitt: Kratz, P.: Die nationalrevolutionäre Connection: Gaddafi-Mechtersheimer-Schonhuber. Quellen und rotgrüne Querverbindungen neofaschistischer Deutschland-Vereiniger, hrsgg. von der "Bonner Initiative Gemeinsam gegen Neofaschismus", Bonn 1990.

Vgl. a. Kratz, P.: Friedensvertragsdiskussion: Ein nationalistisches Gleis der Friedensbewegung, in "Blätter für deutsche und internationale Politik" Nr. 2/1987; ders.: Von Grün bis links: Deutsche Frage über alles. Und die rechte Antwort, in "Bonner Stattzeitung De Schnüss" Nr, 6/1985.

Mechtersheimer, A.: Friedensmacht Deutschland. Plädoyer für einen Patriotismus, Berlin 1993.

Zeitschrift "Frieden 2000" Nr. 1-2/1993.

REPs/Mechtersheimer: "FAZ" 16. 2. 1994.

"Unabhängige Ökologen": Zeitschrift "Ökologie" Nr. 1/1994.

"Deutsche National-Zeitung" 30. 9. 1994.

Südwestfunk: Unkorrigiertes Manuskript der Sendung "report Baden-Baden" vom 8. 8. 1994.

68 Ammon, H. u. Th. Schweisfurth: Friedensvertrag, Deutsche Konföderation, Europäisches Sicherheitssystem. Denkschrift zur Verwirklichung einer europäischen Friedensordnung, Starnberg 1985.

69 Vgl. Kratz, P.: Pläne zur deutschen Konföderation im bundesdeutschen Rechtsextremismus: Wolf Schenke und August Hausleiter, hrsgg. von der "Bonner Initiative Gemeinsam gegen Neofaschismus", Bonn 1986; Stöss, R.: Vom Nationalismus zum Umweltschutz. Die Deutsche Gemeinschaft/Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher im Parteiensystem der Bundesrepublik, Opladen 1980; ders. (Hrsg.): Parteien-Handbuch, Opladen 1986.

Dohse, R.: Der Dritte Weg. Neutralitätsbestrebungen in Westdeutschland zwischen 1945 und 1955, Hamburg 1974.

Zu NP und VDNV vgl.: Erfahrungsbericht über die Beobachtungen der Ämter für Verfassungsschutz im Jahre 1968, hrsgg. vom Bundesministerium des Innern, Bonn 1969.

Groh, D. und P. Brandt: "Vaterlandslose Gesellen", München 1992.

70 Anzeige "Der Frieden retten..." in "Frankfurter Rundschau" 3. 2. 1984.

Zu Schweisfurth vgl. "Burschenschaftliche Blätter" Nr. 8/1985; Nr. 5/1987.

Zum GDS vgl.: Kratz, P. und H. Meyer: "Deutsche Recken fegen durch's Punker-Gesindel", in "taz" 20. 8. 1986; ders.: Bundesmittel für rechten Studentenverband, in "taz" 10. 6. 1987. Aufgrund der Berichte wurden dem GDS von der damaligen Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit, Rita Süssmuth, Zuschüsse aus dem Bundesetat gestrichen.

Schweisfurth, Th.: "In Moskau hat sich etwas vollzogen ...", in "FAZ" 24. 9. 1994.

71 Stolz, R.: Deutsche und Ausländer in Deutschland - welche Zukunft?, in "Frieden 2000" Nr. 3-4/1993. Nachdruck in der DJO-Zeitschrift "Der Pfeil".

Ders.: Offene Grenzen, Grenzen der Offenheit, in "MUT", April 1991.

Zur PO vgl. "blick nach rechts" (Sozialdemokratischer Pressedienst) 23. 11. 1987.

Schmidt-Eenboom, E. u. J. Angerer (Hrsg.): Siegermacht Nato, Berg 1993.

Schmidt-Eenboom, E.: "Friedensbewegung NPD", in "Mediatus" Nr. 6/1989.

Mechtersheimer, A., F. Miller und E. Schmidt-Eenboom: Friedensplattform '87, in "wir selbst" Nr. 4, Oktober 1985.

Eichberg, H.: Herausforderungen der europäischen Identität, in "Mediatus" Nr. 10/1989.

Zu "wir selbst" vgl. Starke, F. Chr.: Analyse der nationalrevolutionären Zeitschrift "wir selbst" und ihres politischen Umfeldes, Seminararbeit am Seminar für politische Wissenschaft der Pädagogischen Fakultät der Universität Bonn, 1988.

Gerster, F.: Über Günter Kießlings Modell der Wiedervereinigung: Perspektivisch und reaktionär zugleich, in "Vorwärts" Nr. 11/1989.

Die rechtsextreme Zeitschrift "Diagnosen" zitierte im Juni 1983 einen Nationalrevolutionär mit den Worten: "Die Leute, die am direktesten mit Gaddafi zusammenarbeiten und auch eine Menge Geld von ihm bekommen, sind die Leute um die Zeitschrift 'Wir Selbst' in Koblenz."

Gaddafi-Dollars an Mechtersheimer: vgl. Zeitschrift "Wissenschaft und Frieden" Nr. 3/1994.

Brandt-Leserbrief: "Der Spiegel" Nr. 14/1995.

72 Bühlow, A. von: Strategie vertrauensschaffender Sicherheitsstrukturen in Europa. Wege zur Sicherheitspartnerschaft (Bühlow-Papier), hekt. 1985.

Pressemitteilung Clement vom 10. 9. 1985.

Schmähling und Wieczorek-Zeul nach "NRZ" im "Pressespiegel der SPD" vom 24. 12. 1988 bis 1. 1. 1989.

"Denkschrift"-Dokumentation in "Frankfurter Rundschau" 17. 4. 1985.

"Aufrufe zum Frieden", hrsgg. vom Vorstand der SPD, Bonn 1987.

Brandt, P. und G. Minnerup: Osteuropa und die deutsche Frage, in NG/FH, 1987, S. 722-734.

E. Jesse: Der "dritte Weg" in der deutschen Frage, in "Deutschland-Archiv" Nr. 5/1989.

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