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Carsten Hübner
Mitglied der PDS-Fraktion im Deutschen Bundestag
Sprecher für internationale Solidarität und Menschenrechte
carsten.huebner@bundestag.de 
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Bonn, den 22. Juli 1999

Nichtrechtsstaatliche Ermittlungen und undemokratischer Prozeß im 'Fall Krasnodar'

Zum am 20. Juli in Krasnodar abgeschlossenen Prozeß gegen einen Punk und eine Umweltaktivistin, den Ermittlungen und den katastrophalen Haftbedingungen erklärt der Sprecher für internationale Solidarität und Menschenrechte der PDS-Bundestagsfraktion, Carsten Hübner:

Ermittlungen zum 'Fall Krasnodar' begannen im November '98 mit drei Verhaftungen nach Hausdurchsuchungen in der südrussischen Stadt Krasnodar. Den Festgenommenen wurden der Besitz bzw. Transport von Sprengstoff sowie Terrorismus – die Planung eines Attentats auf den Gouverneur von Krasnodar, Nikolai Kondratenko – vorgeworfen. Der Gouverbeur, der öffentlich Nähe zu rechtsextremen Gruppen und zur RNE (Russische Nationale Einheit) demonstriert, ist Anhänger einer antisemitischen Verschwörungstheorie, in der er sich als anvisiertes Opfer 'gewisser zionistischer Kreise' sieht.

In der Folge der Verhaftungen wurden die Ermittlungen auf verschiedene anarchistische, antifaschistische, Anti-AKW- und Umweltschutzorganisationen in Krasnodar und Moskau, später auch in Penza ausgeweitet, bei Hausdurchsuchungen wurde umfangreich Material beschlagnahmt.

Im 'Fall Krasnodar' wurden rechtsstaatliche Prinzipien grundlegend verletzt und die Verteidigung erheblich behindert:

Eine anfangs festgenommene Frau wurde nicht über ihr Recht auf freie Verteidigerwahl informiert, dem gewählten Anwalt wurde der Besuch verweigert. Eine weitere, seit Februar inhaftierte Schwangere, die ein herzkrankes Kleinkind hat und aufgrund mangelhafter Ernährung und medizinischer Versorgung erheblich Gewicht verlor sowie an Nierenschädigungen litt, ist gegen geltendes russisches Recht bis Anfang Juni inhaftiert geblieben. Angemessene medizinische Versorgung wurde ihr verweigert und auch ihr Anwalt wurde zunächst nicht über ihre gesundheitlichen Probleme informiert.

Auch in anderer Hinsicht wurde seine Arbeit massiv behindert: so wurden die Wohnungen von weiteren Personen in Krasnodar durchsucht, zu denen er Kontakt aufgenommen hatte. Er selbst wurde Ende Juni, kurz vor Eröffnung des Prozesses von Mitarbeitern des FSB (ehem. KGB) verhört und u.a. zum laufenden Verfahren befragt, weiterhin wurden auch illegal aufgezeichnete Videobänder über ihn selbst ins Verfahren eingebracht. Der Versuch, den Anwalt aus dem Verfahren zu drängen, in dem er selbst zum Angeklagten gemacht werden soll, ist offensichtlich. Doch selbst der Pflichtverteidiger der Angeklagten hat inzwischen geäußert, daß der Prozeß auf Vorverurteilungen ohne entsprechende Beweise beruhe.

Die ausgesprochenen Urteile: vier Jahre Gefängnislager für die schwangere Larissa Schiptsowa (Moskau), drei Jahre für Genadij Nepschikujew (Krasnodar).

Obwohl die Terrorismus-Vorwürfe wieder fallengelassen wurden, bleibt offensichtlich, daß es sich um einen politischen Prozeß handelt, der mißliebige AktivistInnen mundtot machen und das weitere Engagement besonders im Bereich Umweltschutz durch Abschreckung verhindern soll. Dieses rechtsstaatlich mangelhafte Verfahren scheint leider symptomatisch für die derzeitige politische Kultur Rußlands zu sein.

Denn daß in Rußland die Aktivitäten von Umweltschutz-AktivistInnen genau überwacht werden, zeigte sich nicht zuletzt im ebenfalls diese Woche zu Ende gegangenen Hochverrats-Prozeß gegen den Journalisten Grigori Pasko, der über die Einleitung radioaktiver und chemischer Abfälle der russischen Pazifikflotte ins japanische Meer berichtet hatte.

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