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Flüchtlingsrat Niedersachsen

Von Deutschland in den türkischen Folterkeller

Von Claudia Gayer

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Jedes Jahr fliehen Tausende von Menschen aus der Tuerkei in die Bundesrepublik Deutschland. Seit den 70er Jahren gehoeren - vorwiegend kurdische - Tuerkei- Fluechtlinge immer zu den groessten Gruppen von Asylsuchenden. Nur ein Teil der kurdischen Fluechtlinge wird als politisch verfolgt anerkannt oder erhaelt Abschiebungsschutz nach den 51 und 53 Auslaendergesetz. 1998 waren es rund 15%. Eine verlaessliche Statistik unter Einschluss der anerkennenden Entscheidungen der Verwaltungsgerichte gibt es nicht. Der Grossteil der kurdischen Fluechtlinge aus der Tuerkei wird jedoch abgelehnt, zur Ausreise aufgefordert und abgeschoben - haeufig mit der fragwuerdigen Argumentation, sie koennten in der Westtuerkei gefahrlos leben. Bei Fluechtlingsinitiativen und Menschenrechtsorganisationen in Deutschland und der Tuerkei haeufen sich jedoch Berichte ueber Folter und politische Verfolgung von aus Deutschland ausgewiesenen Fluechtlingen.

Anfang 1998 begann der Niedersaechsische Fluechtlingsrat, kursierende Berichte ueber Inhaftierungen und Misshandlungen von aus Deutschland ausgewiesenen bzw. abgeschobenen Fluechtlingen zu sammeln und zu pruefen. Recherchiert wurden Fluchtwege und Fluchthintergruende, der Verlauf von Asylverfahren. Beweise wurden gesichert, Gerichtsunterlagen aus der Tuerkei beschafft und uebersetzt. Ein Teil der Faelle wurde in enger Kooperation mit dem tuerkischen Menschenrechtsverein IHD unter Einschaltung von Vertrauensanwaelten recherchiert. So gelang es, Einblick in Gerichtsakten in den Faellen zu erhalten, in denen es ueberhaupt zu Gerichtsverfahren in der Tuerkei kam. In einer Reihe von Faellen gelang es, Verfolgung und Misshandlung lueckenlos zu belegen.

Die recherchierten Faelle lassen nicht nur die Lage der Menschenrechte in der Tuerkei, sondern auch die deutsche Asylrechtsprechung in einem trueben Licht erscheinen. In den meisten Faellen haetten Folter, Inhaftierung, Gefaengnisstrafen verhindert werden koennen, waeren die Asylgesuche der Betroffenen nur gewissenhaft ueberprueft und ernst genommen worden.

So wurden beispielsweise im Fall Abdulmenaf Duezenli echte Unterlagen vom zustaendigen Verwaltungsgericht ohne Pruefung als gefaelscht eingestuft. Ferner wurde faelschlicherweise davon ausgegangen, Desertion werde in der Tuerkei »nur« strafrechtlich und nicht politisch verfolgt. Gegen Duezenli wurden zwei Verfahren angestrengt - wegen Kriegsdienstverweigerung vor einem Militaergericht und wegen separatistischer Propaganda vor dem Staatssicherheitsgericht Diyarbakir. Die Begruendung fuer seine Kriegsdienstverweigerung widersprach naemlich der Doktrin vom tuerkischen Einheitsstaat. Im Fall Mehmet Oezcelik uebernahm das Bundesamt zynischerweise die Argumentation des tuerkischen Staates im Kampf gegen die Kurden. Die drohende Gefaengnisstrafe wegen angeblicher Unterstuetzung der PKK wertete das Bundesamt nicht als politische Verfolgung, sondern bezeichnete sie als »Ahndung kriminellen Unrechts«. Diese offensichtliche Uebereinstimmung der Interessen des Herkunfts- sowie des Zufluchtsstaates unter vorsaetzlicher Ausblendung der Verfolgungs- und Ermittlungsmethoden der tuerkischen Sicherheitskraefte ist erschreckend. Oezcelik wurde schliesslich Opfer der Abschaffung des Rechtsweges durch die Hintertuer. Als Asylbewerber musste er seinen Lebensunterhalt mit Gutscheinen bestreiten. Nach der Ablehnung seines Asylantrages konnte er seinen Anwalt, der einen Vorschuss verlangte, nicht mehr bezahlen. Der Anwalt liess die Klagefrist verstreichen, und Oezcelik wurde in die Tuerkei abgeschoben.

In der Mehrzahl der recherchierten Faelle war das tatsaechliche oder unterstellte politische Engagement der Betroffenen in Deutschland Anlass fuer Folter und politische Verfolgung nach der Rueckkehr. Die Einschaetzung der bundesdeutschen Asylinstanzen, exilpolitisches Engagement werde in der Tuerkei weder politisch noch strafrechtlich verfolgt und insbesondere »Mitlaeufer« haetten keinerlei Probleme, entspricht offenkundig nicht den Tatsachen. Jegliches Engagement fuer die Kurden ist nach tuerkischem Recht strafbar, unabhaengig davon, wo es stattfindet. Das Ausmass des Engagements ist dabei nicht massgeblich. Die Teilnahme an einer Demonstration fuer Frieden und Freiheit in Kurdistan wird ebenso verfolgt wie exilpolitische Taetigkeiten, bei denen sich jemand exponiert.

Denunziationen werden in der Tuerkei offensichtlich sehr ernst genommen und die Beschuldigten zunaechst vorverdaechtigt, egal, ob es sich um inhaltlich voellig haltlose anonyme Verleumdungen, um Aussagen im Rahmen der Kronzeugenregelung oder Denunziationen von Menschen handelt, die gefoltert wurden und jemanden beschuldigt haben. Oftmals genuegt auch der leise Verdacht einer antituerkischen Einstellung, um eine Festnahme zu veranlassen, wie im Fall von Hasan Kutgan, der zunaechst nur festgenommen wurde, weil er im Osten des Landes, in Pazarcik, geboren ist. In einigen Faellen erfolgte eine Festnahme erst Tage oder Wochen nach der Einreise in die Tuerkei, wie beispielsweise bei Abdurrahman Kilic und Huesni Almaz. Recherchen in solchen Faellen gestalten sich besonders schwierig, da die Betroffenen meist aus dem Blickwinkel der Oeffentlichkeit verschwunden sind.

Der Fall Ibrahim Toprak bestaetigt alle Befuerchtungen, die auch von PRO ASYL hinsichtlich der drohenden Gefahr von Kettenabschiebungen geaeussert wurden: Der Kurde wurde - in Anwendung der Drittstaatenregelung - nach Oesterreich zurueckgeschoben und von dort ohne Pruefung seines Asylbegehrens in die Tuerkei weiterbefoerdert. Kein Staat erklaerte sich zustaendig fuer die Durchfuehrung des Asylverfahrens. Toprak wurde wegen der Teilnahme an einer gewalttaetigen Demonstration, die laut Untersuchungsbericht vom tuerkischen Geheimdienst und der tuerkischen Antiterrorpolizei geschuert und mit angezettelt worden ist, schliesslich zu 18 Jahren Haft verurteilt.

Aus den Recherchen kristallisieren sich eklatante Widersprueche zwischen den Argumentationslinien der bundesdeutschen Asylrechtsprechung und der Realitaet in der Tuerkei heraus. Dem Bundesamt und den Gerichten genuegen die vorgelegten Faelle nicht, um hieraus eine allgemeine Rueckkehrgefaehrdung abzuleiten. Die Zahl der Referenzfaelle sei zu gering, so der offizielle Tenor. Das Auswaertige Amt stuft zunaechst nur wenige der Faelle als bewiesen ein. Es gibt Anhaltspunkte dafuer, dass die vorliegenden Faelle nur die Spitze des Eisberges darstellen und mit einer Dunkelziffer von Faellen gerechnet werden muss, in denen aus Deutschland Abgeschobene politisch verfolgt wurden. Oftmals entschliessen sich die Betroffenen aus Angst, ihre Lage noch weiter zu verschlimmern, sich nicht an unabhaengige Stellen wie den Menschenrechtsverein IHD zu wenden. Darueber hinaus sind fundierte Recherchen, die bundesdeutschen Beweisanspruechen genuegen, enorm zeitaufwendig und teuer. Auch die beiden im folgenden ausfuehrlicher geschilderten Faelle konnten nur recherchiert werden, weil der Foerderverein PRO ASYL e. V. Mittel zur Verfuegung stellte. Der Kurde Abdulmenaf Duezenli desertierte kurz vor Ablauf seines Militaerdienstes im Maerz 1992 aus der tuerkischen Armee. Drei Jahre lang versteckte er sich unter falscher Identitaet mit seiner Frau in Istanbul, bis er im Juli 1995 nach Deutschland fluechtete und einen Asylantrag stellte. Dieser wurde umgehend abgelehnt mit der Begruendung, Desertion begruende keinen Asylanspruch. In Duezenlis Fall sei sie zudem nicht glaubhaft. Saemtliche eingelegten Rechtsmittel und Rechtsschutzantraege blieben erfolglos.

Anfang August 1997 verweigerte Duezenli oeffentlich den Militaerdienst. Er faxte von Deutschland aus ein entsprechendes Schreiben unter Angabe seiner vollstaendigen Personalien unter anderem an das tuerkische Innen-, Aussen- und Verteidungsministerium, den Generalstab und seine Wehrdienststelle in Midyat. Darin bezeichnete er die Tuerkei als einen faschistischen Staat, dem er als Kurde - unter Berufung auf die Menschenrechte - nicht dienen wolle.

Dieses Schreiben rief die Staatsanwaltschaft in Midyat auf den Plan. Nach Pruefung des Vorfalls kam man dort zu dem Schluss, dass aufgrund des politischen Vergehens, naemlich der »Beleidigung der ideellen Persoenlichkeit des Staates mit dem Ziel des Terrorismus« der Vorfall dem Staatssicherheitsgericht in Diyarbakir zu uebergeben sei. Am 10.12.97 wurde dort auf der rechtlichen Grundlage des Art. 8 Antiterrorgesetz Nr. 3713 Anklage wegen separatistischer Propaganda gegen Duezenli erhoben.

Das Asylbegehren Duezenlis blieb derweil erfolglos. Die Familie suchte im Fruehjahr 1998 Zuflucht in einer evangelischen Gemeinde in Mutterstadt. Die zustaendigen Entscheidungsinstanzen glaubten Herrn Duezenli weder die Desertion noch hielten sie eine politische Verfolgung fuer wahrscheinlich. Die vorgelegten Unterlagen, mit denen das Verfahren gegen Duezenli vor dem Staatssicherheitsgericht Diyarbakir bewiesen werden konnte, stufte das VG Neustadt ohne Pruefung als Faelschung ein.

Herr Duezenli wurde am 14.7.98 samt seiner schwangeren Frau und den drei kleinen Kindern aus dem Kirchenasyl heraus in die Tuerkei abgeschoben. In Istanbul angekommen, verhaftete die Polizei ihn wegen Fahnenflucht und uebergab ihn der Antiterrorabteilung. Dort wurde er 24 Stunden unter schwerer Folter verhoert. Nach dem Verhoer wurde er zur Flughafenpolizei zurueckgebracht. Diese ueberstellte Duezenli an die Militaereinheit in Izmir, dort wurde er im Militaergefaengnis inhaftiert. Das Staatssicherheitsgericht informierte das Militaer ueber die Anklage Duezenlis wegen Separatismus. Duezenli wurde daraufhin in Isolationshaft genommen, geschlagen, als »Vaterlandsverraeter« und Terrorist schikaniert und zu militaerischen Uebungen gezwungen. Am 23.11.98 verurteilte das Militaergericht Izmir Abdulmenaf Duezenli zu 2 Jahren und 6 Monaten Haft wegen Desertion und Flucht ins Ausland. Nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils Anfang Februar 1999 wurde er aus dem Militaergefaengnis in das Gefaengnis Buca in Izmir verlegt. Nach der Haftstrafe wird Duezenli erneut zum Wehrdienst eingezogen werden.

Am 9.3.99 wurde Herr Duezenli in dem parallel anhaengigen Verfahren vom Staatssicherheitsgericht Diyarbakir freigesprochen. Der Vorwurf des Separatismus wird allerdings weiter an ihm haften, da die Unterlagen ueber das Verfahren in seiner Personalakte verbleiben. Frau Duezenli wurde nach der Abschiebung zunaechst von ihren Kindern getrennt, ebenfalls unter Schlaegen verhoert und der Antiterrorabteilung ueberstellt. Sie befand sich 2 1 /2 Tage in Polizeihaft. Nach ihrer Freilassung fuhr sie zur Familie ihres Mannes nach Midyat. Sie wurde vor und nach der Geburt ihres vierten Kindes Anfang Dezember 1998 mehrmals zu Verhoeren auf die Polizeiwache in Idil und einmal zur Staatsanwaltschaft gebracht. Auch der Vater von Abdulmenaf Duezenli wurde mehrfach verhoert. Er ist im November 1998 nach einer Befragung durch die Polizei gestorben. Eine Autopsie liess die Familie aus Furcht vor den Sicherheitskraeften nicht durchfuehren, so dass nicht geklaert werden konnte, ob er an den Folgen moeglicher Misshandlungen gestorben ist. Das Auswaertige Amt setzte sich diesbezueglich telefonisch mit dem Dorfvorsteher von Midyat in Verbindung, um Naeheres ueber die Umstaende des Todes zu erfahren, wie das Innenministerium Rheinland- Pfalz bestaetigte. Der Dorfvorsteher informierte umgehend die Gendarmerie, die die Familie daraufhin massiv unter Druck setzte. Da Dorfvorsteher nicht selten direkt mit dem tuerkischen Staat zusammenarbeiten, wurde die Familie durch die Recherche des Auswaertigen Amtes auf fahrlaessige Weise erneut gefaehrdet.

Der Fall Duezenli macht exemplarisch deutlich, dass die deutsche Rechtsprechung, wonach Desertion und die Verweigerung des Kriegsdienstes in der Tuerkei lediglich als »Straftat« zu bewerten sei und keine politische Verfolgung nach sich zoege, nicht aufrecht erhalten werden kann. Gegen Duezenli wurden zwei Verfahren angestrengt - wegen Kriegsdienstverweigerung vor einem Militaergericht und wegen separatistischer Propaganda vor dem Staatssicherheitsgericht Diyarbakir. Die Begruendung fuer seine Kriegsdienstverweigerung widersprach naemlich der Doktrin vom tuerkischen Einheitsstaat. Das Staatssicherheitsgericht Diyarbakir sprach Duezenli zwar letztendlich frei, der Vorwurf des Separatismus wird jedoch weiter an ihm haften, nicht zuletzt, weil die Unterlagen zu dem Verfahren in seiner Personalakte verbleiben. Schon nach Bekanntwerden der Anklage war Herr Duezenli in Isolationshaft genommen und Schikanen, Beschimpfungen und Misshandlungen seitens des Militaers ausgesetzt worden. Anders als in Deutschland hat das hoechste hollaendische Gericht in Den Haag in mehreren aufsehenerregenden Entscheidungen festgestellt, dass »Kriegsdienstverweigerung aufgrund der Angst, gegen das eigene Volk oder die Familie eingesetzt zu werden, . ein Grund fuer die Anerkennung des Fluechtlingsstatus« sein kann (s. z. B. AWB 95/ 10334 VRWET). Auch UNHCR fordert eine gewissenhafte Pruefung der Glaubwuerdigkeit jedes Einzelfalls von Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgruenden und verweist darauf, dass nicht nur politische, religioese oder moralische Ueberzeugungen, sondern auch die Bindung an eine ethnische Gruppe dabei zu beruecksichtigen seien. Problematisch ist der Fall Duezenli aber nicht nur wegen der Ignoranz der deutschen Rechtsprechung zur Kriegsdienstverweigerung: Die Unterlagen ueber das Verfahren gegen Duezenli wegen Separatismus waeren, haette das Gericht sie ernst genommen, durchaus asylrelevant gewesen. Erst das Zusammenspiel eines gewissenlosen Richters, der Beweismittel nicht einmal pruefen liess, und einer Verwaltung, die keine Bedenken hatte, die Abschiebung trotz des bestehenden Kirchenasyls zu exekutieren, hat die politische Verfolgung der Familie Duezenli moeglich gemacht.

Zum Verhaengnis wurde dem Kurden Mehmet Oezcelik die »Kanalisation« fuer seine Toilette. Bei einer Razzia entdeckten Sicherheitskraefte das einen Kubikmeter grosse Loch und verdaechtigten ihn, er wolle darin PKK'ler verstecken. Oezcelik wurde festgenommen, nach seinen Aussagen schwer gefoltert und 17 Monate inhaftiert. Im Dezember 1996 verurteilte ihn das Staatssicherheitsgericht Diyarbakir wegen Unterstuetzung der PKK zu 3 Jahren und 9 Monaten Haft. Da das Urteil 20.12.1996, ausgestellt am 13.3.97, noch keine Rechtskraft erlangt hatte, eine endgueltige Verurteilung von seinem Rechtsanwalt jedoch prognostiziert wurde, floh Herr Oezcelik nach Deutschland und stellte am 22. September 1997 einen Asylantrag. Das Urteil des Staatssicherheitsgerichts Diyarbakir wurde am 10.2.98 rechtskraeftig. Das Bundesamt fuer die Anerkennung auslaendischer Fluechtlinge (BAFl) glaubte Mehmet Oezcelik jedoch nicht und lehnte seinen Asylantrag am 29. Juni 1998 mit der Begruendung ab: eine moegliche Strafverfolgung sei keine politische Verfolgung, sondern diene »allein der Ahndung kriminellen Unrechts«. Zudem erklaerte das BAFl lapidar: »Haette dem Antrag steller in seinem Heimatland tatsaechlich Verfolgung gedroht, waere er nach aller Lebenserfahrung auch nicht erst so spaet ausgereist.«

Mehmet Oezcelik schaffte es nicht, sich auf dem Rechtsweg gegen die Ablehnung seines Asylantrages zu wehren: Da er als Asylbewerber lediglich ueber Gutscheine statt Barmittel zum Bestreiten des Lebensunterhalts verfuegte, konnte er den von seinem Rechtsanwalt geforderten Vorschuss ueber 700 DM nicht bezahlen. Daraufhin weigerte sich der Rechtsanwalt, die Klage fristgerecht zu stellen. Der Bescheid des Bundesamtes wurde rechtskraeftig, die Durchfuehrung eines Folgeantrags abgelehnt.

Am 10. September 1998 wurde Mehmet Oezcelik in die Tuerkei abgeschoben. In Istanbul wurde er nach mehrtaegigen Verhoeren und Folterungen zunaechst freigelassen, da ein Haftbefehl noch nicht ausgeschrieben worden war. Oeczelik wandte sich nach seiner Freilassung am 15.11.98 an den Menschenrechtsverein IHD und gab dort zu Protokoll: »Die Flughafenpolizei hielt mich eine Nacht und einen Tag auf der Wache fest. Ich wurde immer wieder mit Faeusten geschlagen und mit Fuessen getreten. Dann wurde ich mit einem Polizeiwagen abtransportiert. Die Augen hatten sie mir verbunden. Sie folterten mich fuenf oder sechs Tage lang . Sie fragten, was ich in Deutschland gemacht und wen ich getroffen haette. . Sie quetschten meine Fusssohlen und gaben mir Elektroschocks an den Fusssohlen, in den Achselhoehlen und an den Ohren. Ich konnte die Folter nicht aushalten. .« Mehmet Oezcelik lebt z. Zt. unter erbaermlichen Bedingungen als Muellsammler in Istanbul und versteckt sich vor der Polizei. Inzwischen wird er per Haftbefehl gesucht. Seine Ehefrau wurde im Jan. und Febr. 99 mindestens zweimal zu einer gynaekologischen Untersuchung gezwungen, um festzustellen, ob sie Kontakt zu ihrem Mann gehabt hat. Die zwangsgynaekologischen Untersuchungen an Frau Oezcelik wurden offensichtlich als Fahndungsmethode eingesetzt.    

Was zu beweisen war

Die relativ hohe Anerkennungsquote fuer kurdische Fluechtlinge aus der Tuerkei kann nicht darueber hinwegtaeuschen, dass vielen von ihnen, z. B. in Asylfolgeverfahren, uebel mitgespielt wird und das Vorbringen nicht ernsthaft geprueft wird.

So trug ein kurdischer Asylantragsteller vor, er sei nach seiner Rueckkehr in die Tuerkei am Flughafen verhaftet und in der Folgezeit drei Monate festgehalten worden unter dem Vorwurf, er sei ein Angehoeriger der PKK gewesen. In dieser Zeit habe man ihn schwer gefoltert, danach sei er in ein anderes Gefaengnis ueberfuehrt worden. Dabei sei ihm die Flucht gelungen. Nach erneuter Festnahme habe man ihn wiederum fuer zwei Monate inhaftiert. Das Gericht haelt dies fuer vollkommen unglaubhaft und laesst seinem Zynismus in der Beschlussbegruendung freien Lauf: »Fuer das Gericht ist es aber auch weiter nicht glaubhaft, dass der Klaeger tatsaechlich bei seiner Rueckkehr in die Tuerkei in der von ihm geschilderten Weise von den tuerkischen Sicherheitskraeften misshandelt worden sein soll. Dies folgert das Gericht daraus, dass der Antragsteller sich nicht gescheut hat, als Ziel seiner Flucht erneut die Bundesrepublik Deutschland auszuwaehlen, obwohl ihm ohne jede Schwierigkeit die Moeglichkeit gegeben war, in anderen sicheren europaeischen Laendern (.) eine Zuflucht zu finden. Denn bei einer Wiedereinreise nach Deutschland musste er sich aufgrund seiner bisherigen Erfahrungen und der Rechtslage der Gefahr bewusst sein, erneut in die Tuerkei abgeschoben zu werden. Es widerspricht jeder Lebenserfahrung, dass ein tatsaechlich durch die tuerkischen Sicherheitskraefte in der von dem Antragsteller geschilderten Weise misshandelt worden sein sollte, sehenden Auges sich wieder in eine derartige bedrohliche Situation begeben wuerde.« (Formulierungsmaengel im Originaltext; VG Giessen, Az.: 8 G 30820/ 98. A (4) vom 01.04.1998)

Der Schluss: Ein echter Fluechtling sucht sich nicht die Bundesrepublik als Zielland aus. Wer dennoch hierher kommt, ist kein echter Fluechtling.    

Claudia Gayer ist Mitarbeiterin des Fluechtlingsrates Niedersachsen.
Der Fluechtlingsrat Niedersachsen hat im Januar 1999 eine Broschuere zum Thema herausgegeben. Die Dokumentation »Von Deutschland in den tuerkischen Folterkeller - Zur Rueckkehrgefaehrdung von Kurden« kann zum Preis von DM 5,- zuzuegl. Versandkosten bestellt werden bei: Fluechtlingsrat Niedersachsen, Lessingstr. 1, 31135 Hildesheim, Tel.: 05121/ 15605, Fax 05121/ 31609, e- mail: buero@fluerat-nds.comlink.apc.org

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