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Quelle: World Socialist Web Site

Die Bundeswehr als Besatzungsmacht...
...und Wegbereiterin der deutschen Wirtschaft

Von Ulrich Rippert
8. Juli 1999

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Seit dem 11. Juni befinden sich Einheiten der deutschen Armee im südlichen Kosovo. Damit beginnt ein neues Kapitel des deutschen Militarismus.

Mit der aktiven Teilnahme an der Nato-Bombardierung Serbiens hatte sich die Bundeswehr erstmals seit ihrer Gründung Mitte der fünfziger Jahre an einem Angriffskrieg gegen einen souveränen Staat beteiligt. Nun handeln deutsche Truppen zum ersten Mal seit der Niederlage der Wehrmacht und dem Ende des Zweiten Weltkriegs wieder als Besatzungsmacht.

Die Bundeswehr stellt im Kosovo mit 8.500 Soldaten das zweitgrößte Kontingent der Nato-Besatzung, gleich hinter Großbritannien mit 13.000 Soldaten. Die USA, Frankreich und Italien haben je 7000 Mann entsandt. Hinzu kommt ein 3600 Mann starkes russische Kontingent. Der Kosovo wurde in fünf Besatzungszonen aufgeteilt. Die deutsche Zone umfaßt den südwestlichen Landesteil und grenzt an Albanien und Mazedonien.

Geleitet wird das KFOR-Aufgebot der Bundeswehr von General Fritz von Korff. Der Kommandeur der Panzerbrigade 12 "Oberpfalz" wurde im vergangenen März zum Brigadegeneral befördert und wartete monatelang am Bundeswehrstützpunkt Teltovo in Mazedonien auf den Einsatz im Kosovo. An den von General Mike Jackson geleiteten Verhandlungen mit der jugoslawischen Armeeführung war von Korff zeitweise direkt beteiligt.

Der Einmarsch und die Stationierung der deutsche Truppen in dem Gebiet um Prizren, der zweitgrößten Stadt des Kosovo, war von einer groß aufgemachten Propagandakampagne begleitet: "Friedensmission", "Befreiungsarmee", Bilder von Beifall klatschenden und winkenden Flüchtlingen. Wie immer gilt: Je weiter von der Wahrheit entfernt, desto größer die Schlagzeilen und desto schriller die Kommentare. Die Fakten sprechen eine völlig andere Sprache.

Terror der UCK

Gestützt auf den Einmarsch der Bundeswehr und den Abzug der jugoslawischen Armee haben Einheiten der kosovarischen "Befreiungsarmee" UCK sofort damit begonnen, die noch verbliebenen Teile der serbischen Bevölkerung zu terrorisieren. Kämpfer der UCK besetzten das Polizeigebäude von Prizren. Vorher verhafteten sie mehrere Zivilisten, zumeist ältere Männer, darunter auch Romas und Kosovo-Albaner, denen Vaterlandsverrat und Zusammenarbeit mit dem Feind vorgeworfen wurde.

Der Terror der UCK gegen Serben und Roma war nicht auf die deutsche Besatzungszone beschränkt, sondern fand in allen Teilen des Kosovo statt und löste eine erneute Fluchtwelle aus - diesmal in Richtung Serbien.

Von den ehemals rund 200.000 serbischen Bewohnern des Kosovo hatten bereits zu Beginn des Rückzugs der serbischen Truppen am 9. Juni Zehntausende die Flucht ergriffen. Ein Großteil der Verbliebenen wurde nun ebenfalls verjagt. In der Hauptstadt des Kosovo Pristina hatten von den früher 40.000 serbischen Bewohnern nach zwei Wochen Frieden 30.000 die Stadt verlassen.

Weder die Bundeswehr, noch die Nato-Führung können für sich in Anspruch nehmen, von dem äußerst brutalen Vorgehen der UCK-Terrorkommandos überrascht worden zu sein. Erstens war eine derartige Entwicklung abzusehen. Zweitens hatte die jugoslawische Armeeführung in den mehrtägigen Kapitulationsverhandlungen die Nato-Vertreter ausdrücklich auf diese Gefahr hingewiesen und anfänglich versucht, den Abzug der eigenen Streitkräfte zu verzögern, um die Sicherheit der serbischen Bevölkerung zu gewährleisten.

Doch die Nato bestand auf dem sofortigen Abzug der serbischen Truppen und drohte damit, die Luftangriffe erneut zu verstärken, wohl wissend, daß das entstehende Machtvakuum nicht sofort von Nato-Truppen ausgefüllt werden konnte und der UCK freie Hand ließ.

Mit anderen Worten: Der Terror der UCK war einkalkuliert. Das widerlegt nicht nur die Propaganda von der "Friedensmission" der Bundeswehr und Nato, es macht auch deutlich, daß sich das Besatzungsregime, welches gegenwärtig im Kosovo aufgebaut wird, auf die reaktionärsten politischen und gesellschaftlichen Kräfte stützt und diesen zur Macht verhilft.

Seit Wochen sind Berichte bekannt, in denen die Mafia-Strukturen der UCK detailliert beschrieben werden. An ihrer Finanzierung aus Drogengeldern und Schutzgelderpressung besteht ebenso wenig Zweifel, wie an der Ermordung politischer Rivalen, durch die sich die gegenwärtige Führungsclique durchgesetzt hat. Selbst das deutsche Innenministerium begründete seine Entscheidung für eine möglichst schnelle Rückführung von in Deutschland aufgenommenen Kosovo-Flüchtlingen mit dem Hinweis auf die hohe kriminelle Energie der UCK, deren Festsetzung in Deutschland verhindert werden müsse. Im Kosovo stützen sich aber die deutsche wie auch die anderen Besatzungsmächte auf eben diese UCK-Kräfte.

Zeitgleich mit dem Einmarsch der Bundeswehr hat die UCK einen ihrer Gefolgsleute, Gafur Kiseri, zum neuen Bürgermeister von Prizren ernannt. Er soll dafür Sorge tragen, daß der UCK nahestehende Geschäfgtsleute aus der Umgebung beim Wiederaufbau nicht leer ausgehen.

Als neuer Präfekt von Prizren wurde der ehemalige UCK-Sprecher in Kuces (Albanien), Kadri Kyreziu, eingesetzt. Er gilt nun als Verbindungsmann zu den deutschen KFOR Truppen. Kryeziu bestätigte gegenüber der Tageszeitung,daß die UCK gemeinsam mit den KFOR-Truppen auch polizeiliche Aufgaben durchführt: "Sie tragen das PU-Zeichen am Arm, Police Unit." Die Kooperation mit der KFOR bezeichnete er als "hervorragend" und fügte hinzu: "Ich stehe in Kontakt mit den Deutschen, und sie haben am Dienstag meine Arbeit hier ausdrücklich befürwortet."

Während die gewaltsame Vertreibung der abanischen Bevölkerung durch serbische Milizen als Anlaß für das wochenlange Nato-Bombardement und die Zerstörung großer Teile Jugoslawiens diente, wurde das brutale Vorgehen der UCK gegen die serbische Minderheit bisher als kriminelles Verhalten von Einzelnen bezeichnet und nur sehr halbherzig geahndet.

Neben den Serben sind auch Roma Ziel rassistischer Angriffe. Nachdem schon vor Wochen aus einem mazedonischen Flüchtlingslager über ein regelrechtes Pogrom gegen eine Roma-Familie berichtet worden war, wird diese Terror nun im Kosovo unvermindert fortgesetzt.

Ein Redakteur der Süddeutschen Zeitung, Peter Münch, interviewte in Prizren den 29jährigen Roma Luan Kallo, der von UCK Leuten in der "Prügelschule der UCK" - einer zum Armeequartier der UCK umfunktionierten Schule - gefoltert worden war. Kallo berichtete, er sei mit den Worten "egal, was wir dir vorwerfen, du sollst gestehen" empfangen worden. Dann seien ihm Kollaboration und die Ermordung von Frauen und Kindern vorgeworfen worden. Er habe alles bestritten, obwohl man ihm mit dem Tode drohte. Schlägertrupps hätten sich stundenweise abgewechselt, bis sein Rücken blau geschlagen war.

Auf die Frage nach den Folterungen antwortete ein UCK-Mann: "Die Zigeuner gehören alle geschlachtet. Sie haben unsere Häuser geplündert, das haben sie gestern gestanden." Er schimpft, bis anderen ihn auffordern, "die Schnauze zu halten". Zur Verantwortung wurde bisher niemand gezogen.

Den milden Umgang der Bundeswehr mit der UCK schätzt die Zeitung folgendermaßen ein: "Vor einer allzu harschen Gangart gegenüber der oft zwielichtigen Albaner-Truppe hüten sich die Deutschen. Es lähmt sie die Angst, das kürzlich als Durchbruch gefeierte Abkommen über die Entwaffnung der Befreiungskämpfer zu gefährden. Auch glaubt die Bundeswehr, die UCK im Kampf gegen die drohende Anarchie gut brauchen zu können, gewissermaßen als untergeordnete Ordnungsmacht." ( Süddeutschen Zeitung,29. Juni 1999)

Auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat von Übergriffen der UCK auf Serben, Albaner und Roma berichtet. "In Prizren haben der serbischstämmige, 85jährige Trifa Stamenkovic und die 59jährige Marija Filipovic geschildert, wie am 21. Juni ihre jeweiligen Ehepartner angeblich durch UCK-Soldaten ermordet wurden. Stamenkovic und Filipovic, Nachbarn im traditionell serbischen Gebiet von Prizren, hatten sich an diesem Morgen auf einen Botengang begeben. Als sie wieder nach Hause kamen, fanden sie Stamenkovics 77jährige Frau Marika und Filipovics 63jährigen Mann Panta ermordet vor. Sie waren erstochen und ihre Kehlen durchschnitten worden. In der Woche vor den Morden hatten beide Paare dreimal Besuch von uniformierten, mit Kalaschnikows bewaffneten UCK-Leuten bekommen, die Gewehre und Geld von ihnen forderten. Panta Filipovic wurde laut Aussage seiner Frau mit dem Gewehrkolben geschlagen, als er sagte, er habe keine Waffen. Die Familie Stamenkovic wurde laut Trifa ausgeraubt. Stamenkovic und Filipovic haben zwar die Ermordung ihrer Gatten selbst nicht miterlebt, aber Filipovics albanische Nachbarn berichteten ihr, daß die UCK für die Morde verantwortlich sei."

Angesicht derartiger Berichte versuchen deutsche Politik und Militärführung den Eindruck einer direkten Zusammenarbeit mit der UCK zu zerstreuen. Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) hat eine eigenständige militärische Rolle für die UCK im Kosovo oder deren Umwandlung in eine Nationalgarde - ein Vorschlag der USA - abgelehnt, dies aber sofort mit den Worten eingeschränkt: "Wenn, dann werden einzelne ihrer Mitglieder [...] sich in einer multi-ethnischen, demokratisch legitimierten Polizei wiederfinden."

Wirtschaftliche Interessen

Nach dem altbekannten Grundsatz aller Kolonialmächte: "Teile und herrsche!" nutzt auch die deutsche Politik auf dem Balkan den Konflikt zwischen den verschiedenen ethnischen Minderheiten, um die eigenen wirtschaftlichen und strategischen Interessen durchzusetzen. Schon die Anerkennung von Slowenien und Kroatien durch die Kohl-Regierung, mit der vor acht Jahren der Reigen der Gewalt eröffnet wurde, zielte in diese Richtung. Darüber kann auch der Wortschwall über "Demokratisierung" und "Freiheit" nicht hinweg täuschen.

Im unmittelbaren Gefolge der Bundeswehr marschiert ein starker Troß der deutschen Industrie und drängt auf Eile, um der Konkurrenz zuvor zu kommen und sich einen möglichst großen Anteil am lukrativen Geschäft des Wiederaufbaus im Kosovo zu sichern.

Bereits Mitte Juni haben die Vereinigten Elektrizitätswerke (VEW) in Dortmund zusammen mit der nordrhein-westfälischen Industrie und Handelskammer (IHK) die Gründung eines Firmenpools "Kosovo" bekannt gegeben. Insgesamt 60 Firmen wurden innerhalb weniger Tage Mitglied und das Interesse steigt, wie VEW und IHK auf einer gemeinsamen Pressekonferenz berichteten. Der Sprecher der Handelskammer, Georg Schulte beklagte, "daß in Bosnien-Herzogowina vor allem italienische und amerikanische Firmen am Wiederaufbau verdient haben. Diesmal müssen auch deutsche Firmen dabei sein."

Anfang Juli reiste eine Delegation von 20 Unternehmern aus dem VEW/IHK Firmenpool nach Prizren, um dort die ersten Gespräche mit dem Leiter der Wiederaufbaustelle, Mattai Hoffmann, und dem UCK-Bürgermeister zu führen. Erste Erfolge zeichnen sich ab. Vor dem Krieg waren laut Handelsblatt 500 deutsche Betriebe in der Region aktiv. Das Außenhandelsvolumen betrug im letzten Jahr 25 Mrd. Mark. In diesem Jahr wird es trotz des Krieges auf 30 Mrd. Mark anwachsen.

Lukrative Aufträge winken vor allem dank der Summen, die die Europäische Union für den Wiederaufbau des zerbombten Landes bereitstellt. Bereits ab Januar kommenden Jahres sollen dafür jährlich 700 Mio. Euro (1,6 Mrd. DM) locker gemacht werden. Am 22. Juni wurde vom Europarat eine "Europäische Agentur für den Wiederaufbau des Kosovo" ins Leben gerufen. Unter der Leitung von 250 "Spezialisten" sollen Vergabestäbe gebildet werden, die vor Ort den Stand der Kriegszerstörungen überprüfen und nach "klaren, objektiven Kriterien" Aufträge vergeben.

In Anbetracht dieser Summen hat hinter den Kulissen ein heftiges Tauziehen über die Besetzung der Vergabestäbe begonnen. Als eine der letzten Amtshandlungen ihrer EU-Präsidentschaft hat die Bundesregierung, gegen erheblichen Widerstand Österreichs und einiger anderer EU-Staaten, den bisherigen Kanzleramtsminister Bodo Hombach als Balkan-Koordinator der Europäischen Union durchgesetzt. Die Wirtschaftsverbände hierzulande klatschten Beifall, denn der ehemalige RWE-Manager und nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Hombach ist als aggressiver Verfechter deutscher Wirtschaftsinteressen bekannt.

Unmittelbar nach der Ernennung von Hombach zitierte das Handelsblatt(24. Juni 1999) den Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) Rudolf von Wartenberg, der "eine angemessene Beachtung der deutschen Wirtschaft" fordert. "Es dürfe nicht der gleiche Fehler wie in Bosnien begangen werden, wo Deutschland ein Drittel der Kosten übernommen, aber nur vier bis acht Prozent der Aufträge erhalten habe... Die Interessen der deutschen Unternehmen müßten mit Sitz und Stimme in der Wiederaufbauagentur abgesichert sein... Nicht zuletzt hofft die deutsche Wirtschaft, daß sich Hombach auch auf dem Balkan als ihr Fürsprecher erweist. Das internationale Gerangel um die gewaltigen Aufträge zum Wiederaufbau der Infrastruktur hat bereits begonnen."

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