Aus
dem Juli-Extrablatt der Kolleginnen und Kollegen
für eine durchschaubare Betriebsratsarbeit bei Bayer Leverkusen
Ausverkauf der Kindertagesstätten
Vom Bayer-Kreuz zum Roten Kreuz
Mitte Juni wurde unsere Betriebsratsgruppe darauf aufmerksam
gemacht, daß die Kindertagesstätten der Bayer AG
an einen
neuen Träger übergeben werden
sollen. In den vier
Kindertagesstätten sind 43 MitarbeiterInnen beschäftigt und es
sind 280 Kinder dort untergebracht. Auf Nachfrage wurde uns
diese Maßnahme von der Personalabteilung
bestätigt. Der
zuständige Bereichsbetriebsrat, unser Kollege Rainer Länder,
informierte daraufhin die MitarbeiterInnen.
Diese Nachricht wurde mit Wut und Unverständnis aufgenommen.
Da es einen hohen Informationsbedarf gab, rief Kollege Länder
in seiner Funktion
als Bereichsbetriebsrat eine
Teilbelegschaftsversammlung ein.
125 Mütter und Väter
von Kindern in den vier
Kindertagesstätten der Bayer AG hatten bereits
im Vorfeld
dieser Versammlung einen Brief an den Vorstand unterzeichnet,
in dem sie gegen den geplanten Wechsel protestierten.
Die Eltern wehren sich in
diesem Brief gegen die
Ausgliederung. "Wir fühlen uns
im Hinblick auf die
Standortvereinbarung hintergangen, in der wir
als Bayer-
Beschäftigte auf Entgeltbestandteile verzichtet
haben, um
Arbeitsplätze sicher zu machen." Weiter
beklagen sie die
"unzumutbare Belastung für Kinder, Erzieher und
Eltern." Es
sei zu "bezweifeln, ob ein zukünftiger Träger
die Arbeit"
leisten könne. Die Unterzeichner des Briefes
fordern, die
Kindertagesstätten bei der Bayer AG zu belassen.
Daß Bayer mit der Ausgliederung
der Kindertagesstätten
diesmal einen Schritt zu weit gegangen ist, beweisen etliche
Leserbriefe, die spontan bei der örtlichen Presse eingingen.
Es ist für uns als Betriebsräte und auch für den Großteil der
Belegschaft erschreckend, daß die Bayer AG nun an eine ihrer
letzten sozialen Einrichtungen geht.
Was nützt die Standortvereinbarung?
Abteilungen und damit Personal
auszugliedern, scheint
mittlerweile Routine zu sein im Werk. Aber
daß man hier
gleich Kinder mitverkauft, ist
nicht nachvollziehbar.
Jahrelang haben die MitarbeiterInnen der
Kindertagesstätten
unter dem Druck einer möglichen
Ausgliederung arbeiten
müssen. Qualifizierte ErzieherInnen haben mit
sehr hohem
Engagement immer alles getan, um diesen
Druck nicht die
Kinder spüren zu lassen. Sie haben Kosten gespart,
um die
Ausgliederung zu verhindern. Hier zeigt sich wieder, wer sich
fit macht und Kosten spart, wird trotzdem ausgegliedert.
Ein Hoffnungsschimmer für die
Beschäftigten sollte die
Standortvereinbarung sein. Sie sollte angeblich Arbeitsplätze
sichern, Ausgliederungen sollten nur im Notfall stattfinden.
Wieso in diesem Fall von einem Notfall zu
sprechen ist,
bleibt uns ein Rätsel. Aber die Bayer AG ist mittlerweile ein
Weltmeister im Jammern und Runterspielen von Gewinnen.
Teilbetriebsversammlung am 25. Juni
Fast alle Beschäftigten der Kindertagesstätten nahmen
teil.
Besprochen wurde ein von den MitarbeiterInnen
erarbeiteter
Fragenkatalog. Kein Verständnis hatten
die Beschäftigten
dafür, daß die Personalabteilung nur einen
Übermittler von
schlechten Nachrichten schickte, der die gestellten
Fragen
nur
unzureichend beantworten
konnte. Die
Hauptverantwortlichen scheinen nicht in der Lage
zu sein,
sich den Fragen der Beschäftigten
zu stellen. Dieses
Herausstehlen aus der Verantwortung ist bei Bayer immer mehr
Mode geworden.
Wesentliches Motiv für Bayer ist der
Wunsch, durch die
Übergabe an den gewünschten Träger "Rotes Kreuz"
öffentliche
Zuschüsse zu bekommen. Um den Protest abzuschwächen, betonte
die Personalabteilung, daß sich durch die geplante
Übergabe
für MitarbeiterInnen und Kinder nichts ändern würde. Dies mag
zutreffen auf die Zahl der Kindergartenplätze und
auf das
Belegungsrecht für Bayerbeschäftigte. Die
Bayer AG will
weiterhin die Betriebskosten von 1,5 Millionen DM übernehmen
und damit ihrer Verantwortung den
Mitarbeitern gegenüber
weiter gerecht werden. Dafür sagen wir "Vielen Dank".
Was haben die MitarbeiterInnen davon?
Bayer gibt einen Festbetrag von 1,5 Millionen
DM (an den
neuen Träger) spart aber im gleichen Atemzug
Personalkosten
für 43 MitarbeiterInnen ein. Doch was
passiert mit dem
Entgelt der MitarbeiterInnen? Nach einem Wechsel
z.B. zum
Deutschen Roten Kreuz, würden die MitarbeiterInnen nicht mehr
nach dem Chemietarifvertrag,
sondern nach dem des
öffentlichen Dienstes bezahlt. Das kann bis zu 1000 DM brutto
weniger im Monat ausmachen. Für uns ist das der Punkt, an dem
wir sagen, von Verantwortung keine Spur! Jeder
Mitarbeiter
hat sich aufgrund seines Entgeltes
einen Lebensstandard
aufgebaut, der bei manch einem durch diesen
Entgeltverlust
ins Wanken geraten wird. Aber was kümmert das die Bayer AG!
Wie wirkt sich die Veränderung auf die Kinder aus?
Durch den Einkommensverlust der
ErzieherInnen geht auch
Motivation verloren. Wer macht schon gern die gleiche Arbeit
für weniger Geld. Auf die Dauer ist auch
Personalabbau und
damit Abbau der Betreuungsqualität nicht ausgeschlossen. Auch
wenn ErzieherInnen die Tagesstätten aus
Frust verlassen
sollten, würden gleichzeitig Bezugspersonen für unsere Kinder
verloren gehen. Dieses ist
alles möglich, denn die
menschliche Enttäuschung bei den Mitarbeitern
sitzt tief.
ErzieherInnen, die mehr als 20 Jahre im
Unternehmen tätig
sind, können und wollen sich nicht an diese "soziale
Kälte"
gewöhnen. Diese KollegInnen können sich an Zeiten
erinnern,
in denen das Wort "sozial" noch von Bedeutung war.
Soziale Verantwortung darf bei Bayer nicht zum Fremdwort werden!
Wir sind der Auffassung, diese
Ausgliederungspläne bringen
das Faß zum Überlaufen! Gerade berufstätige Eltern sind
auf
eine sichere, qualifizierte,
engagierte und zeitlich
angepaßte Betreuung angewiesen. Dies haben bisher die Bayer-
Einrichtungen für Generationen von Kindern
gewährleistet.
Deshalb müssen sie bei Bayer bleiben!
Wir fordern alle
Beschäftigten auf - auch wenn sie keine Kinder in den Bayer-
Kindertagesstätten haben - sich solidarisch zu zeigen und den
Kupon an Betriebsratsmitglieder unserer Gruppe zu senden. Wir
werden sie sammeln und der Personalabteilung überreichen. |