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trend onlinezeitung für die alltägliche wut
Nr. 7-8/1998
 

Aus dem Juli-Extrablatt der Kolleginnen und Kollegen
für eine durchschaubare Betriebsratsarbeit bei Bayer Leverkusen
 

Ausverkauf der Kindertagesstätten

Vom Bayer-Kreuz zum Roten Kreuz 

  Mitte  Juni  wurde unsere Betriebsratsgruppe darauf  aufmerksam
  gemacht,  daß  die  Kindertagesstätten der Bayer  AG  an  einen
  neuen   Träger   übergeben   werden   sollen.   In   den   vier
  Kindertagesstätten sind 43 MitarbeiterInnen beschäftigt und  es
  sind  280  Kinder dort untergebracht. Auf Nachfrage  wurde  uns
  diese   Maßnahme  von  der  Personalabteilung  bestätigt.   Der
  zuständige  Bereichsbetriebsrat, unser Kollege  Rainer  Länder,
  informierte daraufhin die MitarbeiterInnen.

   Diese  Nachricht wurde mit Wut und Unverständnis  aufgenommen.
   Da  es einen hohen Informationsbedarf gab, rief Kollege Länder
   in    seiner    Funktion    als    Bereichsbetriebsrat    eine
   Teilbelegschaftsversammlung ein.
   125    Mütter   und   Väter   von   Kindern   in   den    vier
   Kindertagesstätten  der  Bayer AG hatten  bereits  im  Vorfeld
   dieser  Versammlung einen Brief an den Vorstand unterzeichnet,
   in dem sie gegen den geplanten Wechsel protestierten.
   Die   Eltern   wehren   sich  in  diesem   Brief   gegen   die
   Ausgliederung.   "Wir   fühlen  uns  im   Hinblick   auf   die
   Standortvereinbarung  hintergangen,  in  der  wir  als  Bayer-
   Beschäftigte  auf  Entgeltbestandteile  verzichtet  haben,  um
   Arbeitsplätze  sicher  zu  machen." Weiter  beklagen  sie  die
   "unzumutbare  Belastung für Kinder, Erzieher und  Eltern."  Es
   sei  zu  "bezweifeln, ob ein zukünftiger  Träger  die  Arbeit"
   leisten  könne.  Die  Unterzeichner des Briefes  fordern,  die
   Kindertagesstätten bei der Bayer AG zu belassen.
   Daß   Bayer   mit  der  Ausgliederung  der  Kindertagesstätten
   diesmal  einen Schritt zu weit gegangen ist, beweisen  etliche
   Leserbriefe,  die spontan bei der örtlichen Presse  eingingen.
   Es  ist für uns als Betriebsräte und auch für den Großteil der
   Belegschaft erschreckend, daß die Bayer AG nun an  eine  ihrer
   letzten sozialen Einrichtungen geht.
 

Was nützt die Standortvereinbarung?

   Abteilungen   und   damit   Personal  auszugliedern,   scheint
   mittlerweile  Routine  zu  sein im Werk.  Aber  daß  man  hier
   gleich   Kinder   mitverkauft,  ist   nicht   nachvollziehbar.
   Jahrelang  haben  die MitarbeiterInnen der  Kindertagesstätten
   unter   dem  Druck  einer  möglichen  Ausgliederung   arbeiten
   müssen.  Qualifizierte  ErzieherInnen  haben  mit  sehr  hohem
   Engagement  immer  alles  getan, um  diesen  Druck  nicht  die
   Kinder  spüren  zu lassen. Sie haben Kosten  gespart,  um  die
   Ausgliederung zu verhindern. Hier zeigt sich wieder, wer  sich
   fit macht und Kosten spart, wird trotzdem ausgegliedert.

   Ein   Hoffnungsschimmer  für  die  Beschäftigten  sollte   die
   Standortvereinbarung sein. Sie sollte angeblich  Arbeitsplätze
   sichern,  Ausgliederungen sollten nur im Notfall  stattfinden.
   Wieso  in  diesem  Fall  von einem Notfall  zu  sprechen  ist,
   bleibt uns ein Rätsel. Aber die Bayer AG ist mittlerweile  ein
   Weltmeister im Jammern und Runterspielen von Gewinnen.
 

Teilbetriebsversammlung am 25. Juni

   Fast  alle  Beschäftigten der Kindertagesstätten nahmen  teil.
   Besprochen  wurde  ein  von den MitarbeiterInnen  erarbeiteter
   Fragenkatalog.  Kein  Verständnis  hatten  die   Beschäftigten
   dafür,  daß  die  Personalabteilung nur einen Übermittler  von
   schlechten  Nachrichten schickte, der  die  gestellten  Fragen
   nur       unzureichend      beantworten      konnte.       Die
   Hauptverantwortlichen scheinen nicht  in  der  Lage  zu  sein,
   sich   den   Fragen  der  Beschäftigten  zu  stellen.   Dieses
   Herausstehlen aus der Verantwortung ist bei Bayer  immer  mehr
   Mode geworden.

   Wesentliches  Motiv  für  Bayer  ist  der  Wunsch,  durch  die
   Übergabe  an  den gewünschten Träger "Rotes Kreuz" öffentliche
   Zuschüsse  zu bekommen. Um den Protest abzuschwächen,  betonte
   die  Personalabteilung, daß sich durch die  geplante  Übergabe
   für  MitarbeiterInnen und Kinder nichts ändern würde. Dies mag
   zutreffen  auf  die Zahl der Kindergartenplätze  und  auf  das
   Belegungsrecht  für  Bayerbeschäftigte.  Die  Bayer  AG   will
   weiterhin  die Betriebskosten von 1,5 Millionen DM  übernehmen
   und  damit  ihrer  Verantwortung  den  Mitarbeitern  gegenüber
   weiter gerecht werden. Dafür sagen wir "Vielen Dank".
 

Was haben die MitarbeiterInnen davon?

   Bayer  gibt  einen  Festbetrag von 1,5 Millionen  DM  (an  den
   neuen  Träger)  spart aber im gleichen Atemzug  Personalkosten
   für  43  MitarbeiterInnen  ein.  Doch  was  passiert  mit  dem
   Entgelt  der  MitarbeiterInnen? Nach einem  Wechsel  z.B.  zum
   Deutschen Roten Kreuz, würden die MitarbeiterInnen nicht  mehr
   nach   dem   Chemietarifvertrag,   sondern   nach   dem    des
   öffentlichen Dienstes bezahlt. Das kann bis zu 1000 DM  brutto
   weniger im Monat ausmachen. Für uns ist das der Punkt, an  dem
   wir  sagen,  von  Verantwortung keine Spur! Jeder  Mitarbeiter
   hat   sich  aufgrund  seines  Entgeltes  einen  Lebensstandard
   aufgebaut,  der  bei  manch einem durch diesen  Entgeltverlust
   ins Wanken geraten wird. Aber was kümmert das die Bayer AG!
 

Wie wirkt sich die Veränderung auf die Kinder aus?

   Durch  den  Einkommensverlust  der  ErzieherInnen  geht   auch
   Motivation  verloren. Wer macht schon gern die gleiche  Arbeit
   für  weniger  Geld.  Auf die Dauer ist auch Personalabbau  und
   damit Abbau der Betreuungsqualität nicht ausgeschlossen.  Auch
   wenn   ErzieherInnen  die  Tagesstätten  aus  Frust  verlassen
   sollten, würden gleichzeitig Bezugspersonen für unsere  Kinder
   verloren   gehen.   Dieses  ist  alles   möglich,   denn   die
   menschliche  Enttäuschung  bei den  Mitarbeitern  sitzt  tief.
   ErzieherInnen,  die  mehr als 20 Jahre  im  Unternehmen  tätig
   sind,  können  und wollen sich nicht an diese "soziale  Kälte"
   gewöhnen.  Diese  KollegInnen können sich an Zeiten  erinnern,
   in denen das Wort "sozial" noch von Bedeutung war.
 

Soziale Verantwortung darf bei Bayer nicht zum Fremdwort werden!

   Wir  sind  der  Auffassung, diese Ausgliederungspläne  bringen
   das  Faß  zum Überlaufen! Gerade berufstätige Eltern sind  auf
   eine   sichere,   qualifizierte,   engagierte   und   zeitlich
   angepaßte  Betreuung angewiesen. Dies haben bisher die  Bayer-
   Einrichtungen  für  Generationen  von  Kindern  gewährleistet.
   Deshalb  müssen  sie  bei  Bayer  bleiben!  Wir  fordern  alle
   Beschäftigten auf - auch wenn sie keine Kinder in  den  Bayer-
   Kindertagesstätten haben - sich solidarisch zu zeigen und  den
   Kupon an Betriebsratsmitglieder unserer Gruppe zu senden.  Wir
   werden sie sammeln und der Personalabteilung überreichen.

 

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