trend onlinezeitung für die alltägliche wut Nr. 7-8/1998 |
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wir dokumentieren folgendes flugblatt: Absender : ARCHIV.KIEL@CL-DITHM.comlink.de (Archivgruppe Kiel) Wir sagen: Antifaschismus ist nicht kriminell, sondern selbstverständlich! Seit dem Frühjahr 1997 konnte das faschistische 'Bündnis Rechts' in Schleswig-Holstein einige für sie erfolgreiche Veranstaltungen und Demonstrationen durchführen. Unter dem Vorsatz, zur Kommunalwahl in Schleswig-Holstein in der Stadt Lübeck anzutreten, organisierten die FaschistInnen mindestens sieben Saalveranstaltungen - eine davon wurde verhindert - und demonstrierten mit etwa 200 militanten Nazis in Bad Segeberg. Nachdem sich zunächst wenig praktischer Widerstand gegen diese Umtriebe entwickelte, erkannten kontinuierlich arbeitende AntifaschistInnen die Brisanz dieses strömungsübergreifenden Wahlprojektes des militanten Nazi-Lagers und begannen Aufklärungsarbeit zu leisten. Als das 'Bündnis Rechts' rechtzeitig zur Kommunalwahl im März begann, bundesweit zu Demonstrationen in Lübeck zu mobilisieren, gab es erstmals eine breite antifaschistische Gegenmobilisierung. Im Januar 1998 plante das 'Bündnis Rechts' seinen ersten Aufmarsch im Lübecker Stadtteil Moisling. Dieser wurde nach einem Verbot der Stadt durch das Oberlandesgericht Schleswig genehmigt. Die antifaschistische Gegendemonstration wurde lediglich fernab von der Route der Nazis genehmigt. Der Stadtteil selbst wurde durch ein großes Polizeiaufgebot für die Nazis freigehalten. An der antifaschistischen Demonstration beteiligten sich 700 Menschen aus einem breiten Bündnis von SPD- Ortsvereinen bis hin zu Autonomen. Da es jedoch darum ging, den Naziaufmarsch an sich zu verhindern, wurde der Anfahrtsweg der Nazis, die größtenteils von auswärts kamen, in der Niendorfer Straße von ca. 80 AntifaschistInnen blockiert. Diese wurden von der Polizei eingekesselt und für mehrere Stunden festgenommen, um den Nazis den Weg freizumachen. Das 'Bündnis Rechts' konnte dann geschützt von der Polizei eine Kundgebung durchführen. Ihre anschließend geplante Demonstration wurde kurzfristig verboten, wobei Bürgermeister Bouteiller das Verbot nicht etwa politisch begründete, sondern zwei brennende Mülleimer und von ihm befürchtete Ausschreitungen der AntifaschistInnen zum Vorwand nahm. Den zweiten Anlauf für einen Aufmarsch in Lübeck unternahm das 'Bündnis Rechts' im März 1998. Inzwischen war das Nazi-Bündnis zur Kommunalwahl zugelassen und somit demokratisch legitimiert, ausländerfeindliche, rassistische und menschenverachtende Propaganda an jeden Laternenpfahl zu hängen. Während die Stadt im Januar wenigstens noch den Versuch unternahm, die Demonstration im Vorfeld zu verbieten, wobei sie auch ansatzweise politisch argumentierte, wurde jetzt noch nicht einmal der Versuch eines Verbots unternommen, obwohl inzwischen hinlänglich bekannt war, welcher Personenkreis hinter dem 'Bündnis Rechts' steht (siehe Kasten). Lediglich um den Ort des Aufmarsches gab es einiges Hin und Her. Für die Innenstadt hatte das 'Lübecker Bündnis gegen Rassismus' bereits im Vorfeld des Wahlkampfes Demonstrationen angemeldet. Zudem waren einige Stadtteile für den Naziaufmarsch blockiert, da die dortigen SPD-Ortsvereine antifaschistische Sternmärsche angemeldet hatten. Die Hansestadt Lübeck genehmigte daraufhin dem Bündnis Rechts im innenstadtnahen Stadtteil St.-Lorenz-Nord aufzumarschieren. Gleichzeitig verhängte sie dort für alle Nicht-Nazis ein Demonstrationsverbot. Um die demokratischen Rechte der Nazis durchzusetzen, wurden schon ab den frühen Morgenstunden dieses 14. Märzes zahlreiche polizeiliche Kontrollstellen eingerichtet. Während die SPD-Oberen mit Unterstützung proletarischer Kampflieder vereinzelt auf dem Rathausmarkt standen, hatte das breite antifaschistische Bündnis beschlossen, vor Ort, d. h. in St.-Lorenz-Nord, den Naziaufmarsch zu verhindern. Die TeilnehmerInnen der antifaschistischen Demonstration, die in der Innenstadt begann, setzten sich über das Versammlungsverbot hinweg und versuchten, in den Stadtteil zu gelangen. Konzept war, durch das Besetzen von Straßen und Kreuzungen den Naziaufmarsch zu verunmöglichen. Die Polizei sorgte für 'Recht und Ordnung' und nahm ihren Auftrag, den Naziaufmarsch zu schützen, sehr gründlich wahr, indem sie alle Menschen, die sich entlang deren Aufmarschroute aufhielten und in ihr Bild von GegendemonstrantInnen paßten, festnahm. Insgesamt 426 Menschen wurden zum Teil unter massiver Gewaltanwendung festgenommen und bis zum Abend in Containern und Garagen im Polizeipräsidium eingesperrt - eine Massenfestnahme, die sich durchaus auch im Kontext der Demonstrationsgeschichte der BRD als eine der großen 'sehen lassen' kann. Dadurch konnten 250 Nazis durch den Stadtteil marschieren. Unmittelbar nach diesem Naziaufmarsch trudelten bei den ca. 80 im Januar festgenommenen AntifaschistInnen polizeiliche Anhörungsbögen ein. Es ging um eingeleitete Bußgeld- ("Verstoß gegen das Versammlungsgesetz") bzw. Strafverfahren (v.a. "Verstoß gegen das Vermummungsverbot"). Ende Mai erhielten 30 AntifaschistInnen Bußgeldbescheide in Höhe von 200 DM. Strafbefehle gegen die anderen stehen noch aus. Im Zusammenhang mit der Massenfestnahme im März ist davon auszugehen, daß die Betroffenen ebenfalls mit Strafverfahren und Bußgeldern zu rechnen haben. Mehrere Ermittlungsverfahren, unter anderem wegen Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung, wurden bereits eingeleitet und polizeiliche Vorladungen verschickt. STAATLICHE ANTI-ANTIFA POLITIK Auch die rot-grüne Landesregierung scheint sich im Jahr der Bundestagswahl profilieren zu wollen, als eine Konstellation, die eine Law & order- Politik mindestens genauso 'gut' durchsetzen kann wie Kanther & Co.In Lübeck fand allerdings nicht die einzige Massenfestnahme des 14.3.1998 statt. Am gleichen Tag marschierten auch im thüringischen Saalfeld 300 Nazis; im Vorfeld einer parallel stattfindenden Antifademo wurden 150 Menschen in Gewahrsam genommen, Stunden nach der Demo wurden abreisende AntifaschistInnen mit ihren Bussen von der Polizei angehalten, schikaniert und alle Personalien aufgenommen. Am 12.5. kam es zu einer großangelegten bundesweiten Durchsuchungsaktion gegen die in der Antifaschistischen Aktion / Bundesweite Organisation arbeitende Antifaschistische Aktion Passau. Begründung: Sie würde den Rahmen für eine sog. kriminelle Vereinigung (§129StGB) bieten. Die Autonome Antifa (M), eine Gruppe die ebenfalls zur kriminellen Vereinigung stilisiert werden sollte - allerdings aufgrund von Protesten bis weit in bürgerliche Kreise hinein ohne Erfolg - erklärte dazu: "Die Hausdurchsuchungen stehen offensichtlich im Zusammenhang mit einem breit angelegten Kriminalisierungsversuch gegen den antifaschistischen Widerstand. Es ist normal in diesem Staat, daß AntifaschistInnen mit einem Politikverständnis, das nicht zu vereinnahmen oder zu verschweigen ist, verfolgt und bespitzelt werden. Angesichts des Wahlerfolges der DVU in Sachsen-Anhalt ist es geradezu grotesk, wenn jetzt eine Gruppe zerschlagen werden soll, deren Hauptaktivität darin bestand, öffentlichen Widerstand gegen die jährlich stattfindende DVU-Großveranstaltung in Passau, sowie gegen den NPD-Bundeswahlkongreß am 7.Februar 1998 zu organisieren. *Damit betreibt der Staat aktiv Anti-Antifa-Politik*." (Hervorhebung nicht im Original) DIE VIELFALT DES ANTIFASCHISTISCHEN WIDERSTANDES... Insbesondere die antifaschistischen Aktionen gegen die beiden Nazi- Aufmärsche in Lübeck wurden von einem breiten antifaschistischen Bündnis von autonomen Antifas, Lübecker Bündnis gegen Rassismus, JugendgewerkschaftlerInnen, kirchlichen Jugendverbänden, ASTA's, Lübecker Bündnis 90/Die Grünen, Lübecker SPD-Ortsvereinen und vielen anderen mehr getragen. Es wurden Kundgebungen und Demonstrationen gemeinsam geplant, organisiert und durchgeführt. Die in dem antifaschistischen Bündnis vertretenen Ortsverbände der Lübecker SPD stehen für ein antifaschistisches Selbstverständnis, daß sich von dem unserigen zwar wesentlich unterscheidet, welches wir aber respektieren und achten: es ist ein im besten Sinne demokratisches Bewußtsein, dem sie sich verpflichtet fühlen und aus dem heraus sie ihre Haltungen begründen und Handlungen organisieren. Schon in der Debatte um die Abschaffung des Artikels 16.GG, organisierten sich Lübecker SozialdemokratInnen als einige der wenigen KritikerInnen innerhalb der umgekippten Sozialdemokratie. ...UND DIE HEUCHELEI DES STAATLICHEN "ANTIFASCHISMUS" Zeitgleich mit den öffentlichkeitswirksamen Forderungen nach einem Verbot der Naziaufmärsche, zeitgleich mit den Auftritten grüner PolitikerInnen auf den Gegendemonstrationen wurde von der rot-grünen Landesregierung hinter vorgehaltener Hand einer der landesweit größten Polizeieinsätze gegen AntifaschistInnen organisiert: Knüppel- und Festnahmeeinheiten aus Sondereinsatzkommandos, Hundestaffeln, Mobilen Einsatzkommandos und Bereitschaftspolizei, sowie Wasserwerfer und Räumpanzer. Lübecks "antifaschistisches Aushängeschild" Bürgermeister Bouteiller, der auch gerne mal zu zivilem Ungehorsam aufruft, hatte sich beim ersten Aufmarsch, wenn auch unter Aufgabe jeglicher politischer Hintergründe, noch um dessen Verbot bemüht. Im März zog er sich auf seine angebliche Handlungsunfähigkeit zurück. Das Durchsetzen einer faschistischen Demonstration mit massiver Polizeigewalt am 14.3. gegen breiten antifaschistischen Widerstand und das gleichzeitige Versammlungsverbot für AntifaschistInnen im Lübecker Stadtteil St. Lorenz ist ein politisches Zeichen in Wahlkampfzeiten. Auch in Schleswig-Holstein wird hart durchgegriffen. Antifaschismus, der über Lippenbekenntnisse hinaus praktische Ansätze sucht, wird nicht geduldet, so wie auch in allen gesellschaftlichen Bereichen auf jegliche politischen Vorstellungen und Lebensformen, die nicht in das Konzept einer konsumierenden, mundtoten und mitläuferischen Gesellschaft passen, mit abnehmender Toleranz und zunehmender Repression begegnet wird. Staatliche Verfolgung von AntifaschistInnen ist Teil der Law & order Politik, der sich alle Parteien von Teilen der Grünen bis hin zur extremen Rechten aus unterschiedlichen Gründen verpflichtet fühlen: Säuberung der Innenstädte von Obdachlosen und anderen kapitalschwachen Menschen, Abschiebungen, Großer Lauschangriff und und und... sind nur Teile dieses ordnungspolitischen Konzeptes. DIE ENTWICKLUNG DES FASCHISTISCHEN LAGERS... Die Entwicklung des faschistischen Lagers zeichnet sich in den letzten Jahren durch eine zunehmende Präsenz in der Öffentlichkeit aus. Nicht nur daß es gelingt, Tausende von Nazis zu Großdemonstrationen, wie in München gegen die Wehrmachtsausstellung oder zum 1.Mai in Leipzig, auf die Straße zu bringen - regionale Nazidemonstrationen finden mittlerweile so häufig statt, daß sie (fast) schon zum Alltag gehören. Das Abschneiden der DVU bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt, mit 13% das beste Wahlergebnis einer faschistischen Partei seit 1955, zeigt, daß sich mehr und mehr Menschen ermutigt fühlen, sich zu ihren Einstellungen zu bekennen. Zwar wurde schon 1980 in einer umfangreichen Studie ermittelt, daß 13% der bundesdeutschen Wahlbevölkerung über ein abgeschlossenes rechtsextremes Weltbild verfügt, jedoch hat sich die Struktur dieses Einstellungspotentials grundlegend gewandelt. War dafür früher der unverbesserliche Altnazi charakteristisch, der sich in einem der vielen Traditionsvereine organisierte, aber brav sein Kreuzchen bei CDU oder SPD machte, so ist es heute eher der jugendliche Nazi-Aktivist. Diese Altersverschiebung spiegelt sich auch im oben genannten Wahlergebnis wider, so hat die Hälfte der 18-30jährigen männlichen Wähler die DVU gewählt, was genau dem Bevölkerungsteil entspricht, der am ehesten bereit und in der Lage ist, seinem Weltbild auf der Straße gewaltförmig Geltung zu verschaffen. Bedenken wir dabei, daß heute allein schon durch die boomende Nazi-Rock-Welle Millionen von Kindern und Jugendlichen unter dem Einfluß nazistischer Parolen aufwachsen, so müssen wir erkennen, daß dem organisierten Faschismus für Jahrzehnte ein enormes Rekrutierungspotential zur Verfügung steht. ...UND DIE REAKTION DER BÜRGERLICHEN PARTEIEN Die bürgerlichen Parteien reagieren auf diese Entwicklung mit der Übernahme der Forderungen von DVU und Konsorten. Beispiele hierfür waren in der jüngeren Vergangenheit die Abschaffung des Asylrechts durch Änderung von Artikel 16 des Grundgesetzes oder die Senkung der Sozialhilfe für Flüchtlinge und MigrantInnen. Mit dieser Politik wird faschistisches Gedankengut salonfähig gemacht. Aktuell ist davon auszugehen, daß die bürgerlichen Parteien im Bundestagswahljahr ähnlich reagieren werden: die CSU hat bereits auf ihrem kleinen Parteitag die Vorgabe gesetzt, die Themen der FaschistInnen offensiv als die eigenen aufzugreifen, die SPDhat schon im Hamburger Wahlkampf 'Innere Sicherheit' auch über eine rassistische Hetze gegen SchwarzafrikanerInnen thematisiert. TROTZ REPRESSION DEN EIGENEN WIDERSTAND ENTWICKELN! Es gibt für uns keinen Grund, von unserem Widerstand gegen unerträgliche gesellschaftliche Verhältnisse abzulassen. Wir werden uns weiterhin nach Kräften und Möglichkeiten bemühen, das öffentliche Auftreten von FaschistInnen zu verhindern, ihre Organisierung zu behindern oder wo es geht zu unterbinden. Wir werden weiterhin sagen, daß die staatliche Flüchtlingspolitik rassistisch ist und im Kontext imperialistischer Ausbeutungsverhältnisse zu verstehen ist. Auch hier müssen sich alle fortschrittlichen gesellschaftlichen Kräfte bemühen, Wege aus der Defensive zu finden. Dazu gehören beispielsweise die Diskussionen um Kirchenasyl und Hilfen in der Illegalität, wie auch die Initiative der Gruppe K.O.M.I.T.E.E., die im Jahr 1995 versuchte, den in Bau befindlichen Abschiebeknast Berlin-Grünau zu sprengen. Auch unser Bündnis ist heterogen, einige Menschen können mit dem Einen mehr als mit dem Anderen anfangen. Einig sind wir uns dennoch darin: die unterschiedlichen Ansätze und Praxisfelder sind Teil einer zu entwickelnden gemeinsamen antirassistischen und antifaschistischen Perspektive! Faschistische Organisierung und faschistische Demonstrationen lassen sich nicht durch entfernt stattfindende Kundgebungen oder Flugblätter verhindern, sondern nur durch entschlossenes Entgegentreten. Wegen der vielfältigen antifaschistischen Aktionen gegen den Aufmarsch des Bündnis Rechts für Lübeck am 31.1. und 14.3. haben bisher über 30 Menschen Bußgeldbescheide erhalten und eine Vielzahl von unterschiedlichen Ermittlungsverfahren sind eingeleitet worden. Wir fordern alle AntifaschistInnen auf, gemeinsam mit uns öffentlichen Druck zu entwickeln. Ein repressiver Angriff auf einen Teil des vielfältigen antifaschistischen Widerstandes bedeutet auch immer eine Einengung der Möglichkeiten aller antifaschistischen Kräfte. In diesem Sinne: - Wir fordern die Einstellung aller Verfahren im Zusammenhang mit den Antifa-Aktionen in Lübeck ! - Schluß mit der Kriminalisierung des linken und antifaschistischen Widerstandes ! - Organisiert den antifaschistischen Widerstand! Solibündnis zu den Antifa-Verfahren, Juli 1998 ViSdP: G. Ernerot, Lübecker Straße 98, 24143 Kiel Alle Menschen, die von Bußgeld- und Strafverfahren betroffen sind, melden sich bitte bei der Roten Hilfe in Kiel: Rote Hilfe Ortsgruppe Kiel Postfach 6444 24125 Kiel Fax: 0431-75141 Klar ist, daß die anstehenden Verfahren einen Haufen Geld verschlingen werden. Also spendet reichlich auf das Solikonto! Rote Hilfe Ortsgruppe Kiel Stichwort: Lübeck KontoNr.: 91012880 BLZ: 210 501 70 Sparkasse Kiel im Kasten: WAS & WER IST DAS 'BÜNDNIS RECHTS'? aus dem Aufruf von Levanti Lübeck & Kiel und unabhängiger Antifagruppen aus Hamburg zu den Gegenaktionen vom 14.März: (...) Dieses Sammelsurium diverser Parteien, Gruppen und Grüppchen des rechten Randes will aus dem rassistischen und neonazistischen Terror, der seit Jahren in Lübeck Alltag ist, Profit schlagen: Brandanschläge auf MigrantInnen- und Flüchtlingsunterkünfte, auf die jüdische Synagoge und verschiedene Kirchen, Nazischmierereien, Morddrohungen bis hin zu Mordanschlägen gegen fortschrittliche Menschen. Mit dem Versuch, sich als Partei zu organisieren und in das Lübecker Stadtparlament gewählt zu werden, haben erstmals Stiefel- und Krawattennazis ein gemeinsames Wahlprojekt. (...) 'BÜNDNIS RECHTS': AUSDRUCK ZWANZIGJÄHRIGER NEONAZI-BEMÜHUNGEN Das sich so volksnah und demokratisch gebende 'Bündnis Rechts' ist nichts anderes als ein Projekt unter der Regie führender Neonazi-Kader. Deren Strategie verfolgt seit Anfang der siebziger Jahre den Versuch, die verbotene NSDAP wiederaufleben zu lassen. Da die NSDAP, deren Nachfolgeorganisationen sowie nationalsozialistische Betätigung nach bundesdeutschem Recht verboten sind, versuchen diese Kader immer wieder von neuem, durch verschiedene Konzepte dieses Verbot zu umgehen. Von Anfang an ist der Hamburger Christian Worch ein führender Kopf in diesen Bemühungen. Wie schon in den letzten 20 Jahren versucht er immer wieder neu, durch Gründung von Wahlparteien und Bündnissen neonazistischer Ideologie eine Plattform zu schaffen. Parallel dazu beteiligt er sich kontinuierlich am Aufbau von Neonazi-Freundeskreisen, NS-Kameradschaften, paramilitärischen Zusammenschlüssen und Wehrsportgruppen. Diese Strategie, sich auf der einen Seite an die demokratischen Spielregeln zu halten, um sie auf der anderen Seite permanent durch neonazistischen Straßenterror und NS-Propaganda zu unterlaufen, dient dazu, eventuellen Verboten entgegenzuwirken und ihre eigentlichen Absichten in der Öffentlichkeit zu verschleiern. 'BÜNDNIS RECHTS': RECHTE BIEDERMÄNNER ALS AUSHÄNGESCHILD DES NEONAZISMUS Die offiziellen Kandidaten des 'Bündnis Rechts', Dieter Kern, Reinhard Kessow und Andreas Rothmann, dienen in dieser Strategie lediglich als Strohmänner und Marionetten. Die offiziellen Vertreter des 'Bündnis Rechts' sind zwar als Rassisten und Neonazis bekannt, geben sich aber in der Öffentlichkeit als spießbürgerliche Rechte. Bisher lediglich regional in Erscheinung getreten, können diese Kandidaten nun auf die tatkräftige Unterstützung einer bundesweit agierenden Neonazi-Struktur zurückgreifen, die es ihnen ermöglicht, offensiver als zuvor aufzutreten. Diese Neonazi- Struktur, die sich selbst als 'Freie Nationalisten' bezeichnet, formiert sich aus den Anhängern und Kadern verbotener Neonazi-Organisationen wie der 'Nationalen Liste', der 'FAP' oder der 'Wiking-Jugend' unter der Führung der Hamburger Christian Worch und Thomas 'Steiner' Wulff. Betrachten wir die öffentlichen Aktionen des 'Bündnis Rechts', so verwundert es nicht, daß alle bisherigen Auftritte von der Stuktur der 'Freien Nationalisten' dominiert und organisiert wurden. Bei diesen hatten Worch und Wulff das Ruder fest in der Hand und bestimmten sowohl Inhalt als auch Auftreten des 'Bündnis Rechts'. Dies zeigte anschaulich und zuletzt der versuchte Neonazi-Aufmarsch in Lübeck-Moisling: dieser wurde paramilitärisch geplant, organisiert und geleitet von der Neonazi-Struktur der 'Freien Nationalisten', in dem die Kandidaten Kern, Kessow und Rothmann lediglich Befehlsempfänger waren. |
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