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trend onlinezeitung für die alltägliche wut
Nr. 7-8/1998


Streit ums Geld

Die Kontroverse Ditfurth ./. Schmitt über Silvio Gesell und seine Geldtheorie

Zwei Texte mit viel Unterhaltungs- und wenig Erkenntniswert

Leseprobe Text 1

Jutta Ditfurth:
Entspannt in die Barbarei
Esoterik, (Öko-) Faschismus und Biozentrismus

"...Aber was ist schon ein Schmähbrief gegen eine Gaspistole?
Bierls Text erscheint, (207) und das Cafe El Locco lädt den Öko-
LinX Autor zu einem Referat über Silvio Gesell im Rahmen des An-
archistischen Bildungsprogramms für Mitte Mai 1994 nach Berlin ein.
Kurz zuvor hatte Klaus Schmitt - im Rahmen desselben Bildungs-
programmes - zwei Abende im Infoladen Bambule ungestört Pro-
paganda für Gesells Ideen machen dürfen. Schmitt hat ohnehin keine
Probleme, seine Ideologie in Berlin zu verbreiten: Als Initiator und
Chefideologe der sogenannten Knochengeldaktion am Prenzlauer
Berg (siehe S. 106 f.) darf er sich auch in der taz verbreiten.

Die Veranstaltung mit Peter Bierl ist gut besucht. Im politisch links
gemischten Publikum befindet sich auch Klaus Schmitt mit einigen
Freunden; sie pöbeln den Referenten an und versuchen, seinen Vor-
trag lautstark zu stören. Bierl erklärt nach seinem Vortrag, daß er ge-
kommen sei, um über eventuelle Kritik an seinem Gesell-Text zu de-
battieren, nicht aber mit Klaus Schmitt über dessen "rassistische und
frauenverachtende Positionen". Die Gesell-Jünger schäumen, aber
drei Viertel der Anwesenden stimmen zu: Toleranz habe dort eine
Grenze, wo menschenverachtende Positionen etabliert werden sol-
len. Schmitt will nicht gehen und nicht aufhören zu stören. Die
Mehrheit gibt nach und wechselt mit dem Referenten den Saal.
Schmitt und einige seiner Anhänger laufen hinterher. Ihm wird ge-
sagt, daß er draußen bleiben solle. Schmitt zieht eine Pistole, fuchtelt
damit herum und richtet sie auf die Umstehenden. Viele erschrecken,
bekommen Angst, andere sind wütend. Nach einigen Minuten läuft
Schmitt davon. (208)

In einigen Berliner anarchistischen Publikationen wie dem A-Ku-
rier oder dem telegraph ist anschließend vom "Meinungsterror" bö-
ser MarxistInnen die Rede. Schmitts Griff zur (Gas-)Pistole wird
verschwiegen oder als Notwehr gerechtfertigt, obwohl ihn niemand
physisch angegriffen hat. Eine inhaltliche Auseinandersetzung findet
nicht statt. So verblöden ganze Szenen. Ich komme später auf die
rechts-anarchistischen Unterstützernetze für Gesell zurück...."

Leseprobe Text 2

Klaus Schmitt
Entspannen Sie sich,Frau Ditfurth!
Über das Faszinosum Menschliche Dummheit und den Versuch, den Faschismus mit faschistischen Methoden zu bekämpfen

"...Erstaunlich, dass sich Ditfurth darüber beschwert, dass "rationales Denken ... heute denunziert" (S. 14) werde, hat sie damit doch selber Schwierigkeiten. Ihr mangelt es offenbar an der Fähigkeit, Fakten wahrzunehmen wie sie sind und voneinander zu unterscheiden, eine unerlässliche Voraussetzung für wissenschaftliches Arbeiten und zu Kritik- und Urteilsfähigkeit. Aber vielleicht sind Wissenschaftlichkeit und sachgerechtes oder gar gerechtes Urteilen nicht ihr Anspruch. Hat nicht Lenin schon gesagt, im Interesse der Revolution darf gelogen werden? Auch für Ditfurth und ihren Haufen geht es um Politik, und da ist intellektuelle Redlichkeit nicht gefragt. Politik ist ein schmutziges Geschäft, wusste schon Machiavelli, und dass Politiker lügen, um Macht und Einfluss zu erringen, ist allgemein bekannt. Was sollen sie auch machen? Die Wahrheit kommt bei den "Massen" schlecht an, wie 1990 der SPD-Kanzlerkandidat Lafontaine erfahren musste [17a]. Und Lügen werden geglaubt, wenn sie nur oft genug wiederholt werden, wusste vor Dirtfurth schon Goebbels. Insbesondere, wenn sie mit Versprechungen verbunden sind: kommunistisches Paradies, "blühende Landschaften" (Kohl). Kurzum und frei nach Tucholsky: "Politiker sind Lügner".

Auch Ditfurth und ihre "AntifaschistInnen" sind gute, erfolgreiche PolitikerInnen, werde ich doch in Kreuzberg auf Grund ihrer intensiven Aufklärungsarbeit schon mit "Heil Hitler" begrüsst! Eine beachtliche politische Leistung, wie diese Töchter und Söhne aus jener bourgeoisen Klasse, die grösstenteils Hitler gewählt oder mit Hitler symphatisiert hat, den proletarischen Sohn eines linken Antifaschisten, der im KZ gesessen hat und dort ums Leben gekommen ist, linken Kids als Nazi und Hitler-Anhänger verkaufen! Wirklich beeindruckend. Eine Pogromhetze gegen einen Anarchisten [17b], die der Streichers gegen die Juden kaum nachsteht, oder?..."

Als zeitgenössische Zeugnisse aus den Niederungen deutscher linker Streitkultur gibt es beide Texte komplett als Downloaddateien in der LINKSKURVE.


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Nr.7-8/1998