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trend onlinezeitung für die alltägliche wut
Nr. 7-8/1998
 

 

Der italienische Blues nimmt kein Ende

In Italien drohen neue Verhaftungen

Seit dem 26. 6. 1998 "kursiert" eine Liste mit sechs Namen, gegen die ein Ermittlungsverfahren in Italien wegen "Beteiligung an einer bewaffneten Bande" sowie einer "subversiven Vereinigung mit terroristischen Ziel" eingeleitet worden ist.

In Deutschland weitgehend ignoriert ist diese staatsanwaltschaftliche Aktion nun ein erneuter Versuch AnarchistInnen zu kriminalisieren. Unsere Befürchtungen, daß auch die deutschen hochgerüsteten Anti-Terroreinheiten sich neue Arbeitsfelder suchen könnten, scheinen sich zu bestätigen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann die Deutschen hier in das Geschehen eingreifen. Eine der sechs Betroffenen, gegen die jetzt in Italien ermittelt wird ist eine gebürtige Deutsche, die lange in Italien lebte, und somit sind nun auch wir in dieses Spektakel der italienischen Justiz involviert, wobei niemand weiß, was denen nicht noch alles einfällt.

Ein kurzer Blick zurück

Seit September 1996, wo ca. 300 Beamte der ROS (Sondereinheit der römischen Carabinierri) in ganz Italien Hausdurchsuchungen und zahlreiche Verhaftungen durchfürhrten, versuchen der Richter Marini und die Staatsanwälte Ionta und Vigna militanten Anarchisten zu kriminalisieren, sie als "terroristische Vereinigung" (wofür es nicht einmal einen Namen gibt) u.ä. hinter Gittern zu bringen. Weder Waffen noch größere Mengen von Geld oder Erklärungen/Bekennerschreiben etc. wurde je gefunden.

Dazu kommt eine psychisch-labile Ex-Freundin eines Angeklagten, die sich als Kronzeugin in Widersprüche verstrickt.

Im Juli 1997 taucht bei dem unabhängigen Radio "Black out" ein internes Papier der ROS auf, in dem ziemlich detailiert dargestellt wird, wie diese Sondereinheit die anarchistische Szene in Italien zu kriminalisieren gedenkt. Die Polizei erklärt dieses Papier als gefälscht, die Untersuchungen darüber übernehmen die selben Beamten, die in dem Papier die Strategie gegen die AnarchistInnen entworfen haben.

Anfang November 97 werden Alfredo Bonanno und Emma Sassosi aus der U-Haft entlassen, später auch Jean Weir. Der Justiz gehen langsam die Beweise aus. Dafür erfolgt nun die neuerliche Offensive. Konstrukte ohne Hand und Fuss, aber mit dem scheinbaren Erfolg die militante Szene in Italien zu verunsichern, zu spalten.

Zur aktuellen Situation

Abgesehen von der Tatsache, daß immer noch Leute im Gefängnis sitzen, der Prozeß immer noch läuft, und, obwohl einige zwischenzeitlich entlassen wurden, aber weiterhin mit Repressionen rechnen müssen, wurden nun gegen sechs Leute Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die betroffenen sind ProzeßbeobachterInnen sowie FreundInnen und Verwandte der Angeklagten. Diese Tatsache scheint der italienischen Justiz zu genügen, um auch gegen sie zu ermitteln. Hier sollen die FreundInnen, Verwandten und UnterstützerInnen kriminalisiert werden um jede Form - und sei sie noch so gering - von Solidaritätsarbeit zu unterbinden. Die meisten der Betroffenen wußten gar nichts davon.

Aus der bisher abgelaufenen Farce und den abenteuerlichen Konstrukten, die, wenn sie nicht so verheerend für die Betroffenen wären, könnten Stoff für einen schlechten Krimi abgegeben, muß das Schlimmste befürchtet werden. Die Hysterie der italienischen Justiz nimmt an Gefährlichkeit zu.

Die anarchistische Öffentlichkeit in Deutschland schweigt bisher zu all diesen Vorfällen, und spielt somit der italienischen Justiz in die Hände. Wir sollten nicht wieder darauf warten, bis wir persönlich betroffen sind.

Solidarität jetzt!

Knobi

 

Infos über:
Solidaritätskommitee Italien
c/o LIZ
Karolinenstr. 21 / Haus 2
20357 Hamburg

Zu den Vorfällen in Italien gibt es an Literatur:
Die R.O.S. sind entblösst - Wie ein italienisches SEK eine Anklage konstruiert, 48 Seiten / 4,--DM
außerdem die Zeitschrift AUSBRUCH (erhältlich über das Solidaritätskommitee Italien für 3,--DM plus Porto)
und in gutsortierten Info- und Buchläden gibt es die Broschüre: Alfredo Bonanno; Die bewaffnete Freude. Kolkraben Edition / 44 S. / 6,--DM


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Nr.7-8/1998