trend onlinezeitung für die alltägliche wut Nr. 7-8/1998 | |
Wir dokumentieren: Absender : ID-SCHLESWIGHOLSTEIN@BIONIC.zerberus.de Anwerbeversuch des VS / Hamburg die ERSTE Anwerbeversuch im Schanzenviertel Am Montag den 27.4.1998 wurde auf dem Schulterblatt ein Mensch aus der Punk-Szene (im folgenden X genannt) von einem seriös wirkenden Mitvierziger angesprochen, ob er Arbeit suchen würde bzw. einen Job gebrauchen könne. Er würde ihn zu Tschibo einladen, da könne man in Ruhe über sein Angebot sprechen. X nahm das Angebot an. Bei Tschibo suchte er einen alleinstehenden Tisch aus, "um ungestört reden zu können" und eröffnete das Gespräch mit der Bitte, wenn X das Angebot nicht zusagen würde, daß er bitte nicht laut werden solle, sondern man sich dann auch in Ruhe trennen könne. Dann zeigte er X offensichtlich einen Behördenausweis (grüner Ausweis in Größe der Persos) und eröffnete sein Angebot: 25,- in der Stunde, bis zu 800,-- steuerfrei im Monat zusätzlich zur Sozialhilfe, allerdings ohne Vertrag, würde er für Informationen aus der linken Szene bezahlen. Er könne X vielleicht auch noch weiter unterstützen, ihm eventuell eine Wohnung besorgen. Vor allem im Vorfeld von Aktionen würde er informiert werden wollen. Wenn er das Angebot annehmen würde, würde er eine Liste mit Cafes oder Kneipen bekommen, in denen er sich zu bestimmten Zeiten aufhalten müsse. X sollte sich das überlegen und ihn anrufen oder er würde X erneut ansprechen. Er hat X die TeleNr. 3286-2770 aufgeschrieben, darunter "Wohnungsamt, BA Mitte", "damit X keinen Ärger bekommt, daß jemand den Zettel bei ihm sieht". Die Telefonnummer ist eine der Innenbehörde und laut Behördenverzeichnis steht die TeleNr. 3286- 0 sowohl für die Abteilungen ´Amt für Innere Verwaltung und Planung´, dem Einwohnerzentralamt und dem Landesamt für Verfassungsschutz. Anwerbeversuch des VS /
Hamburg die ZWEITE Am Montag, den 20. April 1998
wurde eine Person aus antifaschistischen Zusammenhängen von einem
Beamten des VS auf einem S-Bahnhof angesprochen. Er wollte trotzdem nicht ablassen und hakte penetrant mit Fragen wie "... wollen wir uns direkt hier unterhalten?', "...oder in der Bahn?' , "...ja ansonsten morgen bei Ihnen Zuhause?' nach. Als auch das nichts nutzte und ich im Begriff war den Bahnhof wieder zu verlassen, blieb ihm nichts anderes übrig, als lapidar zu bemerken, daß das wohl typisch für die Politischen sei, sich immer vor der "Diskussion" drücken zu wollen. Er benutzte daraufhin sein Handy, wohl um seinen KollegInnen mitzuteilen, daß dieser Versuch gescheitert war !" Der VS hat sich bis heute bei dem Betroffenen nicht wieder gemeldet. Was will der VS ? Während Politbullen in der Regel darauf aus sind, konkrete Informationen über Zusammensetzung und Aktionen unserer Zusammenhänge zu kriegen, um aus ihnen Konstrukte bilden zu können, die sie gegen uns verwenden wollen, verfolgt der VS vornehmlich das Ziel, einen detaillierten Gesamtüberblick über den linken Widerstand zu bekommen. Er soll durch seine Analysen und Prognosen dazu beitragen, die geeignetsten Mittel des Repressionsapparates zur Sicherung des herrschenden Verhältnisse herauszufinden. Auf der Grundlage der Erkenntnisse des VS entscheiden die StrategInnen der "inneren Sicherheit", ob versucht werden soll, den Widerstand entweder durch Kampagnen, Integration, Spaltung oder Zerschlagung zu brechen. So kümmert sich der VS nicht um die Errichtung irgendwelcher personenbezogener Straftatkonstrukte, sondern vielmehr um die politische Arbeit, die von unseren Zusammenhängen gemacht wird. Er ist dabei ständig bemüht, diese Arbeit zu bewerten und vorauszusehen, inwieweit sie die herrschende Ordnung gefährden könnte. Dafür erhält es der VS für notwendig, alle möglichen Interna, Diskussionen und Funktionen von Leuten aufzuzeichnen und nachvollziehen zu können. Natürlich gibt es aber trotz der unterschiedlichen Aufgaben einen regen Informationsaustausch zwischen Bullen und VS und über das gesetzlich erlaubte hinaus auch eine informelle Koordination und enge Zusammenarbeit wenn es um ein gemeinsames Ziel geht, bspw. die Kriminalisierung eines bestimmten Zusammenhanges oder Projektes. Der VS bedient sich verschiedener Arbeitsweisen, beispielsweise: Auswerten von öffentlich zugänglichen Quellen wie Flugblättern, Broschüren, Zeitschriften und Veranstaltungen Informationsbeschaffung bei (dazu verpflichteten) staatlichen Institutionen wie Uni, Schule, Amt usw. aber auch Anfragen bei ArbeitgeberInnen, Familie, Freunden und Bekannten Einsatz von Spitzeln bzw. Under-Cover-BeamtInnen... und den Anwerbeversuchen Der VS versucht kontinuierlich InformantInnen durch das Anwerben von Leuten aus unseren Zusammenhängen zu gewinnen. Der VS sucht sich die Leute, der er ansprechen will, genau aus und bringt im vorwege einiges über sie in Erfahrung. So kann er die Umstände und die Taktik des Anwerbeversuches genau auf die Person anpassen, Ort und Zeit bestimmen und den Verlauf vorausplanen. Der Überraschungseffekt im Moment der Kontaktaufnahme ist für Dich um so größer. Meist wirst Du in einer scheinbar x-beliebigen Situation auf der Straße angesprochen, aber auch Hausbesuche und seltener Telefonanrufe oder Briefe gehören zu ihrem Programm. Die Gesprächsstrategie ähnelt dabei der Verhörtaktik der Bullen. Zum einen versuchen sie Dich verschiedenartig unter Druck zu setzen. Sie nennen beispielsweise anstehende Verfahren, interne Erkenntnisse über Dich und Deine Umgebung oder andere Umstände, von denen sie meinen, daß sich Dich erpreßbar machen. Dabei können sie drohend, scheinbar bestechlich oder handgreiflich werden. Zum anderen sind sie darauf aus das Gespräch durch vermeintlich belanglose Themen und einfache, plumpe oder lächerliche Fragen aufrechtzuerhalten. Sie reden über Hobbies, Arbeit und Privates, vermeiden Reizwörter, benutzen Szenevokabular. Dabei versuchen sie immer wieder auf die für sie interessanten Bereiche zu lenken, stellen hier weniger Fragen, sondern treffen Feststellungen, wollen mit Dir ein gegenseitiges "Zweckbündnis" eingehen und stellen andauernd rhetorische Fallen. Je länger dieses Gespräch dauert desto mehr Informationen kriegen sie aus Dir heraus. Sie sind geschult und können aus eigentlich bedenkenslosen Äußerungen oder plötzlichen Schweigen, minimalen körperlichen Reaktionen, Mimik und Gestik bereits Erkenntnisse gewinnen, die sie auch verwerten können. Deine Konsequenz sollte deshalb nur eine sein:... Maul halten und den Kontakt sofort abbrechen. Es ist ein grundsätzlicher Fehler sich auf Gespräche mit dem VS einzulassen. Es wird kaum möglich sein, irgend etwas Interessantes aus diesen Leuten herauszubekommen und wenn, nur unter Preisgabe viel gewichtigerer Sachen für sie. Wir sollten diese Anquatschversuche genauso bewerten wie Angriffe von Bullen und Justiz. Durch ihre Arbeit als Teil des Repressionsapparates beteiligen sie sich an der Kriminalisierung und Zerschlagung linken Widerstandes. Zumal die Anquatschversuche aktiv dabei mitwirken sollen, Leute zu lähmen, einzuschüchtern und mit Repression zu bedrohen. Das einzig richtige Verhalten diesen geheimdienstlichen Tätigkeiten entgegenzutreten, ist die Öffentlichkeit zu suchen. Rede mit vertrauten Leuten darüber, fertige ein Gedächtnisprotokoll an und überlege Dir gemeinsam mit anderen diesen Versuch zu veröffentlichen. Informiere Gruppen, die inhaltlich dazu arbeiten (Rote Hilfe, Ermittlungsausschuß u..a.). Der Verfassungschutz ist ein staatliches Instrument, daß den Repressionsorganen zuarbeiten und allein aus diesem Grund schon kein Gesprächspartner für uns. Solidarität mit den Betroffenen! Macht Anwerbeversuche öffentlich! Keinerlei Zusammenarbeit mit VS und Bullen! |
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