13. August - 50 Jahre Berliner Mauerbau

Erklärung der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde GBM e.V,
entworfen vom Berliner Alternativen Geschichtsforum

7-8/11

trend
onlinezeitung

Am 13. August jährt sich zum 50. Mal der Tag, an dem die Staatsgrenze der DDR zur Bundesrepublik und zu Berlin (West) militärisch gesichert wurde. Das war eine Zäsur in der deutschen und europäischen Nachkriegsgeschichte, eine nicht nur grenz-, sondern friedenssichernde Maßnahme dort, wo zwei Gesellschaftsformationen, zwei feindselig einander gegenüberstehende Militärblöcke unmittelbar konfrontiert waren.

Die völkerrechtliche Legitimität der Grenzsicherung stand nie in Frage. So hatte der US-Senator William Fulbright, Sprecher des Außenpolitischen Ausschusses, schon am 31. Juli 1961 erklärt: „Ich verstehe nicht, warum die Ostdeutschen nicht ihre Grenzen schließen; denn ich glaube, dass sie ein Recht haben, sie zu schließen.“
Im Potsdamer Abkommen hatten die drei Hauptsiegermächte des Zweiten Weltkriegs vereinbart, Deutschland in der Zeit seiner Besetzung als wirtschaftliche Einheit zu behandeln. Diese Übereinkunft brachen die Westalliierten im Juni 1948 mit der separaten Währungsreform in den Westzonen und den Berliner Westsektoren. Wer ein Land, eine Stadt wirtschaftlich spaltet, ist auch für die politischen Konsequenzen verantwortlich, die das nach sich zieht.

Seit der unmittelbaren Nachkriegsperiode wurde die internationale Lage durch den kalten Krieg zwischen den beiden Weltsystemen, insbesondere durch Wettrüsten und atomare Kriegsdrohung belastet; nur allzu oft stand der Friede auf des Messers Schneide.
Bisher zu diesem Thema bei TREND erschienen:

Auch und gerade auf deutschem Boden wurde der kalte Krieg ausgetragen. Alle Angebote der UdSSR und der DDR, über die Einheit eines demokratischen, friedliebenden Deutschlands und einen Friedensvertrag zu verhandeln, lehnten die Westmächte und die BRD kategorisch ab. Stattdessen wurde Westdeutschland remilitarisiert, in die NATO einbezogen und strebte nach Atomwaffen.

Die BRD bekämpfte die DDR mit allen Mitteln „des Krieges, des Nervenkrieges, des Schießkrieges“, wie am 9. Juli 1961 die „Bonner Rundschau“ schrieb, um fortzufahren: „Dazu gehören nicht nur herkömmliche Streitkräfte und Rüstungen, sondern auch die Unterwühlung, das Anheizen des inneren Widerstandes, die Arbeit im Untergrund, die Zersetzung der Ordnung, die Sabotage, die Störung von Verkehr und Wirtschaft, der Ungehorsam, der Aufruhr.“ Dagegen hatte sich die DDR zu verteidigen; das lag im Interesse ihrer Bürger wie des Friedens.
Ein zentraler Ausgangspunkt jener Aktivitäten, deren Bandbreite von psychologischer Kriegführung über Spionage und Menschenhandel bis zu Mord reichte, war Westberlin. Dieser „Frontstadt“ war die Rolle zugedacht, als „Pfahl im Fleisch“ der DDR zu wirken. Der Versuch der UdSSR 1958, Berlin (West) in eine entmilitarisierte Freie Stadt umzuwandeln und dadurch die „billigste Atombombe“ des Westens zu entschärfen, führte nicht zum Ziel. Vielmehr verstärkten sich die Bestrebungen des Westens, widerrechtlich Westberlin in die BRD einzubeziehen. Allerdings wurde auf solche Weise auch dem Gerede vom „Viermächte-Status Berlins“ weiterer Boden entzogen.

1961 spitzte sich die Kriegsgefahr bedrohlich zu:

  • Die USA hatten im April mit der vernichtenden Niederlage der CIA-gesteuerten exilkubanischen Invasoren in der Schweinebucht eine demütigende Niederlage erlebt.
  • Das Wiener Gipfeltreffen zwischen KPdSU-Generalsekretär Chruschtschow und US-Präsident Kennedy im Juni erbrachte in den Hauptproblemen – Stopp der Kernwaffentests, Friedensvertrag mit Deutschland, Westberlin-Frage – kein Ergebnis.
  • Daraufhin kündigte die Sowjetunion den USA den Abschluss eines Friedensvertrags mit der DDR an, auf dessen Grundlage die Rechte der Besatzungsmächte in Berlin erlöschen würden und künftig Übereinkommen mit der DDR über die Benutzung der Verbindungswege mit Westberlin zu treffen wären.
  • Die Folge waren Vorbereitungen der US-Administration, mit militärischen Mitteln einschließlich eines Atomschlags den „freien Zugang“ zu sichern. Dabei fiel ins Gewicht, dass die Streitkräfte der Westmächte ohnehin in erheblichem Umfang an den Staatsgrenzen der DDR disloziert waren.
  • Anfang August gab die UdSSR ihre Absicht bekannt, ihre Armee zu verstärken, und übertrug dem vormaligen Oberkommandierenden der Vereinten Streitkräfte des Warschauer Vertrages Marschall Konew, einem ihrer erfahrensten Heerführer, den Oberbefehl über die Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschand.
  • Sein Nachfolger bei den Vereinten Streitkräften, Marschall Gretschko, hatte schon Mitte Juli den Minister für Nationale Verteidigung der DDR angewiesen, konkrete personelle und materielle Vorbereitungen für einen Ernstfall zu treffen.
  • In dieser äußerst angespannten Situation wirkten die Maßnahmen des 13. August friedensbewahrend. Die DDR hatte ursprünglich andere Lösungsmöglichkeiten angestrebt. Doch in militärischen Angelegenheiten war ihre Souveränität eingeschränkt; nicht bei ihr lag die Hauptverantwortung für den 13. August, sondern bei der sowjetischen Führung. Der Politische Beratende Ausschuss der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages erteilte in seiner Moskauer Tagung vom 3. bis 5. August 1961 den Auftrag zu vollständiger Kontrolle und Sicherung der Grenze der DDR zur BRD und zu Westberlin.

Offen erklärte Chruschtschow später dem Moskauer BRD-Botschafter Hans Kroll im Zusammenhang mit dieser Grenzsicherung: „Ich möchte Ihnen auch nicht verhehlen, dass ich es gewesen bin, der letzten Endes den Befehl dazu gegeben hat.“ Walter Ulbricht bezeichnete die Maßnahmen des 13. August rückblickend als „eine tragische Notwendigkeit“.

Die Westmächte reagierten vergleichsweise gelassen; ihre Rechte in Berlin (West) und auf den Verbindungswegen wurden nicht berührt. Der stellvertretende britische Stadtkommandant in Berlin (West) äußerte inoffiziell: „Wir Westmächte sind über den Mauerbau eigentlich erleichtert... Die Gefahr eines neuen Krieges ist nun erst einmal gebannt.“ Zudem hatte Marschall Konew am 10. August 1961 die westlichen Militärgouverneure vorab von den sowjetischen Absichten unterrichtet. Auch die Bundesregierung war nicht völlig unvorbereitet.
Der 13. August 1961 hat unserem Kontinent in hohem Maße zur Fortdauer der längsten Friedensperiode seiner Geschichte verholfen. Vor aller Augen wurde sichtbar, dass die Grenzen zwischen der DDR und der BRD beziehungsweise Berlin (West) keinen „innerdeutschen“ Charakter trugen. Einsicht in die Realitäten führte zur Entspannung in Europa und der Welt ab Beginn der siebziger Jahre, zu umfassender internationaler Anerkennung der DDR, zur gleichzeitigen Aufnahme beider deutscher Staaten in die UNO 1973.

Auch die Lage innerhalb der DDR stabilisierte sich nach dem 13. August. Von der Spaltung Deutschlands hatte der Osten seit Anbeginn die größeren wirtschaftlichen Nachteile: fehlende Bodenschätze, unzureichende Produktionskapazitäten, weitaus höhere Reparationsleistungen, Bevölkerungsverluste durch Abwanderung. Dennoch war die industrielle Bruttoproduktion seit dem Gründungsjahr der DDR bis 1961 auf das Dreifache gestiegen. Aber der ökonomische Schaden, den die offene Grenze verursachte, war enorm.

Vor allem ab 1960 nahmen die Disproportionen zu; der Arbeitskräftemangel verschärfte sich, Löhne stiegen schneller als die Arbeitsproduktivität, die Kaufkraft rascher als die Warendecke. Grenzgängertum und Republikflucht, großenteils auf gezielte Abwerbung zurückzuführen, störten die Wirtschaft, verschlechterten die Versorgungslage, gefährdeten die medizinische Betreuung der Bürger. Eine Atmosphäre der Verunsicherung entwickelte sich, Staatsorgane wurden erpressbar.

Unter diesen Bedingungen ermöglichten die grenzsichernden Maßnahmen mehr Kontinuität und Planungssicherheit. Für viele Bürger brachte die „Mauer“ Erschwernisse mit sich, sie trennte Familien. Andererseits begünstigte wirtschaftlicher Fortschritt auch ein wachsendes Gefühl sozialer Geborgenheit; generell besserte sich die Stimmung im Lande, in dem man sich mehr und mehr beheimatet wusste.

Die DDR-Bestimmungen für das Grenzregime unterschieden sich prinzipiell nicht von den in der Bundesrepublik geltenden Vorschriften. Wie die Grenzordnung gehandhabt wurde, hing vom jeweiligen Stand der zwischenstaatlichen Beziehungen ab. Wir bedauern, dass Grenzverletzungen Menschenleben kosteten. Uns schmerzt, dass Angehörige der DDR-Grenztruppen beim Schutz ihres Staates ihr Leben geben mussten. Je weiter sich das Verhältnis namentlich zwischen der DDR und der BRD normalisierte, umso „durchlässiger“ wurden bekanntlich die betreffenden Grenzen. Nach der Konferenz über europäische Sicherheit und Zusammenarbeit 1975 in Helsinki wären raschere Lockerungen bei den Grenzregelungen und im grenzüberschreitenden Reiseverkehr angebracht gewesen.

War es unberechtigt, die „Mauer“ zeitweilig als „antifaschistischen Schutzwall“ zu bezeichnen? Damalige Erfahrungen mit der Renazifizierung in der BRD, heutige Erfahrungen mit Neofaschismus in Deutschland und Europa rechtfertigen eine solche Kennzeichnung.

Recht wurde gebrochen, als Politiker der DDR und Angehörige ihrer bewaffneten Organe wegen ihrer Beteiligung an den grenzsichernden Maßnahmen verfolgt und bestraft wurden.

Wo bleibt die Entrüstung etwa über die Mauer in Nahost, über die Grenzanlagen der USA gegenüber Mexiko, über die Brutalität an den EU-Außengrenzen? Gegen die Grenzen der DDR wird verstärkt Stimmung gemacht, um den Sozialismus im Nachhinein zu diffamieren. Um so nötiger ist es, solcher Zweckpropaganda die historische Wahrheit entgegenzusetzen.

Editorische Hinweise

Wir spiegelten den Text aus dem Forum der Grenztruppen der Deutschen Demokratischen Republik