Editorial
Aus der Geschichte lernen


von Karl Mueller

7/8-09

trend
onlinezeitung

Wir berichten gerne mal aus dem Alltag einer so genannten Linkspartei. Allerdings arbeiten wir dort aus guten Gründen "weder in, noch an, noch bei" als K-Gruppen-Ehemalige mit. Von daher müssen wir dann - wie in der letzten Ausgabe - auf Artikel von so genannten InsiderInnen zurückgreifen, die anderswo erschienen sind, um das reformistische Elend zu zeigen, das sich in der Linkspartei abspielt. Unglaublich, wie viele linke kämpferische Menschen dennoch ihre Kraft, ihre Intelligenz und ihre Zeit an dieses Projekt verschwenden, von dem man weiß, dass mit dieser Partei nie und nimmer eine grundlegende Veränderung der materiellen Verhältnisse zu erreichen sein wird. Für diese LINKE gilt allemal das alte Tucholsky-Wort über die SPD: "blühn so harmlos, doof und leis, wie bescheidene Radieschen: außen rot und innen weiß". Daher sind wir froh, wenn auch auf dem Gebiet der Theorie eine Kritik am Reformismus der Linkspartei entfaltet wird, so wie sie Detlef Georgia Schulze in seinem Artikel "Linke Kapitalismuskritik muss treffender werden" am Wahlprogramm entwickelt.

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Im September jähren sich zum 40. Mal die legendären "Septemberstreiks". Sie geben seit damals ungebrochen den Stoff für linksradikale Interventionensprojekte  in betriebliche Kämpfe ab - oft verbunden mit der Hoffnung, dass daraus eine revolutionäre Organisation der ArbeiterInnen entsteht. Hilfreich waren dabei immer irgendwie gewonnene Teilwahrheiten, die über Jahrzehnte repetiert, zu einem Mythos geführt haben, der droht, wieder Anwendung zu finden, wenn es nach den Bundstagswahlen wegen massiver Verschlechterungen der Arbeits- und Lebensbedingungen zu Kämpfen der Klasse kommt.

TREND will den Jahrestag nutzen nicht nur solcher Mythenbildung entgegen zutreten, sondern mitzuhelfen wirkliche Lehren für heute aus diesen Kämpfen zu ziehen. Mindestens zwei Veranstaltungen sind dafür geplant. Zur Vorbereitung startet mit dieser Ausgabe eine Materialsammlung, die fortlaufend ergänzt wird.

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Die Ereignisse im Iran hatten in der letzten Ausgabe die Einrichtung eines Sonderschwerpunkts zur Folge, der von uns in dieser Ausgabe nicht nur deshalb weitergeführt wird, weil es neue und (auch alte) Texte zu diesem Komplex gibt, sondern auch weil es sich hier um das heikle Feld der internationalen bzw. antinationalen Solidarität handelt. Und auch hier gilt es aus der Geschichte zu lernen.

Dem wurstigen Querfront-Kommentar Glückwunsch, Ahmadinedschad! des Jürgen Elsässer erteilten Bernard Schmid und Harry Waibel  die passenden Antworten. Dazu schrieb uns der ansonsten gar nicht feinsinnig argumentierende Hartmut Barth-Engelbart postwendend eine Kritik, die sich vornehmlich an Stilfragen aufhängte. Aber auch dies bestätigte uns, dass es richtig war, diesen Sonderschwerpunkt aufzulegen, nämlich weil es dringend geboten schien, breit zu dokumentieren, welche Teile der Linken sich auf die Seite der Revolte stellen und warum.

Besonders Harry Waibel wurde nun mit allerlei Schmähungen in Form von flächendeckenden Mails durch Barth-Engelbart und Gefolgsleute heimgesucht. An diese gerichtet, formulierte Harry Waibel u. E. Grundsätzliches zur Frage der internationalen Solidarität, dem wir uns öffentlich anschließen wollen:

"Aber dabei muss man sich im Klaren sein, dass diese nationalen Bewegungen eine neue nationale Bourgeoisie verkörpern und die erste Gelegenheit nutzen werden, um sich von ihren linken Anhängseln zu befreien. Deswegen ist es so wichtig, dass die Linke ihre Unabhängigkeit bewahrt und vor allem keinerlei Kompromisse in Bezug auf Arbeiter, Frauen und Menschenrechte überhaupt macht. Und dort wo "antiimperialistische" Befreiungsbewegungen zur Macht gelangt sind und mit diktatorischen Mitteln gegen die eigene Bevölkerung regieren, sind sie schlicht Feinde, mit denen es keinen Kompromiss mehr geben kann. Wenn die Menschen sich gegen so ein Regime wehren, ist das uneingeschränkt gut und es ist die Pflicht von Linken sie zu unterstützen selbst dann wenn auch andere dies mit anderen, weniger ehrlichen Motiven tun." (Email v. 29.6.09 an Christoph R. Hörstel, Shraga Elam, Hartmut Barth-Engelbart u.a.)

Im übrigen hat der TREND-Mitherausgeber Karl-Heinz Schubert als Demo-Teilnehmer vor der westberliner Oper am 2. Juni 1967 den "Solidaritätsaufruf für die iranischen Demokraten von TeilnehmerInnen der Demonstrationen am 2. Juni 1967 in Berlin" unterschrieben.

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Rund 20 GenossInnen kamen zur Veranstaltung mit Robert Schlosser am 13. Juni in die LUNTE zum Thema "Der drohende Zusammenbruch der Kapitalakkumulation stellt die Systemfrage". Nach seinem Referat entspann sich eine ebenso kontroverse wie spannende Diskussion bei gegenseitiger Würdigung der jeweils gegnerischen Position. Dies war bemerkenswert.  Immerhin diskutierten GenossInnen von der IKS, Wildcat, GiS, FreundInnen der Klassenlosen Gesellschaft und GenossInnen aus anarchistischen und sozialistischen Zusammenhängen miteinander.

Die TREND-Herausgeber sehen mit dieser Veranstaltung erneut bestätigt, dass es gleichermaßen, wie wir seit nunmehr über 13 Jahren eine strömungsübergreifende Onlinezeitschrift produzieren, möglich ist, "im wirklichen Leben" strömungsübergreifende Diskussionsveranstaltungen zu organisieren, die trotz oder gerade wegen widerstreitender Meinungen inhaltlich voranbringen.

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Neben der Vorbereitung der Septemberstreikveranstaltungen nach gleichem politischen Konzept, stehen wir auch weiterhin in der Vorbereitung einer Veranstaltung zum Thema Die Krise der Staatsschule. Deshalb führen wir, obwohl es immer noch nicht  (wunderbar) zur Eröffnung des Neuköllner "Schülerknast" gekommen ist, diese Rubrik weiter. Diesmal mit einer Darstellung der Schulpolitik der Linken 1966 - 70,  die die historisch bedingten subjektiven Irrungen und Wirrungen der damaligen Bewegung  exakt nachzeichnet. In der Zwischenbilanz der Untersuchung heißt es dann, Peter Brandt zitierend, und dessen Aussage ist heute noch von prinzipieller Bedeutung: "Nur die revolutionäre Jugendorganisation vermag die Auseinandersetzungen in den einzelnen Schulen mit denen an den Universitäten und Betrieben zu koordinieren und mit dem Ziel der sozialistischen Revolution zu vermitteln. Diese Organisation kann natürlich nicht von heute auf morgen gemacht werden, sie muss entstehen."

Wenn Johannes für die Gruppe REVOLUTION  im  Hinblick auf die aktuellen Schülerkämpfe resümiert: "Der erste Schulterschluss zwischen Studierenden und SchülerInnen (und zu kleinen Teilen auch ArbeiterInnen im Bildungssystem) setzte damit ein wichtiges Zeichen im Protest gegen das Bildungssystem der BRD, welche einen Großteil der Menschen links liegen lässt, weil angeblich nicht genug Geld da sei.", dann ist ihm als Revolutionär ein breites Bündnis des kleinsten Nenners wichtiger als (zumindest) der Versuch, diese Tageskämpfe mit dem Kampf um den Sozialismus zu vermitteln.

Für die Internationale Kommunistische Strömung ist der Verzicht auf die Propagierung des Sozialismus durch die revolutionären Kräfte kein Problem. IKS thematisiert nicht einmal, warum sich ihre kommunistischen Ansichten nicht mit denen, die da wegen Schul- und Bildungsfragen auf der Straße sind, verbinden (lassen). Stattdessen staunen sie über vermeintliche proletarische Diskurs- und Vermittlungsformen: "Bedeutsam aber ist, dass sie dort, wo sie deutlich proletarische Züge annehmen, genau dieselben Grundzüge annehmen wie woanders in der Welt. Was mancherorts an Selbstinitiative, an Debattenkultur, an Organisationsfähigkeit, an Kreativität und Fantasie in den letzten Tagen zu Tage trat, ließ auch uns staunen."  Und behaupten, dass "die alten Einsichten der sozialistischen Arbeiterbewegung" von den mittelständischen AkteurInnen gleichsam naturwüchsig "wiederbelebt" werden, ohne zu erkennen, dass in den Bildungsprotesten nur das hohe der Lied der "deutschen" Staatsschule angestimmt wurde, welches bereits in der Marxschen Kritik am Gothaer Programm eine entsprechende Abfuhr erhielt.

So verwundert es freilich nicht, dass sich viele Fehler aus der Anfangsphase der SchülerInnenbewegung der 60/70er Jahren heute zu wiederholen scheinen. Und deshalb: Warum soll nicht auch in der Frage der SchülerInnen- und StudentInnenproteste gelten, aus der Geschichte lernen? Und wenn ja, was?

Womit wir wieder bei der unbeliebten Frage nach der Bedeutung von Theoriearbeit und ihrem Verhältnis zur politischen Praxis angelangt wären. Doch dazu ein andermal; denn es ist Sommer und es duftet nach Heu.....

TREND(s) im Netz - hier die jüngsten* Zahlen:

Die BesucherInnenzahlen vom Juni 2009, in Klammern 2008, 2007

  • Infopartisan gesamt: 113.873    (134.588, 200.991 )
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  • Es wurden 3.197  Ausgaben der Agit 883 aufgerufen.
     
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  •  106 Mal wurden die Flugblätter der Haschrebellen gelesen

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Portal-Seite Infopartisan
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Der am meisten gelesene TREND-Artikel im Juni 2009:
Herr Else und der Kotzkü(l)bel zum Iran
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Herr Else und der Kotzkü(l)bel zum Iran
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