Bernard Schmid  berichtet aus Frankreich

Nachrichten vom Eisenbahnerstreik
 

5-6/2018

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13. April 2018: Neues von der Protestfront

Transportstreik wird fortgesetzt; die Bahndirektion behauptet einen Rückgang der Beteiligung – Aufgrund der durch die Mehrheitsgewerkschaften gewählten Strategie lässt die Beteiligung an Basis-Vollversammlungen tatsächlich zu wünschen übrig, wie auch linke Basisgewerkschafter/innen kritisch anmerken – Mehrere Versuche zu berufsgruppenübergreifenden Initiativen: Versammlung „der kämpferischen Sektoren“ im Saint Lazare-Bahnhof, Demo in Marseille, Aktionstage am 19. April und 05. Mai – Doch Auseinandersetzungen um die Rolle politischer Parteien – 30 % Flug-Ausfälle bei Air France am Mittwoch, den 11. April – Die CFDT entsolidarisierte sich vom Streik bei Air France, ruft jedoch mit zum Aktionstag in den öffentlichen Diensten am 22.05.18 auf – Mehrere bestreikte Hochschulsitze wurden geräumt; Polemiken um Polizeieinsatz in Nanterre.

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Die Direktion der französischen Bahngesellschaft SNCF zeigt sich eifrig bemüht, die Streikbeteiligung beim derzeitigen Arbeitskampf herunterzurechnen. Und triumphiert bereits in den Medien, von denen einige eifrig mit ins Horn stoßen. Zumal einige bürgerliche Propaganda-, pardon: Presseorgane und TV-Sender sich inzwischen offensichtlich auf Mitteilungen über das Leiden der armen-geplagten-ja-als-Geiseln-genommenen Passagiere und ihren „Widerstand“ spezialisiert haben; vgl. etwa für ein paar (eher unappetitliche) Kostproben: http://www.lepoint.fr (über das, heul, unendliche Leid der Fahrgäste) oder: https://www.francetvinfo.fr/ (über den Kreuzweg der nicht-streikenden Bahnbeschäftigten, schluchz jammer; Quelle: öffentlich-rechtliches Fernsehen).

Zwar blies in der öffentlich-rechtlichen bzw. privatkapitalistischen Berichterstattung auch beim (erfolgreichen und ohne Unterbrechung populären) Streik der Eisenbahner/innen sowie der öffentlichen Dienste im berühmten Herbst 1995 den Teilnehmer/inne/n der Wind ins Gesicht. Doch damals hatte dies relativ geringe Auswirkungen auf die öffentliche Meinung, welche weitgehend standhaft und auf der Seite der Streikenden blieb. In diesem Jahr, es ist nicht zu leugnen, zeigt sich die Öffentlichkeit weitaus gespaltener; auf gesamtgesellschaftlicher Ebene sind die Gewerkschaften schwächer und die Entsolidarisierung stärker als vor 22 Jahren geworden. Sicherlich könnte diese öffentliche Meinung auch heute im positiven Sinne „kippen“ - also zugunsten der Streikbewegung -, wenn es ihr gelingt, Identifikation zu schaffen und als Herausforderer der Regierung, der etablierten Kräfte, der (wirklich) Privilegierten im Lande zu erscheinen. Derzeit scheint das Kippen allerdings eher in die falsche Richtung stattzufinden.

Eine massive Propagandawalze – die allerdings auch schon 1995 existierte, damals jedoch ohne durchschlagende Wirkung – stellt ihrerseits die Eisenbahner/innen als „privilegierte Beschäftigte mit Arbeitsplatzgarantie und fetten Gehältern“ dar. Dabei hat die Staatsspitze es verstanden, in ihrem Vorgehen sich relativ geschickt von den dicksten Klöpsen und Lügen in der Hass- und Neidpropaganda abzusetzen und dadurch einen geradezu gemäßigt wirkenden Ton anzuschlagen. Bei seinem großen TV-Interview am gestrigen Donnerstag mittag etwa konnte man Staatspräsident Emmanuel Macron sagen hören, er lehne es ab, die Eisenbahner als zu Unrecht „Privilegierte“ hinzustellen; er wisse, dass dies falsch sei. Um gleich warnend hinzuzufügen, die Regierung werde ihren Stiefel in Sachen „Reform“ der Eisenbahngesellschaft SNCF durchzuziehen, und ein Einknicken komme überhaupt nicht in Betracht. // Vgl. etwa zusammenfassend zu diesem Punkt: https://finance.orange.fr/ //

Bürgerliche Medien stellten die Dinge am Freitag mittag (13. April 18) dergestalt dar, als nehme die Beteiligung an der Streikbewegung ab. Diese läuft – wie wir bereits berichteten – in Form mehrerer hintereinander folgender Episoden ab: Streik am 03./04. April, danach Wiederaufnahme des Verkehrs (mit einigen Störungen, die örtlich und je nach Linie sehr unterschiedlich ausfielen), Streik am 08./09. April, danach Wiederaufnahme des Verkehrs, nun wieder Streik am 13. und 14. April (also heute und morgen)..

Bei der zweiten Streikepisode am 08. und 09. April etwa hatte die Direktion der SNCF selbst im Vorfeld angekündigt, die Beteiligung werde bei insgesamt 35 Prozent des Gesamtpersonals liegen. Das Ausmaß einer Streikteilnahme ist in Frankreich in den Transportbetrieben in aller Regel vorher abzusehen, denn das Gesetz zum „Notdienst“ (Loi sur le service minimum), verabschiedet im Hochsommer 2007 unter der Präsidentschaft Nicolas Sarkozy, verpflichtet alle Bahnbeschäftigte, 48 Stunden im Voraus zu erklären, ob sie voraussichtlich arbeiten oder streiken werden – um die Auswirkungen eines Arbeitskampfs einzudämmen. Hinterher erklärte die Bahndirektion dann jedoch zur selben Streikepisode, die Beteiligung habe bei „29,7 Prozent“ gelegen; und bei 49 % in den zum Fahren von Zügen unentbehrlichen Beschäftigtengruppen (Lokführer/innen, Bordpersonal – d.h. Schaffner/innen, denn ein Arbeitskampf durch kostenlosen Verkehr der Züge ist seit einem höchstgerichtlichen Urteil von 1989 verboten – und Weichensteller/innen). Dabei gehört es jedoch zu den langjährig erprobten Tricks der Bahndirektion, Streikbeteiligungsquoten herunter zu rechnen, indem etwa nur Arbeitskampfteilnehmer/innen zu einer bestimmten Uhrzeit berücksichtigt werden, was die Streikteilnehmer/innen einer anderen Schicht am selben Tag „ausspart“ bzw. herausrechnet. Die „CGT-Eisenbahner“ (CGT cheminots) gibt etwa an, dass dadurch Schwankungen in einer Größenordnung von 9 % erzielt werden.

Am heutigen Freitag, den 13. April gibt die Bahndirektion nun an, die Streikbeteiligung insgesamt liege bei nur noch 25 Prozent. In den drei oben genannten Beschäftigtenkategorien liegt sie demnach angeblich dieses Mal bei 39 Prozent. Mehrere Medien schreiben vor diesem Hintergrund nun bereits eine „Erschöpfung“ der Streikbewegung herbei. // Vgl. etwa, in triumphierendem Tonfall : https://www.capital.f; oder etwas neutraler gehalten: http://www.europe1.f respektive https://finance.orange.fr/ //

Dies dürfte dennoch voreilig sein. Aber Eines stimmt sicherlich: Auch progressive oder radikale Bahnbeschäftigte geben an, viele ihrer Arbeitskolleg/inn/en suchten sich unter den insgesamt 36 (!), bis Ende Juni präzise angekündigten, doch auseinandergerissenen Streiktagen „à la carte“ ein paar passende Streiktage heraus. Und, fügt dieselbe Quelle hinzu, die Teilnahme an den Basis-Vollversammlungen in den bestreikten Eisenbahn-Anlagen lasse zu wünschen übrig. Was auch kein Wunder sei, da die Beschäftigten vor Ort über den Streikrhythmus nichts zu entscheiden hätten, wenn der genaue Streikkalender bereits vorab und von oben (durch eine Vereinbarung der Gewerkschaftsapparate, in diesem Falle CGT – CFDT – UNSA, gegen die Auffassung von SUD Rail) festgelegt worden sei. Vgl. dazu: http://leraildechaine.org

Es bleibt nur zu hoffen, dass dadurch nun keine Dynamik zum Einbrechen der Streikbewegung eingeleitet wird. Hoffnung könnte dadurch aufkommen, dass die Bahn-Streikbewegung aus ihrer potenziell drohenden gesamtgesellschaftlichen Isolierung herausgeholt wird, indem unterschiedliche „kämpfende“ Sektoren zusammengeführt werden. Dazu gibt es mehrere Versuche und Anläufe. Auf linken E-Mail-Listen zirkuliert etwa ein Aufruf für eine Vollversammlung unterschiedlicher „kämpferischer Bereiche“ (secteurs en lutte) zusammen mit Bahnbeschäftigten, an diesem Samstag Vormittag um 11 Uhr am Saint Lazare-Bahnhof in Paris. Prompt antwortete darauf jedoch an diesem Freitag früh eine weitere E-Mail mit dem Argument, halt, dies gehe nicht, um dieselbe Zeit finde bereits eine andere Versammlung rund um streikende Bahnbeschäftigte an der „Gare de Lyon“ (ebenfalls in Paris, obwohl ihr Name „Lyoner Bahnhof“ bedeutet) statt. Koordination fällt manchmal schwör…

Auf breiterer Ebene gibt es Versuche, ebenfalls unterschiedliche Sozialproteste und Arbeitskonflikte zusammenzuführen. So gibt es mehrere Aufrufe zu sektorenübergreifenden Aktionstagen.. welche allerdings eventuell ebenfalls drohen könnten, sich gegenseitig in die Quere zu kommen. Auf regionaler Ebene wird an diesem Samstag, den 14. April 18 in Marseille demonstriert, dazu ruft u.a. auch die CGT des Bezirks um Marseille (Bouches-du-Rhône) auf. Hinzu kommt dann am kommenden Donnerstag, den 19. April ein Aufruf zu einem frankreichweiten Aktionstag, den der Dachverband CGT lanciert hat, jedoch einseitig und ohne Absprache mit anderen Verbänden – was die rechts von der CGT stehenden Dachverbände CFDT und FO schnell als Rechtfertigung für einen Nicht-Aufruf nutzten (wir berichteten), was aber auch durch den linkeren Gewerkschaftszusammenschluss Solidaires kritisiert wurde. Die Beteiligung daran bleibt abzuwarten. Ferner gibt es einen, eher aus Basisinitiativen und aus dem radikaleren Spektrum kommenden, Aufruf für einen Aktionstag am Samstag, den 05.05.18. Diesen Appell startete ein gut besuchtes Treffen am Abend des 04. April d.J. im Pariser Gewerkschaftshaus (wir berichteten darüber am 06. April).

Streit und Diskussionen gibt es, aus diesen Anlässen, unter anderem um die Rolle politischer Parteien. Die bürgerlichen Medien, allerdings nicht nur diese, rücken dabei gerne die Rolle des linkspopulistischen oder linksautoritären Ex-Präsidentschaftskandidaten Jean-Luc Mélenchon in den Vordergrund (dessen überaus gesundes Ego nicht eben dazu beiträgt, seine Rolle zu minimieren). So behaupten bürgerliche Medien etwa, die Marseiller Demo von diesem Sonnabend – 14.04.18 – finde, so wörtlich, „rund um Jean-Luc Mélenchon“ statt. // Vgl. etwa https://www.20minutes.fr/societe/2249715-20180405-marseille-manifestation-stop-macron-autour-melenchon-14-avril // Dies ist ohne jeglichen Zweifel mindestens stark vergröbend, denn auch mehrere Gewerkschaften und soziale Initiativen rufen dazu auf, und das Vorbereitungstreffen fand in den Räumlichkeiten der CGT in Marseille statt. Dennoch trug Mélenchons Auftreten (der Mann ist Abgeordneter für einen der Marseiller Wahlkreise und nahm selbst am Vorbereitungstreffen teil) und seine ultimative Aufforderung an andere Linkskräfte, ihr Spitzenpersonal müsse nach Marseille kommen – nachdem Mélenchon zuvor ihre Rolle bei der aktuellen Sozialprotestbewegung abgewertet hatte, vgl. unseren Beitrag vom 06.04.18 – zu dem Eindruck bei, er stehe irgendwie im Vordergrund. // Vgl. http://www.parismatch.com/ // Bürgerliche Medien, die ganz gerne mit Mélenchon polemisieren, welcher seinerseits einen dankbaren Streitteilnehmer liefert, weiden das Ganze genüsslich aus.

Von radikalerer Seite gibt es durchaus heftige Kritik an der Rolle etwa Mélenchons; vgl. http://www.communisteslibertairescgt.org - Zugleich jedoch gibt es, ebenfalls von radikalerer Seite, auch Aufrufe zur Teilnahme an den Demonstrationen etwa in Marseille am 14. April, sowie am durch die CGT ausgerufenen Aktionstag fünf Tage später. // Vgl. http://unautrefutur.org/ // Wahrscheinlich wird man in der Realität ziemlich genau hingucken müssen, wer zu welchem Zeitpunkt was unternimmt, da unterschiedliche Kräfte zugleich agieren und mal gemeinsam an einem Strang ziehen, mal gegeneinander um Profilierung bemüht scheinen.

Über die Rolle der CFDT (einer der beiden stärksten Gewerkschaftsdachverbände in Frankreich neben der CGT, an der Spitze rechtssozialdemokratisch) oder jedenfalls ihres Apparats hingegen dürfte es, von einem progressiven Standpunkt aus, wenig Streit geben.

Bei der Eisenbahngesellschaft SNCF scheint die CFDT-Spitze bereits den Landeanflug, also das Herunterkochen des Konflikts, vorzubereiten. Ihr Chef, pardon: Generalsekretär Laurent Berger jeweils spricht bereits zum jetzigen Zeitpunkt von substanziellen „Fortschritten“ // vgl. https://finance.orange.fr sowie http://www.lefigaro.fr //. Diese möchte er u.a. in dem Zugeständnis der Regierung erkennen, die Öffnung des Bahnverkehrs für private Konkurrenzfirmen (neben der SNCF) doch auf gesetzlichem Wege und nicht über Exekutivverordnungen (ordonnances) – wie ursprünglich angekündigt – vorzunehmen. Da scheint jemand bereits den nächsten Super„kompromiss“ mit der Regierung vorzubereiten…
 

Unterdessen hat die CFDT sich bei der Fluggesellschaft Air France, wo Mitte dieser Woche - am 10. und 11. April d.J. – zwei Streiktage stattfanden (rund dreißig Prozent der Flüge fielen lt. Angaben des Unternehmens aus) und weitere vier Streiktage angekündigt sind, ihre Unterstützung für den Arbeitskampf verweigert. // Vgl. http://www.lefigaro.fr ; und zum Arbeitskampf als solchem: http://www.lefigaro.fr/ //

Hingegen ruft die CFDT in den öffentlichen Diensten zum nächsten gewerkschaftlichen Aktionstag – nach dem überaus erfolgreichen Mobilisierungstermin vom 22. März 18 – mit auf. Er ist für den 22. Mai dieses Jahres angekündigt. // Vgl. http://www.lefigaro.fr/ //

Auch die Studierendenbewegung gegen das am 08. März dieses Jahres in Kraft gesetzt Gesetz unter dem Titel ORE (Orientation et réussite des étudiants) wird fortgesetzt. Allerdings mit starken örtlichen Ungleichzeitigkeiten. Laut einer Zählung der Pariser Abendzeitung Le Monde in ihrer Mittwochs-Ausgabe (erschienen am Dienstag Abend, 10. April 18) waren zu dem Zeitpunkt rund fünfzehn Hochschulstandorte in Frankreich – von insgesamt rund einhundert – von Blockaden und Besetzungen betroffen. Wir berichteten bereits über die Attacken von militanten Faschisten auf Streikversammlungen, die nach wie vor fortgesetzt werden. So erhielt eine Außenstelle der Universität Paris-IV („Neue Sorbonne“) an der Pariser porte de Clignancourt – mitten in einem relativ stark durch Einwanderung geprägten Stadtteil - am gestrigen Donnerstag; den 12. April unerbetenen Besuch von gewaltaffinen Rechtsextremen. // Vgl. https://www.youtube.com oder http://www.revolutionpermanente.fr // An Gruppen, die an solchen Attacken beteiligt sind, wurden mittlerweile die Action française (AF), Gruppierungen der „identitären Bewegung“ sowie mutmaßlich die Reste/Nachfolger der traditionellen universitären Faschistengruppierung GUD (Groupe Union Défense) identifiziert.
Unerwünschten Besuch anderer Art erhielten weitere (oder z.T. dieselben) Universitäten. Am Montag, den 09. April 18 wurde etwa die Hochschule Nanterre – nordwestlich an Paris angrenzend – infolge eines mehr oder massiven Einsatzes der Bereitschaftspolizei CRS geschlossen. Auch Verwaltungspersonal der Universität kritisierte, wie auch die etablierte Nachrichtenagentur AFP berichtet, energisch den vorausgegangenen Polizeieinsatz auf dem Hochschulgelände als „noch nie erlebt“. // Vgl.
http://www.lefigaro.fr // Zuvor war ein Hochschulgebäude besetzt worden, unter Beteiligung der autonomen Szene, wie die Universitätsleitung behauptete. Letztere will von dem heftigen Polizeieinsatz jedoch erst nach dessen Beginn unterrichtet worden sein. Hingegen hatte die Leitung der Fakultät von Tolbiac (der Name bedeutet deutsch „Zülpich“), einem zur Sorbonne gehörenden und in den 13. Pariser Bezirk ausgelagerten sozialwissenschaftlichen Fachbereich, zu Anfang dieser Woche Polizeikräfte für die Räumung besetzer Räumlichkeiten angefordert. // Vgl. http://www.lefigaro.fr/ // Tolbiac bildet traditionell eine Hochburg studentischer Protestbewegungen. Aber die Polizeipräfektur – die Pariser Polizeiführung – lehnte einen solchen Einsatz zunächst ab; die Örtlichkeiten scheinen aus ihrer Sicht dazu weitgehend ungeeignet (der Hochschulstandort Tolbiac liegt über drei Hochhäuser mit bis zu 22 Etagen und mehreren Untergeschossen verteilt). In der Nacht vom Donnerstag zum Freitag, vom 12. zum 13. April jedoch umstellten stärkere Polizeikräfte die Gebäude. Entgegen ersten verbreiteten Meldungen erfolgte die Räumung in dieser Nacht jedoch nicht (NACHTRÄGLICHE ANMERKUNG: …sondern erst in der darauffolgenden Woche).

Das neue Gesetz unter dem Titel ORE soll den neu eingeführten Zugangsbeschränkungen zu Universitäten, wie sie derzeit mit der Internetplattform Parcoursup (Abkürzung für „Hochschullaufbahn“, parcours d’enseignement supérieur) experimentiert werden und ab dem Studienjahr 2018/19 greifen sollen, eine gesetzliche Grundlage verleihen. Ein Teilnehmer am Auswahlverfahren – eine Lehrkraft in Jura an der Sorbonne, übrigens dem einzigen Fachbereich, der die freiwillige Erprobung von Parcourssup akzeptierte – berichtete dem Autor dieser Zeilen am Rande der Demonstration von 5.000 Anwältinnen und Anwälten am Mittwoch, den 11. April d.J. (gegen das geplante neue „Justizgesetz“) von haarsträubenden Auswahlpraktiken. Diese sind absolut intransparent und sollen zugleich, offiziell, den Zugangsbeschränkungen eine „objektive“ Grundlage - beruhend etwa auf Eignungsmängeln für das Hochschulstudium – verleihen. Die Zugangsauswahl erfolgt unter Rückgriff auf automatisierte Algorithmen. Gespeist wird das System mit mehreren Elementen, die wiederum schwerlich „objektivierbar“ sind, wie der „Bewertung (von Schüler/inne/n einer Abitursklasse) durch den Direktor“ und „durch den Klassenlehrer“. Diese, von der Natur der Sache her vielleicht doch relativ subjektiv ausfallenden, Elemente sollen in Zahlen und Punkte umgerechnet werden. Letztendlich scheint sich das Ganze eher wie eine Art Lotterie darzustellen..

Bislang jedenfalls gilt in Frankreich das Prinzip, dass das Abitur zum allgemeinen Universitätszugang berechtigt. Der bis dahin letzte Versuch einer Regierung, Hürden und Barrieren zu errichteten, scheiterte im Dezember 1986 an einer massiven Protestbewegung. Auch damals übrigens protestierten respektive streikten Studierende und Eisenbahner/innen (nahezu) gleichzeitig, und ihre jeweilige Dynamik verstärkte sich gegenseitig. Ob das auch in diesem Jahr funktionieren wird? Es bleibt zu hoffen…. Fortsetzung folgt!

Editorischer Hinweis

Diesen Bericht erhielten wir von B. Schmid für diese Ausgabe.