Internationale linke Autoren, Verleger, Künstler und Organisationen rufen zum Boykott der „Linken Buchtage“ auf
Presse-Email von Boykott-Kampagne „Linke Buchtage“ vom 11. Juni 2012

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Es ist etwas geschehen, das nicht geschehen darf (1): Ein linker Verlag, der Laika Verlag aus Hamburg, ist von den „Linken Buchtagen“, einer Buchmesse, die vom 15. bis 17. Juni in Berlin stattfinden wird, verbannt worden. Der Grund: Der Verlag hatte 2011 Texte von israelkritischen internationalen Autoren – darunter Noam Chomsky, Amira Hass, Moshe Zuckermann – in einem Buch mit dem Titel „Mitternacht auf der Marvi Marmara“ veröffentlicht.

Seit dem Ausschluss des Verlages rufen internationale linke Autoren, Verleger, Künstler, Organisationen, Aktivisten zum Boykott der „Linken Buchtage" auf. Der Herausgeber des Marvi-Marmara-Bandes, *Moustafa Bayoumi*, der Filmregisseur *Ken Loach*, der Verleger *Eric Hazan*, die Autoren *Moshe Machover*, *Tariq Ali*, *Ilan Pappé, *Institutionen wie* *das* Alternative Information Center (AIC) *in Jerusalem* *und viele andere bekunden ihre Solidarität mit denen, die von neokonservativen Kriegstreibern und Rassisten zum Schweigen gebracht werden sollen bzw. verteidigten ihr politisches Recht, ihre Texte ungehindert zu vertreiben. Sie unterzeichneten einen Boykott-Aufruf, der veröffentlicht wurde und dessen Unterstützerliste weiterhin ständig aktualisiert wird: http://boykottlinkebuchtage.blogspot.de

Nachdem die Veranstalter der „Linken Buchtage“ wegen ihres Vorgehens in die Kritik geraten waren, haben sie am 25. Mai eine Erklärung abgegeben, deren Aussagen den Konflikt weiter verschärfen: Sie pochen auf ihr tatsächlich existierendes juristisches Recht, den Laika Verlag ausschließen zu dürfen. „Den Laika Verlag haben wir nicht eingeladen“, sagen sie.

In ihrer politischen Begründung behaupten sie, dass die Gaza-Flottille „die Grenze dessen, was linke Politik bedeutet, nach rechts hin überschritten hat“. Sie behaupten, die „Free-Gaza“-Aktion sei „von Beginn an von israelfeindlichen und antisemitischen Parolen“ begleitet gewesen. Und sie empören sich über die „weltweite Verurteilung Israels“, nachdem neun Passagiere der Marvi Marmara von der israelischen Armee erschossen worden waren. Darüber hinaus behaupten sie, dass in dem Buch „Mitternacht auf der Marvi Marmara“ „antisemitische Ressentiments bedient“ und ein „Bündnis mit radikalen Rechten und islamistischen FundamentalistInnen akzeptiert“ werde. Abschließend betonen sie, sie würden nicht dulden, dass derartige „antisemitische Positionen“ auf den „Linken Buchtagen“ diskutiert werden.

Umso absurder die Ankündigung am Schluss ihrer Erklärung: „Durch die bereitwillige Boykottankündigung einiger Verlage und AutorInnen sehen wir jedoch das Zustandekommen der Buchtage gefährdet. Auch wenn wir in einer solchen Reaktion keine Grundlage für ein gemeinsames Projekt sehen […] verwehren wir uns hiermit – sollten die Drohungen aufrecht erhalten bleiben – nicht länger gegen die Anwesenheit des Laika Verlags.“ Die Behauptung, es habe „Drohungen“ gegeben, ist eine Lüge und nichts weiter als ein kläglicher Versuch, sich als Opfer zu inszenieren.

 Der Laika Verlag hat mittlerweile erklärt, dass er nicht bereit ist, „einfach zur Tagesordnung überzugehen“ und sich unter die „Organisationshoheit“ von Veranstaltern zu stellen, die opportunistisch und unberechenbar handeln. „Wir es geradezu grotesk, dass ein linker Verlag wie der LAIKA-Verlag gegen einen antideutschen Wächterrat kämpfen soll, um an linken Buchtagen teilnehmen zu können.“

Um deutlich zu machen, dass es hier nicht nur darum geht, einen linken Verlag von „Linken Buchtagen“ auszuschließen, sondern darum, jegliche Israelkritik, den Antikapitalismus und die Friedensbewegung historisch zu delegitimieren und als „antisemitisch“ und „rechtsradikal“ zu kriminalisieren: In den vergangenen Jahren wurden auf den von „antideutschen“ Neokonservativen mehr und mehr dominierten „Linken Buchtagen“ (sie werden u.a. von der neoliberalen Tageszeitung „taz“, der „Jungle World”, einem führenden Organ der „antideutschen“ Neocons, promotet) immer wieder offensiv bellizistische Positionen vertreten. Vor allem kam es häufiger zu rassistischen Entgleisungen gegen die muslimische Bevölkerung. So konnte der „Jungle World“-Autor Thomas Maul dort ungestört seine Hetztiraden absondern, ohne dass sich die Veranstalter daran störten. Thomas Maul hält ein Kopftuchverbot für Muslimas für „nicht nur eine von vielen nötigen, sondern die entscheidende integrations- und frauenpolitische Maßnahme unserer Zeit, die zugleich sicherheits- und einwanderungspolitische Effekte nach innen sowie politische Signalwirkung für den Kampf gegen den Islamismus nach außen zeitigen würde“. Als Rufe aus dem Publikum, wie „Ich hasse die Moslems, das wird man doch noch sagen dürfen“ kamen, schritten die Veranstalter der „Linken Buchtage“ nicht ein. (2) 

Auch ein jüngst erschienener Artikel in der „taz“ über die „Linken Buchtage“ gibt Aufschluss, wo bei den Veranstaltern und ihren Unterstützern das Herz schlägt: „Bei den Auseinandersetzungen an Bord der ,Mavi Marmara‘ kamen neun Aktivisten ums Leben, auch israelische Soldaten wurden verletzt“, wird die Bluttat des israelischen Militärs zynisch relativiert. Jörg Sundermeier vom an den „Linken Buchtagen“ beteiligten „Verbrecher Verlag“ begrüßte die Zensur internationaler Kritik an Israel.

 Wieder einmal ist in Deutschland ein Albtraum Realität geworden. Kriegstreiber, Rassisten, Antikommunisten, Täterenkel, die die deutsche Schuld auf das palästinensische Kollektiv abwälzen wollen, und andere Linken-Hasser – beispielsweise Clemens Heni, der an der Universität Tel Aviv eine Rufmord-Kampagne gegen Moshe Zuckermann gestartet hat* – werden am Wochenende ihre reaktionäre Politik mit dem Label „Linke“ camouflieren.

Gebt Euch nicht als Statisten für diese schmutzige Inszenierung her – boykottiert die „Linken Buchtage“!

Hoch die internationale Solidarität!

Editorische Hinweise

Boykott-Kampagne „Linke Buchtage“
Kontakt:
boykott.linkebuchtage@googlemail.com

Lesehinweise und weiterführende Informationen:

Fussnote 1 von red. trend: Aber leider nicht das erste Mal, nur 2008 mit umgekehrtem politischen Vorzeichen. Siehe dazu Presseerklärung des ça ira-Verlags und der AG Kritische Theorie zum Ausschluß aus der Linken Literaturmesse Nürnberg am 16.11.2008

Fussnote 2 von red. trend: siehe dazu den Artikel von Peter Nowak in TREND 7-8/10