Ein bisschen Pro-Deutschland-Stimmung auf den Linken Buchtagen
Wenn Islamkritik in Hass umschlägt – eine Beobachtung auf den linken Buchtagen 2010-06-27 in Berlin

von Peter Nowak

7-8/10

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Sex, Djihad und Despotie, heißt ein im Freiburger Ca Ira-Verlag erschienenes Buch, das der Autor Thomas Maul im Rahmen der linken Buchtage am Samstagnachmittag im Mehringhof vorstellte.

Das Thema versprach aus mehreren Gründen interessant zu werden. Der kleine Freiburger Verlag, ist bekannt dafür, Themen jenseits des linken Mainstreams aufzugreifen und diesem damit manchmal kräftig auf die Füße zu treten. Ich bin mit vielen Thesen gerade in Büchern zu aktuellen Themen nicht einverstanden, aber das ist nun mal nicht Sinn eines guten Buches. Daher fand ich auch die Ausladung des Verlages von der Linken Buchmesse in Nürnberg im Jahr 2008 falsch. Ich habe meinen Besuch bei der vom Ca Ira-Verlag im letzten Jahr im Nürnberger Komm organisierten Separatveranstaltung auch als Solidarität veranstalten und habe das veranstaltete Tribunal gegen diese „linken Hausmeister“ als bitter-böse-bissige Veranstaltung durchaus goutiert. So viel Humor muss sein.

Eigentlich hätte auch die Buchvorstellung mit Thomas Maul eine solche Veranstaltung werden können. Oder vielleicht doch nicht. Ist doch die Ankündigung eine Aneinanderreihung von Glaubenssätzen.

So heißt es im Programm der Linken Buchtage:  „In Thomas Mauls kritischer Analyse des klassisch-schariatischen Geschlechterverhältnisses und der ihm entsprechenden Sexualpolitik im Spannungsfeld von Religion (Eschatologie, Ritualpraxis) und Gesellschaft (Patriarchalismus, orientalische Despotie, Djihad-Doktrin) erweist sich die Gemeinschaft der Gläubigen (Umma) als wesenhaft durch einen Phallozentrismus konstituiert, der in der Moderne notwendig in die Krise gerät. Die gegenwärtige barbarische Gewalt des Kollektivs ist damit nichts anderes denn eine anachronistisch-pathologische Verteidigung der im Verfall begriffenen Tradition und gilt in letzter Instanz immer dem (sexuell) selbstbestimmten Individuum.“

Allein der Begriff der kritischen Analyse versprach eine interessante Veranstaltung. Doch das wurde nicht eingelöst. Der Autor las eher lustlos vier Passagen aus dem Buch vor, bevor er einen Text vorlas, der an die hermetischen Antiimp-Flugblätter der 80er Jahre erinnert. Dort wurde ein Rundumschlag gegen alle gemacht, die der Referent für Kollaborateure mit dem Islamismus hält, der alternative CSD und Judith Butler natürlich, die Berliner Genderstudies, etwas abgeschwächter wurde dann auch ein Jungle Word-Dossier von Elfriede Müller et. al,, Teile der Antisemitismusforschung und auch Obama abgewatscht. Und am Ende wurde von Maul gleich festgelegt, was nicht Gegenstand der Diskussion sein sollte, beispielsweise das es eine Islamophobie in Deutschland gibt. Das ist eine besondere Masche der Islamfreunde und daher diskutiert er nicht darüber, betonte Maul vor der Pause.
„Ich hasse die Moslems, das wird man doch noch sagen dürfen“

Nun meldete sich nach der Pause ein Zuhörer zu Wort ( ich nehme ihn hier nach dem Anfangsbuchstaben seines Vornamens J.), der die These widerlegte, in dem er in der Geste des deutschen Tabubrechers erklärte, er hasse Moslems, das müsse man mal sagen und man müsse das auch mal praktisch machen. Nun hätte man denken können, dass es bei der Intervention des in mehr als dreißig Jahren in diversen kommunistischen Kleingruppen geschulten Mannes um eine Art Rollenspiel handelte, um die Reaktionen eines Publikums zu erkunden, dem gerade apodiktisch verkündet wurde, dass es keine Islamophobie gibt und sich gar jede Diskussion darüber erübrigt, wenn dann jemand ein Bekenntnis zum Hass auf Moslems ablegt. Da hätte der Referent schon um seine These zu verteidigen, eingreifen müssen. Da ein Großteil des Publikums mal in Antifakreisen unterwegs gewesen sein dürfte und Kenntnis von Rassismustheorien hat, wäre eine Intervention eigentlich von dort naheliegend gewesen. Aber die kam nicht einmal in der Form einer Nachfrage, wen er damit nun meint. Einen antisemitischen Mob, das auf einen Multi-Kulti-Fest in Hannover jeden eine jüdische Tanzgruppe wütete oder auch die Frau mit Kopftuch und Kinderwagen, die einen in den Berliner U-Bahnen begegnet. Dann hätte darüber diskutiert werden müssen, wie es dazu kommt, dass ein jahrelanger Aktivist in linken Kleingruppen sich auf den linken Buchtagen zum Hass auf eine Gruppe der Bevölkerung bekennt. Die nächste Frage wäre gewesen, ob die vom Referenten vertretenen Thesen nicht Schützenhilfe dafür geben und natürlich, wieweit es mit der nicht existierenden Islamophobie her ist, wenn sie just auf dieser Veranstaltung offen und unzweideutig ausgesprochen werden kann. Es hätte ein Erschrecken, ein Innehalten bei einem Publikum geben müssen, wenn es ihm um eine emanzipatorische Islamkritik gegangen wäre. Da es aber weder vom Referenten noch vom Publikum eine solche Reaktion kam, muss man schlussfolgern, dass sie das Bekenntnis zum Hass auf Moslems mindestens tolerieren, wenn nicht gar unterstützen. Es gab auch einige Gesten, die als Zustimmung gewertet werden konnten.

Ein bisschen Pro-Deutschland-Stimmung ist okay?

Diese Nichtreaktion auf das Bekenntnis zum Hass auf Menschengruppen und die Nichtbereitschaft des Referenten, detaillierte Kritik an den vorgetragenen Thesen seines Buches (siehe letzter Abschnitt) auch nur ohne Unterbrechung anzuhören, veranlasste mich dann zu der Generalkritik, dass es sich hier um eine Veranstaltung handeln, an der die Pro-Deutschland-Bewegung Freude hätte. Vielleicht hätte einer ihrer schlaueren Funktionäre den bekennenden Islam-Hasser sogar zur taktischen Mäßigung in der Öffentlichkeit geraten. Diese Generalkritik verwandelte die Veranstaltung dann zur endgültig zur Preview für den Pro-Deutschland-Parteitag, der aber erst in den nächsten Wochen in Berlin abgehalten wird.

 Ein Teil des Publikums und der Referent forderten mich, der deutschen Konsens kritisierte, zum Verlassen des Raumes auf. Der bekennende Moslemhasser baute sich drohend vor mir auf. Schließlich weiß er, dass er sich mit seinen Äußerungen auch im Rahmen der deutschen Gesetze machte und er jemand, der ihn kennt, wohl kein weiteres Belastungsmaterial liefern wollte. Schließlich dürfte nicht unbekannt sein, dass es auch in der emanzipatorischen Linken Menschen der Ansicht sind, dass bei aller Kritik an Staat und Recht bekennenden Hassern von Minderheiten manchmal auch die Grenzen durch das bestehende Recht gezeigt werden sollten. Zumindest dann, wenn das zivilgesellschaftliche Engagement der bei der Veranstaltung anwesenden ZuhörerInnen mangelhaft ist. Es geht hier aber nicht um eine generelle Aburteilung. Einige ZuhörerInnen im Publikum wagten nachdem ich des Raums verwiesen worden war, noch einige zaghafte kritische Bemerkungen zu Details aus den Ausführungen des Referenten.

Islamhass in der Praxis

Ich bin aber der Meinung, dass nach dem Bekenntnis zum Islamhass eine solche Diskussion nicht mehr möglich war, sondern genau dieses Bekenntnis zum Gegenstand der Debatte hätte werden müssen. Das will ich hier noch kurz begründen und mit einer Selbstkritik verbinden. Das Bekenntnis zum gruppenspezifischen Hass im Seminarraum der Schule für Erwachsenenbildung mag man für eine Marginalie ohne gesellschaftliche Auswirkungen halten. Aber das ist eine falsche Einschätzung. Es ist eher bezeichnend, dass unter sich doch als irgendwie emanzipatorisch sich verstehenden Menschen ein offenes Bekenntnis zum Hass auf Gruppen hingenommen wird. Als hätte nicht der Mörder von Mavan S. Hass auf die Moslems als Grund angegeben, dass er die Frau, im Gerichtssaal erstochen hat, nachdem er sie vorher wegen ihres Kopftuchs beleidigt und sie ihn angezeigt hatte. Hasst J. auch sie, weil sie ja nicht nur eine formale sondern eine bekennende Moslemin war?

Manchen dürfte auch noch bekannt sein, dass ein Großteil der Nichtdeutschen, die seit 1989 durch Rassisten und Alt- und Neonazis zu Tode kamen, Moslems waren, also von J. gehasst werden. Darunter ist auch jener Safwan Eid, der einen rassistischen Brandanschlag überlebte, als von der „deutschen Mehrheitsgesellschaft als Täter hingestellt wurde und durch das zivilgesellschaftliche Engagement antirassistischer Gruppen und durch die Arbeit engagierte Rechtsanwältinnen freigesprochen werden musste. Damals hatten sich auch noch einige der Gruppen vehement für Safwan Eid eingesetzt und jede Diskussion über die Beweise, wie sie damals der Journalist Wolf-Dieter Vogel anstellte, schon als Kollaboration mit dem deutschen Staat gegeißelt , die heute jede Diskussion über Islamophobie als Kollaboration mit den Islamismus denunzieren und nicht in der Lage oder nicht gewillt sind auf bekennende Islamhasser wie J. auch nur zu reagieren .

Ressentiment im Konkurrenz-Kapitalismus

Diese Regression vom Ex-SDAJ-Funktionär und späteren Sympathisanten der Marxistischen Gruppe J. zum bekennenden Moslemhasser verdient ebenso wie die Mutation von ehemals Hard-Core-Antideutschen zum Vorfeld der Pro-Deutschland-Bewegung eine genauere Betrachtung, die hier nicht geleistet werden kann. Nur soviel dazu.

Die Nahost-Politik und die islamistischen Anschläge des 11.9.2001 sind nur die Folie für diese Veränderungen. Wesentlicher ist das Gefühl eines akademischen Kleinbürgertums, in den von ihnen favorisierten Stadtteilen auch mit Moslems zusammenleben zu müssen. Sie werden als KonkurrentInnen am Arbeitsmarkt, beim Jobcenter, am Wohnungsmarkt, in den Kitas und Schulen empfunden. Es ist also in erster Linie das kapitalistische Konkurrenzverhältnis, das hier zu Ressentiment und Islamhass führt. Bei dem Grünen Klientel führt das Ressentiment dazu, die eigenen Kinder in Privatschulen zu geben, weil angeblich in Kreuzberg und Neukölln zu viele Kinder mit moslemischen Hintergrund die Qualität verderben. Auch bei oft prekär Beschäftigten AkademikerInnen, Studierenden in den letzten Semestern etc. wird die Konkurrenz durchaus registriert. Solidarische Kämpfe für bessere Arbeitsbedingungen, für bessere Schulen etc. haben sie schon längst aufgegeben, wenn sie solche Kämpfe je geführt haben. Das Ressentiment gegen Moslems ist also ihre Reaktion, mit den gar nicht erfreulichen Folgen im Konkurrenzkapitalismus umzugehen. Es ist eine Art Standortrassismus, wie er auch in vielen fordistischen Fabriken anzutreffen ist. Die ganze oft sehr intellektuell daherkommende akademische Begründung ist nur eine notdürftige Fassade, an denen sich die Ex-Linken vom gewöhnlichen deutschen Ressentiment abgrenzen wollen. Aus J., der als langjähriger kommunistischer Kleingruppenaktivist weniger Probleme mit den deutschen Ressentiments hatte, spricht es daher auch offener wie auf einer nichtöffentlichen Pro-Deutschland-Versammlung.

Kleiner Exkurs. Leon de Winter und der Konkurrenzkampf der Nationen

In der Monatszeitschrift Konkret6/2010 war ein fiktiver Brief des holländischen Schriftstellers Leon de Winter an Obama abgedruckt, in dem er den Nahostkonflikt in der Folie von Kämpfen verschiedener Nationen beschreibt. „Unser Konflikt geht um die große Schmach, dass ein so kleines Land mehr Erfindungen patentieren kann und Jahr für Jahr mehr wissenschaftliche Durchbrüche erreicht als die ganze islamische Welt zusammen. Wir haben mehr islamische Nobelpreisträger als die gesamte islamische Welt. Einen höheren Lebensstandard, mehr Freiheiten, eine unabhängige Justiz. Winter kritisiert hier aber nicht etwa, wie anzunehmen wäre, einen Konkurrenznationalismus, der davon ausgeht, dass alle BewohnerInnen eines Landes hinter „ihrer“ Nation in der Wissenschaft, in der Kultur etc. zu stehen habe auch Erfolge auf diesen Gebiet als seinen Erfolg wahrnimmt. Im Umkehrschluss heißt das auch, die BewohnerInnen unterentwickelt gehaltener oder ökonomisch schwacher Staaten haben nichts als ein schlechteres Leben zu erwarten. Wie Winter die Identifikation von Bevölkerung und Staatsinteressen treibt, zeigt sich an Folgenden Absatz. „Wir haben unser Gemeinwesen auf trockenen öden Sand aufgebaut, ohne Ölgeld. Die saudischen Prinzen entschieden sich derweil, mit ihrem Ölreichtum einen mittelalterlichen Staat mit Perversen und Heuchlern zu errichte.“ Hier zeigt sich der Konkurrenznationalismus am deutlichsten. Durch das Wir wird eine Identifikation mit dem jeweiligen Staat konstruiert, die andere Seite wird noch zusätzlich stigmatisiert und gedemütigt. Der Islam und nicht etwa der Islamismus werden zum Problem erklärt. Dieser Brief war aber nicht Gegenstand einer kritischen Diskussion über Nationkonstruktionen, die immer mit Ausschluss verbunden sind, wie dieser Brief gut zeigt. Er wurde vielmehr von einigen AktivistInnen ins politische Handgemenge eingeführt, mit dem Hinweis, hier handle sich um wichtige Charaktersierungen des Islam, beispielsweise auf einer israelsolidarischen Kundgebung am 12.6. vor der Bundesgeschäftsstelle der Linkspartei. Die problematische Ethnisierung und Nationalisierung des Konflikts werden dabei übersehen.

Nun zur Selbstkritik

Dass es auf die theoretische Fassade nicht ankommt, zeigte sich bei der Veranstaltung deutlich. Thomas Maul las lustlos aus seinen Buch, wurde von seinen Freunden mehrmals aufgefordert, die Stimme hochzuziehen und kam erst bei dem Verlesen seiner Thesen in Fahrt. Maul war auch nicht bereit, über die Thesen des Buches zu diskutieren. Die wären es durchaus Wert gewesen, diskutiert zu werden. Es ging um Beschneidungen und Genitialverstümmelungen und den Umgang damit auch in Teilen der Genderstudies – und postfeministischen Kreisen. Da lieferte Maul sicher einige polemische aber treffende Beobachtungen Das Hauptmanko des Buches: er führte diese Genitialverstümmelungen monokausal als Beweis für die islamische Menschenfeindlichkeit an und übersieht dabei mehreres:

Hier nur in Stichworten:

  • in mehreren westafrikanischen Ländern versuchen Frauengruppen und zivilgesellschaftliche Initiativen mit Unterstützen von Imamen gegen Genitialverstümmelungen vorzugehen. Dort ist das Problem gerade nicht der Islam sondern die Clanstrukturen. So versuchen die AktivistInnen dort die Frauen für ihr Anliegen zu gewinnen, die die Genitialverstümmelung vornehmen und die in der Clanstruktur dadurch Einfluss haben.

  • Maul kritisiert mit Recht Statements aus dem Bereich der Genderstudies, die die Gewalt relativieren, die durch die Genitialverstümmelung für die Frauen und Männer bedeutet. Aber ihn selber interessieren die Betroffenen nicht. Er hat weder eine der Initiativen noch eine der Betroffenen, die auch durchaus an die Öffentlichkeit gegangen sind, zitiert.

  • Mauls Absicht, ist es den Islam zu denunzieren, wird die Genitialverstümmelung und seine Opfer dienen im nur als Beweis dazu. Er geht so auch nicht darauf ein, dass diese Praktiken vorislamische Wurzeln haben.

  • Eine Trennung von der berechtigten Ablehnung der Genitialverstümmelung und einen antiislamischen Ressentiment ist von Maul nicht angestrebt. So ist es ihm auch keine Betrachtung Wert, dass der Beschneidungsdiskurs beispielsweise antisemitisch aufgeladen wurde und gegen Jüdinnen und Juden verwendet wurde.

Da Maul auch bekannte, kein Wort arabisch zu sprechen, für sein Buch nur Sekundärquellen aus dem Internet und ein Buch aus dem 11. Jahrhundert verwandt zu haben, wird noch einmal deutlich, dass es ihm tatsächlich nicht um eine inhaltliche, kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Genitialverstümmelung ging. Mein Fehler war, eine solche Auseinandersetzung noch für möglich gehalten zu haben, nachdem schon das Bekenntnis von J. im Raum stand. Erst als Maul die sachlichen Argumente unterbrochen hatte, merkte ich, dass es ein Fehler war, den ich dann aber noch korrigierte, in dem ich deutlich machte, dass ich kein noch so kritischer Teil des Pro-Deutschland-Klimas auf einer linken Buchmesse sein will und werde.
 

Editorische Anmerkung

Den Artikel bekamen wir vom Autor für diese Ausgabe.

Zu dem hier wiedergegeben Sachverhalt, dass ein gewisser J. gesagt haben soll: „Ich hasse die Moslems, das wird man doch noch sagen dürfen“ gibt es eine Stellungnahme der Org-Gruppe der Linken Buchtage, in der es heißt:

"Die Aussage, man »müsse sagen dürfen, dass man die Moslems hasst« ist auf der Veranstaltung nicht getroffen worden"