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Aus CONTRASTE Nr. 171:

VOM INFORMATIONSDIENST
ZUM ID VERLAG
ID-Verlag wird 10 Jahre

von Bernd Huettner, Bremen

12/1998
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Wir gratulieren: Der "ID Verlag" (bis 1997: Verlag "Edition ID-Archiv") wurde im Herbst zehn Jahre alt. Damit beging eine Institution der radikalen Linken ein Jubilaeum. Die erkleckliche Anzahl von genau 102 Buchtiteln hat der ID Verlag seit 1988 veroeffentlicht.

Das erste Produkt des Verlages war eine Dokumentation zu den veroeffentlichten
Reaktionen auf die Schuesse auf zwei Polizeibeamte an der Startbahn West im November 1987. Die Reaktionen wurden aus dem umfangreichen Archiv von Stadt- und Alternativzeitungen des ID in Frankfurt zusammengestellt. Der ID (Informationsdienst zur Verbreitung unterdrueckter Nachrichten) erschien von 1973 bis 1981 als woechentlicher Info-Dienst und war das Paradebeispiel an Alternativpresse und ihrem Prinzip der Gegenoeffentlichkeit.
1988 gab es den ID schon sieben Jahre nicht mehr und das Stadtzeitungsarchiv des ID war voellig verschuldet. Auf der Suche nach PartnerInnen stiessen die ID-Leute auf das renommierte IISG (Internationales Institut fuer Sozialgeschichte) in Amsterdam. Dieses uebernahm das ID-Archiv samt zwei Mitarbeitern und fuehrte es als Abteilung in seinem Haus weiter.

Die "Edition ID-Archiv

Bald enstand das Beduerfnis mit dem reichlich vorhandenen Material zu arbeiten und es auch in Buchform der Oeffentlichkeit zugaenglich zu machen. So entstand
der Verlag Edition ID-Archiv. Der Grossteil der anfaenglichen Titel bestand aus Literaturlisten, den Verzeichnissen der AlternativMedien und denen der lieferbaren Broschueren. Bald kamen auch andere Titel, die von "aussen" an den Verlag herangetragen wurden, hinzu.

Schwerpunkte der Verlagsarbeit sind linke und linksradikale Geschichte, hier liegen mehrere Dokumentenbaende, z.B. zur Roten Armee Fraktion, zu den Revolutionaeren Zellen/Rote Zora, zur Neuen Linken oder das meistverkaufte Buch der bisherigen Verlagsproduktion (5. Auflage!), Feuer und Flamme. Zur Geschichte der Autonomen des Autors Geronimo vor. Weitere Schwerpunkte sind internationalistische Themen (mit Titeln u.a. zur Italien, Mexico, Tuerkei und USA) und seit 1993/94 vor allem die Debatte um Politik und Kultur.

"die beute"

Die Beschaeftigung mit Kultur wurde von der Edition ID-Achiv mit angestossen und - befoerdert. Seit 1994 erschien vierteljaehrlich die aufwendig gestaltete Zeitschrift die
beute, die sich ausdruecklich den Moeglichkeiten der Zusammenarbeit von politischer und kuenstlerischer Opposition widmen wollte. 1997 geriet die beute in eine Krise und nach einer Aenderung des Konzeptes, weg von einer Kollektivredaktion hin zu zwei Herausgebern, erscheint Die Beute als Neue Folge nun halbjaehrlich.

Edition ID-Archiv und Die Beute werden professionell erstellt, ueber eine gute Pressearbeit beworben und legen erfolgreich Wert auf eine wahrnehmbare Praesenz im immer schwieriger werdenden Metier des (linken) Buchhandels. Trotzdem macht der Verlag in seinen 20 besten Buchhandlungen ein Drittel seines gesamten Buchhandelsumsatzes.

Der ID Verlag ist der groesste linksradikale Verlag im deutschsprachigen Raum und beeinflusst schon allein dadurch die Theorie der (radikalen) Linken - und, wenn auch in geringerem Masse, ihre Praxis. Seine erfolgreichen Titel erreichen nach Eigenangabe Auflagen von bis zu 5.000 Exemplaren. Er hat mit seinen Buechern, mensch denke nur an den Text zu triple oppression, Drei zu eins, bei ID erstmals 1991 veroeffentlicht, oder auch den ersten Titeln zur Kulturdebatte wesentlich zur
Weiterentwicklung des Standes der Bewegung beigetragen. Aber schon die beute hatte nach einigen Heften unuebersehbare Ermuedungserscheinungen. Zwar fanden sich darin etliche lesenswerte Texte, gerade auch zu internationalistischen Themen, aber der Rest war doch eher beliebig oder auch, etwa in der Hofierung des demokratisch gewendeten Regulationstheorie-Vordenkers Joachim Hirsch, reformistisch bis peinlich.

Verlage altern mit ihren Verlegern, sagte Martin Hoffmann, Mitbegruender des ID-Verlages auf einer Veranstaltung des Infoladens Exzess am Rande der Frankfurter Buchmesse 1996, und meinte damit den Zustand der anderen Verlage zur Zeit der Gruendung der Edition ID-Archiv. Heute waere seine Aussage auf den ID-Verlag selbst anzuwenden. Seine Macher, durchweg Maenner, duerften sich langsam auf die 40 zubewegen, ja sie vielleicht schon ueberschritten haben. Die ID-Produkte werden zusehends Buecher fuer die Leute jenseits der 30, deren vorrangige Taetigkeit darin besteht, zu lesen. Leute, die sich in der linken Krise und ihrer gewiss reflektierten Kommentierung eingerichtet haben und sonst halt noch ein bisschen Unterhaltung
wollen, und dazu eignen sich exotische Themen (RAF!, Kunst!, Italien!!, Immaterielle Produzenten!!!), die mit dem eigenen Leben doch wenig zu tun haben, am besten. Ja, es soll sogar Leute geben, die (fast) jedes Buch von ID kaufen, nur weil ID draufsteht. ID und noch viel mehr Die Beute sind eine Ware, ein Warenzeichen geworden, wo es auf den Inhalt schon gar nicht mehr ankommt, mit allen negativen Folgen, die das
mit sich bringt. So ist ID zwar der groesste, aber nicht (mehr) der beste linksradikale Verlag. Im Internationalismus und Antirassismus z.B haben die Titel von Libertaere Assoziation und Schwarze Risse einen weit hoeheren Gebrauchswert.

Einige Angaben wurden aus dem Beitrag 'Zur Geschichte des ID-Verlages` von ID-Mitbegruender Martin Hoffmann aus dem gerade beim ID-Verlag erschienenen
SubversionsReader (264 S., 20 DM) entnommen.

Kontakt: ID-Verlag, Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin,
Fax (0 30) 694 78 08

Im Internet
http://www.txt.de/id-verlag/id_home1.htm
http://www.txt.de/id-verlag/beute/Beute.NF.htm

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