Nachlese zum TREND Teach-in
Rechtspopulismus und die Linke (17.12.11)

12/11

trend
onlinezeitung

Einige Anmerkungen zur Diskussionsveranstaltung zur Veranstaltung  „Rechtspopulismus und die Linke“ 

von Peter Nowak
 

Gibt es die Antideutschen überhaupt noch und wer sind sie? Diese Frage stellen sich einen, wenn die NEA am 19.12. Dezember gemeinsam mit Trend im Mehringhof organisiert hat. Eigentlich hätte diese Veranstaltung seit mindestens 10 Jahre, also nach der offenen Rechtswende des Bahamas-Flügels der Ex-Antideutschen jederzeit stattfinden können. Insofern haben auch die Veranstaltungskritiker_innen von der Emanzipativen & Antifaschistischen Gruppe (EAG) recht, wenn sie am Ende ihres  schreiben Kritikpapiers schreiben: „Die linke Szene hat offene Flanken nach rechts? Erzählt uns was neues“. Allerdings will ihr Kritik ganz ausgewogen sein und nur nachweisen, auch der antiimperialistische Flügel seinen rechten Rand  und die Tageszeitung junge Welt  mehr Leser_innen als die Bahamas. Aber genau diese Position, die dann dabei stehen bleibt, zu konstatieren, beide Seiten haben Dreck am Stecken, also lassen wir es, darüber zu reden, ist eigentlich besonders langweilig. Zudem scheint die EAG übersehen zu haben, dass es gerade in den letzten Monaten, nach dem junge Welt-Titelblatt zum Mauerbau am 13.August zahlreiche Kritiktexte und auch Boykottaufruf gegenüber der jungen Welt gab, in denen neben der Mauerverherrlichung        auch die Haltung des Blattes zu  Politikern wie Ahmadinedschad und Lukaschenko genannt werden. Da wäre doch eher die EAG zu fragen? Wo bleibt  ein solcher Aufruf gegenüber Bahamas? Der wäre spätestens dann nötig gewesen, als dort ein Text der italienischen  Rechtspopulistin Oriana Fallici abgefeiert wurde, der wie Bernhard Schmid in seinem  gerade erschienenen Buch „Distanzieren leugnen drohen“, die europäische extreme Rechte nach Oslo“ beschreibt,  einer der Schlüsseltexte einer rechten Strömung wurde, die sich unter proamerikanischen und proisraelischen Slogans sammelt. In Fallicis Text geht es nicht um den Islam, sondern um Migrant_innen aus afrikanischen und asiatischen Staaten, die sie beschuldigt, die italienische Kultur zu schänden. Der Höhepunkt  ihrer Hetzschrift, wegen der es in mehreren Staaten Klagen antirassistischer Gruppen gab, ist das Bekenntnis, sie hätte eigenhändig Zelte angezündet, in denen die Migrant_innen auf einen zentralen Platz in Florenz im Kampf für ihre Rechte aufgestellt hatten, wenn sie nicht vorher von der Polizei geräumt worden wären. Über einen solchen Text und ihre Autorin sollte nicht mehr diskutiert werden.. Hier sollte die alte Parole gelten: „Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen“ und auch ein Text ist eine theoretische Praxis. Warum eine solche doch in Antifakreisen wohlbekannte Parole so schwer umzusetzen scheint, wenn es um Blätter geht, die mensch vielleicht einmal gelesen hat, das wäre eine interessante Frage gewesen. Doch die wurde im Mehringhof kaum gestellt. Denn dafür hätte  man erst einmal erkennen müssen, dass die Bahamas längst nicht mehr die Leitlinien derer vorgibt, die sich      heute noch als antideutsch oder israelsolidarisch verstehen. Viele dieser Gruppen können sehr wohl zwischen einer Kritik am Islam und den Islam und einen antimuslimischen Rassismus unterscheiden, auch wenn sie vielleicht den Begriff Islamophobie nicht verwenden, was auch Schmid in seinen Buch nicht tut. Um den Beweis für diese Differenzierung zu treffen, hätte die im Nordosten Berlin aktive NEA nicht lange suchen müssen. In der Auseinandersetzung um den Moscheebau in Heinersdorf positionierte sich die  EAG in ihren Text „Kommunismus statt Heinersdorf ganz klar, gegen den antimuslemischen Rassismus und wurde dafür auch von dem Bahamas-Umfeld heftig kritisiert.   

Die neueste Rechte in Köln 

Solche Differenzierungen gibt es in dem sogenannten antideutschen Umfeld auch in vielen andere Fragen.  Ein Blick auf die bei Trend publizierten Texte zeigen es. Die Georg-Weerth Gesellschaft Köln, die dort als Bahamas-Dependance fungiert, moniert, dass antideutsche Gruppen in ihrem Aufruf zu den Protesten gegen die  Bonner Einheitsfeierlichkeiten tatsächlich noch eine radikale Kritik an nationaler Vergemeinschaftung üben. Obwohl von den Verfassern des antideutschen Aufrufs in diesem Kontext Israel weder erwähnt noch gemeint ist, schreiben die Kölner Bahamas-Ableger:          

„Dies ist nichts als der aktuellste Zungenschlag antizionistischer Hetze, die die falschen Freunde Israels nicht einmal wahrnehmen, weil sie sich als Bürger Europas, in welches sich die deutsche Ideologie verallgemeinert hat, schon in einer postnationalen Welt eingerichtet haben.“

Nach dieser Logik ist also Antisemit, wer nationale Vergemeinschaftung kritisiert. Wenn von der gleichen Gruppe  der Publizist Felix Klopotek als Soft-Antiamerikaner  kritisiert wird, weil er das Gefangenenlager Guantanamo  kritisiert, weiß, wohin die Reise dieses Grüppchen geht, dass den Namen des Radikaldemokraten Georg Weerth okkupiert hat. Im Schulterschluss mit Rechten aus den USA und Israel könnte hier das Personal bereitstehen, dass die Pro-Bewegung von ihrer neonazistisch belastenden Gründergeneration befreit.

Dieses Beispiel zeigt nur: Die Antideutsche Bewegung gibt es nicht. Es gibt eine rechte Strömung, das Bahamas-Umfeld, die keine Linken sind, nicht sein wollen   und die auch nicht immer wieder auch von Gegnern der Antideutschen weiterhin als Antideutsche verkauft und damit eigentlich gebauchpinselt werden sollen. Und es viele Gruppen, die in den letzten Jahren in konkreten Auseinandersetzungen auf der antideutschen und irsaelsolidarischen Seite positioniert haben, die aber eben den Weg nach Rechts nicht mitgegangen sind und teilweise von linken Kritiker_innen noch immer in die Ecke der Bahamas geschoben werden. Teilweise passiert das aus Unkenntnis der Entwicklung in der Szene. Wie ja auch Attila Steinberger im Mehringhof erklärte, von der realen Politik sogenannter antideutscher Gruppen keine Ahnung zu haben. Aber das ist auch ein Problem. Denn die reine Ideologiekritik kann dann mehr verdecken als     aufklären.  

Anspruch eines dritten Lagers ernstnehmen

Daher wäre es wünschenswert gewesen, wenn genau auf diesen Aspekt, der Ausdifferenzierung im israelsolidarischen und antideutschen  Lager beim Trend-Teach-IN eine größere Beachtung geschenkt worden wäre, gerade um den aufklärerischen Impuls in den Mittelpunkt zu stellen und den Anspruch der Referenten von einem dritten Lager ernst zu nehmen.

Denn, auch da hat die EAG Recht, auch das antiimperialistische Spektrum hat seinen Bahamas-Flügel, der aber war an dem Abend nicht Gegenstand der Kritik, was vom Thema her auch okay. Dass aber im Publikum manche jeden Verbalverriss gegen die Antideutschen besonders scharf beklatscht haben, die jeden gerne in die antideutsche Ecke schieben wollen,    der nur von Antisemitismus redet,  zeigt, dass eine Veranstaltung auch über rechte Einfallstore   bei einem regressiven Antizionismus ebenfalls ein dringendes Thema eines vielleicht   zukünftigen Teach-INS wäre.  Auch da natürlich mit der nötigen Differenzierung, nicht jeder der für eine Einstaaten-Lösung eintritt, ist Antisemit. Aber das  dürfte sowieso klar sein.   

Um nicht zu negativ zu enden:  Neue Erkenntnisse brachte die Veranstaltung dort, wo  die Rechtswende des Bahamas-Flügels schon bei der Positionierung während des Balkankonflikts verortet wird. Wo auf einmal nicht mehr die transnationale Idee der vereinigten  sozialistischen  Balkanrepubliken sondern der Staat Jugoslawien zum Bezugspunkt wurde und im Kosova-Konflikt auch das rassistische  Klischee von den albanischen Hütchenspielern verwendet wurde, wurden tatsächlich Wurzeln gelegt, die so unterschiedliche Saaten wie die Bahamas, die Volksinitiative und die Georg Weerth Gesellschaft mit dem regressiv antizionistischen junge Welt-Kommentator Werner Pirker zusammenbringt.

Editorische Hinweise

Den Text erhielten wir vom Autor.