CHINA Berichte von Reinhold Schramm

Arbeitsbeziehungen in China
Die Entwicklung hin zum Kapitalismus ist fortgeschritten und unumkehrbar.
Auszüge aus einer Studie

12/07

trend
onlinezeitung

Auch bereits im Jahr 2005 und 2006 erfolgte in den bürgerlichen Gesellschafts-Wissenschaften eine ungeschminkte nüchterne Beurteilung der gesellschaftlichen Realität. Für die gesellschaftspolitischen Zielvorgaben ist dies eine wichtige Voraussetzung für politisch-ideologische, (vor allem) ökonomische, soziale, geopolitische und militärische Transformation; - für die Durchsetzung imperialistischer (auch sozialdemokratisch - reformistischer) Politik.

Analoge Studien betreiben auch die Wissenschaftseinrichtungen der deutschen Groß-, Konzern- und Monopolunternehmen; - eine wichtige Voraussetzung für deren politische und ökonomische Zukunftsstrategie. - Zukunftsplanung dient der Existenzabsicherung der bestehenden kapitalistischen Eigentumsverhältnisse - auch in Deutschland und Europa.
                                                       Reinhold Schramm / Berlin

"Auseinandersetzungen um mangelnde rechtliche und soziale Bedingungen in den Arbeitsbeziehungen finden nicht mehr in einem kommunistischem System statt, vielmehr in einem pragmatischen, auf marktwirtschaftliche Entwicklung orientierten System mit ausgeprägten autokratischen Merkmalen der Herrschaftsausübung. Allerdings wird sich die politische Führung entscheiden müssen, ob sie künftig Elementen des ungezügelten, freien Marktes oder der europäischen sozial verantwortlichen Marktwirtschaft des begrenzten staatlichen Interventionismus den Vorzug einräumen will. Dazu gehört dann auch die Gestaltung der Arbeitsbeziehungen. Der politischen Führung in Beijing darf unterstellt werden, dass sie sich der Brisanz der sozialen Frage und der Verteilungsfrage für die wirtschaftliche und politische Stabilität des Landes bewusst ist." (Seite 3)

"Die marktwirtschaftlichen Reformen führten zur Privatisierung der Arbeitsverhältnisse und Abschaffung des aus den Staatsbetrieben gewohnten umfassenden sozialen Sicherheitssystems (Abschaffung der ,Eisernen Reisschüssel'). Die Unternehmen wurden von den Sozialkosten entlastet. Bislang wurde nur ein rudimentäres soziales Sicherungssystem geschaffen (Krankheit, Alter, Arbeitslosigkeit) und ausschließlich für die städtische Bevölkerung. Lebenslange Beschäftigung in den Staatsbetrieben wurde durch zeitlich befristete Arbeitsverträge abgelöst. Massenentlassungen auf Grund marktwirtschaftlicher Rationalisierungen und Privatisierung von Staatsbetrieben trafen die Gewerkschaften unvorbereitet und handlungsunfähig. Weitgehend untätig und hilflos standen die Gewerkschaften neben den wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Umwälzungen des Reformprozesses. Die für ehemalige Kernbelegschaften neue gesellschaftliche Herausforderung der individuellen und betrieblichen Konkurrenz blieb bislang ohne gewerkschaftspolitische Antwort." (S.1)

"Als Folge der kapitalistischen Neuorientierung der Wirtschaft entstand seit Mitte der 80er Jahre ein mehrfach gespaltener Arbeitsmarkt. Millionenfache Arbeitslosigkeit im Kreis ehemaliger Kernbelegschaften der Staatsbetriebe reduzierte die Mitgliedschaft des ACGB. In den neu entstandenen Privatunternehmen wurde den Gewerkschaften meist jeglicher Zugang durch die Besitzer verwehrt.

Die etwa 120 Mio. Wanderarbeiter aus den ländlichen Hinterland bilden eine neue Klasse sozial und staatsbürgerlich entrechteter Arbeitnehmer die vielfach unter frühkapitalistischen Arbeitsbedingungen ausgebeutet werden. Von den Gewerkschaften wurden die Wanderarbeiter als Organisationspotenzial bislang völlig ignoriert." (S.1)

"In den Sonderwirtschaftszonen gründeten schrittweise marktwirtschaftlich umstrukturierte Staatsunternehmen joint ventures (j.v.) mit Kapital- und Know-how-starken ausländischen Unternehmen. In den meisten dieser Unternehmen, besonders in den westeuropäischen j.v., konnte der ACGB betriebsgewerkschaftliche Strukturen aufbauen bzw. aufrechterhalten.

Für die KPCh führte der Rückzug staatlicher Planungsintervention auf der Betriebsebene zum Wegfall betrieblicher Parteistrukturen in den Privatunternehmen. In j.v. konnten teilweise alte Kaderstrukturen bewahrt werden, aber es fehlen der KPCh die strukturellen Möglichkeiten des organisierten Betriebszugangs. Die landesweite Durchsetzung pragmatischer Wirtschaftspolitik in kapitalistischen Grundstrukturen führte zu regionalen und individuellen Ungleichzeitigkeiten und Ungleichgewichten in der wirtschaftlichen Entwicklung und Einkommensverteilung.

In den entwickelten Küstenregionen und Städten ist ein neuer, kaufkräftiger Mittelstand von ca. 250 Mio. Menschen entstanden. Er wird überwölbt von einer messbaren Schicht neureicher, teilweise extrem reicher Konjunkturgewinner. Ca. 700 Mio. Landbewohner mit einem jährlichen Durchschnittseinkommen knapp über 350 Euro leben an der Armutsgrenze und haben nur ein Ziel: Aufzuschließen zum Lebensstandard der Städter. Die Zentralregierung sieht die bedrohliche Perspektive sozialer Destabilisierung im Lande als größte innenpolitische Bedrohung der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung." (Seite 2)

Editorische Anmerkungen

Reinhold Schramm schickte uns am 13.12.2007 diese  Ergänzungen zu seinen in der letzten und der aktuellen Ausgabe veröffentlichten Informationen zur Lage in der VR China.  ("China"-Geschäfte). Sie stammmen aus:

Arbeitsplätze auf der Flucht?
Arbeitsbeziehungen in China

IG Metall - Friedrich-Ebert-Stiftung - Otto Brenner Stiftung
Bonn, 25./26. Januar 2006

Siehe auch:

Raubvermögen (nicht nur) in China
Deutsche Konzern-Aktivitäten in China
von Reinhold Schramm