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Editorial

Oberkopf mit mehr Volumen

von Karl Müller

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Unlängst beschäftigte sich die Internet-Zeitschrift "Ornament & Verbrechen" mit der Frage, warum Nazis keine Brillen tragen und kam im Hinblick auf die Zucht- und Ordnungsdressur am heimischen Herd bzw. sonstewo zu interessanten Erkenntnissen. Bedauerlicherweise gingen die AutorInnen nicht der Frage nach, inwieweit der Verzicht auf Lese- und Sehhilfen mit einem gegen Null reduziertes Oberkopfvolumen geschmacklich, mental usw. korrespondiert.

Diese Frage soll und kann hier nicht beantwortet werden, da es bei solchen Fragen - wie "Ornament & Verbrechen" zu recht feststellte - noch weiterer tiefgehender sozialwissenschaftlicher Untersuchungen bedarf. Insofern wäre - das sei hier angemerkt - so etwas eine lohnenswerte Aufgabe für die Bundeszentrale für Politische Bildung. Ja, diese Aufgabe ließe sich auch im Sinne eines Bewährungauftrages an die Landeszentralen in den neuen Bundesländer vergeben.

Was uns an diese Frage heranführte, war der ausführliche Bericht in einer fränkischen Tageszeitung, worin sehr detailliert über die Friseur- und Kosmetikmesse in Nürnberg des Herbstes ´99 berichtet wurde. Einhelliger Tenor im Gewerbe - so der Bericht: Schluß mit der Glatzenpflege! Statt dessen wieder mehr Volumen für den Oberkopf!

Wir wollen nicht verhehlen, dass wir diese Trendwende ausdrücklich begrüssen, wenngleich es offensichtlich ist, das das Motiv des Paradigmenwechsels in Fragen der Oberkopfgestaltung rein materieller Natur ist.

Ruckzuck konnte sich bisher ein pubertierender Neonazi mittels Vatis Trockenrasierer und Langhaarschneider nicht nur kostengünstig in Form bringen, sondern konnte diese Oberkopfform ebenso kostengünstig auch beibehalten. Damit dürfte es jetzt vorbei sein. Denn wenn die gescheitelte Strähne dem Vorbild gleich, leicht schmierig vom Oberkopf in Richtung Augenbrauen hängen soll, dann bedarf es mindestens der 14täglichen Nachbearbeitung im örtlichen Friseur- und Beautyshop.

Brauner Lifestyle hatte schon immer seinen Preis, man denke nur an die völlig überteuerten NaziCDs oder an die hässlichen und auch nicht billigen Londsdale-Sweatshirts. Gelbe bzw. weiße Schnürsenkel mussten nach einschlägigem Gebrauch in Springerstiefeln wegen der damit verbundenen Verunreinigung nicht selten wöchentlich durch neue ersetzt werden. Nun werden noch erhebliche Friseurkosten plus Wetgel etc. dazukommen.

Braunes Ambiente und Lifestyle werden dadurch - nur weils mehr Geld kostet - sukzessive ihre Anziehungskraft nicht verlieren. Nein, die Gefahr droht durch die Trendwende selber. Denn volumige Oberköpfe bedeuten Verlust von Uniformität. Nun sieht man wieder, wer gelockt und wer glatthaarig ist , wer schütter oder strähig oder pelzig daherkommt.

Und mal ehrlich ein Faschist mit Jimi Hendrix-Frisur, das törnt nicht an, das ist uncool. Wer´s nicht glaubt, der schaue sich mal Rainer Langhans an.

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