Bernard Schmid  berichtet aus Frankreich

Die Katze ist aus dem Sack (Teil 5)
Arbeitsrechts-„Reform“ unter Emmanuel Macron.

9/2017

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STAND: 10. September 17

Frankreich steht vor dem gewerkschaftlichen Aktionstag am morgigen Dienstag, den 12. September gegen die regressive „Reform“ des Arbeitsrechts. Ein weiterer Termin wurde durch die CGT-Spitze für den 21.09.17 angekündigt (auch, um Ex-Präsidentschaftskandidat Jean-Luc Mélenchon mit seiner Initiative am 23. September zuvorzukommen). Von Regierungsseite versteift man sich bereits im Vorfeld der Sozialproteste darauf, nicht nachzugeben, und spekuliert stattdessen bereits jetzt über gewalttätige Vorfälle. Die im August dieses Jahres bestellten Tränengasvorräte sollen zumindest psychologisch bereits ihre Wirkung tun... Präsident Emmanuel Macron führt Widersprüche/Widerstände auf „Faulpelze“ und „Extremisten“ zurück, was im Laufe des Wochenendes einige Reaktionen hervorrief...

Von Anfang an hat die französische Staatsspitze keinen Zweifel daran gelassen: Ein Nachgeben bei der Arbeitsrechts-„Reform“, deren Inhalt am 31. August d.J. verkündet worden ist (vgl. zu den inhaltlichen Eckpunkten Teil 1: http ://www.labournet.de und Teil 2: http://www.labournet.de/) wird es ihr zufolge nicht geben. In diesem Sinne äußerte sich die amtierende Arbeitsministerin Muriel Pénicaud bereits zu Anfang des Monats September (vgl. http://www.lefigaro.fr/); und am Samstag, den 09.09.17 erklärte Premierminister Edouard Philippe ganz in diesem Sinne, die geplanten Demonstrationen „werden nichts ändern“. (Vgl. http://www.lefigaro.fr/) Hoffnungen auf Änderungen an dem Entwurf, den am kommenden Mittwoch, den 22. September nun das Regierungskabinett bei seiner wöchentlichen Sitzung absegnen wird, soll sich die soziale und politische Opposition deswegen gleich abschminken.

Darauf hofft auch die deutsche Elite inständig. Ein Großteil der etablierten, der staatstragenden Medien in Deutschland quillt entsprechend über von Berichten über Macron und seine „Reform“methoden, die – solcherlei Organen zufolge – endlich Vernunft in das bislang so renitente Land der Gallier brächten. Als Beispiel nehme man nur den geradezu unverschämt dummen Artikel in der jüngsten Nummer des SPIEGEL (Papier-Ausgabe vom 09.09.2017), aus dem zum Thema folgende Zeilen zitiert seien: „Die Verhandlungen über die Arbeitsrechtsreform waren der Test für die Methode Macron. Es gelingt ihm offenkundig zu versöhnen, statt zu spalten.“ (Sic!) Und: „Aber wenn nicht alles täuscht, dann droht im Ernst kein heißer Herbst in Frankreich. Diese Arbeitsrechtsreform wird passieren, und dann kann sich keiner mehr darüber täuschen, dass hier Großes vor sich geht. Die Rede ist immerhin von einem Land, das für seine Reformunfähigkeit bis vor Kurzem so berühmt war wie für seinen Käse.“ (Seite 103, mittlere und rechte Spalte)

Ja, so viel dümmliches Geblubber und klebrige Schleimmasse quillt einem aus dem SPIEGEL entgegen. Wenn das deutsche staatstragende Organ sich da mal nur nicht zu früh freut... (Obwohl auch der Verf. dieser Zeilen annimmt, dass die Prognose eines richtig heißen Herbstes wohl falsch wäre. Dagegen spricht unter anderem das Nachwirken der historischen Niederlage im Abwehrkampf gegen das „Arbeitsgesetz“ vom vorigen Jahr, das nach fünfmonatigen Protesten am 08.08.2016 in Kraft trat.)

Und wo die ideologische Überzeugungsarbeit durch Propaganda nicht weiterhilft, da wird die französische Staatsmacht dann eben – wie bereits im vergangenen Jahr – auf mehr oder minder nackte Repression setzen. Dies deutet sich wohl an, wenn Regierungssprecher Christoph Castaner – ein früherer Abgeordneter vom rechten Flügel der Regierungssozialdemokratie zwischen 2012 und 2016, der dann zum Intimus Emmanuel Macrons wurde – bereits davon spricht, er „fürchte“ mögliche gewaltförmige Zwischenfälle respektive „Ausschreitungen“ am Rande der Demonstrationen vom Dienstag, 12.09.17. (Vgl. http://www.lefigaro.fr/ ) Solche wurden im Jahr 2016, jedenfalls in den ersten Wochen, gerne einmal durch die Polizei provoziert; auch wenn sich das Agieren des schwarz-bunten Blocks daraufhin dann später mitunter auch verselbständigte.

Zumindest psychologische Wirkung soll wohl auch die Ankündigung – die ab dem 21. August dieses Jahres durch die französische Presse ging – entfalten, die Regierung habe 22 Tonnen Vorräte an Tränengas beordert. (Vgl. eine der frühesten Meldungen dazu: https://www.marianne.net/societe/prevoyant-le-gouvernement-commande-des-grenades-lacrymo-pour-4-ans ) Dabei handelte es sich nicht unmittelbar und direkt um eine Vorbereitung auf die Sozialproteste in dieser Woche, denn es ging um die Ausschreibung unter verschiedenen Herstellern für einen Liefervertrag über vier Jahre; die Ausschreibung läuft noch bis Ende dieses Monats (September). Dennoch sprechen die Tatsache, dass diese Ankündigung öffentlich erfolgte, und das „Timing“ durchaus für einen Einschüchterungsversuch an alle, die zu protestieren beabsichtigen, im Vorfeld der anstehenden Auseinandersetzungen.

Am Freitag, den 08. September 17 äußerte sich Staatschef Emmanuel Macron persönlich, von Athen aus – er hielt in der griechischen Hauptstadt eine Pressekonferenz ab, u.a. um Reformen im Funktionieren der EU sowie der Eurozone zu fordern – zu den bevorstehenden Protesten. Dabei erklärte er u.a., es sei „nicht die Straße, die regiert“, um hinzuzufügen: „Ich werde in nichts nachgeben, weder den Faulen/Faulpelzen, noch den Zynikern, noch den Extremisten.“ (Vgl. bspw.: http://www.lefigaro.fr/) Dies rief im Laufe des Wochenendes einige empörte Reaktionen seitens der Oppositionsparteien hervor (sowie die pseudo-empörte demagogische Reaktion des rechtsextremen Front National) – vgl. http://actu.orange.fr/ und http://actu.orange.fr -, aber auch der Gewerkschaften. Selbst der nicht eben revolutionäre CFDT-Chef Laurent Berger reagierte abweisend, mit den Worten: „Ich bin kein Faulpelz!“ (Vgl. http://www.lefigaro. ; Anm.: die AFP-Meldung verwechselt leider fainéant, für „Faulenzer“, mit feignant für „jemanden, der/die so tut als ob“.)

Regierungssprecher Christophe Castaner versuchte daraufhin am Wochenende den entstandenen negativen Eindruck zurecht zu biegen. In breiten Kreisen wirkte es so, als habe sich Macron wieder einmal von seiner arroganten Seite gegenüber den subalternen Klassen gezeigt (nachdem er u.a. 2014 Arbeiterinnen in der Bretagne als „Analphabetinnen“ bezeichnete, oder 2017 das Hauptproblem der Krisenregion Nord-Pas de Calais in „Alkoholismus und Tabaksucht“ zu entdecken meinte). (Vgl. auch die Spekulationen darüber in der französischen Presse: http://actu.orange.fr/) Castaner rechtfertigte jedoch die Worte seines Chefs, indem er darauf insistierte, Chef Emmanuel Macron habe nicht die Lohnabhängigen oder so genannten Unterklassen als „Faulpelze“ bezeichnet - sondern „jene Politiker, die (zuvor regierten und) nicht den Mut hatten, die notwendigen Reformen durchzusetzen.“ (Vgl. http://www.lefigaro.fr ) Am Montag früh erklärte Präsident Macron dazu seinerseits am Rande eines Aufenthalts in Toulouse, er bedauere „absolut nicht“, diese Wortwahl getroffen zu haben (vgl. http://actu.orange.fr/ ), freilich ohne sich - etwa im Sinne seines Regierungssprechers – näher dazu zu erklären.

Am Samstag, den 09. September 17 nahmen ungefähr 350 Menschen aus unterschiedlichen Spektren der Linken, von ATTAC und linken Gewerkschaftsflügeln an einer Publikumsveranstaltung der linken Stiftung Fondation Copernic zur Arbeitsrechts„reform“ teil.

Die CGT-Führung hat unterdessen angekündigt, am Donnerstag, den 21. September einen neuen „Aktionstag“ mit Demonstrationen gegen die Arbeitsrechts-„Reform“ anzusetzen. (Vgl. http://www.lemonde.fr/ und http://www.europe1.fr/ )

Dadurch soll verhindert werden, dass es bei einem einzelnen, isolierten Aktionstag an diesem Dienstag (den 12. September) bleibt und dadurch jegliche Dynamik verpufft. Zugleich geht es ihr ferner auch darum, der politischen Sphäre nicht die Initiative zu überlassen, nachdem der linkssozialdemokatische Ex-Präsidentschaftskandidat Jean-Luc Mélenchon seinerseits für den Samstag, den 23. September 17 einen Protesttag „des Volkes“ (in seiner Diktion) zum Thema ansetzte. Dazu gab es anfänglich böses Blut zwischen CGT-Generalsekretär Philippe Martinez und Mélenchon. Anlässlich eines Zusammentreffens der beiden Männer sowie einiger Fühungsleute auf beiden Seiten am Mittwoch, den 06. September wurden jedoch anscheinend die Wogen ein Stück weit geglättet. Mélenchon hat dazu inzwischen erklärt, ihn freue die Vervielfachung von Protestterminen. (Vgl. http://actu.orange.fr/)

Fortsetzung folgt an dieser Stelle. Garantiert!

Editorische Hinweise

Den Artikel erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.