Editorial
Über Krieg & Imperialismus

von Karl Mueller

09-2013

trend
onlinezeitung

Vor 100 Jahren im Sommer 1913 erschüttert zum wiederholten Mal ein lokaler Krieg den sogenannten Weltfrieden. Diesmal zwischen Bulgarien und Serbien wegen "Gebietsansprüche", die heutige humanistische Bezeichnung für solche Kriegsgründe lautet "Menschenrechte".  Ein Jahr später wird der 1. Weltkrieg ausbrechen und marxistische  Theoretiker, wie z.B. Lenin, werden diese Entwicklungen nutzen, um den Begriff des Imperialismus auf eine materialistische Grundlage zu stellen. Von ihm stammt in diesem Zusammenhang folgender methodischer Hinweis im Vorwort zur französischen und deutschen Ausgabe von Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus:

"In der Schrift wird der Beweis erbracht, daß der Krieg von 1914-1918 auf beiden Seiten ein imperialistischer Krieg (d.h. ein Eroberungskrieg, ein Raub- und Plünderungskrieg) war, ein Krieg um die Aufteilung der Welt, um die Verteilung und Neuverteilung der Kolonien, der „Einflußsphären“ des Finanzkapitals usw.

Denn der Beweis für den wahren sozialen oder, richtiger gesagt, den wahren Klassencharakter eines Krieges ist selbstverständlich nicht in der diplomatischen Geschichte des Krieges zu suchen, sondern in der Analyse der objektiven Lage der herrschenden Klassen in allen kriegführenden Staaten. Um diese objektive Lage darstellen zu können, darf man nicht Beispiele und einzelne Daten herausgreifen (bei der ungeheuren Kompliziertheit der Erscheinungen des gesellschaftlichen Lebens kann man immer eine beliebige Zahl von Beispielen oder Einzeldaten ausfindig machen, um jede beliebige These zu erhärten), sondern man muß unbedingt die Gesamtheit der Daten über die Grundlagen des Wirtschaftslebens aller kriegführenden Mächte und der ganzen Welt nehmen." (LW 22/194)

In der vorliegenden Ausgabe dokumentieren wir die Erklärungen von zwei syrischen kommunistischen Parteien zur drohenden militärischen Intervention imperialistischer Mächte unter Führung der USA. Diese Erklärungen haben leider nichts gemein mit Lenins Ansprüchen an eine Realanalyse des "wahren Klassencharakters eines Krieges". Sie sind zwar irgendwie antiimperialistisch grundiert, aber in der Hauptseite davon bestimmt, einen nationalen Burgfrieden gegen den imperialistischen Aggressor zwischen den Klassen Syriens unter Hintanstellung der den Bürgerkrieg bestimmenden Klassendifferenzen und ökonomischen Interessen hinzukriegen.

Zu Beginn dieses Jahrtausends deutete sich an, dass in einigen Jahren die Erdölvorkommen in Syrien nicht mehr ausreichen werden, um dort den bisherigen Lebenstandard zu sichern. Damit wird der politischen Klasse, die die syrische Wirtschaft und deren Staatsbetriebe bisher lenkte, sukzessive die materielle Basis entzogen. Allein die  Möglichkeit des Umbaus des gelenkten syrischen Kapitalismus in eine neoliberale kapitalistische Marktwirtschaft rief sogleich die entsprechenden Klassenkräfte auf den Plan. Der Bürgerkrieg als Umverteilungskrieg nahm seinen Lauf. Und es bot sich eine  gute Gelegenheit für weltweit operierende Konzerne und mit ihnen verflochtenes Finanzkapital, zukünftig in dieses Teilgebiet des Nahen Ostens Kapital exportieren zu können. Schließlich ließe sich auch durch einen Krieg die geopolitische und militärische Lage in der Region zugunsten Israels und für die imperialistischen Mächte optimieren.

Bereits im vorigen Jahr begannen die imperialistischen Geier zu kreisen, um sich zeitnah über die Teilhabe an der zerrütteten syrischen Wirtschaft zu verständigen. Nachzulesen in dem Artikel "Deutsche Aasgeier über Syrien". Obgleich die Bundesregierung wegen der bevorstehenden Wahlen eine mögliche Beteiligung an einem imperialistischen Interventionskrieg gegen Syrien charmant leugnet, lassen ein bestimmtes - rein ziviles - Engagement Gegenteiliges vermuten. Am 10. Juli 2013 mitten im medialen Sommerloch eröffnete in Berlin das von der Bundesregierung finanzierte Verbindungsbüro der “Nationalen Koalition der Syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte”. Das Büro wird von einem deutschen "Nahost-Experten" geleitet.

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Seit der letzten Nummer gibt es die Rubrik "trend's Sonderseiten zur Bundestagwahl 2013", die wir in dieser Ausgabe fortsetzen. Darin stellen wir die Wahlaufrufe und programmatischen Aussagen revolutionär-antikapitalistischer Organisationen vor. Es ist einfach beschämend festzustellen, dass die darin zur Wort kommenden Organisationen sich mit der Frage "Wie den Kampf gegen Krieg und Imperialismus führen?"  im Prinzip gar nicht befassen. Bei SAV, SoL, GAM, ZK und SAS wird diese Fragestellung nicht einmal erwähnt. Die DKP lässt quasi nur im Halbsatz fallen, dass sie "breite Bündnisse" gegen die Kriegspolitik nicht schlecht fände. Die PSG mault ganz allgemein gegen die BRD-Kriegspolitik und die MLPD verspricht das "internationalistische Bewußtsein" richtig zu entwickeln. Auf die Frage, wie die Kriegsgefahr bekämpft werden soll, gibt es bei der MLPD dagegen keine Antwort.

So widerspiegeln diese Papiere nur, auf welch flachem theoretischen Niveau revolutionäre Politik in der BRD heute daherkommt. Natürlich ist nichts dagegen einzuwenden, breite Bündnisse gegen die Kriegsgefahr mit jenen zu schmieden, die aus christlicher Nächstenliebe heraus den Frieden bewahren wollen. Dass im Zeitalter des Imperialismus der Krieg eine notwendige Methode zur Verteilung kapitalistischer Einflusssphären in der Welt ist, diese Erkenntnis führt eben nicht nur theoretisch sondern auch praktisch über einen reinen Pazifismus hinaus.  Und deshalb ist die damit zusammenhängende Schwierigkeit eine doppelte. Nämlich zum einen muss die Kriegsfrage ganz im  Sinne von Lenin als Klassenfrage im Zeitalter des Imperialismus behandelt werden. Also bedarf es anstelle von ideologischem Wortgeklingel einer Realanalyse der gegenwärtigen nationalen und  transnationalen Klassen- und Kapitalverhältnisse. Zum andern muss diese Analyse sich dadurch bewähren, dass sich auf ihrer Grundlage eine gemeinsame antiimperialistische Politik all derer organisieren lässt, die den Kampf gegen die Kriegsgefahr mit dem Kampf gegen den Kapitalismus verbinden. Und gelingt dieser Zusammenschluss, dann steht danach erst die Frage nach dem "breiten Bündnis" auf der Tagesordnung.

Ich höre bereits die Einwände: Abstrakt theoretisch, vom Schreibtisch aus, ich habe andere Erfahrungen, old school Marxismus usw. usf.

Doch wer so oder so ähnlich argumentiert, der will die Einheit der Klassenlinken nicht, sondern hat sich in seiner Sektennische heimisch gemacht. Der wird zwar, wenn der imperialistische Angriff auf Syrien beginnt, auf der Straße seinen Protest zeigen, aber er wird keinen Schritt voran kommen, die eigene Bourgeoisie an der Teilnahme dieses und des nächsten Krieges zu (be)hindern.

Ist es denn wirklich so abwegig, inhaltlich den Focus der LL(L)-Demo 2014, auf den sich die meisten klassenorientierten Gruppen und Organisationen beziehen, zu nutzen, um die Arbeit an einer antiimperialistischen Plattform der Klassenlinken aufnehmen, verbunden mit dem Ziel, als breites Wahlbündnis "Rote Wahlfront" unter der Parole "Gegen Krieg & Imperialismus"  an den EU-Wahlen des nächsten Jahres teilzunehmen?

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Die Gründe dafür, dass die Klassenlinke nicht nur gesamtgesellschaftlich isoliert ist, sondern  auch in der eigenen Klasse, muss sie zuvorderst bei sich selber suchen. Und daher muss der Kampf gegen die Kriegsgefahr als Klassenkampf gegen das Kapital und sein politisches Personal so geführt werden, dass die eigene Isolierung überwunden wird. Dies wiederum macht es notwenig, über die Grundzüge eines gesamtgesellschaftlichen Entwurfs für die nachkapitalistische Zeit zu verfügen, der aus einer wirklichkeitsbezogenen  Radikalkritik der heutigen kapitalistischen Produktions- und Reproduktionsverhältnisse angeleitet ist.

Ideologische Kniefälle, die darin bestehen, den Markt als gezügeltes Strukturelement einer nichtkapitalistischen Gesellschaft beizubehalten, werden dagegen die Attraktivität solch eines Gesellschaftsentwurfs nicht steigern, sondern ihn nur als dasrüberbringen, was er ist: Eine Pseudoalternative. Diese Erwägungen haben uns veranlasst, den Genossen Helmut Dunkhase für einen Vortrag über  "Planwirtschaft im 21.Jahrhundert" zu gewinnen.

An Genossen Dunkhases Konzept von Planwirtschaft schätzen wir zweierlei. Einerseits wird er nicht affirmativ sondern kritisch mit den gescheiterten Planwirtschaftsmodellen der realsozialistischen Staaten umgehen. Andererseits liegt ihm sehr viel daran, in dialektischer Weise ausgehend von der Wertform ein Konzept von Planwirtschaft zu begründen, dass Produktion, Verteilung und Reproduktion durch Rechner gestützte und ermittelte gesellschaftliche Arbeitszeit zur Grundlage hat.

 

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