Texte
zur antikapitalistischen Organisations- und Programmdebatte

09/11

trend
onlinezeitung

Es gibt einen Überblick über alle bei TREND 2011 veröffentlichten Texte zur Debatte über Organisation und Programm, angeregt durch die "Sozialistische Initiative Berlin" (vormals Berlin-Schöneberg)

Quellentexte zur Frage von klassenpolitischen Untersuchungen in Betrieben

Bei der Abfassung des dritten und letzten Teils seiner "Skizzen über Theorie, Praxis und Programm"(zum 1. Teil, / zum 2. Teil), worin er zum zum Verhältnis von klassenanalytischer Untersuchung und Arbeit am Programm Stellung nehmen will, stieß er auf zwei Abschnitte in der Geschichte der (west-)deutschen Linken, worin ausführlich Fragen der klassenpolitischen Untersuchungen in Betrieben erörtert wurden. Auf Nachfrage, wann sein dritter Teil erscheinen wird, bat er um Verständnis, dass angesichts dieses Quellenstudiums zeitliche Verzögerungen eingetreten sind. Es empfahl uns allerdings die Vorabveröffentlichung von zwei Quellen, auf die er sich mit seinen "Skizzen" beziehen wird, damit die Debatte mit seinem "Kontrahenten" Detlef Georgia Schulze im Hinblick auf den dritten Teil schon mal beginnen kann.

Red. trend / 19. September 2011

Unione dei Communisti Italiani (Marxisti-Leninisti)
Die Durchführung einer Betriebsuntersuchung
erstveröffentlicht, Januar 1969

Die deutschsprachige Veröffentlichung erfolgte in der Nr. 52 der Roten Presse Korrespondenz am 13. Februar 1970 und verstand sich als ein Beitrag zur Frage der Aufnahme von Betriebsarbeit durch ML- und linkskommunistische Gruppen, wie sie sich im Winter 1969/70 gegründet hatten (KPD-AO, KB/ML, Harzer Gruppe, später umbenannt in Proletarische Linke). Gegen letztere Gruppe polemisierte die Mehrheitsfraktion der RPK-Redaktion in den Vormerkungen des Unione-Papiers:

"Nach wie vor sind einige Genossen der Auffassung, die in der Agitation mobilisierten würden sich auf einer gewissen Höhe der Mobilisierung selbst die für die Kämpfe notwendigen Organisationsformen schaffen. Jede politische Theorie, die von "außen" in die Fabrik käme, würde als Bevormundung, "Überfremdung" und dergleichen aufgefasst." (S.1)

Dagegen protegierte die Mehrheitsfraktion das Leninschen Parteikonzept, welches zentral davon bestimmt ist, dass in ökonomischen - besonders betrieblichen - Kämpfen kein revolutionäres Bewusstsein entstehen könne.

"Es ist schon vielfach darauf hingewiesen worden, in welcher Weise die marxistisch-leninistische Untersuchung sich vom Typus in der Untersuchung, wie er in der bürgerlichen Wissenschaft praktiziert wird, unterscheidet. Es ist gesagt worden, daß die beiden Seiten der Untersuchung, das Untersuchte und die Untersuchenden, sich im Verlauf der Untersuchung verändern. Es sind die Gegenstände, die von der Untersuchung erfaßt werden müssen, genannt worden. Aber wer - und unter welchen Voraussetzungen - Untersuchungen führen soll, darüber war keine Klarheit zu gewinnen. So wurde aus einem organisatorischen Element (der Klassenanalyse) die Untersuchung "an sich"; denn wer keine  Kriterien besitzt, mit welchen die Untersuchung begonnen werden muß, wer die ersten Resultate darum nicht beurteilen kann, systematisieren und auf das Niveau der Theorie heben kann, trennt das Prinzip der marxistisch-leninistischen Untersuchung von der revolutionären Theorie und der revolutionären Organisation und muß darum folgerichtig das, was er abschnitt, zum Gegenstand der Untersuchung selber erklären." (S.2)

Das Untersuchungskonzept der Unione sollte dagegen sicherstellen, dass eine betriebliche Untersuchung nicht ökonomistisch verkam.

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Von der Voruntersuchung zur militanten Untersuchung
AK 1 auf dem Karlsruher Workshop (1986) in TheKla 8, S. 127-133

Vorbemerkung: Zwischen 1983 und 1986 gab es zahlreiche Versuche betrieblicher Interventionen von der Karlsruher Wildcatgruppe, entstanden aus dem Interesse von Jobber-, Arbeitslosen- und Soziempfänger-Inis. Den Basistext bildete der Bericht vom "Arbeitskreis militante Untersuchung auf dem Workshop in Hamburg März 1984", welcher im Online-Archiv der Zeitschrift Wildcat zu lesen ist. Er ist dem Theorieorgan der Gruppe "TheKla" Nr. 8 entnommen. Für die Fragen, mit denen sich Karl-Heinz Schubert aus aktuellem Anlass befasst, sind insbesondere die Thesen von 1986 (aus der selben Broschüre) relevant, die in folgendem wiedergegeben werden:

Einleitungsreferat

Der Arbeitskreis, der hier zusammentritt, hat in dieser Zusammensetzung früher nicht existiert, aber er hat eine Vorgeschichte. Auch die Themenstellung enthält einen deutlichen Hinweis darauf, daß wir hier nicht am Anfang einer Diskussion stehen. Die Vorgeschichte dieses Arbeitskreises muß deshalb noch einmal kurz in Erinnerung gerufen werden.

Auf dem Hamburger Workshop vom März 1984 hatte es einen Arbeitskreis gegeben, der sich mit "Militanter Untersuchung" beschäftigte, einem damals noch ungewohnten Begriff für eine nicht ganz neue Sache. "Militante Untersuchung" stand für den gemeinschaftlich organisierten Erkenntnisprozeß, der sich auf die Lage und die Bewegungslinien in der Auseinandersetzung zwischen Kapital und ausgebeuteter Klasse richtet - ein Erkenntnisprozeß, in den wir uns nicht als Beobachter, sondern als Teil der Auseinandersetzung selbst einbringen.

Die Dringlichkeit von Erkenntnisfortschritten in diesem Feld leiteten wir aus einer Einschätzung der damals hervortretenden Erscheinungen ab. Zunächst war offenbar, daß es Kapital und Staat in Westdeutschland binnen weniger Jahre gelungen war, das Bild der arbeitenden Klasse gründlich zu ändern. Die einheitlich erscheinende Figur des Arbeiters, wie sie aus den 60er und 70er Jahren geläufig war, tendenziell einheitlich in ihren Ansprüchen und ihrem Verhalten, gleichmäßig ausgestattet mit Rechten und institutionalisierten Vertretungen - sie erschien uns unwiderruflich als Sache der Vergangenheit: ersetzt durch eine Wirklichkeit der Klassenspaltung völlig neuer Art. Das Bild, das nach mehrjährigem Einsatz der Massenarbeitslosigkeit erzeugt worden war, ließ sich so beschreiben: in der Mitte immer noch die Arbeiter mit festen Beschäftigungsverhältnissen, tariflichen und betrieblichen Lohngarantien und einem Bewußtsein gesicherter Rechtstradition und kollektiver Kraft, aber schon eines großen, vielleicht entscheidenden Teils ihrer vormaligen Stärke beraubt, nämlich der Unangepaßten, der Widersetzlichen, der Leistungsverweigerer, der "Fußkranken". Von ihnen war die Mehrzahl inzwischen auf die Straße gesetzt worden oder sie hatten freiwillig auf feste Beschäftigungsverhältnisse verzichtet. Diese bildeten nun die fluktuierende, durch die Arbeitslosigkeit und die schwindenden Arbeitseinkommen zwangsmobilisierte Randzone um jene Mitte herum: ständig wachsend, immer bedrohlicher für die dezimierten Stammbelegschaften: Befristete, Leiharbeiter, Aushilfskräfte, ABM- und Trainingstypen, allesamt wie die Schwarzarbeiter ohne Beschäftigungsgarantien, mit geminderten Rechten auf Lohn, Urlaub und bezahlte Krankheitszeiten. Für sie, für die ganze Erscheinung dieser millionenstarken Randzone hatten wir den Begriff der "Prekarisierung" aufgenommen und in die Debatte geworfen. Und wir hatten versucht, die Prekarisierung nicht als Produkt des krisenhaften ökonomischen Selbstlaufs der Kapitalverwertung zu verstehen, sondern hinter ihr gerade das sozialtechnologische Projekt im Überlebenskampf des Kapitals zu entziffern.

Das alles war nicht von hochfliegenden Hoffnungen gekennzeichnet. Nirgends ließen sich Ansätze einer neuen Homogenisierung in dem Gewoge erkennen. Die Gewerkschaften und die reformistischen Parteien (SPD, DKP, Grüne) pflasterten die Landschaft mit Beschäftigungsprogrammen und bewarben sich offen um die Funktion von Dompteuren der Klasse in einem zukünftigen, von Staatsausgaben getragenen Boom. Und mit der sich ausbreitenden alternativen Arbeitsgeilheit tauchte auch bereits der erste rein aus Zersetzungsprodukten der kapitalistischen Arbeitsmoral gebildete Bewußtseinstyp auf, der zur Freude der Sozialtechnologen des Kapitals resistent zu sein schien gegen alle Verführungen zur Arbeitsverweigerung. Konfrontiert mit diesem Angriff auf die Klasse und in Kenntnis der Beschränktheit des Ansatzes der "Jobberautonomie", mit der wir einige Erfahrungen gewonnen hatten, schlugen wir auf dem Hamburger Workshop vor, die Untersuchung der Klassenwirklichkeit neu zu organisieren. Das Konzept militante Untersuchung, so wie wir es vorschlugen, stützte sich auf das Beispiel der "operaistischen" Untersuchungen, die zunächst in der Zeitschrift "Quadern! Rossi" seit Begim der 60er Jahre erschienen waren. Vor allem Romano Alguati hatte hier begriffliche und methodische Werkzeuge der Untersuchung en wickelt, die wir uns neu aneignen wollten. In einer Situation große Schwäche und Zersplitterung der Arbeiter hatten die italienischen Genossen damals die Frage aufgeworfen, mit welchen Bedürfnissen und in welchen Formen diese Arbeiter sich denn in Wirklichkeit ihrer Verwertung widersetzten. Sie untersuchten in mehreren wichtigen Betrieben die neue Organisation der Ausbeutung, ihren technischen Apparat und ihre Mythen, und sie stießen dabei zu der Erkenntnis vor, daß die Neugestaltung der Produktion die Antwort des Kapitals auf die Fähigkeit der Arbeiter ist, die Ausbeutung und ihre Intensivierung zu unterlaufen. Um sich der Arbeiter als produktiver Kraft immer wieder zu bemächtigen, muß das Kapital in ständiger technischer und organisatorischer Neuzusammensetzung der Produktion die innere Struktur der Arbeiterklasse angreifen, diese Struktur aufbrechen und sie funktional zur Ausbeutung neu kombinieren. "Klassenzusammensetzung", "Neuzusammensetzung der Klasse" sind die wichtigen Begriffe, die hier entwickelt werden.

Aber die Untersuchung bleibt nicht bei der Beschreibung dieser Verhältnisse stehen. Sie folgt den Spaltungslinien, an denen entlang sich der Angriff des Kapitals und die technische Neuzusammensetzung der Klasse vollziehen, und sie versucht, bereits im Umbruch die neuen Möglichkeiten kollektiven Widerstands auszumachen und zu propagieren, die den Angriff zum Scheitern bringen können: aus der technischen und organisatorischen Neuzusammensetzung der Klasse ergibt sich die Chance ihrer "politischen Neuzusammensetzung" als Gegnerin der Verwertung.
Auf dem Hamburger Workshop schlugen wir vor, uns die Methoden und den Begriffsapparat dieser Untersuchungen wieder nutzbar zu machen, sie auf unsere gegebene Klassenwirklichkeit anzuwenden und unter uns einen Austauschprozeß über die gemachten Erfahrungen und die gewonnenen Erkenntnisse zu organisieren. Um "Voruntersuchung" sollte es dabei erst einmal gehen. Was sich nach diesem Anstoß unter uns entwickelt hat, war nicht ganz befriedigend. Mehrere Leute haben sich in einer festen Zusammensetzung immer wieder getroffen und diskutiert. Es wurden einige Voruntersuchungen durchgeführt, Fragebögen wurden entwickelt und in Ansätzen ausprobiert, aber was wir heute vorweisen können, genügt nicht. Jedenfalls können wir nicht weitermachen wie bisher. In den abgelaufenen zwei Jahren haben sich die Bedingungen unseres Vorhabens spürbar verändert: einmal gibt es eine ganze Reihe von Gruppen, die über Erfahrungen und Analysen aus den Ausbeutungsverhältnissen verfügen. Diese möglichen Hilfen haben wir uns noch nicht untereinander verfügbar gemacht. Zum anderen erfordern auch die geänderten Verhältnisse in den Klassenbeziehungen neue Herangehensweisen.

Vor zwei Jahren schien in den Betrieben vor dem Angriff des Kapitals erst einmal alles zurückzuweichen, abzutauchen. Inzwischen gibt es da neue Zeichen von Widersetzlichkeit. Nicht überall äußert sich das selbständig und unversöhnlich dem Kapitalkommando gegenüber. Vielfach gerät der Widerstand noch und wieder in die bestehenden Kanäle der Vermittlung durch Gewerkschaften und Betriebsräte. Wobei wir einschränkend sagen müssen, daß wir oft nur die Versionen dieser Vermittler über die Konflikte kennen. Deutlich zeigen sich aber auch Widerstandsformen, die nicht mehr so leicht zu vereinnahmen sind. So scheint die Befristung von Arbeitsverhältnissen langsam ihre Schrecken zu verlieren. In dem Maß, wie Zeitarbeitsverträge sich massenhaft ausgebreitet haben und andererseits (mit regionalen Unterschieden) wieder leichter ein neuer Arbeitsplatz gefunden werden kann, läßt die disziplinierende Wirkung der Befristung nach. Wenn fast jede/r befristet schafft, dann glaubt kaum jemand mehr an Übernahme und Bewährungsprämien. Da stößt dann beispielsweise der Versuch, den Arbeitstag zu verlängern, Überstunden zu fahren auf "neu zusammengesetzten" Widerstand. Über solche Fälle gibt es in unserem Kreis unmittelbare Erfahrungen. Auch die "neuen Technologien" sind an vielen Orten nicht mehr ganz neu. Arbeiterinnen lernen inzwischen, mit dem neuen technischen Apparat umzugehen und ihn ins Leere laufen zu lassen.

Wenn wir diesen Entwicklungen nicht hinterherlaufen wollen, müssen wir in der Untersuchung aufholen, beim Fußfassen in den Arbeitsverhältnissen unnötigen Zeitverlust vermeiden, die Orientierung verbessern, uns klare Begriffe von der sich neu bildenden politischen Zusammensetzung der Klasse verschaffen. Unmittelbar wichtig und für den Kampf brauchbar wird unsere Untersuchung, wenn sie die jeweils geplante Neustrukturierung der Ausbeutung darstellen kann, bevor sie verwirklicht ist, wenn wir beabsichtigte Spaltungen im voraus erkennen und uns gemeinsam mit den anderen auf die Abwehr vorbereiten können. Wie sich im Betrieb aus den Anfangsschritten der Untersuchung das brauchbare Verfahren entwickeln läßt, dazu sollen im weiteren praktische Vorschläge gemacht werden.

Referat 2:

Wir wollen in diesem Arbeitskreis über das Konzept militante Untersuchung diskutieren, wie setzen wir es praktisch um und welche Schwierigkeiten tauchen dabei auf. Um die Diskussion zu strukturieren, haben wir das Ganze in 3 Komplexe unterteilt:

1.) wie orientiere ich mich im Betrieb, wie untersuche ich die Klassenzusammensetzung; 2.) Aufbau eines Arbeiternetzes, Angehen der politischen Klassenzusammensetzung; 3.) Verallgemeinerung unserer Erfahrungen zur politischen Klassenzusammensetzung (welche Ansätze von Verweigerungs- und Kampfformen sind momentan festmachbar und an welchen Punkten entzünden sie sich).

zu 1)

MU hat nix mit, wie schon mal formuliert wurde, "teilnehmender Beobachtung" oder ähnlichem Quatsch zu tun, sondern thematisiert von Anfang an als subjektive Komponente auch das eigene Verhalten. Wobei es natürlich auch darum geht, nicht sofort wieder rauszufliegen. Viel größer ist jedoch die Gefahr, sich kaltstellen zu lassen bzw. vielleicht der häufigste Fall, das selbst zu bewerkstelligen. Gemeint ist damit das bekannte Phänomen des Sich-Einrichtens oder auch Versackens im Betrieb. Das hat sehr viel mit den Mechanismen der politischen Desorganisation und Atomisierung auf selten der Klasse zu tun. Gemeint ist damit die soziale Klassenzusammensetzung und damit vor allem die diversen Scenes, wie sie beispielsweise in der Nr.38 der Wildcat (KKP-Artikel) rausgearbeitet wurden. Der Integrationsdruck ist hier wahnsinnig stark; diesem nachzugeben, heißt das Ende der militanten Untersuchung. Für uns muß das also vom ersten Tag an heißen rauszuarbeiten, worum sie sich gruppieren, auf welcher realen Basis sie sich zusammensetzen (Produktionsorganisation, Nationalitäten, Sexismus, politisch, Kiffer, Alks usw.), welche Mythen und Ideologien sie produzieren, welche Spaltungslinien sie damit aufbauen und wie sie für die produktive Kooperation und das Abteilungskommando funktionieren. Sich hier querzustellen, sich also mit den Scenes zu konfrontieren, um sie zu zersetzen, heißt sehr unmittelbar, sich mit der Funktionsweise des kapitalistischen Kommandos zu konfrontieren und dieses zu zersetzen. Heißt die Formen der Kollaboration und Zuhälterei zunächst sich selbst und damit den anderen klarzumachen und zu isolieren.

Ähnliches gilt für die technische Klassenzusammensetzung. Im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Bedeutung als politisches Instrument des Kapitals sind wir hier mit einer ungeheuren Begriffslosigkeit konfrontiert, der auf Arbeiterseite extrem verknöcherte und hartnäckige Mythen entsprechen. Von daher muß sie von uns permanent thematisiert werden und an ihr der kapitalistische Plan vorgezeichnet werden, gerade gegen die Tendenzen der Klasse, sich auf einem bestimmten Stand von Arbeitermacht einzurichten und einzuigeln. Die Funktion der technischen Zusammensetzung für das Kapitalprojekt zu vermitteln und begreifbar zu machen, ist Vorbedingung wie Instrument, die politische Klassenzusammensetzung in Angriff zu nehmen. Wobei militante Untersuchung der technischen Zusammensetzung zunächst heißt, konkret rauszuarbeiten, was an der alten für das Kapital nicht mehr funktionalen Zusammensetzung zersetzt und wo die neuen Spaltungslinien gezogen werden sollen. Also wo und inwieweit werden die Verweigerungs-, Widerstandsstrukturen und - formen aufgegriffen und umgedreht, auf welche Schichten/Fraktionen der Klasse stützt sich die Automatisierung, und welche Brüche sind hier angelegt (was in dem "Roboter-Papier" ansatzweise und recht fragmentarisch thematisiert wurde), wie sieht die produktive Kooperation an den neuen Automaten/Industrierobotern aus und welche Ansätze, die neue Stufe der Kooperation umzudrehen, gibt es bereits; welchen Arbeitergebrauch der neuen Technologien gibt es und welche Widersprüche sind hier angelegt.

In dem Zusammenhang sollten wir vielleicht noch mal kurz auf Funktion und Gebrauch des Fragebogens zu sprechen kommen. Wobei es, denke ich, zwei Fehler gibt: einmal zu glauben, auf den Fragebogen verzichten zu können und andererseits, ihn überzubewerten.

a) Im eigenen Abteilungsbereich ist der Fragebogen ein persönliches Orientierungs- und Hilfsmittel, um systematisch die technische und soziale Zusammensetzung klarzukriegen und hilft, das Verhaspeln in vermeintlichen Widersprüchen zu vermeiden.

b) In bezug auf andere Abteilungen hat er ne Doppelfunktion: zum einen rauszukriegen, was da Sache ist, zum anderen den Befragten befähigen, darüber selbst sein soziales und technisches Umfeld klarzukriegen.

zu 2)

Erster Diskussionspunkt wäre hier Aufbau und Organisation eines Arbeiternetzes. Wobei es darum geht, spezielle Erfahrungen und Schwierigkeiten zu diskutieren. Das wären zum Beispiel das Bewegen in und durch die zentralen Scenes (Türken), der Umgang mit dem Reformismus der Klasse (z.B. Delegationstendenzen) und in diesem Zusammenhang gerade auch der Umgang mit dem offiziellen Reformismus: Erfahrungen mit den Linksgewerkschaftlern und ganz prinzipiell hier mal die schon historische Fragestellung anzureißen, ob ein proletarischer Gebrauch der Gewerkschaft überhaupt möglich ist.

Als nächster Punkt dann, welche Funktion unsere Agitationsinstrumente wie Flugis und Zeitungen für die Entfaltung der politischen Klassenzusammensetzung haben, wie wir sie einsetzen, und welche Erfahrungen wir damit gemacht haben. Dazu paar Stichpunkte: Spannungsverhältnis von Handlungs-/Aktions-/Organisations-vorschlägen und ihre Aufnahme/Umsetzung - Umgang mit der offenen Thematisierung von Krankmachen/Sabotage usw. und die Reaktion darauf - unsere Erfahrungen, Probleme und Schwierigkeiten mit der Dialektik von Aktion und Reaktion: je besser unsere Vorschläge sind, desto heftiger, deftiger und gezielter die Reaktion des Kommandos und seiner gewerkschaftlichen Hilfstruppen und damit ein ungeheurer Druck, die politische Initiative nicht zu verlieren.

Worüber wir auch zum letzten Punkt, der Organisationsfrage kommen, die zumindest folgende Ebenen hat:

a) die lokale Gruppenstruktur, was vorneweg heißt: militante Untersuchung ist nur als Gruppe möglich und ne Gruppe sind zumindest 3 plus ... Das zumindest läßt sich aus all den Erfahrungen der letzten Jahre klipp und klar festhalten. 3 plus meint, daß die Betriebskader in nem permanenten Diskussionszusammenhang mit anderen stehen müssen, die von außen sich schnell einstellende Bornierungen aufbrechen und neue Denkanstöße geben (das waren in den Interventionsgruppen des RK Anfang der 70er die "Außenkader");

b) militante Untersuchung ist kein Aufsatteln auf ne Betroffe-nenpolitik in dem Sinn, da ich/wir grad bei XY malochen, machen wir halt dort militante Untersuchung, sondern muß Konsequenz einer stringenten Gruppendiskussion sein, die sich die Frage vornimmt, wo machen wir militante Untersuchung und warum machen wir sie dort;

c) darüberhinaus die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Diskussion mit anderen Gruppen, die die Diskussion der Erfahrungen und politischen Initiativen hin zu einer Verallgemeinerung und einer Aufarbeitung gemeinsamer drängender Problemkreise und Fragestellungen (Automatisierung, Arbeitsmarkt usw.) zum Ziel hat, was nun gar nicht heißen soll, einen solchen Zusammenhang als Theoriezirkel zu , verstehen.

zu 3)

Wie im ersten Referat schon angerissen, hat's unter uns in den letzten 3 Jahren ne Menge von (Vor-)Untersuchungen und damit Erfahrungen gegeben, die in unseren Zusammenhängen bisher - soweit überhaupt - nur sehr halbherzig und bruchstückhaft zusammengetragen und diskutiert worden sind. Es ist langsam an der Zeit, die Diskussion darüber zu intensivieren, in welchen Punkten und wie weit wir heute in der Lage sind, diese zu verallgemeinern: was können wir an Verweigerungs- und Kampfformen momentan zusammentragen, die vielleicht ansatzweise eine neue politische Klassenzusammensetzung andeuten? An welchen Reibungspunkten sind erste Brüche, Homogenisierung erkennbar (z.B. Lohn/ - Spaltung, Flexibilisierung, Automatisierung, Prekarisierung). Aber auch; wo kriegen wir absolut keinen Boden unter die Füße, erscheint ne Homogenisierung zumindest vorläufig nicht möglich?

Wobei zumindest ein paar Thesen bei rauskommen sollten, an denen wir gezielt weiterdiskutieren können.